Staupitz an den Grafen zu Stolberg und Bernigerade

Dem edlen wolgebornen herren, hern Bothe, graffen zu Stolberg und Bernigerade etc., meynem gnädigenn heren.

Jhesus.

Edler wolgeborner gnädiger lieber herre. E. g. seyn meyne arme gebethe vnd dinste bevor. Gnediger herre, meyne vätere und bruder des closters MAgdburg haben irer sachen mit den von Plote halben e. g. zu besuchen, dere radt und hülffe zu begeren. Wan dan, als ich bericht bin, dy sachen vormals abgeredt seyn, ist meyn vndertanige bethe an e. g. daß sy dem armen gotzhauß auß schaden zu rüe helfen wölle, vnd für lengeren vorzugk vorhueten. Daß wöllen meyne bruder vnd ich gegen got zu vordynen geflissen seyn, dem ich domit e. g. treulich wil bevolen haben, bittende, daß sy meyn vnd meynder bruder gnädiger herre sey und bleybe. Geben am achtzehenden Augusti 1517.

e.g.
vndertaniger caplan
bruder Johannes v. Staupitz,
Augustiner vicar.

Zeitschrift für die historische Theologie
Herausgegeben von
Dr. Karl Friedrich August Kahnis
Vierundvierzigster Band.
Gotha
Friedrich Andreas Perthes
1874

Luther, Martin – An Johann Lange (18.5.1517)

Ich habe keinen andern Anlaß, Euch zu schreiben, als daß ich den pater, der Euch dies überbringt, nicht ohne Brief und Gruß zu Euch entsenden will. Ich habe mich, Gott sei Dank, beruhigen können, da Frater Johannes Gumann wohlbehalten heimgekommen ist. Der ehrwürdige Vater Vikarius schreibt, er wolle ehestens bei uns eintreffen.

Unsre Theologie und St. Augustinus kommen wacker vorwärts und herrschen unter Gottes Beistand auf unsrer Universität. Aristoteles steigt immer mehr von seiner Höhe herab und ist dem Fall für alle Zeit gar nahe; allen sind die Vorlesungen über die Schulbücher der Sentenzen wunderbar widerwärtig und niemand kann auf Zuhörer hoffen, wenn er nicht diese Theologie, das ist die Bibel oder St. Augustinum oder über einen andern hochgeehrten Kirchenlehrer lesen will. Gehabt euch wohl und betet für mich. Dienstag nach Vocem Jucunditatis (18. Mai) Anno 1517.

Bruder Martin Luther.

Es grüßt euch Meister Christian Goldschmidt, der eben gegenwärtig ist.

Luther an Scheurl

6.5.1517

An Herrn Christoph Scheurl seinem im Herrn getreuen Freund.

Meinen Gruß! Vor allem andern dank ich Euch, bester Mann, für das Geschenk, die Staupitzischen Schriften; zugleich aber muß ich mich recht schämen, daß dieser sehr ehrwürdige Pater auch meine Kleinigkeiten unter euch ausbreitete. Wahrlich ich habe sie nicht für euch Nürnberger, diesen feinen, aufgeklärten Geistern, sondern nur, wie Ihr wisset, für unsere rohe Sachsen geschrieben, denen man ächten christlichen Unterricht, bei aller Weitläuftigkeit, nicht genung zergliedern und vorkäuen kann. Böt ich auch allen meinen Kräften auf, ich würde doch nie etwas leisten können, das Männern, die mit der römischen Litteratur bekannt sind, nur einiger Maaßen erträglich wäre; um wie viel weniger den eurigen, zumal ich mir eigens vornahm, mich in den so engen Faßungskreis unsers Pöbels einzuschränken. Ich bitte Euch also recht sehr, schaffet, so viel Ihr könnet, meine Sätze aus den Augen der Gelehrten. Uebrigens aber gab ich mir alle Mühe, unserm Ecke, Eurer Ermahnung gemäß, einen recht freundschaftlichen Brief, mit aller Behutsamkeit zu schreiben. Noch weis ich nicht, ob er ihn erhalten habe. Diese Dätze, oder wie man sie nennet, Positionen, schick ich Euch, und durch Euch dem Pater Magister Wenzel, und allen denen, die an dergleichen Tändeleien ein Wohlgefallen haben. Wenn ich mich nicht trüge, so sind es nicht eines Cicero, sondern unsers Karlstads Paradoxen, oder viel mehr des heiligen Augustins, die so viel erhabner und würdiger sind, als jene ciceronianischen, je mehr Augustin oder viel mehr Christus über cicero erhaben ist. Diese Sätze sind ein stetter Vorwurf der Verwahrlosung und Ignoranz derer, die sie lieber für paradoxwe (höchst seltsame, auffallende) als orthodoxe (der reinen Lehre der allgemeinen Kirche gemäß) halten; geschweige derer, die unverschämt genung sind, sie gar als heterodox (Irrsale) zu verläumden, die weder Paulus noch Augustin lesen, oder wenigstens ohne Verstand lesen, und sich und andere verwahrlosen. Bescheidenen Männern, die sie nicht ganz durchsehen, mögen ist immer wunderbar vorkommen; einsichtsvollen werden sie sich im wahren, schönsten Lichte zeigen; ich sehe sie als Grundwahrheiten in ihrem Urlichte. Gepriesen sey der Herr Gott, der aus den Finsternissen Licht hervor zu leuchten gebeut!

Ich muthmaße,, daß unser Pater Vikarius nicht bey euch seyn müße. Wir hoffen, er werde zu uns kommen. D. Christian Reuter schied aus diesem zeitlichen Leben. Gott gebe ihm das ewige! Amen.

Einen Gruß von Amsdorf und dem ganzen Häuflein Freunde. Auch grüßen wir durch Euch alle, die es verdienen. LEbet wohl. Wittenberg den 6ten May 1517.

Bruder
Martin Luther.
Augustiner.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.

Luther, Martin – An Georg Spalatin (3.4.1517)

Jesus.

Heil! Weil mir gute Leute gesagt haben, lieber Herr Magister, daß ihr Macht hättet Namens des verstorbenen Dr. Reuther Kleidung oder Tuch für Arme auszutheilen: so hat man mich ersucht für einen jungen Menschen, genannt Wolfgang, dem auch wir um Gottes Willen Kost geben, bei euch zu bitten. Es ist ein ehrlicher Bursch, voller guten Hoffnung und Treue. Darum, wenn Andere ihm nicht zuvor gekommen sind und ihr seiner, vielmehr unserer Armuth helfen wollt, so seht ihr hier eine schöne Gelegenheit vor euch. Doch ich will euch nicht hart anliegen, weil ich versichert bin, ihr werdet von euch selbst thun, was gut ist. Gehabt euch wohl. Eilig aus unserm Kloster. Freitag nach Judica (3. April) 1517.

Bruder Martinus Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Lange (1.3.1517)

Ich lese jetzt unsern Erasmus, aber täglich gefällt er mir weniger. Das ist schon recht, daß er die Mönche und Priester so beständig und gelehrt widerlegt und sie einer eingewurzelten und schlafsüchtigen Unwissenheit beschuldigt. Aber ich fürchte er breitet Christum und die Gnade Gottes nicht genug aus, von der er gar wenig weiß. Das Menschliche gilt mehr bei ihm als das Göttliche. Wir leben in gefährlichen Zeiten und ich sehe, daß nicht jeder deshalb weil er ein guter Grieche oder Hebräer auch ein wahrer Christ ist. Anders urtheilt wer menschlichem Willen und Willkür Alles einräumt, anders der nichts kennt als die Gnade Gottes. –

Aus unsrer Wüste Wittenberg, am Sonntag Invocavit (l. März) 1517.

Euer Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Christoph Scheurl, Rechtsgelehrten zu Nürnberg.

Wittenberg, den 27. Jan. 1517

Heil! Ich habe deinen Brief empfangen, hochgelehrter und werthester Christoph, der mir sehr angenehm, aber auch sehr betrübend war. Warum bist du traurig? Was hättest du mir Lieberes schreiben können, als was du geschrieben, da du den ehrwürdigen Vater, ja Christum in seinem Werkzeug, nehmlich unsern Vicarius, mit so würdigem Lobe erhoben hast! Denn man kann mir nichts Angenehmeres erzählen, als daß die Stimme Christi gepriesen, gehört und angenommen, ja darnach gelebt, dieselbe empfunden und verstanden werde. Wiederum, was konntest du Bittereres schreiben, als da du meine Freundschaft suchtest, und mich mit so eiteln Titeln ehrtest? Ich will nicht, daß du mein Freund werdest: denn meine Freundschaft wird dir nicht zur Ehre, sondern zur Gefahr ausschlagen, wenn anders das Sprüchwort wahr ist: „Freunde haben Alles gemein.“ Wenn nun, was mein ist, durch Freundschaft das deinige wird, so wirst du nichts zum Besten haben, als Sünde, Thorheit und Schande. Denn das sind meine Sachen, die du doch an mir mit andern Namen (wie gesagt) geehrt hast. Doch ich weiß, daß du christlich gesinnt bist, und sagen wirst: ich bewundere nicht dich, sondern Christum in dir. Hierauf sage ich: wie kann Christus meine Gerechtigkeit sein in Sünden und Thorheit? Ja dieß ist eben die höchste Vermessenheit, sich einzubilden, daß man Christi Wohnung sei, und kann man solches Rühmen auch kaum dem apostolischen Stande gestatten. Ich preise dich also zwar glücklich, daß du in dieses Mannes, unseres Vaters, Freundschaft und Vertraulichkeit stehst: aber schone deine Ehre, daß du nicht zu meiner Freundschaft entartest, obwohl auch eben jener ehrwürdige Vater nicht ohne meine Furcht und Gefahr mich allenthalben rühmt und sagt: ich preise Christum in dir und ich muß es glauben. Es ist aber ein harter Glaube. Denn es ist dieses Leben so jämmerlich und elend, daß, je mehr man dergleichen Lobredner und Freunde hat, desto mehr sie schaden, wie geschrieben steht: „des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein,“ und abermal: „die mich lobten verschworen sich gegen mich“, und: „meine Freunde und Verwandten haben sich wieder mich aufgemacht und sind gegen mich gestanden.“ Denn je mehr Menschengunst zu uns nahet, desto mehr Gottesgunst weicht von uns. Denn Gott will entweder der alleinige oder kein Freund sein. Zu diesem Uebel kommt auch vollends dieß, daß, wenn man sich demüthigt, und Lob und Gunst verweigert, desto mehr einem Lob und Gunst (das ist Gefahr und Verderben) folgt. O viel heilsamer ist demnach Haß und Schmach als Aller Lob und Liebe: weil der Haß blos einfache Gefahr, die Liebe aber zweifache ist. Nichts gleicht mehr einem liebenden, ja rasenden Weibe, welches das Versagte desto wüthender begehrt, als solch zeitlich Lob und Ehre. Von solchem ehebrecherischen schlimmen Weibe, siehe, schreckt mich Salomo so ernstlich ab Spr. 7 und anderwärts, da er sie als eine Fremde, Auswärtige und Verführerin der Jugend beschreibt.Ich schreibe das nicht, lieber Christoph, daß ich dein aufrichtiges und wohlwollendes Herz verachten wollte, sondern weil ich auch für mein Gemüth zu besorgen habe. Du thust, was einem frommen und christlichen Menschen zusteht, der niemand, als sich selbst verachten soll: ich muß mich aber auch bestreben, daß ich ein Christ wie du sei (wenn die Freundschaft nachhaltig sein soll) das ist, daß ich ein Verächter meiner selbst sei. Denn das ist kein Christ, der die Menschen wegen ihrer Gelehrsamkeit, Tugend, Heiligkeit und ihres Rufes achtet (denn das thun auch Heiden und die schwatzhaften Dichter, wie sie auch in unserer Zeit ihre Namen nennen), sondern der einen dürftigen, armen, thörichten und elenden Sünder liebt; wie auch der Psalm sagt: „wohl dem, der Einsicht hat,“ nicht über den Gelehrten, Gebildeten, Heiligen, Geförderten, sondern über den Armen und Dürftigen. Endlich bekennt Christus, daß ihm das geschehen sei, was einem seiner geringsten Brüder geschehen sei, da er hätte sagen können: seinen größten und höchsten. Denn was hoch ist bei den Menschen, ist bei Gott ein Gräuel. Zu solchem Gräuel nun bitte ich um Christi unsers Herrn willen mich nicht zwingen und nöthigen zu wollen, wenn du mein Freund sein willst. Das wirst du aber sehr leicht thun, wenn du mich weder ins Angesicht, noch vor Andern irgendwie lobst. Wenn du aber je meinst, daß Christus in mir zu loben sei, so nenne auch dabei seinen Namen und nicht meinen: weil Christi Sache durch meinen Namen befleckt, ja verkürzt und benachtheiligt wird. Wenn Jemand von Sachen redet, als mit den eigenen Namen derselben, warum preisen wir denn Christi Sachen ohne Christi Namen? Siehe, wie dein Freund so wortreich ist: lies es mit Geduld. Lebe wohl in Christo.

Aus der Clause zu Wittenberg.Br. M. Luther,
Eremit des Ordens St. Augustins.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Spalatin

Gruß und Segen voran! Sehr lieber Herr Spalatin! Ich erbitte von Euch einen Dienst, ein Werk der Liebe und ein Werk des Glaubens. Verhelft mir zur Stunde zu den Briefen des St. Hieronymus oder zieht so kurz es Euch möglich iaus seiner kleinen Schrift „de viris illustribus“ aus, was der Kirchenvater vom Apostel St. Bartholomäus geschrieben hat. Sorgt, daß ich es vor der zwölften Stunde erhalte; ich will darüber predigen. Die Possen und Lügen des „Catalogus sanctorum“ und der „Legenda aurea“ haben mir großen anstoß erregt. Lebt wohl, bester Bruder.

In unserm Klösterlein.

Bruder Martinus Luther, Augustiner.

Ihr dürft Euch nicht wundern, daß ich ein Theolog sein will und doch keinen Hieronymus besitze. Ich warte auf die Ausgabe des Erasmus, und die, welche ich bisher im Gebrauch hatte, hat Johannes Lang mitgenommen und verkauft.

Martin Luthers Briefe
In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald.
Erster Band.
Leipzig/ im Inselverlag/ mdcccix.

Luther, Martin – An Georg Spalatin (14.12.1516)

Wittenberg, den 14. Dezember 1516

Dem Diener Christi und Priester des Herrn, G. Spalatin, dem hochgelehrten Magister, seinem aufrichtigen Freund und redlichen Bruder.

Jesus.

Daß du schreibst, bester Spalatin! der durchlauchtigste Fürst gedenke meiner häufig und ehrenvoll, darüber freue ich mich eben nicht, bete jedoch, daß Gott der Herr ihm für seine Demuth Ruhm geben wolle. Denn ich bin nicht werth, daß irgend ein Mensch meiner gedenke, geschweige ein Fürst, und zwar ein solcher und so großer Fürst. Ja ich sehe und erfahre, daß diejenigen mir am meisten nützen, welche meiner am übelsten gedenken. Doch bitte ich, du wollest meinetwegen danken für die Gnade und das Wohlwollen unseres Fürsten, obwohl ich weder von dir noch sonst jemand gelobt werden will, da des Menschen Lob eitel ist, und allein das Lob Gottes wahrhaftig ist, wie geschrieben steht: „nicht im Menschen, sondern am Herrn soll meine Seele gelobt werden,“ und wiederum: „nicht in eurem Namen, sondern in seinem heiligen Namen werdet gelobt.“ Nicht daß unsere Lober zu strafen wären, weil sie lieber Menschen loben, als Gott, welchem sei allein Lob, Ehre und Preis. Amen.

Du verlangst mein Urtheil über dein Vorhaben, einige Werkchen in’s Deutsche zu übersetzen: Du verlangst, was über meine Kräfte geht. Wer bin ich, daß ich urtheile, was allgemein gefalle und nütze? Da es allein Gnade ist, daß was irgend gefällt und nützt, dergleichen ist. Weist du nicht, daß, je heilsamer etwas ist, destoweniger es gefällt und nützt? Was ist heilsamer, als das Evangelium und Christus? Sie werden aber nicht geachtet und sind den Meisten ein Geruch des Todes zum Tode, den Wenigsten aber ein Geruch des Lebens zum Leben. Du sagst etwa: du wollest nur denen öffentlich nützen, welchen das Gute gefällt. Hier brauchst du also meinen Rath nicht: die Schafe höre allezeit jede Stimme des Hirten und verschmähen oder fliehen nur die Stimme des Fremden. Was du mithin auch thun willst, wenn es nur gut und Christi Stimme ist, so darfst du nicht zweifeln, es wird gefallen und nützen, aber wenigen und sehr selten, weil die Schafe in dieser Wolfgegend sehr selten sind.

Vor Allem aber bitte in einem demüthigen Gebetlein um Christi Rath und Willen, welchem auch das Gute nicht gefällt, welches ohne seinen Befehl und Willen geschieht, wie Jesajas C. 30 sagt: „wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder, daß ihr euren Rath angefangen, aber nicht aus mir und ein Werk unternommen, aber nicht durch meinen Geist.“ Folge also nicht deiner guten und frommen Absicht, wie die gemeinen Mönche und Priester hin und wieder gröblich irren, sondern frage, ob es erlaubt, ja befohlen, in diesem deinem Werke besonders, sowie in allen andern Thaten, wenn du nicht willst, daß dein Werk zu Stoppeln werde. Laß doch aber auch meinen Rath dabei gelten. Hast du Lust, eine lautere, gründliche, der alten ganz ähnliche Gottesgelahrtheit zu lesen, in deutscher Sprache geschrieben, so kannst du dir die Predigten Joh. Taulers vom Prediger-Orden schaffen, wovon ich dir hier einen kurzen Auszug schicke. Denn ich sehe weder in der lateinischen noch deutschen Sprache eine heilsamere Theologie, die mit dem Evangelium besser übereinstimmten. Schmecke also und siehe, wie freundlich der Herr sei, wenn du zuvor geschmeckt und gesehen hast, wie bitter Alles ist, was wir sind. Aus unserem Kloster zu Wittenberg. Am Sonntag nach Lucia im J. 1516.

Br. Martin Luther.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Johann Lange (26.10.1516)

Jesus.

Heil! – Ich brauche fast zwei Schreiber oder Kanzler; ich thue fast nichts den Tag über als Briefe schreiben, daher weiß ich nicht, ob ich etwa ein Ding zweimal schreibe; ihr werdet es sehen. Ich bin Klosterprediger, Lehrer bei Tisch, täglich werde ich abgefordert als Pfarrprediger, bin Rector der Schule, bin Vicarius, das ist elfmal Prior, bin Fischaufseher in Leitzken, Herzbergischer Sachwalt in Torgau, Ausleger des Paulus, Mitausleger der Psalmen und außerdem, wie schon gesagt, nimmt mir die meiste Zeit das Geschäft des Briefschreibens. Sieh, was ich für ein müßiger Mann bin. Ihr schreibt, daß ihr gestern das zweite Buch der Sentenzen angefangen: ich werde morgen den Brief an die Galater anfangen, wiewohl ich fürchte, die Pest werde mich, wenn ich angefangen, nicht fortfahren lassen. Sie reißt höchstens zwei oder drei, doch nicht täglich, bei uns hin, aber dem Schmid uns gegenüber ist ein Sohn gestern noch gesund, heute todt und der andere liegt angesteckt darnieder. Ja, sie ist da und schreitet fort grimmig und schnell, zumal unter der Jugend. Ihr rathet mir zu fliehen. Wohin soll ich fliehen? Ich denke die Welt wird nicht untergehen, wenn Bruder Martin zu Grunde geht. Aber die Brüder will ich, wenn die Pest weiter um sich greift, in alle Welt aussenden: ich aber bin hieher gestellt; um des Gehorsams willen darf ich nicht fliehen bis derselbe Gehorsam, der es mir geboten, auch das mir gebietet. Nicht, daß ich den Tod nicht fürchtete, denn ich bin kein Apostel Paulus, sondern mir sein Ausleger, ich hoffe aber, der Herr wird mich auch von dieser Furcht befreien.

Gehabt euch wohl. Gedenkt unser, Amen. Den 26. Oct. im Jahr 1516.

Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Spalatin

5.10.1516

Heil und Gruß voran! Eure gestrige Sendung, Brief und Dukaten, habe ich empfangen. Euren Auftrag werde ich ausrichten. Ferner hat der Prior zu Erfurt, Johannes Lang, mir das „Bittschreiben wider die falschen Theologen“ übersandt. Es enthält keine Tatsachen und erweist so denselben oder einen ähnlichen Narren als seinen Verfasser, wie die „Epistolae obscurorum virorum“. Die Absicht billige ich, nicht aber die Ausführung; denn der Verfasser unterläßt weder Schimpfereien noch Schmähungen. Doch sei ihm, wie ihm sei, alle, denen ich es mitgeteilt habe, haben darüber lachen müssen. So seht selbst und lest es mit Eurer gewohnten Bescheidenheit. Lebt wohl.

Martin Luthers Briefe
In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald.
Erster Band.
Leipzig/ im Inselverlag/ mdcccix.