Luther, Martin – An Churfürst Friedrich von Sachsen (1518)

Durchlauchtigster Hochgeborner Fürst, gnädigster Herr. Es ist mir zu viel, daß Ew. Churf. Gn. so weit in meine Sachen und Müh‘ gezogen wird; dieweil aber die Noth und Gott es so fügt, bitt ich Ew. Churf. Gn. wollte mir’s zu Gnaden vor gut haben. Es hat Herr Carolus von Miltitz gestern hoch angezogen die Unehr‘ und Frevel, so durch mich der römischen Kirche ist zugefügt und ich mich auf’s allerdemüthigste zu thun, was ich vermag zu Erstattung, hab erboten. Nun bitt ich Ew. Churf. Gn. wollt mein Bedenken beschauen, das ich hiemit zu erkennen gebe.

Zum ersten wollt ich verheißen dieser Materien hinfürter stille zu stehen und die Sache sich selbst zu Tod bluten zu lassen, (sofern der Widerpart auch schweige) denn ichs dafür acht‘, hätt man mein Schreiben lassen frei gehen, es war längst Alles geschwiegen und ausgesungen und ein jeglicher des Liedleins müde worden. Besorge auch, so diesem Mittel nicht Folge geschieht und weiter werde angefochten mit Gewalt oder Worten, so wird das Ding allererst recht herausfahren und aus dem Schimpf ein Ernst werden. Denn ich meinen Vorrath noch ganz habe. Darum ichs das Beste achte, so man möchte stille stehen in der Sache.

Zum andern wollt ich päpstlicher Heiligkeit schreiben und mich ganz demüthig unterwerfen, bekennen, wie ich zu hitzig und zu scharf gewesen, doch nicht vermeinet der heiligen, römischen Kirche damit zu nahe zu sein, sondern anzuzeigen die Ursache, daß ich als ein treu Kind der Kirche widerfochten hätte die lästerliche Predigt, davon groß Spott, Nachreden und Unehr und Aergerniß des Volks gegen die römische Kirche erwachsen ist. Zum dritten wollt ich einen Zeddel ausgehen lassen, einen jeden zu vermahnen der römischen Kirche zu folgen, gehorsam und ehrerbietig zu sein und meine Schrift nicht zur Schmach, sondern zur Ehre der heiligen, römischen Kirche zu verstehen, auch bekennen, daß ich die Wahrheit allzu hitzig und vielleicht unzeitig an Tag gebracht habe. Zum vierten hat Magister Spalatinus vorgeschlagen, daß die Sache besohlen werde dem Hochwürdigen Erzbischof von Salzburg, desselben Urtheil, so mit gelehrten, unverdächtigen Leuten beschlossen, ich halten sollte oder zu meiner Appellation wiederkehren, so mir’s nicht zu halten wär. Aber ich sorg‘, der Papst will nicht leiden einen Richter, so werd‘ ich des Papstes Urtheil auch nicht leiden. Darum so das erste Mittel nicht vor sich geht, wird sich das Spiel machen, daß der Papst den Text wird machen und ich ihn glossiren. Das wäre nicht gut.

Weiß Churf. Gn. ob ich etwas mehr thun möchte, wollt mir um Gotteswillen es gnädiglich mittheilen. Ich will gerne Alles thun. Alles leiden, daß ich nur nicht weiter aufzustechen verursacht werde. Denn aus der Revocation wird nichts.

Ew. Churf. Gn.
unterthäniger Caplan

Doctor Martinus.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867