Otter, Jakob – An Ambrosius Blaurer

Esslingen, 30. Oktober 1537

De34r Überbringer war bisher unter Schnepf in ärmlicher Stellung, ist aber jetzt vom Pfarrer und der Kirchengemeinde zu Pfullingen angenommen worden unter Vorbehalt Deiner Zustimmung; er ist fromm und verständig. Stehe ihm bei; Schnepfs Einwilligung wirst Du leicht erhalten.

Ceterum fausta audimus de tollendis imaginibus per ducatum, unde gratias agimus domino, qui tuis conatibus dedit successum; interim dissimulamus calumnias multorum, qui nihil aliud didicerunt.

Stephans (Schäffers) Sache, die Du mir und dem Schreiber empfohlen hast, wünschen wir zu fördern, bedürfen aber Deiner Hilfe, da gewisse Leute, weil es sich um eine Ausgabe handelt, ganz abgeneigt sind. Schreibe an den Rat und sorge, daß Machtolf den Brief erhält; so werden wir eine günstige Gelegenheit abwarten. Ich sende für Deine Gattin unser Gebetbüchlein, das die Straßburger, ohne uns zu befragen, mit Titel und Bildern geschmückt haben, woran aber kein Frommer Anstoß nehmen wird. Ich empöfehle unsere Kirche und alle Brüder Deinem Gebet.

Cursim, 30. Octobris

Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer
1509 – 1548
Herausgegeben von der Badischen Historischen Kommission
Bearbeitet von Traugott Schieß
Band I
1509 – Juni 1538
Freiburg i. Br.
Verlag von Friedrich Ernst Fehsenfeld
1908

Juda, Leo – Brief an Ambrosius Blarer, September 1534

Was liebt Gott mehr als Fürsorge für die Armen? Der Ueberbringer dieser Zeilen ist um Christi willen wiederholt vertreiben worden und hat unter dem Kreuze gelebt, ist aber im Bekenntniß nicht eines Fingers breit gewichen. Gott hat ihm bisanhin diese Standhaftigkeit erhalten; er ist’s daher werth, daß Alle um Christi willen sich ihn lassen empfohlen sein. Das Fleisch ist schwach; dieses muß man stets unterstützen, damit es nicht wanke. Deshalb empfehlen wir dir nun diesen Greisen; er ist nicht sowohl gelehrt als fromm, d.h. er zichnet sich weniger durch Gelehrsamkeit aus als durch viel Fleiß und Treue, was mir weit vorzüglicher scheint als jenes. Es ist bei ihm nicht Einfalt ohne Kenntnisse, sondern die Umsicht eines Greisen, durch lange Erfahrung erworben, so daß man nicht besorgen muß, er handle in irgend etwas blindlings und unbesonnen, wodurch Manche die Kirchen in vielerlei Schaden bringen.

Martin Bucer an Blarer – Fragmente

„O Schande!“ ruft er aus, „O Aergerniß! o Treulosigkeit! o ihr Schweizer! Dir aber, o Christus, sei Lob und Ehre, der Du also zeigest, daß Du Alles bist, daß wir allein auf Dich sehen müssen! Gib uns Gemüther, gib Herzen, gib Augen, daß wir nur zu Dir uns hinwenden, nur auf Dich schauen, Dir alles anheimstellen. Je mehr unsere Sache gefährdet ist, desto tapferer wollen wir uns erweisen. Christus vermag alles.“

Bucer Martin an Ambrosius Blarer

Auch ich fürchtete für Zwingli, Das Evangelium siegt durch das Kreuz. Man täuscht sich, wenn man eine Rettung Israels durch äußere Mittel mit Ungestüm erwartet und durch die Waffen beschleunigen will. Große Gefahren machen zwar Alle gleich und entkleiden einen Jeden seines besonderen Charakters; deshalb ich das Schauspiel eines bewaffneten Bischofs nicht für so unwürdig erachte, wenn auf einen Befehl Gottes der Krieg begonnen worden und es bis zum Aeußersten gekommen ist. Ich befürchte aber, daß diese Sache diesmal ohne den Willen des Herrn angefangen wurde, und es beunruhigt mich sehr, daß unser Zwingli nicht allein den Krieg angerathen, sondern mit Unrecht aufgedrungen hat, wie es ganz den Anschein hat, wenn wir recht berichtet sind. Ich glaube, daß die Waffen das Letzte sein sollen, wozu Christen ihre Zuflucht nehmen dürfen. So wünschte ich, daß man durch alle Zugeständnisse, die ohne Verlegung der Ehre Gottes möglich sind, den Frieden aufrecht erhalten hätte. Die V Orte haben zwar, ich gestehe es, eine Züchtigung durch den Krieg verdient, das konnte jedoch nicht die Aufgabe Derjenigen sein, welche so Manches an sich selber zu strafen versäumten und durch keinen besonderen Befehl Gottes dazu angetrieben waren. Man darf auch das Ungewöhnliche nicht leichtsinnig wagen, das heilige Männer zu ihrem Ruhm gethan haben. Das göttliche Wort lehrt, daß wir alle Beleidigungen ertragen sollen und nur Diejenigen richten dürfen, die Gott in unsere Hand gegeben hat. Darüber hinausgehen ist löblich, wenn ein ausdrücklicher Befehl des Herrn vorliegt; fehlt aber letzterer, so heißt es seiner Ordnung widerstehen und das Schwert, wodurch man selbst umkommt, zur Hand nehmen. Wann werden wir aber in so zweifelhaften Dingen Gewißheit erlangen, die wir in unseren Gebeten so schwach sind? welche verderbliche Kälte liegt in diesen Tagen auf den Herzen der Unsrigen!.

Martin Bucer an Ambrosius Blaurer

„Welchen Lärm wird es nun geben und wie wird unser Evangelium heruntergemacht werden! Wie wird man ausposaunen: Derjenige (nämlich Luther) habe nicht falsch prophezeit, der uns des Müntzerischen Geistes beschuldigte! Handeln wir deshalb bescheidener und vorsichtiger. Meine hiesigen Amtsbrüder wissen, welche Befürchtungen jene klugen Pläne stets in mir erregten. Da sie jedoch glückten, dachte ich: mannigfaltig sind die Wege des Herrn. Der ganze Verlauf der Sache wird Dir wohl von Konstanz aus berichtet worden sein, und zwar besser als wir ihn kennen. Ich will Dir dennoch mittheilen, was man uns geschrieben hat.

Am 10. Oktober kam nach Zürich ein früher aus dem Lande verwiesener Laufbursche, um Gnade und Wiederaufnahme bittend und als Gegendienst die Anzeige machend, daß die fünf Orte gerades Wegs gen Zürich heranzögen und schon im Begriff seien, Kappel zu besetzen. Die Zürcher vertrauten dem Verräther, ließen eine Kohorte Bombarden vorrücken und folgten sogleich unter der Führerschaft Georg Göldli’s, in so großen Haufen als möglich, ungerüstet. Zwingli, zu Pferd und bewaffnet, begleitete sie. In einiger Entfernung von der Stadt angelangt, sandten sie jenen Menschen, dem sie Waffen gegeben hatten, voraus, um die Beschaffenheit des feindlichen Lagers auszukundschaften. Kaum hatte er sich ihren Blicken entzogen, so warf er seine Waffen ab, kehrte schnurstracks zu den Feinden zurück und verrieth Alles. Die Luzerner sollen nicht dabei gewesen sein. Jene traten nun aus ihrem Versteck, dem Wald, hervor, als der Augenblick günstig erschien und eröffneten die Schlacht. Die Unsrigen, in Schlachtordnung aufgestellt, griffen mit großem Muthe an, und zwar zuerst mit den Kanonen, welche gute Dienste geleistet haben sollen. Als es dann zum Handgemenge kam, ließen die Zürcher es nicht mangeln an der größten Tapferkeit und zwangen den Feind zu weichen. Bereits war ausgekämpft, als Letzterer bemerkte, daß die Bauern, welche unser Geschütz decken sollten, geflohen waren. Hierdurch ermuthigt, griff er, in schon überlegener Anzahl, uns zum dritten Male an. Es entbrannte nun auf beiden Seiten eine solche Wuth und wurde mit solcher Hartnäckigkeit gekämpft, daß man zuletzt mit den Tischmessern, mit den Zähnen und den Nägeln sich gegenseitig niedermachte. Zwingli, die Seinen in Gefahr erblickend, sprang bis in die zweitvorderste Reihe vor und fiel als ein Held. 16 Kanonen, zwei Banner samt dem ganzen Gepäck gingen verloren. Das große Banner, das in die dritte Hand gekommen war, wurde zuletzt durch einen etwa 18-jährigen Jüngling zusammengerollt und nach Zürich zurückgebracht. Der Feind hat seine Leichen mit sich weggeführt, so daß die Unsrigen seine Verluste nicht erfahren haben. Ein Zürcher, der gefangen worden, hat erzählt, welche Gräuelthaten an Zwingli’s Leiche verübt wurden. In Zürich herrscht unsägliche Trauer, denn es fielen 14 Mitglieder des Kleinen Rathes, unter denen Dumysen mit zwei Söhnen; ungefähr 400, heißt es, werden vermißt, großen Theils Zürcher Bürger und die Besten der Stadt.

O des Unheils! So hat der Herr uns vergolten! Suchen wir Trost bei Christo, welcher unsere Sache augenblicklich nur deshalb verläßt, um uns zu demüthigen. Lebe wohl. Stärken wir uns durch das Gebet. Martin Bucer, ganz der Deine.

Zwingli, Huldrich – An den Pfarrer Blarer – 1528

Der rechte Christ sucht Gott und dem Nächsten zu leisten, was je die Besten geleistet haben, mögen sie Abraham oder Odysseus, Miltiades oder Mose geheißen haben. Die Religion war nicht in die Grenzen Palästinas eingeschlossen, weil der himmlische Geist nicht nur Palästina, sondern die ganze Welt geschaffen hat und mit seiner Liebe umfasst.

Quelle:
Neukauf-Heyn Evangelisches Religionsbuch Teil IV B., Kleine Ausgabe. Lesebuch zur Kirchengeschichte für höhere Schlen von Ernst Heyn. Vierte verbesserte Auflage. Leipzig Verlag von Ernst Wunderlich. 1925

Philipp Melanchthon an Ambrosius Blarer

„Laß dich nicht bestimmen, zu jenen Schwarzröcken zurückzukehren, denn du kannst ohne öffentliche Schande und Schaden des Evangeliums deinen Fuß nicht mehr zurücksetzen. Die Feinde Christi würden es deuten, als ob du, vom Gewissen gedrungen, unter der Verdammung des Evangeliums der Freiheit deiner That dich gereuen ließest. Im Uebrigen bitte ich dich, falls deine Umstände nicht ein Anderes erheischen, du mögest dein Ordensgewand nicht ablegen, damit du wenigstens in diesem Punkt dem Unverstand der Menge Rechnung tragest, bis die Zeit ein Anderes gebietet. Denn hierin, dünkt mich, sollen die Besten so wenig als möglich von ihrem Rechte Gebrauch machen wollen, vielmehr den Anderen nachgeben und Aergerniß verhüten, so weit es immer angeht. Also hat Christus, also haben die Apostel gethan. Selbst Martin wollte Alles eher als sein Augustinerkleid ablegen oder in irgend einer, wenn auch noch so unwesentlichen Ceremonie, wenn sie nur dem Evangelium nicht zuwiderlaufe, einem Bruder Aergerniß geben. Du weißt, daß es bei euch einige fanatische Christen gibt, welche das Bekenntniß Christi nur ins Fleischessen und sonstigen heidnischen Wahn setzen. Sie nennen sich bald Lutheraner bald Evangelische, und doch belasten sie den Namen des Evangeliums mit solcher Schande, daß ich fast wünschen möchte, die Papisten sollen in ihrer Verfolgungswuth gegen die Bekenner des Evangeliums fortfahren, damit dadurch jener Bodensatz unseres Lagers abgeschreckt werde, sich fälschlich diesen heiligen Namen anzumaßen. Bedenke, daß du Christum bekennst, also das Kreuz tragen und dich auf das Aeußerste gefaßt halten mußt, nachdem du jenen Dickbäuchen den Rücken zugekehrt hast. Ich achte dich nicht für einen solchen Neuling im Christenthum, daß du meines Rathes bedürftest oder nicht wüßtest, in welcher Gestalt sich Christus uns zu erkennen gebe, nemlich in jenem verachteten und von der Welt verdammten Zeichen des Kreuzes.“