Barnim von Pommern – An Martin Luther

20. Oktober 1520

Unsern Gruß zuvorn, ehrwirdiger Vater, Lieber, Besunder. Wir haben euer Schreiben, an uns gethan, seins Inhaltens vornommen, und euere Buchlein zu großen Gefallen entfangen und angenommen. Wir hätten uns och wohl vorhoffet, daß dieß Spiel, so man mit euch angehoben und etzlich Zeit getrieben, sollt etwan gestillt sein worden; ober es reißt je länger je tiefer henein. Wie geloobens, daß euer Widerwärtigen an deme Pariser und Erforder Ortel einen Zweifel mussen tragen und forchten, daß es nicht vor sie louten mochte, dieweile sie darvon obstehn und euch itzunds mit dem Banne gedenken anzugreifen. Ob es chrisltich oder tyrannschen gehandelt, wollen wir nicht richten, dieweil es der alte Brouch ist, dardorch die Kirch Gotts zutrennet und erspaltet ist. Wir wissen euch in diesem euern Widerstal nichts zu rathen, sondern allein, daß wir nichts begierlicher oder lieber horen, dann daß ihr so geherziget und kecklich deß Thont vorfolget, als ihr das angehoben und angriffen habet, darmit daß gottliche Warheit an Tag muge kummen. Wenn wir euch so viele wußten zu helfen, als wir euch sehre geneiet sein, so wurdet ihr an große unse Forderung nicht bleiben. Wir willen dieß Spel und euch unserm lieben Herren Gott befehlen und euch gebeten haben, ihr willet euch alles Guten zu uns vorsehen, und was euch vor Spiegelfechten in diesen Sachen widerfährt, uns zu mußiger Zeit nich bergen. Datum Stettyn, Sonnabend nach Lücä Evangelitä Anno XX, doch unser selbst Hand.

Bernym, von Gotts Gnaden Herzog zu Stettyn und Pomern.

Quelle:
Dr. Martin Luthers sämmtliche Werke.
Briefwechsel
Bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Dr. th. Ernst Ludwig Enders
Zweiter Band.
Briefe vom April 1519 bis November 1520
Calw & Stuttgart
Verlag der Vereinsbuchhandlung
1887

Friedrich zu Sachsen an seinen Bruder, Herzog Johann zu Sachsen

Cöln, 19. Octbr. 1520

Hochgeborner furst, fruntlicher liber bruder vnd geffather, e. l. schreyben haben ich vorlessen vnd fruntlicher maynung vorstanden.

vnd wyhe e. l. mir schreyben des kriges solcks halben, ist mir zcu vor von fabian von feylitz auch geschriben worden, der almechtig got gebe, daß es gut werde. dye briff von er karllen von milticz seyn mir auch worden, ist nichts dan dye alde maynung vnd das er noch gerne ffyl geldes vor dye Rossen haben welld.

Ich habe gerne gehord, das e. l. ßo ffyl hechte vnd guthe fysche gefanngen haben, dan eß ist mir ditz Jar mit meynem fyschen nicht wol geganen.

auff dye handelung den von beylingen belangend schreibe ich e. l. auch hyebey wider, vnd ich hore fast wngerne, das der weyn allenthalben erfroren vnd vertorben, er ist in dyssen landen auch nicht fast gut worden, dan werhe er gut, ß0 wild ich mir etlichen gekaufft haben vnd an haym furhen lassen.

das eß alßo zcu leipczig vber den armen martinum gehet, habe ich nicht gerne geordt, ich wayß wol, das meyn vetter Im nicht guthes gon, des gleichen dye lipciger, got welle eß vnß allen zcu guthem, zcu besserung schicken.

wyhe eß mit der Cronung gesthan byß auf dyssen tag, werden e. l. hye bey ssynden vnd mich sehen dye sachen nicht wol an, der almechtig got schicke eß vnß allen zcu genaden, aber in kurczen tagen wyl ich e. l. wyl got weyther von dyssen dingen schreyben. Das alles habe ich e. l. fruntlicher maynung nicht verhalden wellen, dan e. l. fruntlichen zcu dynen bin ich gancz wyllig. Dat. collen am freitag nach sant lucas Anno dni rvorr.
Frid9
m. pp.

Luther, Martin – An Conrad Sam, Prediger in Brackenheim (1.10.1520)

– So seid denn tapfer und stark. Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Ihr werdet bald einmal hören, daß Eck entsandt ist und der römische Papst in einer schrecklichen Bulle wider Luther und seine Büchlein donnert und alle, die ihm anhangen und folgen, in Bann thue. Es treibt dieß elende Werkzeug des Satans sein Wesen jetzt in Leipzig und predigt seine Bulle mit großer Pracht und Herrlichkeit aus. Ich weiß nicht, was daraus werden wird, bin auch nicht begierig, daß ichs wüßte, dieweil ich sicher bin, daß Einer, der im Himmel wohnt, für alle sorgt und von Ewigkeit vorher gesehen hat, wie alles kommen gehen und vergehen wird – so mag es gehen, komme was wolle, ich bin getrost. Wohin es kommen mag, es kommt dahin nach seinem besten Willen, der nicht irren kann, darum auch keines Wohlgefallen bedarf. Seid ohne Sorgen, euer Vater weiß, ehe ihr ihn bittet, was ihr bedürfet; es fällt kein Blatt vom Baum zur Erde ohne seinen Willen, um wie viel weniger werden wir jemals fallen, es sei denn, daß er es wolle.

So hab ich euch mit mir zugleich ermahnen wollen, daß wenn der Geist Gewalt über euch bekommt, ihr ihm nicht weichet, sondern festhaltet was ihr habt, auf daß euch niemand eure Krone raube. Es ist ein Geringes, daß wir um des Wortes willen sterben und umkommen, da es selbst Fleisch geworden und zuvor für uns gestorben ist: also werden wir mit ihm auferstehen, mit dem wir umgekommen sind, mit ihm werden wir dahin gelangen, wohin er gelangt ist und mit ihm werden wir bleiben in Ewigkeit. So achtet denn eure heilige Berufung nicht gering, beharret darin dankbar bei allem Uebel. – Er wird kommen und nicht lange verzieht er mehr, der uns erlösen wird von allem Uebel. Gehabt euch wohl im Herrn Jesu Christo, der stärke und bewahre unser Herz und Sinne. Amen.

Wittenberg den 1. October 1520.
Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Friedrich der Weise an Fabian von Feilitsch

Schreiben des Churfürsten an Fabian v. Feilitsch d. d. Gotha 10. Sept. 1520

Von gots gnaden fridrich hertzog zu Sachssen vnnd Churfurst.

Lieber getreuer Vnnd rat Wir geben dir gnediger meynung zuerkennen| das vnns h Karl von Miltitz angezaigt, wie er zu eysleben bey doctor Staupitz vnd anderen vettern gewest| vnd mit Inen samt gehandelt| das er gewilliget gen Witenberg zu ziehn| Vnd mit doctor martino zuhandeln. Nu hat vns h Karl dabey angezaiget| wo dieselben vetter nichts entlichs ausrichten wurden| das er alsdan auch gern bey doctor martino gen wolt Allain trug er etwas schewhe| gen Witenberg zuziehn vnd darauf erboten| das wir dir schreiben wolten sich dahin zu richten| damit doctor martino legen ain meil wegs oder zwo von Witenberg zu Ime keme| Vnd wiewol wir nit wissen| was dy vetr [so hern karl zu eysleben abgefertigt] mit doctor martino handeln werden oder was h karl mit Im zureden furhat Bedenken wir doch weil h karl in willens widerumb gein Rom zuziehen| das Im solchs nit zu wegern sein solt Darumb ist vnser gnedigs begern| du wellest doctor martino solchs durch dein schreiber vormelden vnd an Ine begeren wo es Im nit sond beschwerlich| das er sich| irgent| gein lichtenberg oder| an ain ander ort, nahe vmb Wittenberg zu h karl fug| vnd hor| was er mit Im handeln vnd reden wolt| Vnd was h karl| mit Im| handeln vnd reden werd| auch was die vetr von Eysleben bey Im ausgericht haben| das er vns solchs alles nachfolgent zuerkennen geb.

h Karl hat Vns auch alhie von wegen der Vcent vnd XIII ducaten, so man Im schuldig sein sol| anreden lassen Weil du dar vorhin derhalben| ain abred gemacht| so willest uns vermelden wie es vmb dieselbig schuld gewand ist| damit wir vns darnach zurichten| vnd die bezallung zuuerschaffen wissen In dem allen wirstu vns zugefallen. dat. Gotha Montag nach vnser lieben frauwen tag anno d. XX.

an Fabian v. Feilitzsch

Zeitschrift für thüringische Geschichte und Alterthumskunde
Erster Band
Jena, Friedrich Frommann
1854

Luther, Martin – Sendbrief an den Papst Leo den Zehnten, 1520

Dem Allerheiligsten Vater in Gott,

Leo X., Papst zu Rom,

alle Seligkeit in Christo Jesu, unserm Herrn,

Amen!

Allerheiligster Vater in Gott! Es zwingt mich der Handel und Streit, in welche ich mit etlichen wüsten Menschen dieser Zeit nun bis ins dritte Jahr gekommen bin, zuweilen nach dir zu sehen und dein zu gedenken; ja, dieweil es dafür gehalten wird, du seiest die einzige Hauptursache dieses Streites, so kann ich’s nicht lassen, dein ohne Unterlaß zu gedenken. Denn wiewohl ich von etlichen deiner unchristlichen Schmeicheler, welche ohn alle Ursach auf mich erhitzet sind, gedrungen bin, mich auf ein christlich, frei Concilium von deinem Stuhl und Gericht in meiner Sach zu berufen, so habe ich doch meinen Mut noch nie also von dir entfremdet, daß ich nicht aus allen meinen Kräften dir und deinem römischen Stuhl das Beste allezeit gewünscht und mit fleißigem, herzlichen Gebet, so viel ich vermocht, bei Gott gesucht habe. Wahr ist es, daß ich die, so bisher mit der Höhe und Größe deines Namens und Gewalt zu bedräuen sich bemühet haben, gar sehr zu verachten und zu überwinden vorgenommen habe. Aber eines ist nun vorhanden, welches ich nicht wage zu verachten, welches auch die Ursach ist, daß ich abermals zu dir schreibe; und ist nämlich, daß ich vermerke, wie ich verleumdet und mir übel ausgelegt werde, daß ich soll auch deiner Person nicht verschonet haben. Ich will aber frei und öffentlich das bekennen, daß mir nichts anders bewußt ist, denn daß ich, so oft ich deiner Person habe gedacht, allzeit das Ehrlichste und Beste von dir gesagt habe, und wo ich das irgend nicht hätte getan, könnt ich’s selbst keineswegs loben und müßte meiner Kläger Urteil mit vollem Bekenntnis bekräftigen und wollte nichts Lieberes denn solches meines Frevels und Bosheit Widerspiel singen und mein sträflich Wort widerrufen. Ich habe dich genannt einen Daniel zu Babylon; und wie ich deine Unschuld so fleißig habe beschützt wider deinen Schändler Sylvester, kann ein jeglicher, der es lieset, überflüssig verstehen.

Es ist ja dein Ruf und deines guten Lebens Name in aller Welt berufen, durch viele Hochgelehrte herrlicher und besser gepriesen, denn daß es jemand könnte mit einiger List antasten, er sei ja, wie groß er möge. Ich bin nicht so närrisch, daß ich allein den angreife, den jedermann lobet, dazu hab ich allzeit die Weise gehabt und fortan sie haben will, auch die nicht anzutasten, die sonst vor jedermann ein böses Geschrei haben. Mir ist nicht wohl mit der anderen Sünde, der ich wohl weiß, wie ich auch einen Balken in meinem Auge habe und freilich der erste nicht sein kann, der den ersten Stein auf die Ehebrecherin werfe.

Ich habe wohl scharf angegriffen, doch insgemein hin, etlich unchristliche Lehre und bin auf meine Widersacher bissig gewesen, nicht um ihres bösen Lebens, sondern um ihrer unchristlichen Lehre und Schutzes willen, welches mich so ganz und gar nicht gereuet, daß ich mir’s auch in den Sinn genommen habe, in solcher Emsigkeit und Schärfe zu bleiben, unangesehen, wie mir dasselbe etliche auslegen, da ich hier Christus‘ Exempel habe, der auch seine Widersacher aus scharfer Emsigkeit nennet Schlangenkinder, Gleißner, Blinde, des Teufels Kinder, und S. Paulus den Magus heißet ein Kind des Teufels und der voll Bosheit und Trügerei sei; und etliche falsche Apostel schilt er Hunde, Betrüger und Gotteswort-Verkehrer. Wenn die weichen, zarten Ohren solches hätten gehöret, sollten sie auch wohl sagen, es wäre niemand so bissig und ungeduldig als S. Paulus. Und wer ist bissiger den die Propheten? Aber zu unsern Zeiten sind unsre Ohren so gar zart und weich geworden durch die Menge der schädlichen Schmeichler, daß, sobald wir nicht in allen Dingen gelobt werden, schreien wir, man sei bissig. Und dieweil wir uns sonst der Wahrheit nicht erwehren können, entschlagen wir uns doch derselben durch erdichtete Ursache der Bissigkeit, der Ungeduldigkeit und der Unbescheidenheit. Was soll aber das Salz, wenn es nicht scharf beißet? Was soll die Schneide am Schwert, wenn sie nicht scharf ist zu schneiden? Sagt doch der Prophet: „Der Mann sei vermaledeiet, der Gottes Gebot obenhin tut und zu sehr verschonet..“

Darum bitte ich, Heiliger Vater Leo, du wollest diese meine Entschuldigung dir gefallen lassen und mich gewiß für den halten, der wider deine Person nie nichts Böses habe vorgenommen und der also gesinnet sei, der dir wünsche und gönne das Allerbeste, der auch keinen Hader noch Gezänk mit jemand haben wolle um jemands bösen Lebens, sondern allein um des göttlichen Wortes Wahrheit willen. In allen Dingen will ich jedermann gerne weichen, das Wort Gottes will ich und kann ich auch nicht verlassen noch verleugnen. Hat jemand einen andern Wahn von mir oder meine Schrift anders verstanden, der irret und hat mich nicht recht verstanden.

Das ist aber wahr: Ich habe frisch angetastet den römischen Stuhl, den man nennet Römischen Hof, von welchem auch du selbst, noch niemand auf Erden anders bekennen muß, denn daß er sei ärger und schändlicher, denn je kein Sodom, Gomorra oder Babylon gewesen ist. Und so viel ich merke, so ist seiner Bosheit hinfort weder zu raten. noch zu helfen. Es ist alles überaus verzweifelt und grundlos da geworden. Darum hat mich’s verdrossen, daß man unter deinem Namen und der römischen Kirche Schein das arme Volk in aller Welt betrog und beschädigt; dawider hab ich mich gelegt und will mich auch noch legen, so lang in mir mein christlicher Geist lebet. Nicht daß ich mich vermesse solcher unmöglicher Dinge oder verhoffte, etwas auszurichten in dem allergreulichsten römischen Sodom und Babylon, besonders dieweil mir so viele wütende Schmeichler widerstreben; sondern daß ich mich als einen schuldigen Diener bekenne aller Christenmenschen, daher mir gebühret, ihnen zu raten und sie zu warnen, daß sie doch weniger zahlreich und mit geringerem Schaden verderbet würden von den römischen Zerstörern.

Denn das ist dir selbst ja nicht verborgen, wie nun viel Jahre lang aus Rom in alle Welt nichts anderes denn Verderben des Leibes, der Seelen, der Güter und aller bösen Stücke die allerschädlichsten Exempel gleich geschwemmt sind und eingerissen haben; welches alles öffentlich, am Tage, jedermann bewußt ist, dadurch die römische Kirche, die vor Zeiten die allerheiligste war, nun geworden ist eine Mordgrube über alle Mordgruben, ein Bubenhaus über alle Bubenhäuser, ein Haupt und Reich aller Sünde, des Todes und der Verdammnis, daß nicht wohl zu denken ist, was mehr Bosheit hier könne zunehmen, wenn gleich der Endchrist selber käme.

Indes sitzt du, Heiliger Vater Leo, wie ein Schaf unter den Wölfen und gleich wie Daniel unter den Löwen und mit Ezechiel unter den Skorpionen. Was kannst du einziger wider so viel wilder Wunder? Und ob dir schon drei oder vier gelehrte, fromme Kardinäle zufielen, was wäre das unter solchem Haufen? Ihr müßtet eher durch Gift untergehen, ehe ihr vornähmt, der Sache zu helfen. Es ist aus mit dem römischen Stuhl, Gottes Zorn hat ihn überfallen ohn Aufhören, er ist feind den gemeinen Conciliis, er will sich nicht unterweisen noch reformieren lassen und vermag doch sein wütendes, unchristliches Wesen nicht zu hindern, damit er erfüllet, was gesagt ist von seiner Mutter, der alten Babylon: „Wir haben viel geheilet an der Babylon, noch ist sie nicht gesund geworden; wir wollen sie fahren lassen.“

Es sollte wohl drein und der Kardinäle Werk sein, daß ihr diesem Jammer wehret, aber die Krankheit spottet der Arznei, Pferd und Wagen geben nichts auf den Fuhrmann. Das ist die Ursache, warum es mir allzeit ist leid gewesen. du frommer Leo, daß du ein Papst geworden bist in dieser Zeit, der du wohl würdig wärest, zu bessern Zeiten Papst zu sein. Der römische Stuhl ist deiner und deines Gleichen nicht wert, sondern der böse Geist sollte Papst sein, der auch gewißlich mehr denn du in der Babylon regiert.

O wollte Gott, daß Du, entledigt von der Ehre (wie sie es nennen, deine allerschädlichsten Feinde), etwa von einer Pfründe oder deinem väterlichen Erbe dich halten möchtest; fürwahr mit solcher Ehre sollte billig niemand denn Judas Ischarioth und seines Gleichen, die Gott verstoßen hat, geehret sein. Denn sage mir, wozu bist du doch nutz in dem Papsttum, denn daß, je ärger und verzweifelter einer ist, je mehr und stärker er deiner Gewalt und Titel mißbraucht, die Leute zu beschädigen an Gut und Seele, Sünd und Schand zu mehren, den Glauben und Wahrheit zu dämpfen. O du allerunseligster Leo, der du sitzest in dem allergefährlichsten Stuhl, wahrlich, ich sage dir die Wahrheit, denn ich gönne dir Gutes.

So St. Bernhard seinen Papst Eugenius beklagt, da der römische Stuhl, wiewohl er schon auch zu derselben Zeit auf’s ärgste war, doch noch in guter Hoffnung der Besserung regierte, wieviel mehr sollen wir dich beklagen, dieweil in diesen dreihundert Jahren die Bosheit und das Verderben so unwiderstehlich hat überhand genommen. Ist’s nicht wahr, daß unter dem weiten Himmel ist nichts Ärgeres, Vergifteteres, Gehässigeres denn der Römische Hof? Denn er weit übertrifft der Türken Untugend, so daß es wahr ist, Rom sei vorzeiten gewesen eine Pforte des Himmels und ist nun ein weit aufgesperrter Rachen der Hölle, und leider ein solcher Rachen, den durch Gottes Zorn niemand kann zusperren; und kein Rat mehr übrig ist, denn daß wir möchten etliche warnen und erhalten, daß sie von dem römischen Rachen nicht verschlungen würden.

Siehe da, mein Heiliger Vater, das ist die Ursach und Bewegung, warum ich so hart wider diesen pestilenzischen Stuhl gestoßen habe, denn so sehr habe ich mir nicht vorgenommen, wider deine Person zu wüten, daß ich auch gehoffet habe, ich würde bei dir Gnad und Dank verdienen und für dein Bestes gehandelt zu haben erkannt werden, so ich solchen deinen Kerker, ja deine Hölle, nur frisch und scharf angriffe; denn ich erachte, es wäre dir und vielen andern gut und selig alles, was alle vernünftigen, gelehrten Männer wider die ganze wüste Unordnung deines unchristlichen Hofs vermochten aufzubinden.. Sie tun fürwahr ein Werk, das du solltest tun, alle, die solchem Hof nur alles Leid und alles Übel tun; sie ehren Christum alle, die den Hof auf’s allermeist zu Schanden machen. Kurz, sie sind alle gute Christen, die böse Römisches sind.

Ich will noch weiter reden. Es wäre mir auch dasselbe nie in mein Herz gekommen, daß ich wider den Römischen Hof hätte rumoret oder etwas von ihm disputiert. Denn dieweil ich sah, daß ihm nicht zu helfen, Kosten und Mühe verloren waren, habe ich ihn verachtet, ihm einen Urlaubsbrief geschenkt und gesagt: „Ade, liebes Rom! Stink fortan, was da stinkt, und bleib unrein für und für, was unrein ist“; habe mich also begeben in das stille, geruhige Studieren der Heiligen Schrift, damit ich förderlich wäre denen, bei welchen ich wohnte. Da ich nun hier nicht unfruchtbarlich handelte, tat der böse Geist seine Augen auf und ward des gewahr; behend erweckte er mit einer unsinnigen Ehrgeizigkeit seinen Diener Johann Eck, einen besondern Feind Christi und der Wahrheit, gab ihm ein, daß er mich unversehens risse in eine Disputation und ergriffe bei einem Wörtlein, von dem Papsttum gesagt, das mir von ungefähr entfallen war. Da warf sich auf der große, ruhmredige Held, sprühete und schnaubt, als hätt er mich schon gefangen, gab vor, er wollt zu Ehren Gottes und Preis der heiligen römischen Kirche alle Ding waren und ausführen, blies sich auf und vermaß sich deiner Gewalt, welche er dazu gebrauchen wollte, daß er als der oberste Theologus in der Welt berufen würde, des er auch gewiß wartet mehr denn des Papsttums; ließ sich bedünken, es sollt ihm nicht wenig dazu zuträglich sein, wenn er Doktor Luthern im Heerschild führte. Da ihm nun das mißlungen, will der Sophist unsinnig werden, denn er nun fühlet, wie durch seine Schuld allein des römischen Stuhls Schand und Schmach an mir sich offenbart hat.

Laß mich hier, Heiliger Vater, meine Sache auch einmal vor dir verhandeln und dir deine rechten Feinde verklagen. Es ist dir ohn Zweifel bewußt, wie mit mir gehandelt habe zu Augsburg der Kardinal St. Sixti, dein Legat, fürwahr unbescheiden und unrichtig, ja, auch untreu; in welches Hand ich um deinetwillen alle meine Sachen also stellte, daß er Fried gebieten sollte; ich wollt der Sache ein End sein lassen und still schweigen, so meine Widersacher auch still stünden, was er leicht mit einem Wort hätt können ausrichten. Da juckte ihn der Kitzel zeitliches Ruhms zu sehr, er verachtete mein Erbieten, unterstand sich, meine Widersacher zu rechtfertigen, ihnen nur längern Zaum zu lassen und mir zu widerrufen zu gebieten, wozu er keinen Befehl hatte. Also ist’s geschehen durch seinen mutwilligen Frevel, daß die Sache ist seither viel ärger geworden, die zu der Zeit an einem guten Ort war. Darum, was weiter darnach ist gefolget, ist nicht meine, sondern desselben Kardinals Schuld, der nicht mir gönnen wollte, daß ich schweige, wie ich so höchlich hat. Was sollte ich da mehr tun?

Darnach ist gekommen Herr Carol von Miltitz, auch deiner Heiligkeit Botschafter, welcher, mit vieler Mühe hin und her reisend und allen Fleiß aufwendend, die Sache wieder auf einen guten Ort zu bringen, davon sie der Kardinal hochmütig und freventlich verstoßen hatte, zuletzt durch Hilfe des durchlauchtigsten hochgeborenen Kurfürsten, Herzog Friedrich zu Sachsen etc., zuwege brachte, etliche Mal mit mir zu besprechen.

Hier habe ich abermals mich lassen weisen und deinem Namen zu Ehren zu schweigen, die Sache den Erzbischof zu Trier oder Bischof zu Naumburg verhören und entscheiden zu lassen verwilligt, welches also geschehen und bestellt ist. Da solches in guter Hoffnung und Frieden stand, fället einher dein größter, rechter Feind Johannes Eck mit seiner Disputation zu Leipzig, die er hatte sich vorgenommen wider Doktor Karlstadt; und mit seinen wetterwendischen Worten findet er ein Fündlein von dem Papsttum und kehret auch mich unversehens seine Fahnen und sein ganzes Heer, womit er des vorgenommnen Friedens Vorschlag ganz zerstörte.

Indes wartet Herr Carolus; die Disputation ging vor sich, Richter wurden erwählet, ist aber nichts ausgerichtet, welches mich nicht wundert. Denn Eck mit seinen Lügen, Sendbriefen und heimlichen Praktiken die Sache also verbittert, verwirret und zerschellet, daß, auf welche Seit das Urteil auch gefallen wäre, ein größer Feuer ohne Zweifel sich entzündet hätte. Denn er such Ruhm und nicht die Wahrheit. Also hab ich allzeit getan, was mir ist aufgelegt, und nichts nachgelassen, das mir zu tun gebührt hat. Ich bekenne, daß aus dieser Ursache nicht ein kleiner Teil des römischen unchristlichen Wesens ist an den Tag gekommen, aber was daran verschuldet, ist nicht meine, sondern Ecks Schuld, welcher einer Sach sich unterwunden, der er nicht Manns genug gewesen, durch sein Ehr-Suchen die römischen Laster in alle Welt zu Schanden gesetzt hat.

Dieser ist, Heiliger Vater Leo, dein und des römischen Stuhls Feind; von seinem einzigen Exempel mag ein jedermann lernen, daß kein schädlicherer Feind sei denn ein Schmeichler. Was hat er mit seinem Schmeicheln angerichtet denn nur solch Unglück, das kein König hätte können zuwege bringen. Es stinkt jetzt übel des Römischen Hofes Name in aller Welt, die päpstliche Acht ist matt, die römische Unwissenheit hat ein böses Geschrei; deren keines wäre gehöret, so Eck Carols und meinen Vorschlag des Friedens nicht hätte verrückt, was er auch nun selbst empfindet, und, wiewohl zu langsam und vergebens, unwillig ist über meine ausgegangenen Büchlein. Das sollte er vorher bedacht haben, da er nach dem Ruhm wie ein mutiges, geiles Roß wiehert und nichts mehr denn das Seine mit deinem großen Nachteil suchet. Er meinete, der eitle Mann, ich würde mich vor deinem Namen fürchten, ihm Raum lassen und schweigen (denn der Kunst und Geschicklichkeit, meine ich, habe er sich nicht vermessen). Nun, so er siehet, daß ich noch getrost bin und mich weiter hören lasse, kommt ihm die späte Reu seines Frevels, und er wird inne (so er anders inne wird), daß einer im Himmel ist, der den Hochmütigen widerstrebt und die vermessenen Geister demütigt.

Da nun nichts durch die Disputation ward ausgerichtet denn nur größere Unehre römischen Stuhls, ist Herr Carol zu den Vätern meines Ordens gekommen, hat Rat begehrt, die Sache zu schlichten und zum Schweigen zu bringen, welche denn auf das allerwüsteste und gefährlichste stand. Da sind etliche Tapfere von denselben zu mir gesandt, dieweil es nicht zu vermuten, daß mit Gewalt gegen mich könnte etwas geschafft werden, haben begehrt, daß ich doch wollte deine Person, Heiliger Vater, ehren und mit untertäniger Schrift deine und meine Unschuld entschuldigen, vermeinend, es sei die Sache noch nicht im Abgrund verloren und verzweifelt, wenn der Heilige Vater Leo wollte nach seiner angebornen, hochberühmten Gütigkeit die Hand daran legen. Dieweil aber ich hab allzeit Frieden angeboten und begehret, auf daß ich stillem und besserm Studieren warten könnte, ist mir das eine liebe, fröhliche Botschaft gewesen, hab sie mit Dank aufgenommen und mich aufs willigste lenken lassen und es für eine besondere Gnade erkannt, so es also, wie wir hoffen, geschehen möchte. Denn ich auch aus keiner andern Ursach so mit starkem Mut, Worten und Schreiben gewebt und gerumoret habe, als daß ich die niederlegte und still machte, die, wie ich wohl sah, mir bei weitem zu gering seien.

Also komm ich nun, Heiliger Vater Leo, und, zu deinen Füßen liegend, bitt ich, so es möglich ist, wollest deine Händ dran legen, den Schmeichlern, die des Friedens Feinde sind und doch Frieden vorgeben, einen Zaum einlegen. Daß ich aber sollte widerrufen meine Lehre, da wird nichts draus, darf’s sich auch niemand vornehmen, er wollte denn die Sache noch in ein größeres Gewirre treiben; dazu kann ich nicht leiden Regeln oder Maße, die Schrift auszulegen, dieweil das Wort Gottes, das alle Freiheit lehret, nicht soll, noch muß gefangen sein. Wo mir diese zwei Stücke bleiben, so soll mir sonst nichts aufgelegt werden, das ich nicht mit allem Willen tun und leiden will. Ich bin dem Hader feind, will niemand anregen noch reizen, ich will aber auch ungereizet sein; werd ich aber gereizet, will ich, so Gott will, nicht sprachlos noch schriftlos sein. Es mag ja deine Heiligkeit mit leichten, kurzen Worten alle diese Haderei zu sich nehmen und austilgen und daneben Schweigen und Fried gebieten, welche ich allzeit zu hören ganz begierig bin gewesen. Darum, mein Heiliger Vater, wollest je nicht hören deine süßen Ohrensinger, die da sagen, du seiest nicht ein lauterer Mensch, sondern gemischt mit Gott, der alle Ding zu gebieten und zu fordern habe. Es wird nicht so geschehen, du wirst’s auch nicht ausführen. Du bist ein Knecht aller Knechte Gottes und in einem gefährlicheren, elenderen Stand denn kein Mensch auf Erden- Laß dich nicht betrügen; die dir lügen und heucheln, du seiest ein Herr der Welt, die niemand wollen lassen Christ sein, er sei denn dir unterworfen; die da schwätzen, du habest Gewalt bis in den Himmel, in die Hölle und ins Fegefeuer, sie sind deine Feinde und suchen Deine Seele zu verderben, wie Jesaias sagt: „Mein liebes Volk, welche dich loben und heben, die betrügen dich.“ Sie irren alle, die da sagen, du seiest über das Concilium und gemeine Christenheit. Sie irren, die dir allein Gewalt geben, die Schrift auszulegen; sie suchen allesamt nicht mehr, denn wie sie unter deinem Namen ihr unchristliches Beginnen in der Christenheit stärken mögen; wie denn der böse Geist leider durch viele deiner Vorfahren getan hat. Kurz, glaub nur niemand, die dich erheben, sondern allein denen, die dich demütigen; das ist Gottes Gericht, wie geschrieben stehet: „Er hat abgesetzt die Gewaltigen von ihren Stühlen und erhoben die Geringen.“

Siehe, wie ungleich sind Christus und seine Statthalter, so sie doch alle wollen seine Statthalter sein, und ich fürwahr fürchte, sie seien allzu wahrhaftig seine Statthalter. Denn ein Statthalter ist in Abwesenheit seines Herrn ein Statthalter. Wenn denn ein Papst, in Abwesenheit Christi, der nicht in seinem Herzen wohnet, regieret, ist derselbe nicht allzu wahrhaftig Christi Statthalter? Was mag aber denn ein solcher Haufe sein denn eine Versammlung ohne Christus? Was mag aber auch denn ein solcher Papst sein denn ein Endchrist und Abgott? Wie viel besser taten die Apostel, die sich nur Knechte Christi, in ihnen wohnend, nicht Statthalter des abwesenden nannten und sich nennen ließen.

Ich bin vielleicht unverschämt, daß ich eine solche große Höhe zu belehren werde angesehen, von welcher doch jedermann soll belehret werden, und wie etliche deiner giftigen Schmeichler dich aufwerfen, daß alle König- und Richterthrone von dir Urteil empfangen. Aber ich folge hierin St. Bernhard in seinem Buch an den Papst Eugen, welches billig sollten alle Päpste auswendig können. Ich tue es ja nicht in der Meinung, dich zu lehren, sondern aus lauter treulicher Sorge und Pflicht, die jedermann billig zwingt, auch in den Dingen für unsere Nächsten uns zu bekümmern, die doch sicher sind, und lässet uns nicht acht haben auf Würde oder Unwürde, so gar fleißig sie wahrnimmt des Nächsten Gefahr und Ungefahr. Dieweil ich denn weiß, wie deine Heiligkeit webt und schwebt zu Rom , das ist auf dem höchsten Meer, mit unzähligen Fährlichkeiten, auf allen Orten wütend, und in solchem Jammer lebt und arbeitet, daß dir auch wohl Not ist des allergeringsten Christen Hilfe, so hab ich’s nicht für ungeschickt angesehen, daß ich deiner Majestät so lange vergesse, bis ich brüderlicher Liebe Pflicht ausricht. Ich mag nicht schmeicheln in solcher ernsten, gefährlichen Sache; wenn mich in dieser etliche nicht wollen verstehen, wie ich dein Freund und mehr denn Untertan sei, so wird der sich wohl finden, der es versteht.

Am Ende, daß ich nicht leer komme vor deine Heiligkeit, so bring ich mit mir ein Büchlein, unter deinem Namen ausgegangen, zu einem guten Wunsch und Anfang des Frieds und guter Hoffnung, daraus deine Heiligkeit schmecken mag, mit was für Geschäften ich gerne wollt und auch fruchtbarlich möcht umgehn, wenn mir’s vor deinen unchristlichen Schmeichlern möglich wäre- Es ist ein klein Büchlein, so das Papier wird angesehen, aber doch die ganze Summa eines christlichen Lebens darinnen begriffen, so der Sinn verstanden wird. Ich bin arm, hab nichts anders, damit ich meinen Dienst erzeige, so darfst du auch nicht mehr denn mit geistlichen Gütern gebessert werden. Damit ich mich deiner Heiligkeit befehle, die sich erhalte ewig Jesus Christus, Amen.

Zu Wittenberg, am 6. September 1520

 

Friedrich zu Sachsen an seinen Bruder, Herzog Johann zu Sachsen

Hochgeborner furst, fruntlicher liber bruder vnd gefather, e. l. schicke ich alhye eyn buchlein, habt doctor martinus itzunder gemacht, vor Inn e. l. ssyl selczams dynges fynden werden, der almechtig got gebe, das eß gudt werde, dan warlichen eß komen dynge an tagk, dye ffyl leuthe verbergen, der almechtig got verleyhe vnß armen sundern, das wir da von gebesserdt vnd nicht geringert werden, ßulchs habe ich e. l. zcu schicken nicht verhalden wellen, dye weylle e. l. begerdt haben, was doctor martinus mache e.l. zcu schicken, dan e. l. in alwege fruntlichen zcu dynen bin ich wyllig. Dat. gancz eyllend zu der lochaw samstag nach bartholomei Anno dnj rvorr.

mit hulff des almechtigen gotes wyl ich mich byß mantag alhye erheben, nach aldenburg zcu rayssen vnd aldo byß auff den mantag nach Egidi vorczyhen. der halben ist nach meyn fruntlich bitt, e. l. dye wellen mich forderlichen gegen aldenburg wyssen lassen, ab eß nicht bestht, wahe hyn e. l. zcu mir wyl got komen.

Frid9
m. pp.

Luther, Martin – An Wenceslaus Link (19.8.1520)

Heil! Ich begehre und suche das gar nicht, daß ich durch meine Schrift und Bücher gern Lob und Ruhm erwerbe. Es werfen fast alle mir meine beißige Art vor, ich aber bin mit euch der Meinung, daß Gott wohl so der Menschen Dichten offenbare. Denn ich sehe, daß, was dieser Tage linde gehandelt wird, vergessen und von niemand geachtet wird. Es mußte auch der Rebecca Leib uneinige und einander stoßende Kinder tragen. Unsre Zeit urtheilt nicht gut, die Nachkommen werden’s besser machen. Auch Paulus nennt seine Widersacher Hunde, Schwätzer, falsche Arbeiter, Satansdiener und flucht der getünchten Wand in’s Angesicht. Wer sieht nicht, wie die Propheten hart strafen. Aber das sind wir gewohnt, darum rührt es uns gar nicht. –

Gehabt euch wohl im Herrn. Am Sonntag nach Himmelfahrt Mariä (19. August) 1520.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Lange (18.8.1520)

Heil! Ob mein Büchleins , das ihr, mein Vater, eine Posaune nennt, so heftig und grimmig sei, mögt ihr und alle andern zusehen. Es ist freilich heftig und freimüthig, gefällt aber doch vielen: ist auch unserm Hofe nicht ganz unangenehm. Ich kann über mich in dieser Sache nichts urtheilen: vielleicht bin ich der Vorläufer unsers Philippus, dem ich nach dem Vorbild des Elias den Weg bereite.

Wir glauben hier fest, daß das Papstthum des wahren und leibhaften Antichrists Stuhl sei und meinen, wir dürfen um der Seelen Heil willen Alles wider seine Büberei und Betrug thun. Ich bekenne, daß ich dem Papst keinen Gehorsam schuldig sei, als den, den ich dem wahren Antichrist schuldig bin.

Philippus nimmt die Catharina Crappin zum Weibe und sie schreien, ich habe es angestiftet. Ich thue dem Menschen willig Alles zu gute, was mir möglich ist und kehre mich an all‘ ihr Geschrei nichts. Gott lasse es wohl gerathen! Ich hasse den Menschen der Sünde und das Kind des Verderbens mit seinem ganzen Reich, darin nur Sünde und Heuchelei genährt wird, von Grund des Herzens.

Gehabt euch wohl im Herrn.

Wittenberg, 18. August 1520.

Euer Bruder Mart. Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Wittiger Canonicus

Bruder M. Luther, Augustinerordens, dem in Christo ehrwürdigen Herrn Wittiger Canonicus zu Breslau, seinem Obern im Herrn den Gruß zuvor.

Anfangs war ich nicht gesinnet an Euch zu schreiben, rechtschaffenster Mann, indem Herr Dominicus Schleupper, unser gemeinschaftliche Freund, alles selbst persönlich besser erzählen würde. Denn er weiß alles, wie es bey uns zugeht. Allein er wollte, ich mögte auch nur eine Zeile niederschreiben. So gehorch ich denn seinem Willen. Man schreibt verschiedene Schriften in Deutschland und Italien wider mich; aber ich laß es gut seyn. Es schreiben doch nur die langöhrigsten Langohre, die sich selbst durch ihr Beginnen beschmitzen. Ich befinde mich an Leib und Geiste ziemlich bas, ausser, daß ich weniger zu sündigen wünsche. Und doch geschieht es, daß ich täglich mehr sündige, was ich Euch und Eurem Gebete will geklagt haben. Uebrigens hat sich die Faction der Dominikaner zur Ruhe gelegt, indem ein Verbot an sie erging, daß keiner wider mich schreibe. In ihre Stelle rückten der Bischof von Bayern, die Pfaffen zu Betau, und die Brüder von der Observanz des heil. Franziscus. Ueberwinden diese, so überwinden sie bloß durch unmäßige Grobheit und Albernheit. Ich erinnere mich nicht dümmeres Zeug gelesen zu haben, als jener ihres, die nicht einmal fühlen, ob sie überwinden, oder überwunden werden. Wie bedaurenswürdig ist das Volk, das diesen Wölfen ausgesetzt ist! Aber der Herr mag zuschauen, in dem ihr Euch wohl gehaben möget.

Wittenberg den 30ten Jul. 1520.

Euer
Martin Luther.

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.