Johannes Oekolampad an Martin Frecht und andere

Theuerste Brüder, ich kann Euch den ganzen Schmerz nicht verhehlen, der mich ergriff, als ich erfuhr, daß unser Zwingli in die Hände grausamer Feinde gefallen und mit solcher Wuth zerrissen wurde; denn ich weiß wohl, wie sehr die Verbreitung dieser Nachricht der Welt zur wilden, ausgelassenen Freude, den Schwachen zum Aergerniß gereichen wird. Ich sprach mir selber Trost zu, obwohl bald ein Unglück dem andern auf dem Fuße folgte. Auch fiel Zwingli nicht allein, sondern angesehene Männer mit ihm, der Abt von Kappel und der Komthur von Küsnacht, und auf die erste blutige Niederlage folgte eine zweite, um so schmachvoller, weil sie mit der Flucht endigte. Ich gedachte, daß diese Männer, die ja sterblich waren, durch Krankheit oder ein anderes Geschick hätten umkommen können; sie sind ja nur vorangegangen, wir werden folgen, wenn auch durch eine andere Todesart. Wenn niemand Anderes als der große Haufe sich daran ärgerte, das würde mich wenig kümmern, denn ich kenne ihren Glauben und ihre Gottesfurcht und weiß, daß kein eigentliches Uebel ihnen begegnen konnte. Es schmerzt mich aber am meisten, daß überall die Verleumdungen Eingang finden und der Vertheidigung kein Gehör geschenkt wird. Der Tod unserer Brüder ist an sich nicht unehrenhaft. Ist es doch nichts neues in der Schweiz, daß die ersten Geistlichen bewaffnet die Banner in die Schlacht begleiten. Unser Bruder ist nicht als Heerführer ausgezogen, sondern als guter Bürger, als getreuer Hirt, der mit den Seinen sterben wollte. Wer unter seinen Verleumdern hat auch nur eine Unze seines Edelmuths? Auch ist er nicht aus eigenem Trieb in’s Feld gezogen: ein Unglück ahnend und verheißend, hatte er sich erbeten, in der Stadt bleiben zu dürfen; der Rath verweigerte es ihm, rücksichtslos bestürmte man ihn, ja riß ihn beinahe fort. Es fehlte auch nicht an Verräthern, die ihm vorwarfen: Er sei feig, wenn er zu Hause bleibe. Zudem war er, wie in anderen weltlichen Dingen, in der Kriegskunst wohl erfahren … Gestützt auf unsere Freundschaft rieth ich ihm wiederholt ab, sich in Geschäfte zu mischen, welche mit dem Evangelium wenig zu thun hätten. Er schrieb mir zurück: Die Sitten seines Volks seien mir wenig bekannt, er sehe das schon gezückte Schwert und werde thun, was eines treuen Wächters Pflicht sei, er handle nicht blindlings. Dies seine letzten Worte. Mag sein, daß dieser Eifer zu unbändig war, warum tadelt man denn nicht auch Diejenigen, welche die Fürsten zu schonungslosem Verfahren gegen aufrührerische Bauern antrieben? Es war sein Plan nie, die Sache zum Krieg kommen zu lassen. Hat er noch so sehr geirrt, was ich nicht gesagt haben will, obgleich ich keineswegs seiner Meinung beistimmte, so war er deshalb noch nicht der Menschen schlechtester. Die Schlechtesten waren es auch nicht, welche der Thurm von Siloah erschlug und deren Blut Pilatus mit dem Opfer mischte. Was ist bekannter, als daß die Gerichte Gottes an seinem eigenen Hause anheben, daß der Vater die Söhne züchtigt, die er liebt, wie nun diese Verleumder und Doktoren der Verzweiflung es auslegen mögen? Es darf aber nicht als der geringste Vortheil angesehen werden, daß unsere Gemüther gedemüthigt worden, und wir gelernt haben, unser Vertrauen nicht auf den fleischlichen Arm, sondern auf Gott zu setzen. Beides lernen die Auserwählten von ihrem Unglück.

Möchten doch die Spötter überlegen, was es den Ammonitern, den Philistern, den Tyreern und Idumäern eingebracht hat, über die Verwüstung Jerusalems geklatscht zu haben! Uns halten sie für die Babylonier; der Herr aber wird’s offenbaren. Kein billiger Vertrag war von den V Orten zu erlangen; die Unsrigen begehrten nichts als Frieden; Nothwendigkeit und nicht Kampflust trieb sie zum Krieg. Mit fremden Söldnerscharen hat der Feind zuerst die Grenze überschritten, die Witwen und Kindlein unbarmherzig behandelt, und wir hätten ihn nicht zurückschlagen sollen? Es ist eine grundlose Behauptung, daß die Unsrigen durch den Krieg das Evangelium verbreiten wollen; es verhält sich nicht also. Jene Tyrannei war unerträglich. Wir Alle wären auf einmal verloren gewesen, wenn die Zürcher nicht Widerstand geleistet hätten. Aller evangelischen Staaten Schicksal steht auf dem Spiel. Die braven Zürcher haben für uns und für euch ihr Leben daran gesetzt. Weil aber der himmlische Vater uns züchtigt, so geziemt es uns, nach dem Wort des Propheten, den Zorn des Herrn zu tragen. Er wird nicht ewiglich zürnen. Unser Muth ist noch nicht gebrochen …

Oekolampad, Johannes – Brief an Fracht und Sam über den Tod Zwingli’s.

Meinen vielgetreuen Brüdern, Martin Fracht und Konrad Somius, den Predigern in Ulm. 1531.

Seid mir in Christo gegrüßt! Ich kann nicht verhehlen, allerliebste Brüder, was ich in menschlicher Schwachheit zu leiden hatte, als mir die Kunde zukam, unser Zwingli sei in der blutdürstigen Feinde Hände gefallen und auf so schreckliche Art zerrissen worden; mir wohl bewußt, zu welcher Freude der Welt, zu welcher Entmuthigung der Kleingläubigen dieses Gerücht sich ausbreitet. Indessen tröstete ich mich selber wieder, obgleich Schlag auf Schlag bald neues Unglück folgte. Ist doch Er nicht alleingefallen, sondern mit ihm eine gute Zahl vortrefflicher Männer1)! Und es ist nicht bei einer Niederlage geblieben; eine zweite folgte, der Flucht halber nach schmachvoller als die erste. Doch ich gedachte des Wechsels, dem ja alle Dinge dieser Welt unterworfen sind. Diese Sterblichen hätten von einer Pestilenz oder einem andern Mißgeschick weggerafft werden können. Sie sind uns nur vorausgegangen, wir werden folgen, wenn auch in anderer Todesart.

Was der große Haufen darüber urtheilt (wenn’s niemand Anders irre macht), das würde keinen Eindruck auf mich machen; denn jener Männer Treue gegen Gott und die Menschen ist mir bekannt, und diese läßt es ihnen nicht übel ergehen. Aber wenn ich an die Verläumdungen denke, womit die Arglosen umstrickt und beschwert werden, so schmerzt es mich nicht wenig, daß Schutzreden keine Ohren finden, Verlästerungen aber so viele. Ist denn unserer Brüder Tod an sich etwas Ehrwidriges? In der Schweiz ist es gar nichts Ungewöhnliches, daß unter dem Hauptbanner, selbst in Waffen, auch die höchsten Priester mit ausziehen. Und unser Bruder ist nicht ausgezogen als ein Feldhauptmann, sondern als ein guter Bürger und bester Hirte, der da nicht gezögert hat, mit den Seinen zu sterben. Wo hat Einer seiner Schmäher und Verkleinerer auch nur den hundertsten Theil eines so edeln Geistes! Dann ist er nicht gerade mit besonderer Lust ausgezogen; sondern sein Ansuchen, noch eine Weile zu Hause bleiben zu dürfen, wies der Rath ab. Er hat das Unglück vorausgesehen und vorausgesagt, auch waren Solche, die ihn ungestüm fortdrängten und mitrissen, unter ihnen Verräther, die ihm Feigheit vorwarfen, wenn er zurückbliebe. Zudem war Zwingli, wie in anderen weltlichen Künsten, in dem Kriegswesen gar nicht ungelehrt. Man sagt aus, er habe selbst von der kanzel herab vom Frieden abgerathen; darüber wird sich aber nicht wundern, wer die Sitten der Feinde kennt, wie wenig sie Friedensbitten Gehör geben.

Noch war ihr Absagebrief im Rathe nicht verlesen, stürmten sie schon aus Hinterhalten in das Zürchergebiet und griffen an, wo man noch gar nichts gefürchtet hatte. Das ist ihre Bundestreue, die da geworden sind vom päbstlichen Gelde, und alle Bünde und Verträge der Väter verachten und mit Füßen treten! Als von mehreren Seiten her der Wunsch gestellt wurde, er möchte mit mehr Nachdruck die Regierung an ihre Pflichten mahnen, so habe ich nach unserer Freundschaft mehr als einmal ihn gerade abgemahnt, er solle sich nicht in Dinge mischen, die mit dem Evangelium wenig zu thun haben. Er schrieb mir wieder: Dir sind des Volkes Sitten nicht wohl bekannt; ich sehe ein Schwert und werde thun, was einem treuen Trabanten obliegt; unüberlegt handle ich nicht. Das sind die letzten Worte, die er mir geschrieben hat.

Mag sein wie es will, der Eifer zu ungemessen, zu ungestüm; warum schilt man Die nicht, welche die wuthentbrannten Fürsten haben so blutgierig wüthen machen gegen das rebellische Landvolk, von dem Viele konnten gerettet werden? Sein Wunsch ist es nie gewesen, daß die Sache zum Blutvergießen käme. Aber so war einmal seine Ueberzeugung, und sollte er auch noch so groß geirrt haben (was ich noch nicht gesagt haben möchte, obschon ich ihm nicht völlig beipflichten kann), so ist er um dessen willen doch nicht der Schlechteste der Sterblichen. Die Schlechtesten waren es auch nicht, auf die der Thurm von Siloah fiel, und deren Blut Pilatus mit ihrem Opfer vermischte. Was ist bekannter, als daß das Gericht mit dem Hause anfängt? Der Vater züchtigt die Söhne, die er liebt; wie auch die Verläumder und Lehrer der Verzweiflung die Sache auslegen mögen. Die Demüthigung unseres Sinnes und das Vertrauen auf Gott, nicht auf unsern fleischlichen Arm, verdienen, nicht für die geringsten Güter angesehen zu werden. Dieses Beides lernen die Auserwählten aus diesem Unglück. Möchten doch unsere Beschimpfer bedenken, was den Ammonitern, Palästinensern, Tyriern und Idumäern zu Theil geworden ist, nachdem sie über das verwüstete Jerusalem frohlockt hatten. – Es konnte von Jenen keine Billigkeit erlangt werden; Nothdrang, nicht Kriegslust, führte zum Kampfe. Ihre Tyrannei ist unerträglich und verloren wären wir Alle, wenn sich die Unsrigen nicht widersetzt hätten. Es handelte sich um die Sache aller evangelischen Gemeinwesen. Nun haben jene wackern Männer für Euch und für uns ihre Leiber als ein Bollwerk hingeworfen. Und hat jetzt der himmlische Vater Züchtigung über uns ergehen lassen, so sollen wir des Herrn Zorn zu tragen wissen; denn er wird nicht ewiglich zürnen. Noch ist indessen der Muth der Unsrigen nicht vollends gebrochen. Gewiß wollen die Basler mit den Zürchern und mit den Bernern von jenen keinen schimpflichen Frieden annehmen. Wir flehen zu Gott, daß er uns die Furcht vor dem Feinde benehme und seinen Frieden schenke u.s.w. –

Lebet wohl! 8. November 1531.

Quelle:
Baslerische Stadt- und Landgeschichten aus dem Sechszehnten Jahrhundert. Von Dr. Buxtorf-Falkeisen. Basel. Schweighauserische Verlags-Buchhandlung. (Hugo Richter.) 1868.

Luther, Martin – An Conrad Sam, Prediger in Brackenheim (1.10.1520)

– So seid denn tapfer und stark. Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Ihr werdet bald einmal hören, daß Eck entsandt ist und der römische Papst in einer schrecklichen Bulle wider Luther und seine Büchlein donnert und alle, die ihm anhangen und folgen, in Bann thue. Es treibt dieß elende Werkzeug des Satans sein Wesen jetzt in Leipzig und predigt seine Bulle mit großer Pracht und Herrlichkeit aus. Ich weiß nicht, was daraus werden wird, bin auch nicht begierig, daß ichs wüßte, dieweil ich sicher bin, daß Einer, der im Himmel wohnt, für alle sorgt und von Ewigkeit vorher gesehen hat, wie alles kommen gehen und vergehen wird – so mag es gehen, komme was wolle, ich bin getrost. Wohin es kommen mag, es kommt dahin nach seinem besten Willen, der nicht irren kann, darum auch keines Wohlgefallen bedarf. Seid ohne Sorgen, euer Vater weiß, ehe ihr ihn bittet, was ihr bedürfet; es fällt kein Blatt vom Baum zur Erde ohne seinen Willen, um wie viel weniger werden wir jemals fallen, es sei denn, daß er es wolle.

So hab ich euch mit mir zugleich ermahnen wollen, daß wenn der Geist Gewalt über euch bekommt, ihr ihm nicht weichet, sondern festhaltet was ihr habt, auf daß euch niemand eure Krone raube. Es ist ein Geringes, daß wir um des Wortes willen sterben und umkommen, da es selbst Fleisch geworden und zuvor für uns gestorben ist: also werden wir mit ihm auferstehen, mit dem wir umgekommen sind, mit ihm werden wir dahin gelangen, wohin er gelangt ist und mit ihm werden wir bleiben in Ewigkeit. So achtet denn eure heilige Berufung nicht gering, beharret darin dankbar bei allem Uebel. – Er wird kommen und nicht lange verzieht er mehr, der uns erlösen wird von allem Uebel. Gehabt euch wohl im Herrn Jesu Christo, der stärke und bewahre unser Herz und Sinne. Amen.

Wittenberg den 1. October 1520.
Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867