Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Couraut war am 4. Oktober zu Orbe gestorben; wie Farel nach der Aussage des Sterbenden vermutete, an Gift, das ihm der Pfr. Fortune Lecoq gegeben. Die in Straßburg studierenden jungen Leute Michel, Henri und Humbert sind nicht näher bekannt. Morand und Marcourt waren Calvins und Farels Nachfolger in Genf. Der Führer der Calvin-Anhänger war Antoine Saunier, Rektor des College de la Rive; er hatte samt seiner Partei schismatische Absichten. Wie es scheint, suchten ihn die Gegner durch das Angebot eines Pfarramts zu beschwichtigen.

Über Courauts Tod und die Verhältnisse bei Freund und Feind in Genf.

Gnade sei mit dir und Friede von Gott. Über Courauts Tod bin ich so bestürzt, dass ich kein Maß finde in meinem Schmerz. Keine Beschäftigung kann am Tag meinen Geist hindern, immer wieder zu demselben Gedanken zurückzukehren. Dieser entsetzlichen Pein des Tages folgen noch herbere Qualen des Nachts. Nicht nur plagen mich einzelne schlaflose Stunden, (daran bin ich gewöhnt), sondern ganz durchwachte Nächte entkräften mich, und nichts ist meiner Gesundheit unzuträglicher. Stechend empfinde ich vor allem die Schlechtigkeit, [die an seinem Tode schuld ist], wenn der Verdacht richtig ist, dem ich Raum geben muss, ich mag wollen oder nicht. Wohin werden unsere Nachkommen geraten, wenn jetzt schon am Anfang solche entsetzliche Dinge geschehen? Wie fürchte ich, dass diese Freveltat bald durch ein großes Unglück der Kirche gestraft wird. Aber ist es nicht schon ein Zeichen des Zornes Gottes, dass, da die Guten schon so selten sind, die Kirche eines Mannes beraubt wurde, der unter den Guten nicht der letzte war? Was sollen wir anders, lieber Bruder, als über unser Unglück trauern? Doch fehlt uns ja auch ein sicherer Trost nicht. Ein Großes ist es schon, dass alle durch ihren Schmerz und ihre sehnsüchtige Trauer beweisen, wie sehr sie seine Tüchtigkeit und Rechtlichkeit fühlten. So lässt der Herr schon auf Erden die Ungerechtigkeit unserer Feinde nicht verborgen bleiben. Nicht ein Haar breit haben sie durch seinen Tod gewonnen; denn er steht vor Gottes Richterstuhl als ein Zeuge und Ankläger ihrer Bosheit, dessen Stimme lauter tönt zu ihrem Verderben, als wenn er noch die ganze Erde zu bewegen vermöchte. Wir aber, die der Herr übrig gelassen, wollen mutig weiter wandern den Weg, den er gegangen, bis wir unsere Laufbahn durchpilgert haben. Mag man uns Schwierigkeiten machen, soviel man will, sie werden uns nicht hindern, zu der Ruhe zu kommen, in die er nun aufgenommen ist. Hielte uns diese Hoffnung nicht aufrecht, wie viel wäre nicht rings um uns, uns zur Verzweiflung zu bringen? Aber solange die Wahrheit des Herrn fest und unerschüttert bleibt, wollen wir ausharren auf unserer Warte bis ans Ende, bis erscheinen wird, was jetzt verborgen ist, – das Reich Gottes.

Es wundert mich, dass der gute Mann vor seinem Lebensende nichts Klares über uns gesagt hat. Auf einen Nachfolger sollt ihr bedacht sein. Michel ist noch bei uns, für dessen Redlichkeit ich jede Bürgschaft zu leisten wage. Ich versuchte ihm auf jede Weise davon abzuraten, jetzt da Arbeiten sei nötig sei, Urlaub zu nehmen. Aber da ich sah, dass er hartnäckig auf seiner Meinung blieb und Gründe dazu hatte, konnte ihm nicht bis zuletzt widersprechen. Er scheint mir ein durchaus guter Mann zu sein. Seine Offenheit ist so groß, dass ich von ihm keine Verstellung fürchte. Scharfes Urteil ist nicht gerade seine Stärke. Ich sehe aber, dass dieser Fehler aus seiner allzu großen Güte stammt. Er ist so geneigt, alle in Liebe zu umfassen, dass er oft auch Unwürdigen mehr traut, als gut ist. Andrerseits hat er aber auch wieder vor der Sünde einen solchen Schrecken, dass er denen, die er als böse kennt, gar nicht günstig ist. In seiner Furchtsamkeit liegt ein gewisser Fehler. Er scheut die kleinste Beleidigung so, dass er oft um nichts in Verwirrung gerät. Aber auch dieser Fehler, mit einer großen Tugend nahe verwandt, ist leicht zu entschuldigen. Leichtsinniger Anschauungen scheint er mir nicht verdächtig. Denn wenn er auch in Gesinnungen und Anschauungen noch etwas schwankt, so wird er sich doch bald der Glaubensüberzeugung der Frommen in Ruhe hingeben. Denn er ist ganz von denen abhängig, deren persönliche Frömmigkeit und Lehre ihm Ehrfurcht einflößten. Solang er hier ist, will ich ihn noch sorgfältiger erforschen. Er wohnt mit Gaspard, Henri und Humbert zusammen. Die Wohnungskosten wird unser Gemeindlein aus den Kollekten bestreiten; fünf Batzen die Woche werden sie betragen. Dem Humbert werden wir außerdem noch etwas zukommen lassen, wovon er leben kann. Von der Stadt wird für fremde Studenten nichts ausgezahlt, und es ist unter den gegenwärtigen Zuständen auch keine Hoffnung, dass ein Beschluss dafür erreicht werden könnte.

Denn schon blasen die Gegner ins Horn in der Kriegsankündigung gegen die Stadt Minden. Weils Religionssache ist, werden alle Unsrigen notwendig drein verwickelt. Unser festester und unüberwindlichster Schutz wird es sein, wenn der Herr der Heerscharen uns ausrüstet mit seiner Kraft. Sonst sind wir kaum stark genug, den Angriff der Feinde abzuschlagen. So wollen wir fliehen zu dem einzigen Zufluchtsort, der nie erschüttert wird, auch wenn die ganze Welt zusammenbricht.

Wir werden auch nicht aufhören, eine Tagung zu fordern, bis wirs erreicht haben. Morand und Marcourt täuschen meine Erwartung. Von solchen Baumeistern werden Pläne entworfen, die zu verschmitzt sind, als dass man sie gleich durchschaute. Saunier will eine zweite Frage von uns behandelt haben: ob es ihm und seinesgleichen erlaubt sei, das Mahl des Herrn sowohl aus ihren Händen zu empfangen, als auch mit einem solchen Auswurf von Menschen zu teilen. Ich war mit Capito in dieser Sache ganz einig. Die Hauptsache ist das: Die Abneigung gegen ein Schisma müsse bei den Christen so groß sein, dass sie es, soweit es immer möglich ist, vermeiden. Dem Dienst am Wort und Sakrament gebühre solche Ehrfurcht, dass, wo diese Dinge bestehen, man dafür halte, es sei eine Kirche. Wenn es also durch Gottes Zulassung so gekommen sei, dass durch diese Pfarrer – sie mögen sein, wie sie wollen – die Kirche verwaltet werde, wenn sie die Zeichen der Kirche dort sähen, so sei es besser, sich nicht von der Abendmahlsgemeinschaft fern zu halten. Auch dass einige unreine Lehren dort verkündet werden, widerspricht dem nicht. Denn es ist kaum eine Kirche, die nicht auch einige Überbleibsel der frühern Unwissenheit beibehalten hätte. Uns genügt es, wenn die Lehre, auf die sich die Kirche Christi gründet, ihren Platz dort hat und behauptet. Auch das hemmt unser Urteil nicht, dass nicht als richtiger Pfarrer gelten darf, wer sich an die Stelle des wirklichen Dieners am Wort nicht nur betrügerisch eingeschlichen hat, sondern frech eingedrungen ist. Denn es braucht sich nicht jeder Privatmann mit solchen Bedenken plagen; die Sakramente machen die kirchliche Gemeinschaft aus. Sie sollen es ruhig ertragen, dass sie ihnen von den Händen der jetzigen Pfarrer ausgeteilt werden, wenn sie sehen, dass diese im Amte stehen. Ob mit Recht oder Unrecht, darüber können sie, obwohl es sie selbst angeht, doch ihr Urteil aufsparen bis zur gesetzlichen Behandlung der Sache. Wenn sie so auch den Amtsdienst dieser Pfarrer in Anspruch nehmen, so ist doch keine Gefahr, als ob sie dadurch die Pfarrer anerkennten, billigten oder irgendwie für rechtmäßig zu halten schienen. Vielmehr legen sie dadurch nur für ihre Geduld Zeugnis ab, da sie diese Leute ertragen und sie aufbehalten zur Verurteilung durch feierlichen Gerichtsspruch. Dass sich die guten Brüder anfänglich dessen weigerten, ist nicht verwunderlich und missfällt uns auch gar nicht. In dem damals notwendigen Aufwallen heißer Leidenschaft wäre ja auch solche Duldung nichts anderes gewesen als ein Zerteilen Christi. Damals waren sie ja auch noch im Zweifel, wohin der Sturm sich wenden werde, der alle Verhältnisse verwirrte. Saunier redet dann weiter von sich selbst, und zwar mit solcher Leidenschaft, dass es scheint, er wolle nicht ablassen, als bis er alles, was er wünscht, herausgepresst hat. Unser Grund, es ihm zu weigern, war klar. Denn von einem Pfarrer, dem die Austeilung des heiligen Sakraments anvertraut ist, darf man wohl Klugheit in der Wahlangelegenheit erwarten. Dazu ist zu sagen: es liegt eine deutliche Billigung der jetzigen Pfarrer darin, wenn einer es nicht verschmäht, ihr Kollege zu werden. Schließlich, als es sich darum handelte, ob es besser sei, nachzugeben oder sich zu weigern, setzten wir ihm zu mit der Wahl zwischen zwei Dingen: entweder er verwalte das Amt richtig, so werde er schon am ersten Tag auch vertrieben werden, oder er tue das nicht, so wäre das eine Schande, die er sich um keinen Preis erlauben dürfte. Aber da man ihm gesagt hatte, ich suche nur durchaus nach einem Vorwand, so schlug er leichthin alles ab, was ich sagte. Wir haben erfahren, wie schwer es ist, Leute im Zaum zu halten, die in der törichten Meinung, sie handelten klug, Dummheiten machen. Während wir alle die Lage für ganz unpassend hielten, die Angelegenheit der Brüder zu schlichten, hat der Herr alle unsere Hoffnungen übertroffen. Es wurde erreicht, was wir wünschten. Saunier schien es zuerst schlecht aufzunehmen, dass eine Bekenntnisformel verlangt wurde. Er glaubte, damit allein müssten sich die Unsern zufrieden stellen, dass sie von ihm belehrt worden seien. Nachher widersprach er aber nicht mehr so sehr und unterschrieb ohne Schwierigkeit die Formel, die ich in ihrem Namen verfasst hatte. Ich fürchte, dass es dir zu schaffen macht, denen zu helfen, die an diesem Handel beteiligt sind; aber durch Geduld wirst du endlich zum Siege kommen. Ich bitte dich, lieber Bruder, in diesen bösen Zeiten richte deine Aufmerksamkeit vor allem darauf, alle festzuhalten, die nur irgendwie erträglich sind. In Zeremonienkleinigkeiten setze es bei den Brüdern durch, dass sie nicht so hartnäckig kämpfen wie die Berner Bären. So solls sein: Alles ist unser, wir frei in Allem, Knechte aber des Friedens und der Einigkeit. Wenn ich vieles übergehe, was auch nötig wäre, so geschiehts, weil ich deinen Brief von Capito, dem ich ihn zum Lesen gab, noch nicht zurückerhalten habe. Der Herr bewähre dich und kräftige dich mit der Kraft seines Geistes Alles auszuhalten, im Herrn geliebtester Bruder. Deine Sorge um mich erinnert mich daran, meinerseits dir zu empfehlen, dich zu schonen. Denn alle sagen, du seiest ihnen sehr angegriffen vorgekommen. Ich bitte und beschwöre dich, lieber Bruder, denke doch nur soviel an Andere, dass du darüber nicht vergisst, wie nötig dich selbst die Kirchen Christi haben. Grüße mir alle Brüder, die bei dir sind, tausendmal; Viret, auch Francois und Jacques, wenn du an sie schreibst. Capito, Sturm und Firn lassen dich freundschaftlich grüßen.

Straßburg, 24. Okt. [1538].

Lies durch, was mich Saunier ganz gegen meinen Willen und nur mit Widerstreben an die Genfer zu schreiben nötigte. Was aus diesem Brief geheim zu halten ist, siehst du selbst ein.

Calvin, Jean – An du Tillet in Paris.

Du Tillet hatte Calvin ermahnt, die Genfer Ereignisse als eine Strafe dafür anzusehen, dass er einer menschlichen und nicht göttlichen Berufung gefolgt sei und ihn aufgefordert, wieder nach Frankreich und in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren. Er bot ihm auch wieder finanzielle Unterstützung an. Am Schluss des Briefes wird von Calvin der Tod Courauts erwähnt.

Rechtfertigung seines Verhaltens. Ablehnung von finanzieller Unterstützung.

Monsieur, die Mahnungen und Vorwürfe, die Ihr Brief enthält, hat mich unser Herr schon längst in mir selbst fühlen lassen, so dass ich sie nur gut aufnehmen kann, wenn ich nicht meinem Gewissen widersprechen wollte. Ich verstehe darunter das, dass Sie mich ermahnen, wie es unser Herr auch schon besorgt hat an mir, Grund und Gelegenheit zu benützen zur Erkenntnis meiner Fehler. Ich habe mich auch nicht einmal damit begnügt, sie still bei mir zu bedenken, sondern, wie meine Pflicht war, stand ich nicht an, sie auch denen zu bekennen, die mich lieber entschuldigt hätten, als gedacht, es sei etwas an mir zu tadeln. Freilich, im Blick auf unsere Gegner habe ich stets meine Unschuld behauptet, wie ich sie vor Gott bezeugen konnte. Ebenso gab ich stets denen nicht Recht, die unüberlegt urteilten. Denn die Mehrzahl erlaubt sich, die Art der Krankheit bestimmen zu wollen, ohne ihre Ursachen zu kennen. Aber doch habe ich es nie unterlassen, öffentlich und privatim zu sagen, wie müssten dieses Unglück annehmen als eine deutliche Züchtigung für unsere Unerfahrenheit und andre Fehler, die dies nötig machten. Meine besondern Fehler, glaube ich, soviel ich ihrer bemerke, sind doch die größten und die meisten nicht. Trotzdem bitte ich den Herrn, dass er mir sie Tag für Tag deutlicher zeigen wolle. Die, die Sie an mir tadeln, kann ich aber nicht anerkennen. Gilt es über meine Berufung zu reden, so glaube ich, haben Sie nicht soviel gute Gründe, sie anzufechten, als mir der Herr sichere gegeben hat, darin fest zu werden. Mag meine Berufung Ihnen zweifelhaft scheinen, mir genügt, dass ich ihrer sicher bin, ja noch mehr, dass ich sie beweisen kann vor Allen, die ihr Urteil der Wahrheit unterordnen wollen. Nicht ohne Grund erinnern Sie mich daran, wie unrecht es ist, sich zu sehr auf seinen eigenen Kopf zu verlassen. Ich kenne nämlich meine Kraft gar wohl, dass ich auch nicht das Kleinste von mir rühmen kann, ohne dass es schon zu viel wäre. Ich möchte aber, Sie wüssten, dass die Selbstanklagen, die Sie von mir hörten, keine Heuchelei waren. Damit habe ich genugsam bewiesen, wie viel es brauchte, um mich fähig zu machen, die Last, die auf mir lag, zu tragen.

Sie halten sich lange dabei auf, wie gefährlich es sei, wenn es uns so schwer falle, um des Vorwurfs des Wankelmuts willen ein überstürztes Urteil zurückzunehmen. Ich verstehe nun meinerseits wohl, dass die Befürchtung Grund hat, ein so toller Ehrgeiz sei meinen Augen eine Binde, die mich hindere, klar zu sehen; andrerseits hoffe ich aber auch, der Herr werde mich nie in einen solchen Stolz fallen lassen, es sei denn, dass er mir alle Ehre rauben wollte, wenn ich mich einmal willkürlich gegen seine Wahrheit auflehnte. Ich habe in der Art mit Jemand, den Sie kennen, geredet; ich kann jetzt noch nichts anderes sehen, als was ich damals erklärt habe. Sollte etwa der damals anwesende Zeuge Ihnen einen verkehrten Bericht gebracht haben, wie es ja seine Gewohnheit ist, zu verdrehen und zu verwirren?

Was das angeht, dass ich meinen Nächsten verdamme [wie Sie schreiben], muss ich ein Wort mit Ihnen reden, das Ihnen vielleicht nicht gefällt. Ich möchte, Sie wendeten da ein Teil Ihrer Ermahnungen auf sich selbst an. Denn in Ihrem ganzen Brief nennen Sie die Finsternis Licht und verdammen alle, die gerader wandeln, als alle Ihrigen in diesem Punkt. Ich will mich nicht auf einen Disput einlassen, da das auch Ihre Absicht nicht ist; aber das möchte ich wissen, ob es recht ist, dass Jemand von seiner Studierstube aus Verdammungsurteile ergehen lässt gegen Alle, die täglich vor aller Welt zu ihrer Lehre stehen, und es dann noch für Anmaßung hält, wenn diese ihrerseits sich erlauben, die offenbaren Feinde Gottes und seiner Ehre zu verurteilen. Ich will annehmen, dass Sie in dieser Sache in der besten Absicht urteilen, aber ich muss es einem andern Geist zuschreiben als dem Gottes. Was meine Rückkehr angeht, so muss ich bekennen, dass ichs schon sonderbar finde, dass Sie davon anfangen zu reden. Einen Weg soll ich suchen, dahin zurückzukehren, wo ich wie in der Hölle wäre? Die Erde ist des Herrn, werden Sie sagen. Gewiss, aber ich bitte Sie, mir zu erlauben, dem Gebot meines Gewissens zu folgen, das sicherer ist als das Ihre, ich weiß es. Darüber, dass ich wieder ein neues Amt angenommen, muss ich sagen: mein Wunsch wäre es gewesen, davon frei zu bleiben. Hätte ich nur mit Leuten zu tun gehabt, die Sie als zu kühn und unüberlegt in der Anstellung von andern Leuten ansehen dürften, so hätte ich mich keineswegs beeilt, [mich von ihnen anstellen zu lassen]. Aber da die Allerruhigsten mir drohten, der Herr werde mich finden, wie er den Jonas gefunden, und als sie soweit gingen, zu sagen: Nimm an, durch deine Schuld allein sei eine Kirche zugrunde gegangen; wie könntest du eher dafür Buße tun, als dass du dich ganz in den Dienst des Herrn stellst? Wie willst du es bei deiner Begabung vor deinem Gewissen verantworten, ein Pfarramt abzulehnen? usw., da wusste ich nichts anderes zu tun, als ihnen die Gründe darzulegen, die mich abhielten, meine Pläne nach ihrem Sinn zu richten. Als auch das nichts nützte, dachte ich, ich müsse in so unklarer Lage dem folgen, was mir wirklich von wahren Knechten Gottes gezeigt wurde. Ich versichere Sie, dass die Sorge um leibliches Auskommen mich nicht dazu bewogen hat. Denn ich war zum Versuch entschlossen, meinen Lebensunterhalt als Privatmann zu verdienen, was ich mir gar nicht unmöglich dachte. Aber ich kam zu dem Schluss, dass Gottes Wille mich anders führe. Habe ich gefehlt, so tadeln Sie mich, bitte, aber durch einfache und kurze Verdammung, der ich doch nicht Recht geben könnte gegen die Meinung und den Rat von Leuten, die ich nicht gering schätzen kann, so wenig Sie es dürfen.

Sie machen mir ein Angebot, für das ich Ihnen nicht genug danken kann. Und ich bin nicht so unhöflich, dass ich nicht die große Freundlichkeit empfinde und selbst, wenn ich sie nicht annehme, der Verpflichtung, die ich Ihnen dafür schulde, nie nachkommen kann. Aber ich will so wenig wie möglich zur Last fallen, vor allem Ihnen, der Sie schon früher mehr als genug Last von mir gehabt haben. Gegenwärtig kostet mich meine Nahrung nichts. Für die anderen Bedürfnisse, außer denen des Mundes, genügt der Erlös aus dem Verkauf meiner Bücher. Ich hoffe, der Herr wird mir, wenns nötig ist, wieder einmal andere Bücher geben. Hätten Sie Ihre Worte so an mich gerichtet, dass es nur ein Tadel für meine Person gewesen wäre, ich hätte es leicht ertragen. Aber da sie auch die Wahrheit Gottes und seinen Knechten nicht zustimmen wollen, musste ich Ihnen in kurzen Worten entgegnen, damit Sie nicht meinen, ich wolle Ihnen Recht geben. Ich denke, Sie haben unser Unglück für groß genug gehalten, mich ins tiefste Dunkel zu stürzen, ja mich meine ganze Vergangenheit verleugnen zu lassen. Wahr ists, ich war sehr unglücklich, aber doch nicht so, dass ich hätte sagen müssen: Ich weiß nicht mehr, wo des Herrn Wege sind. Deshalb sind auch diese Versuchungen vergeblich gewesen an mir. Einer von den Genossen [unsrer Verbannung] steht nun vor Gott, um Rechenschaft abzulegen über die Sache, die er mit uns gemein hatte. Wenn wir einmal dorthin kommen, wird man erkennen, auf welcher Seite die Schuld des Übermuts und des Abfalls ist. Dorthin appelliere ich von dem Urteil der Klugen Leute, die glauben, ein Wort von ihnen genüge, uns zu verdammen. Dort werden die Engel Gottes Zeugnis ablegen, wer die wirklichen Ketzer sind.

Mich untertänig Ihrer Güte empfehlend, bitte ich den Herrn, er wolle Sie erhalten und bewahren in seinem heiligen Schutz und Sie so führen, dass Sie nicht von seinem Wege weichen.

Straßburg, 20. Oktober.
Ihr ergebener Diener und treuer Freund
Charles d´Espeville.

Calvin, Jean – An seine Anhänger in Genf.

Hirtenbrief über Einigkeit und Selbstprüfung.

An meine geliebten Brüder im Herrn, die übrig geblieben sind aus der Zerstörung der Kirche in Genf.

Die Barmherzigkeit Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi werde stets größer für Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Liebe Brüder, ich unterließ es bisher Euch zu schreiben in der Hoffnung, die Briefe unsers Bruders Farel, der die Aufgabe für uns beide übernommen hatte, könnten Euch genügen. Auch wollte ich, soviel wie möglich, die Gelegenheit Übles zu reden denen, die sie suchen, nehmen, damit sie nicht verleumderisch sagen können, wir suchten Euch an uns zu ziehen und so Euch festzuhalten in Eurer Parteinahme. Trotzdem konnte ich mich schließlich doch nicht enthalten, Euch zu schreiben, um Euch die Liebe zu zeigen, die ich stets für Euch behalte, und die Sorge, mit der ich im Herrn Euer gedenke, wie es meine Pflicht ist. Auch die Befürchtung, die mich bisher etwas zurückhielt, soll mich jetzt nicht mehr hindern, denn ich sehe wohl, dass der Vorwand, den die Boshaften daraus nehmen, uns zu schmähen, nichtig und eitel ist. Gott ist uns Zeuge und Euer Gewissen vor seinem Gericht, dass, solange wir unter Euch lebten, unser ganzes Bestreben war, Euch alle in Einigkeit und Eintracht zusammenzuhalten. Die, die sich von uns getrennt haben, um eine Partei für sich zu bilden und als solche zu handeln, die haben erst eine Spaltung eingeführt in Eurer Kirche wie in Eurer Stadt. Sobald wir die Anfänge solcher Pest wahrnahmen, strengten wir uns getreulich an als vor Gott, in dessen Dienst wir standen, Heilung [für solche Krankheit] zu finden. Deshalb verteidigt uns unsere Vergangenheit gegen alle Verleumdung der Art. Wenn wir nun jetzt durch unsern Verkehr mit Euch Anlass geben, dass Ihr uns im Gedächtnis behaltet, so kann uns daraus kein Vorwurf gemacht werden; denn unser Gewissen ist ruhig vor Gott, weil wir durch seine Berufung einstmals mit Euch verbunden waren. Deshalb darf es nicht in der Macht der Menschen stehen, ein solches Band zu zerreißen, und wie wir uns früher benommen haben, so hoffen wir uns geleitet vom Herrn zu halten, dass wir nicht Ursache sind zu Unruhe und Spaltung, es sei denn für die, die so verschworen sind gegen Jesum Christum und all sein Volk, dass sie gar keine Einigkeit mit seinen Knechten leiden mögen. Denn wenn Leuten dieser Art der liebe Heiland selbst Ärgernis und Beleidigung ist, was könnten wir anders sein, die sein Malzeichen tragen sollen, tief eingeprägt in unserer Seele und an unserm Leibe? Aber unser Trost ist, dass wir ihnen keine Ursache geben, wie unser guter Meister nicht gekommen ist, die Menschen aufzuhalten, sondern vielmehr der Weg zu sein, auf dem alle ohne Anstoß wandeln sollen.

Nun geliebte Brüder, da die Hand des Herrn, soviel ich höre, immer noch ausgereckt ist, Euch heimzusuchen, und da nach Gottes gerechter Zulassung der Teufel sich bemüht, unaufhörlich die Kirche zu zerstören, die unter Euch begonnen war, so ists wohl Not, Euch an Eure Pflichten zu erinnern. Nämlich zu erkennen und zu bedenken, dass, so groß die Verdorbenheit der Menschen sein möge, die Euch beunruhigen und bekämpfen, doch diese Angriffe auf Euch nicht so sehr von ihnen als vom Satan kommen, der sich ihrer Bosheit als Werkzeug bedient, Euch zu bekriegen. Daran erinnert uns der Apostel, wenn er sagt: wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, d. h. mit Menschen, sondern mit den Geistermächten der Luft und gegen den Fürsten der Finsternis [Eph. 6, 12]. Ihr wisst, wie notwendig es ist, den Feind zu kennen, um zu wissen, mit welchen Mitteln man ihm widerstehen soll. Wenn wir dabei Halt machen, gegen Menschen zu kämpfen, an nichts denken als an Rache und Vergeltung für das Unrecht, das sie uns tun, so ist zu bezweifeln, ob wir so siegen können. Oder vielmehr es ist ganz sicher, dass wir dann vom Teufel besiegt werden. Wenn wir dagegen keinen Kampf mit Menschen führen als den, dass wir gezwungen sind, sie zu Gegnern zu haben, soweit sie Widersacher Jesu Christi sind, sondern den Ränken des geistigen Feindes widerstehn, wohl ausgerüstet mit den Waffen, mit denen der Herr sein Volk bewehrt haben will, so brauchen wir nicht zu fürchten, wir könnten unterliegen. Deshalb, liebe Brüder, wenn Ihr wahrhaften Sieg wollt, so bekämpft das Böse nicht mit gleichem Bösen, sondern frei von aller bösen Leidenschaft lasst euch allein führen vom Eifer um Gott, der ein Maß empfängt durch seinen Geist nach Vorschrift seines Wortes.

Weiter müsst Ihr bedenken, dass diese Dinge Euch nicht geschehen sind gegen die Anordnung des Herrn, der auch durch die Bösen wirkt nach dem Plan seines guten Willens. Nun, diese Überlegung wird Euch ablenken von euern Feinden zur Betrachtung und Prüfung Eurer selbst und zwar zu solcher Prüfung, dass Ihr erkennt, wie sehr Ihr eine solche Heimsuchung Eurerseits verdient habt, als Züchtigung für Eure Nachlässigkeit, für die Verachtung oder Gleichgültigkeit gegen Gottes Wort, die unter Euch sich fand, für die Trägheit, ihm zu folgen und ihm rechten Gehorsam zu erweisen. Denn Ihr könnt nicht zur Entschuldigung anführen, solche Fehler aller Art seien bei Euch nicht vorgekommen, und wie leicht es Euch auch sein möchte, Euch vor den Menschen einigermaßen zu rechtfertigen, so wird vor Gott doch Euer Gewissen sich schuldbeladen fühlen. So haben es die Knechte Gottes gemacht in ihren Trübsalen, nämlich, woher diese auch kommen mochten, sie haben ihre Gedanken stets auf die Hand Gottes gerichtet und auf ihre eigenen Sünden, und haben in ihnen sogar die genügende Ursache erkannt, um derentwillen der Herr sie so demütigen musste. Daniel verstand wohl, wie groß die Verruchtheit des Königs von Babel war, das Volk Gottes zu zerstören und zu zerstreuen, bloß um seine Habgier, seinen Übermut und seine Grausamkeit zu befriedigen, wie feindselig es war, es ungerecht zu unterdrücken. Nichtsdestoweniger sah er, dass die Hauptursache in ihnen selbst lag, auch dass die Babylonier nichts wider sie vermocht hätten, außer durch die Zulassung des Herrn. So beginnt er um der guten Ordnung willen mit einem Bekenntnis seiner eigenen Schuld und der der Könige und des Volkes Israel. Wenn der Prophet sich so gedemütigt hat, so achtet darauf, ob ihr nicht viel größere Ursache dazu habt, und wenn er es nötig hatte, so zu tun, um Gottes Barmherzigkeit zu erlangen, welche Verblendung wäre es für Euch, stehen zu bleiben bei der Anklage gegen Eure Feinde, ohne Eure eignen Fehler zu erkennen, die weit größer sind als die des Propheten.

Was uns betrifft, wenn sichs drum handelt, unsere Sache zu verteidigen gegen ungerechte und verleumderische Menschen, die uns beschuldigen wollen, so weiß ich nicht allein, dass unser Gewissen rein ist zur Verantwortung vor Gott, sondern wir haben auch Beweise genug, uns zu rechtfertigen vor aller Welt. Diese Sicherheit haben wir bezeugt, als wir verlangten, uns zu verantworten selbst vor unsern Gegnern, über alles, was man uns vorwürfe. Es muss einer gut ausgerüstet sein mit Rechtfertigungsgründen, wenn er sich in solcher Weise anbietet, schwächer in allen andern Beziehungen, nur allein in seiner guten Sache sicher. Trotzdem, wenn es sich drum handelt, vor Gott zu erscheinen, so zweifle ich nicht daran, dass er uns so gedemütigt hat, um uns unsere Unkenntnis und Unvorsichtigkeit und all die andern Schwächen, die ich meinesteils wohl an mir spürte, sehen zu lassen, und es fällt mir nicht schwer, sie zu bekennen vor der Kirche des Herrn. Wenn wir das tun, so brauchen wir nicht zu fürchten, dass wir unsern Feinden einen Vorteil gegen uns verschaffen, denn Daniel hat den Nebukadnezar nicht gerecht genannt, wenn er den Sünden Israels die Bedrückung zuschreibt, die sie unter seiner Tyrannei zu leiden hatten, vielmehr hat er ihn getadelt, denn er hat gezeigt, dass er nichts war als eine Geißel des Zornes Gottes, wie auch der Teufel und seine Helfer. Auch ist keine Gefahr, dass wir unsere Sache dem Tadel und der Schande aussetzten. Denn wenn wir uns angeboten haben, Genugtuung zu leisten vor allen Kirchen, und zu beweisen, dass wir pflichtgemäß und treu unser Amt verwaltet haben, und uns noch Tag für Tag dazu anbieten, so ist das kein Zeichen, dass wir ihnen erlauben, an uns herum zu beißen und uns herunterzureißen. Wenn wir sie auch nicht hindern können zu schmähen, wie denn Einige von ihnen sich darin nicht nur von ihrer Maßlosigkeit, sondern von einer wahren Tollwut hinreißen lassen, so lassen wir, welche Verheißung uns gegeben ist, dass der Herr unsere Unschuld scheinen lassen wird wie den Morgenstern, und unsere Gerechtigkeit leuchten wie die Sonne. Dieses Vertrauen dürfen wir kecklich haben, wenns gilt, gegen die Ungerechten sich zu verteidigen, so sehr wir uns auch in Vielem vor der Gerechtigkeit des Herrn fürchten müssen. Doch wird uns der Herr in unserer Erniedrigung und Verwerfung nicht verlassen und uns seinen großen Trost nicht versagen, uns aufrecht zu halten und zu stärken. Ja, wir haben ihn schon ganz gegenwärtig, wenn es in der Schrift heißt, dass die Züchtigung, die er seinen Knechten schickt, zu ihrem Wohl und Heile dient, wenn sie sie nämlich wohl verstehen. Kehrt, liebste Brüder, immer wieder zu diesem Trost zurück! So sehr sich die Feinde bemühen, eure Kirche zu zertrümmern, so sehr Eure Fehler und Sünden mehr, als ihr tragen könntet, verdient haben, so wird doch unser Herr den Strafen, die er euch gesendet hat, ein solches Ziel setzen, dass sie euch heilsam sein werden. Sein Zorn gegen seine Kirche, der zu nichts anderm dient, als sie zum Guten zurückzuführen, geht rasch vorbei, sagt der Prophet. Seine Barmherzigkeit aber ist ewig, und sogar für zukünftige Geschlechter, denn von den Vätern erstreckt sie sich auf Kinder und Kindeskinder. Schaut eure Feinde an, Ihr seht deutlich, dass alle ihre Wege auf Verwirrung ausgehen, und trotzdem kommts ihnen vor, sie seien jetzt zu Ende mit ihrem Unternehmen. Lasst Euch also nicht entmutigen, weil es dem Herrn gefallen hat, Euch für eine Zeitlang zu erniedrigen; denn er ist nicht anders, als die Schrift von ihm bezeugt, nämlich der, der den Geringen und Verachteten aufrichtet aus dem Staube, den Armen aus dem Kote, die Freudenkrone reicht denen, die in Tränen und Trauer sind, der Licht spendet denen, die in Finsternis sitzen, der zum Leben erweckt, die ihm Todesschatten weilen. Hoffet also darauf, dass Euch der liebe Gott einen solchen Ausgang beschert, dass Ihr Anlass habt, ihn zu preisen und seiner Milde die Ehre zu geben. In dieser Hoffnung tröstet Euch und stärkt Euch, geduldig auszuhalten die Züchtigung von seiner Hand, bis es ihm wieder gefällt, Euch seine Gnade zu zeigen, was ohne Zweifel bald genug geschehen wird, da wir alles seiner Vorsehung überlassen dürfen, die die rechte Zeit kennt und besser weiß, was uns nützlich ist, was wir es verstehen.

Vor allem achtet darauf, zu wachen mit Bitten und Gebet. Denn wenn alle Eure Erwartung auf Gott gesetzt ist, wie sie soll, so habt ihr guten Grund, dass Euer Herz beständig zum Himmel erhoben ist, ihn anzurufen und um die Barmherzigkeit zu flehen, die ihr von ihm hofft. Merket, dass er oft nur deshalb aufschiebt, was seine Kinder wünschen, weil er sie antreiben und bewegen will, seine Güte zu suchen. So gewiss ist das, dass wir uns umsonst rühmen, wir hätten Vertrauen zu ihm, wenn wir nicht auch dadurch beweisen, dass wir bei ihm Zuflucht suchen im Gebet. Sicher ist, dass in unserm Gebet noch nicht genügend Eifer und Wärme ist, wenn wir nicht unaufhörlich darin fortfahren. Ich bitte den Herrn alles Trostes, Euch zu stärken und zu erhalten in guter Geduld, solang er euch in solcher Trübsal prüfen will, und Euch fest zu machen in der Hoffnung auf die Verheißungen, die er seinen Knechten gegeben hat, dass er sie nicht stärker versuchen wird, als sie ertragen können, sondern dass er mit der Demütigung auch die Kraft und den heilsamen Ausgang schenkt.

Straßburg, 1. Oktober 1538.
Euer Bruder und Diener im Herrn
J. Calvin.

Calvin, Jean – An Antoine du Pinet in Genf.

Antoine du Pinet, ein Burgunder, Calvins Freund und Korrektor seiner Druckarbeiten. Die „Schlafweisen“ nennt Calvin die Anhänger der Lehre, dass die Seelen zwischen Tod und jüngstem Gericht im Schlafe liegen. Gastius, ein sonst unbekannter Gegner Calvins in Genf.

Gutachten über Zauberei und Vielweiberei.

Gnade sei mit dir und Friede von Gott und dem Herrn Jesu Christo. Auf deinen Brief gehörte dem Inhalt entsprechend eigentlich eine ausführliche Antwort. Ich hatte auch schon mir vorgenommen, eine solche zu verfassen, und hätte es auch getan, wenn sich mir nicht wider alles Erwarten dieser Bote angetragen hätte, durch den mein Brief etwas früher ankommen wird, als durch die Kaufleute, die nächstens von Frankfurt wieder nach Lyon reisen. Ich will also auf die einzelnen Punkte deines Briefes antworten, soweit ich zwischen meinen Geschäften Zeit finde. Ich hätte eher Zeit, wenn ich nicht einen guten Teil davon unserm Bruder widmen müsste in dem Geschäft, dessentwegen er die Reise unternahm.

Über die Zauberkünstler kann ich dir zweifellos versichern, dass sie nichts von einer wirklichen Verwandlung an ihrem Körper erfahren. Ich denke es geht bei ihnen keine andere Veränderung vor als bei den Stäben der [ägyptischen] Magier (2. Mose 7, 10 – 13), die, trotzdem sie wie Schlangen aussahen, doch bei Mose noch Stäbe heißen; vorauszusetzen ist, dass diese Betrüger mehr mit den Augen ihrer Zuschauer ihr Spiel trieben, als dass sie wirklich etwas leisteten. Dem widerspricht nicht, dass die von Mose wirklich zustande gebrachte Schlange dort ebenso ein Stab genannt wird. Denn der Ausdruck wäre nicht fein genug gewesen, wenn gesagt wäre, die Stäbe seien von einer Schlange verschlungen worden. Weil der Prophet die Kraft Gottes erläutern wollte, die den Trug Satans zerstreut, wollte er eben die anfängliche Ähnlichkeit im Stoff hervorheben, damit es nicht scheine, er habe mehr durch irgendein Werkzeug als durch Gottes Arm den Sieg davongetragen. Wenn auf beiden Seiten eine wirkliche Verwandlung stattgefunden hätte, so hätte er eher von Schlangen reden können.

Aber auch das widerspricht der Wahrheit nicht, dass tatsächlich solche böse Verhexung, wie man sie ihnen vorwirft und deren sie sich selbst schuldig bekennen, von ihnen ausgeübt wird. Denn das Reich Satans ist allenthalben mit so abgrundtiefer und dichter Finsternis bedeckt, dass es nicht verwunderlich ist, dass sein Betrug sich bis auf seine eigenen Seher erstreckt. Das ist so verstehen: den Leuten, die der Teufel in seinem unglücklichen Dienst zur Verführung des armen, geringen Volkes missbraucht, gaukelt er selbst allerlei vor, dass sie blindlings auf alles stürzen, was er sie tun heißt. So kanns geschehen, dass sie, von wilder Wut aufgestachelt, nicht nur Kinder, sondern auch andrer Leute Vieh verhexen, indem der Teufel, der in ihnen die Lust entzündet hat, ihnen auch die Kräfte gibt. Um solchen Zauberfrevel festzustellen, kommts darauf nicht an, ob sie selbst fremde Gestalt angenommen haben oder ob sie nur unter allerlei Blendwerk verborgen sich scheinbar verwandelt haben, es ist mehr als genug, wenn sie sich dem Satan zur Ausführung seiner Frevel freiwillig hingegeben haben. Das aber soll dem Satan genommen werden, dass einer glaube, er könne wirklich etwas schaffen, da nur ein Schöpfer aller Dinge ist. Die Wunder, die der Teufel tut, dürfen nur als wesenlose Gespensterdinge angesehen werden. Wenn schon sie oft so wunderbar sind, dass sie alle Wahrscheinlichkeit übertreffen, so müssen wir doch das bedenken, dass es dem Vater der Finsternis nicht schwer fällt, auf diese Weise blöde Augen zu blenden, oder besser, mit Blinden sein Spiel zu treiben. Denn allein der Unglaube ists, der seinen Betrügereien Raum bietet. Ob die Formeln und fremden Worte, die die Beschwörer murmeln, gegen Gläubige etwas vermögen, mag man aus nachstehendem folgern. Wenn du dich nicht selbst so schändest, dich der Eitelkeit des Teufels unterzuordnen, so sind sie eitel Dunst. Wir wissen, dass die Zaubersprüche pure Lüge sind und sicher nicht mehr vermögen, als die Wahrheit. Nicht von beliebigen Wahrheiten reden wir, sondern die Verheißungen wählen wir aus, in denen der Herr uns Sündenvergebung, Wiedergeburt, Besitz ewigen Lebens, ja Christum selbst anbietet. Was haben sie für Wert, wenn man sie ohne Sinn und Verstand spricht oder hört? Gewiss nicht mehr, als wenn man Töpfe und Schüsseln zusammenschlägt, dass es einen Ton gibt. Das Wort Augustins ist wahr, die Wirksamkeit des Worts im Sakrament erscheine und bestehe nicht darin, dass es gesprochen, sondern darin, dass es geglaubt wird. Schwere Schmach aber täten wir dem Worte Gottes, wenn wir ihm geringere Kraft zuschrieben als tollen Possen und Verrücktheiten. Deshalb müssen wir unsere Leute ermahnen, dass sie sich nicht freiwillig dazu hergeben, sich von der Nichtswürdigkeit des Teufels bestricken zu lassen. Denn wir haben reiche Verheißungen, in denen der Herr erklärt, er habe seine Knechte allen Ränken des Satans, also auch diesen dummen Possen enthoben. Wenn wir den 99. Psalm recht im Sinn haben, so schützt das uns mit fester Sicherheit gegen alle Schrecknisse. Wenn man uns entgegenhält, Hiob sei vom Satan grausam geplagt worden, so leugne auch ich nicht, dass auch der Teufel eine Geißel Gottes ist zur Züchtigung oder Prüfung seiner Heiligen. Aber ein frommes Herz sieht wohl, dass es mit dem Satan nichts zu tun hat; denn es erkennt, dass allein Gottes Vorsehung handelt, auch wenn sie sich untergeordneter Werkzeuge bedient.

Die Vielweiberei wird von geschwätzigen Brüdern ganz hübsch vorgebracht, wenn sie disputieren – ohne Gegner. Um ihren Irrtum zurückzuweisen, muss man meines Erachtens so vorgehen, dass man zunächst auf die Stiftung der Ehe merkt, und aus ihr muss man dann die bleibende Form der Ehe ableiten. Wenn sie dagegen protestieren, es sei nicht nötig, dass die Ehe auf dem Zustand ihres ersten Bestehens bleibe, so sage ich, ich folge hierin der Ordnung der Schrift. So hat Paulus, in seinem Bestreben, bei den Korinthern das stark verderbte Abendmahl wieder rein herzustellen, sich zuerst auf seine Stiftung berufen. Hat er dadurch nicht als zugestanden angenommen, dass fehlerhaft ist, was von seinem wahren Ursprung abweicht! So hat Christus, als er zeigen wollte, dass die Erlaubnis Moses, einer Frau den Scheidebrief zu geben, nicht der Lust der Männer dienen sollte, die aus diesem Grund sonst gute Frauen entließen, keinen anderen Beweis gebraucht, als dass es ursprünglich nicht so war. Warum soll die Stiftung der Ehe für die Frage der Ehescheidung mehr den Wert eines Gesetzes haben als für die Frage nach der Zahl der Frauen! Also sollen sie entweder die Beweisführung des Herrn leichtsinnig nennen (was eine unerträgliche Lästerung wäre!), oder uns gestatten, dass wir dieselbe anwenden. Also nach dem Vorbild des Herrn argumentiere ich so: Wenns dem Mann nicht erlaubt ist, sich von seinem Weib zu scheiden, weil er uranfänglich mit dem Weib verbunden wurde mit der Vorschrift, er sollte eine untrennbare Lebensgemeinschaft mir ihr haben, so wird’s auch nicht erlaubt sein, mehrere Weiber zugleich zu nehmen, weil im Anfang nicht mehrere, sondern eine Gehilfin ihm gegeben worden ist. Der Herr zeigt weiter deutlich, dass er länger vorausgesehen hat als auf ein paar Jahre. Denn so stehts bei Mose: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, ich will ihm eine Gehilfin machen [1. Mose 2, 18], die ihm ähnlich sei, dass die zwei ein Fleisch sein sollen. Nicht drei oder vier zugleich verbindet er miteinander, sondern zwei allein. Und wenn er das tut, so geht das nicht Adam allein an, sondern bezieht sich auf das ganze Menschengeschlecht. Er stellt also ein unverletzliches Gesetz auf, dass zwei Gatten sollen ein Fleisch sein. Von der Stiftung müssen wir, glaube ich, weitergehen zum gesetzmäßigen Brauch, wie er uns durch Gottes Wort festgesetzt wird. Um der Hurerei willen, sagt Paulus, habe ein jeglicher sein eigenes Weib und eine Jegliche ihren eigenen Mann [1. Kor. 7, 2]. Wir sehen, er bestimmt jedem Weib seinen Mann, damit nicht das schwache Geschlecht ohne Hilfe der Hurerei verfalle. Aber der Herr will zur Vermeidung der Hurerei für das Weib nicht weniger vorgesorgt haben als für den Mann. Wir müssen also sehen, ob etwa dem Weib weniger Gefahr droht als dem Mann. Wenns doch feststeht, dass ihr noch viel mehr droht, wäre das fromm, wenn ein Mann seinem Weibe raubt, was ihm der Herr als Hilfe gegeben hat? Folgt: der Mann ist seines Leibes nicht mächtig, sondern das Weib [1. Kor. 7, 4]. Also vom Tage an, an dem ein Mann mit einem Weib sich verbindet, verpflichtet er ihr seinen Leib, so dass er ihn nachher nicht mit andern gemein machen darf. Wenn er es doch tut, hat er die Treue gebrochen. Drittens müssen wir unsere Betrachtung auf die allgemeinen Ehegesetze richten, die in der Schrift vorkommen. Unter ihnen ist keines, das die Vielweiberei verteidigt. Vielmehr laufen alle eher auf eins hinaus, dass je ein Weib einen Mann habe. Auf diesen Gesetzen müssen wir fleißig bestehen, denn es ist klar, dass sie dazu gegeben sind, dass nach ihren Vorschriften die Ehen gehalten werden; woraus folgt, dass man nicht ohne Gefahr von ihnen weichen darf. Nun wird es passend sein, auf die Widerlegung der Einwände der Gegner überzugehen. Vor allem halten sie uns das Beispiel der Patriarchen vor, die sich auch nicht jeder bloß mit einem Weibe verbanden. Ich sage nicht, sie hätten gesündigt, weil die Schrift davon berichtet, ohne irgend solches Tun zu verdammen. Aber wir wollen ein wenig erwägen, welchen Grund sie hatten. Als erster von den Erzvätern erlaubte sich Abraham die Vielweiberei. Wozu? Gewiss dazu, dass er der Verheißung teilhaftig werde, in der sein Glaube an die ewige Seligkeit ruhte, und das auf Anraten seines Weibes, dem er nach ehelichem Gesetz verpflichtet war. Für Abraham gab es also einen besonderen Grund, dessen sich unser Geschlecht nicht rühmen kann. Er wollte einen Weg finden, sich Samen zu erwecken, aus dem das Heil der Welt hervorgehen sollte. Isaak hatte einen Spross von der ersten Frau; eine zweite nahm er nicht. Bei Jakob ist es etwas schwieriger, besonders wegen seiner Ehe mit Rahel. Denn dass die Mägde an Stelle der Frauen genommen werden, hatte keinen andern Zweck als die Erfüllung der Verheißung. Bei Rahel aber ist die Ursache eine andere. Da gab er seiner Begierde nach. So wage ich es nicht, ihn in einer Willkür dieser Art zu entschuldigen, und wie er gestraft wurde, sehen wir. Er wurde geplagt zwischen den beiden Weibern durch ihren beständigen Zank und Unfrieden, er, der mit einer ein ruhiges stilles Leben hätte führen können. Von diesen Stammeshäuptern drang dann die Sitte weiter zu ihren Nachkommen, die ich ohne Zögern unmäßig nennen kann im Anspruch auf dies Recht. Denn was man sagt, es werde an Salomo nicht getadelt, dass er mehrere Frauen gehabt habe, sondern nur, dass er sich auch fremder nicht enthalten habe, hat keine Beweiskraft. Denn man wird nicht behaupten wollen, er habe mit Fug und Recht getan, was durch das Gesetz untersagt war. Im allgemeinen Gesetz hatte der Herr auch den Königen verboten, die Zahl der Weiber zu mehren. Wenn er, meine ich, durch dies Gesetz gebunden war, so hat man keinen Grund, zu behaupten, er habe keinen Tadel verdient, bloß weil einmal der Tadel weggeblieben ist. Das soll also unser Resultat sein: da die heiligen Väter wussten, dass aus ihrem Samen das Heil kommen solle, so waren sie nicht ohne Grund sehr darauf aus, Samen zu bekommen, an dem sie die ganze Erfüllung der Verheißung sehen könnten. Diesem ihrem Verlangen hat der Herr in seiner Nachsicht nicht ohne bestimmte Ursache zugestanden, dass sie mehrere Weiber nähmen, besonders wo außerordentliche Umstände dazukamen. Dass das aber ein besonderes Vorrecht war und nicht als Beispiel genommen werden darf, geht daraus hervor, dass die Schrift bei ihnen den besonderen Grund fast mit Namen bezeichnet. Das Beispiel der Spätern darf uns nicht nötigen, weil wir sehen, dass die Nachkommen einfach die Väter nachahmten. Schließlich werden sie, auch wenn sie es versuchen, nicht beweisen können, dass nach der Erscheinung Christi statt habe, was anfangs einmal erlaubt war, damit Christus kommen könne. Der Spruch des Apostels [Tit. 1, 6], den sie beibringen, kann ihnen leicht aus den Händen geschlagen werden. Wie stehts, wenn wir ihn auf die Zeit Pauli beziehen, in der die Vielweiberei ganz verbreitet war? Wenn man sagen wollte, da unter den Judenchristen die meisten die Gatten mehrerer Frauen waren und sonst durchaus nicht zu verachten, aber doch, wenn sie zu Bischöfen gewählt worden wären, großen Anstoß geboten hätten, so habe der Apostel rechtzeitig vorbeugen wollen, so wäre dagegen nichts zu sagen; obwohl andere den Ton nicht so sehr auf das Wort eines [Weibes, Mann] legen, sondern einfacher annehmen, Paulus fordere von einem Bischof eine ehrbare Ehe. Ich aber lasse mich nicht von meiner alten Ansicht abbringen. Ich war immer der Meinung, mit diesem Wort werde von den Bischöfen eine besondere und ungewöhnliche Reinheit gefordert, da es vorschreibt, nur solche zu wählen, so weit es ginge, die nur einmal verheiratet waren. Denn das ist nicht widersinnig, dass vom Bischof verlangt wird, was andere aus der Menge nicht zu leisten brauchen. Die jüngern Witwen mahnt Paulus zu einer zweiten Ehe. An der gleichen Stelle aber will er nicht haben, dass zu einem kirchlichen Dienst die zugelassen werden, die eine zweite Ehe eingegangen haben, damit an ihnen nicht der Makel der Sinnlichkeit hafte. Was Wunder, wenn er diesen Makel der Sinnlichkeit auch beim Bischof scheut. Nicht zwar so, als müsste vom Amt abgehalten werden, wer nach dem Tode der ersten Frau eine zweite nahm. Das war seine Absicht nicht, ein bestimmtes Gesetz aufzurichten, sondern er wollte nur zeigen, dass bei einem Bischof die höchste Art jeder Tugend zu wünschen sei. Wie sich die Sache auch verhalte, nichts unterstützt die Verteidiger der Vielweiberei. Hat man sie ihrer Beweisgründe beraubt, dann muss man von neuem in sie dringen mit den Zeugnissen der Schrift, die die Ehrbarkeit der Ehe lehren, und es wird nicht unrichtig sein, daran zu erinnern, wer der erste Urheber der Vielweiberei war, nämlich Lamech [1. Mose 4, 19], und dass unter den Knechten Gottes keiner erwähnt wird, der mehrere Weiber um sich gehäuft hätte, da doch noch erlaubt gewesen wäre, die raschere Ausbreitung des Menschengeschlechts vorzuschützen. Es kam ihnen sogar nicht einmal in den Sinn, was sie schon von der Natur in gewisser Weise zu scheuen gelernt hatten. Christus allein war es wert, dass aus Sehnsucht nach ihm die Grenzen dieser natürlichen Gesetze überschritten wurden.

Gegen die schlafsüchtigen Schlafweisen erhältst du eben nichts von mir, teils weil ihre Widerlegung zu lang ist, um in einem Brief zusammengefasst zu werden, teils weil ich das Büchlein, das ich vor drei Jahren gegen sie geschrieben, nächstens neu herauszugeben hoffe. Butzer, der vorher abgeraten, es herauszugeben, mahnt mich nun dazu.

Um nun auch noch auf deine erste Beschwerde zu kommen, so hatte ich öfters vor, privatim an dich zu schreiben; ich weiß nicht, wie es kam, dass sich meinem guten Willen nie die passende Gelegenheit bot. Dass ich offiziell nichts an die Brüder schrieb, geschah absichtlich; denn da ich nicht nur vermutete, sondern es fast mit Augen sah, dass kein Wort von mir kommen könne, ohne gleich durch allerlei Verleumdungen übertrieben zu werden, hatte ich beschlossen, durch Stillschweigen die böse Zunge der Gegner zu entkräften. Damit die Billigung der Brüder erlangen zu können, bezweifelte ich gar nicht. Da sie sich nun aber gar nicht befriedigen ließen, schreibe ich ihnen über den Grund zum Gottvertrauen. Einen Beschwerdebrief an Euer Kollegium aber lasse ich mir jetzt nicht abpressen. Die Ruhe der Kirchen ist mir mehr wert, als dass ich sie meinethalben gestört sehen möchte. Wenn die Beschuldigungen, wenn der persönliche Wert meines Anklägers der Art wäre, dass es irgendwelche Bedeutung hätte, so ließe ich mich vielleicht bewegen. Aber nicht, wenn nicht das hinzukäme, dass durch mein Schweigen und Dulden meinem Amt ein Makel aufgebrannt würde. Doch ich sehe kein Ende der Kämpfe ab, wenn ich mich einmal dazu hergebe, solche Zungendrescher zu bändigen. Damit aber Gastius und seinesgleichen nicht allzu sicher höhnen, sollen sie wissen, dass mir weder die gute Sache, noch die Fähigkeit, sie zu behaupten und zu verteidigen, fehlen, noch dass mir die Gunst der Zuschauer unseres Kampfes mangelt, selbst nicht in ausgesprochener Zustimmung gewichtiger Autoritäten, und dass sie, wenn ich nach meinem Rechte zu handeln mir erlaubte und mich nicht die Ehrfurcht vor Christus und seiner Kirche zurückhielte, spüren sollten, welchen Erfolg ihre dumme Frechheit hätte. Andrerseits denke ich, dass ich mit Recht guten Leuten zu zänkisch vorkäme, wenn ich, nicht zufrieden mit dem Zeugnis meines Gewissens vor dem Herrn und mit dem Urteil der Kirche, wegen des heiseren Geschreis hohler Gesellen gleich auch Lärm schlüge. Dass wir nicht zögern, unsere Sache vor das Urteil der Kirche zu bringen, haben wir mit demselben Vertrauen bewiesen, mit dem wir dem Ausgang eines Zusammenstoßes mit diesen leichtsinnigen Gesellen entgegensähen. Es folgte das Urteil der Kirche, ich will nicht betonen, wie ehrenvoll für uns; es ist mir genug, dass es meine Amtstätigkeit billigte. Ich will nicht herzählen, wie öffentlich und privatim Leute, die den ersten Platz in den berühmtesten Kirchen innehaben, Zeugnis für uns ablegen. Nur das sage ich: Solange ich im Vertrauen auf mein reines Gewissen und das Urteil der Kirche das Licht nicht zu scheuen brauche, ists mir gleichgültig, was diese Hunde im Winkel bellen, obwohl ich glaube, lange werden sie es nicht tun. Kommen wird einst der Tag und steht schon bevor, wie ich hoffe, da man die Verteidigung der Wahrheit hören wird. An Euch ists, ohne jeden Schein von Zank und Streit zu beraten, ob es recht ist, dass einer, den die Kirche von Straßburg zum Pfarrer machte, sich von einem Gastius herunterreißen lassen muss.

Die Ausgabe unseres Katechismus macht mir Angst, besonders da sie so nahe bevorsteht. Was mir neulich gesandt wurde, war ganz falsch gedruckt. Ich muss da, lieber Bruder, dich um Treue bitten, dass du nicht nur für mich, sondern für alle Frommen dir recht Mühe gibst.

Ich habe das Alles nun so eilig hingeworfen, dass mir nicht einmal Zeit bleibt, es zu überlesen. Aber bei dir, der du an meine Korrekturen und auch Fehler reichlich gewöhnt bist, finde ich wohl Nachsicht. Im letzten Brief habe ich dir ja bezeugt, wie wert und angenehm mir deine Hilfe ist, um dich dadurch zur Fortsetzung anzutreiben. Leb wohl, liebster Bruder, grüße mir alle Eurigen aufs beste, deine Kollegen namentlich, und die, die du in deinem Brief genannt hast. Ich muss rasch an einen andern Brief.

Straßburg, 1. Oktober 1538.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Im September 1538 reiste Calvin von Basel nach Straßburg. Butzer unterhandelte unterdessen noch mit den Berner Pfarrern, vor allem Kuntz und Simon Sulzer. Der am Schluss der Briefe erwähnte Hermann war ein Wiedertäufer in Leyden, mit dem Calvin im Jahre 1537 in Genf öffentlich disputiert hatte. Thomas Barbarin Pfarrer in Neuchatel.

Verhandlung mit Genf, vom Anfang in Straßburg und den Wiedertäufern in Metz.

Gnade und Friede vom Herrn sei mit dir, von Herzen geliebtester Bruder.

Ich habe mich in solcher Eile von Basel losgerissen, dass ich – neben unzähligen andern Dummheiten meines armen Gehirns – auch den Brief, den ich für dich zurückzulassen versprochen hatte, mit mir nahm. Es war übrigens damals kaum etwas Schreibenswertes vorhanden. Drei Tage nach meiner Ankunft fehlte mir zwar ein Bote nicht und war auch schon Einiges passiert, was Stoff bot. Aber weil ich fürchtete, den Brief nur mit Gefahr dem Mann anvertrauen zu können, wollte ich es lieber bis heute verschieben. Dass Kuntz in seiner Weise geschrieben hat, verhehlte Butzer nicht; denn, das allein hat ihn veranlasst, mir den Brief nicht vorzulesen, dass er mir nicht umsonst Ärger bereiten wollte. Daraus entnimm, wie bitter es gewesen sein muss, dass Butzer in seiner Vorsicht meinte, ohne schwere Kränkung könne ich nicht drüber wegkommen. Sulzer pries zugleich die versöhnliche Freundlichkeit Kuntzens. Er hatte die Hoffnung, es könnte zwischen uns und Kuntz und den bisher uns feindlich gesinnten Ratsherrn wohl eine Versöhnung zustande kommen, wenn wir zuerst unsern guten Willen in einem Brief erklärten. Das hielt Butzer auch für nichts, wie es ja auch ganz lächerlich ist. Stelle dir vor, dass man solches hoffen kann! Wo sollten wir denn anfangen. Sollen etwa wir trachten, die andern zu besänftigen, als ob wir die Urheber des Streits wären? Und selbst wenn wir uns dessen nicht weigerten, wie wären die Beleidigungen wieder gut zu machen? Meine Meinung ist wenigstens, so könnte man weder das Vergangene bessern, noch gehörig für die Zukunft sorgen. Ja, wenn wir auch vor Gott und seinem Volke bekennen wollen, dass durch unsern Mangel an Erfahrung, unsere Sorglosigkeit, unsere Nachlässigkeit und unser Irren es zum Teil wenigstens dahin gekommen ist, dass die uns anvertraute Kirche so elend zusammengebrochen ist, so ist es trotzdem unsere Pflicht, unsere Reinheit und Unschuld geltend zu machen gegenüber denen, durch deren Betrug und Bosheit, Unredlichkeit und Schändlichkeit ein Zusammenbruch dieser Art erfolgte. Gern werde ichs also vor Gott und allen Frommen bekennen, dass unsere Unerfahrenheit und Sorglosigkeit es verdiente, so hart gestraft zu werden; dass aber durch unsere Schuld die arme Kirche so zusammenbrach, das werde ich nie zugeben. Ganz anders freilich ist unser Schuldbewusstsein vor Gottes Angesicht, aber kein Mensche kann uns nur ein Teilchen Schuld zurechnen. Wer sähe nicht, dass wir dann in Zukunft allem Spott ausgesetzt wären auf diese Weise! Denn jeder würde dann schreien, wir weigerten uns keiner Beschimpfung, wenn wir nur wieder eingesetzt würden. Doch wird der Herr hoffentlich einen bessern Weg bereiten. Denn Butzer hört nicht auf zu schreiben; dessen Ansehen dürfen sie nicht verachten. Als Verachtung aber erscheint es, wenn sie ihm nicht schließlich in Etwas nachgeben. Es ist seine letzte Hoffnung, wenn er die Zusammenkunft nicht erwirken kann, auch bis zum nächsten Frühjahr nicht, dann noch ein Heilmittel zu finden. Und vielleicht wills Gott, dass es so besser ist, weil unterdessen sich alles besser ausreift. Am Sonntag habe ich hier eine Predigt gehalten. Da sie der Gemeinde durch lobende Worte aller Kollegen anempfohlen war, waren viele da, teils Hörer, teils Zuschauer. Die Brüder haben im Sinn, sobald sie eine kleine Gemeinde entstehen sehen, auch die Austeilung des Abendmahls zu gestatten. In Metz, wo schon alles der wahren Religion Feind ist und der Rat sich zu ihrer Vernichtung verschworen hat unter Beihilfe der Priester, hat sich jetzt auch noch die Hefe der Wiedertäufer zur Erregung neuen Anstoßes eingeschlichen. Zwei wurden in die Mosel gestürzt, einer schimpflich gebrandmarkt und verbrannt. Soviel ich durch allerlei Anhaltspunkte herausbringen konnte, war der Barbier, der den Hermann begleitete, einer von ihnen. Ich fürchte, diese Pest hat sich unter den einfachen Leuten weit verbreitet in der Stadt Metz. Der Herr behüte dich und seine andern Knechte, und lasse sein Werk durch eure Hände gedeihen. Grüße sie mir alle; namentlich den Thomas und die andern, die, da sie dich beherbergen, auch meine Gastfreunde sind.

[Straßburg, Sept. 1538.]
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Verhandlung mit Straßburg. Vom Tod eines Neffen Farels.

Die Gnade des Herrn sei mit dir – – –

Was mich angeht, so fahren die Straßburger fort, dran zu treiben, ich solle zu ihnen kommen. Bei Grynäus bestehen sie noch fester drauf, aber auch mir verhehlen sie ihren Willen nicht. Ich schicke den letzten Brief Butzers mit, in dem er nach seiner Art darauf beharrt, mir dazu zu raten. Firn will mit sehr vielen Gründen dasselbe erreichen; einige dieser Gründe nehme ich an als solche, die eben der Art dieses Mannes entsprechen; andere sind aber nicht ohne Sinn. Solche z. B.: Es könne nicht anders sein, als dass unsere Gegner, wenn sie sähen, dass ich nun in dieser Kirche eine Lehrstelle habe, gezwungen würden, sie möchten wollen oder nicht, Respekt vor mir zu haben. Ferner wenn es zu der Zusammenkunft komme, so werde es meiner Rede mehr Gewicht verleihen und gleichsam ein günstiges Vorurteil schaffen, dass eine so angesehene Gemeinde mir ein Amt übertragen habe. Ich habe trotzdem wieder ausweichend geantwortet, weil ich dich nicht beiziehen konnte. Grynäus lässt sehen, dass im Ganzen sein Rat sich der Meinung der Straßburger zuneigt, doch tut er es vorsichtig, damit es nicht aussieht, als handle er so aus Überdruss an meiner Gesellschaft. Wenn sie mich auf lange Zeit binden wollten, wäre die Entscheidung ja nicht schwer. Aber du siehst, was sie wollen. Ich erwarte deine Meinungsäußerung. Rasch zu dir zu eilen, davon scheint man mich aus gewichtigen Gründen zurückhalten zu wollen. So mögen sie dich ruhig im Werk des Herrn fortfahren lassen. Sie wollen uns beide nicht vereinigt haben. Ich wollte, ich dürfte hier schließen, damit du von mir nicht hören müsstest, was dir, ich weiß es, schlimme Kunde sein wird. Aber ich zögere nicht, dir zu sagen, was der Herr getan hat, dir als einem Mann, der es gelernt hat, Gottes Vorsehung gerne zu gehorchen und es auch andere lehrt. Dein Neffe ist letzten Samstag von der Pest ergriffen worden. Sein Begleiter und ein Goldschmied, der seinerzeit in Lyon für das Evangelium Christi Zeugnis abgelegt hat, haben es mir gleich berichtet. Da ich eben zur Linderung meines Kopfwehs Pillen genommen, konnte ich nicht selbst hingehen. Aber alles, was zur körperlichen Pflege des Kranken nötig war, ist treulich und sorgfältig besorgt worden. Zur Pflege wurde eine Frau geholt, die beider Sprachen kundig war und früher schon Pestkranke gepflegt hatte. Sie nahm auch noch ihren Schwiegersohn zu Hilfe, da sie allein für die Arbeit nicht genügte. Grynäus hat ihn öfters besucht. Ich auch, sobald es mir meine eigene Gesundheit erlaubte. Als unser du Tailly sah, dass ich die Gefahr nicht fürchtete, wollte er sie mit mir teilen. Gestern waren wir lange bei ihm. Da schon sichere Anzeichen des kommenden Todes da waren, spendete ich ihm Trost mehr für die Seele als für den Leib. Er redete schon ein wenig irre, doch noch nicht sehr; denn er rief mich wieder in seine Kammer zurück und ersuchte mich, für ihn zu beten; er hatte mich nämlich von der Frucht des Gebets reden hören. Heute um die vierte Morgenstunde ging er zum Herrn ein. Über seinen Genossen, der an derselben Krankheit darnieder liegt, können wir noch nichts Bestimmtes sagen. Gestern schien es mir, er trage Anzeichen an sich, die auf Besserung hoffen lassen; aber ich fürchte, diese Nacht könnte ihm geschadet haben. Denn wenn er auch in einer andern Schlafkammer lag und einen eigenen Wärter hatte, so konnte er doch Alles hören, was seinem Freunde wiederfuhr. Ich hoffe, ihn heute wieder zu sehen. Der gute Goldschmied ist, weil er mit den Pestkranken umgegangen war, von seinem Meister entlassen worden. Ich habe ihn mit einer Empfehlung nach Straßburg geschickt, damit er dort Stellung finde. Höre, wie es mit dem Nachlass deines Neffen steht. Der Schwiegersohn der Alten, die ihn pflegte, behauptet, er habe ihm alle seine Kleider (es ist aber sehr wenig), vermacht; aber das sieht nicht nach Wahrheit aus; es hätte denn mitten in den Fieberphantasien geschehen sein müssen, in denen er die ganze letzte Nacht lag. Einen Degen und ein Wams hatte er noch bei Wolf. Gewiss weiß ich, dass er keinen Heller bei sich hatte, als ihn die Krankheit befiel. So habe ich ausgelegt, was zum Unterhalt des Kranken und zur Bestattung des Toten nötig war. Doch fürchte ich, dass ein bisschen Geld, das nach meiner Vermutung noch übrig sein musste, irgendwie bei Seite gebracht worden ist. Ich schreibe dir das so eingehend, weil ich glaube, so berichten zu müssen, damit dir nichts unbekannt bleibt. Wolf, sein Hauswirt, der mir heute früh das Alles berichtete, glaubt, es sei Schwindel, dass er noch seine Kleider dem Wärter vermacht habe. Er ist ein rechtschaffener Mann und hat ein ehrliches Benehmen. Lebwohl, bester trefflichster Bruder.

Basel, 20. August in Eile.

Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (24).

Farel war nach Neuchatel berufen worden und von Basel aus rasch dorthin gereist; bei Professor Grynäus waren Calvin und Farel täglich ein- und ausgegangen.

Erste Anfragen von Straßburg.

Die Gnade des Herrn sei mit dir.

Der Mann, der dein Reitpferd hierher zurückbrachte, hatte mir versprochen, in drei Tagen wiederzukommen. Nach fünf Tagen gab ich es auf, länger auf ihn zu warten und begann, mich nach einem andern Boten umzusehen. Denn ich dachte, sobald dir mein Schweigen länger vorkomme, als billig ist, werdest du es mir als Nachlässigkeit und Faulheit anrechnen. Während ich mir diese Gedanken machte, erschien mit einem Male dieser Bote, der mir zwei Tage vor seiner Abreise sein Weggehen anzeigte. Nun zu deinem Brief. Da du mir befohlen hast, dich bei Grynäus deines unhöflichen Weggehens wegen ausführlich zu entschuldigen, hab ich mit allem Eifer dir gehorcht. Beim Essen erzählte ich dem Grynäus, falls er etwa aus deinem langsamen Reisen [nach der raschen Abreise] schlösse, du seiest unhöflich, so hätte ich aus deinem Brief gesehen, dass du nur durch den Regen in deiner anfänglichen Eile aufgehalten worden seiest. Ich las dann deinen Brief vor und tat von mir aus noch dazu, was sich für eine ernstliche Entschuldigung gut zu machen schien. Es war aber bei ihm eine solche Rechtfertigung so unnötig, dass er deine unzeitgemäße Ängstlichkeit jedenfalls sehr artig aufgenommen hätte, wenn ihn die Geschäfte, in denen er jetzt ganz drinsteckt, nicht überhaupt gehindert hätten [darauf zu achten]. Wohinaus unsere Nachfolger schließlich wollen, glaube ich aus ihrem Beginnen schließen zu können. Da sie in ihrer Wut nun schon jeden Schein friedlicher Verständigung vernichtet haben, so glauben sie nur das als bestes noch tun zu müssen, dass sie uns durch Schmähungen herunterreißen und so uns beim ganzen Volk und bei den Einzelnen verhasst machen. Wir aber, da wir wohl einsehen, dass sie nicht ohne Gottes Zulassung so schmähen, sind nicht im Zweifel darüber, wohin der Wille des Herrn damit zielt. Wir wollen uns also demütigen lassen, damit wir nicht Gott, der unsere Demütigung will, widerstreben. Indessen wollen wir seinen Tag erwarten: denn rasch wird welken der Kranz des Übermuts der Trunkenen in Ephraim [Jes. 28]. Ich wünschte, Ihr machtet euch meinetwegen nicht so viel Mühe. Seit deiner Abreise habe ich ernstlich drüber nachgedacht, ob es etwa gut wäre, rasch weggerufen zu werden. Denn ich kann nicht sagen, wie mich die Furcht quält, die Leute, die nach ihrer Art uns fürchten müssen, weil sie ein schlechtes Gewissen haben, möchten glauben, wir hätten nun absichtlich einen passenden Platz besetzt, um uns für das uns widerfahrene Unrecht zu rächen, und möchten sich deshalb zu neuen Kämpfen rüsten und nicht ruhen, bis sie irgendeine neue Unruhe zu unserm Sturz erregt haben. Bin ich aber weg, so kann ein solcher Verdacht nicht so leicht aufkommen. Denn so boshaft wird doch keiner sein, dass er denkt, wir hätten irgendwelche großen Pläne bei dieser Schlichtheit unseres Vorgehens. Wenn du mir hierin noch nicht zustimmst, so wollen wir die Sache hinausschieben, bis entweder keine Hoffnung auf die Zusammenkunft mehr ist, die die Straßburger zu erstreben fortfahren, oder bis sie, wenn sie zustande kommt, uns durch ihren Ausgang zeigt, was zu tun ist. Das aber bitte ich dringend im Namen Gottes von dir, dass du nichts über mich beschließest, ohne mir vorher Meldung davon gemacht zu haben. Aus Butzers Brief siehst du, welcher Meinung er ist. Einen andern hat er an Grynäus geschrieben, den zu lesen ich noch keine Gelegenheit hatte. Ich vermute aber stark, er wolle auch jetzt noch, ich solle mich dorthin zurückziehen. Das tue ich aber nicht, wenn mich nicht eine stärkere Notwendigkeit zwingt. So viel ich merken konnte, hat der, den du kennst, dort in der ehrgeizigsten Weise versucht, sich mit Hilfe seiner guten Beziehungen einen Weg zum Predigtamt zu bereiten. Er ließ nämlich gelegentlich Worte fallen, die mehr vermuten lassen, als was sie sagen wollen. Da er hoffte, ich werde nächstens von hier fortgehen, ermunterte er mich, etwas anzufangen, was ich dann bald ihm überlassen müsste. Er wusste noch nicht, was mit dir verhandelt werden sollte, und ich habe darüber auch tüchtig geschwiegen. Er sagte: Tut es dir nicht leid, vor einer solchen Menge [von Hörern] zu schweigen? Würde dir wohl hier keine leere Kirche zur Verfügung stehen? Ich antwortete: Es wären auch hier im Hause Hörsäle, die nicht übel passen würden. Er wollte aber durchaus etwas Öffentliches. Er aß nur einmal mit uns, dann wollte er gleich durch meine Vermittlung in die Tischgenossenschaft des Grynäus aufgenommen werden. Keine Ausrede nützte etwas; er fuhr immer aufdringlicher fort, bis ich schließlich seiner Unbescheidenheit mit den Worten des Grynäus Halt gebot. Den Besitzer des Reitpferdes habe ich bezahlt; deine übrigen Aufträge vollzogen. Grynäus grüßt dich freundschaftlich, und bittet dich, es seiner vielen Arbeit wegen zu verzeihen, wenn er dir selbst jetzt nicht schreibt. Auch Oporin, Stagneus und du Tailly. Die beiden letzteren sind von hier abgereist. Der Herr behüte dich und segne, was du unternimmst, mit der Kraft deines Geistes. Du wirst verzeihen, dass ich Capitos Brief las und dir ihn wieder neu gesiegelt schicke. Butzers beide Briefe schicke zurück oder bewahre sie gut auf, je nach deinem Gutdünken, vielleicht kann man sie noch brauchen. Grüße nicht nur nach deiner Freundlichkeit, sondern wirklich in meinem Namen alle unsere Brüder, besonders die du weißt, dass ich sie meine. Wenn du willst, dass wir dir schreiben, so sorge, dass wir Boten von dir bekommen.

Basel, den 4. August 1538.

Dein Calvin.

Nachträglich habe ich noch Butzers Brief gelesen. Er mahnt darin dringlich, wir dürften nicht beieinander bleiben. Sonst, fürchtet er, möchten wir beide uns gegenseitig zu dem antreiben, wozu wir schon allzu sehr Neigung hätten. Er wünscht deshalb auch, ich möchte dorthin kommen, damit nicht mein reizbares Temperament allzu oft durch schlimme Gerüchte verwirrt werde.

Calvin, Jean – An die Pfarrer von Zürich.

Die Pfarrer, die in Genf an die Stelle der Vertriebenen traten, waren Jacques Bernard, Henri de la Mare und Jean Morand.

Vergeblicher Versuch zur Rückkehr. Klagen über die Berner und Genfer Pfarrer.

Weil es uns jetzt nicht möglich ist, wie wir zuerst wünschten, mündlich mit Euch zu verkehren, so müssen wir unsere Zuflucht zu dem nehmen, was als zweites übrig bleibt, in einem Brief die hauptsächlichen Ereignisse Euch darzulegen oder wenigstens anzudeuten. Aus einem frühern Brief habt Ihr gehört, dass acht Tage nach unserer Ankunft in Bern auch Kuntz und Erasmus Ritter sich dort einfanden, die übrigens keinen Eifer aufwenden zu wollen schienen. Wir glaubten, man wolle unsere Geduld absichtlich auf die Probe stellen, damit, wenn wir schließlich aus Überdruss die ganze Sache hätten fahren lassen, man schön alle Schuld auf uns abwälzen könne. Als wir hörten, sie seien angekommen, gingen wir bald in Kuntzens Haus. Auch Sebastian Meyer und Erasmus waren da. Hier begann nun wider jedes Erwarten Kuntz eine lange Beschwerderede, von der er schließlich zu schwerer Beschimpfung überging. Wir nahmen seine Grobheit mit möglichster Ruhe auf, da wir sahen, mit größerer Heftigkeit sei nichts anderes zu erreichen, als dass wir selbst den Tollen zur äußersten Wut brächten. Seine Kollegen halfen uns ihn besänftigen. Zuletzt begann er zu fragen, ob wir etwa sein Wirken in unsrer Sache nicht wollten und fügte bei, er frage deshalb, weil er voraussehe, dass, wenn die Sache schlecht ausfalle, er von uns den schlechten Willens beschuldigt werde. Nachdem wir dreimal geantwortet hatten, wir wollten ihm die Aufgabe nicht rauben, die er nun einmal nach Beschluss des Zürcher Konvents auf sich genommen, wiederholte er gleich drauf das alte Liedlein von Neuem. Schließlich von seiner eigenen Bosheit äußerst ermüdet, versprach er, er werde uns keineswegs seine Dienste versagen. Es wurde der folgende Tag verabredet zur Verhandlung der Sache. Wir kamen also am folgenden Tag zur Pfalz. Nach zwei Stunden sagte man uns, die Herren Pfarrer seien zu sehr mit Chorgerichtsangelegenheiten beschäftigt, als dass sie jetzt Zeit für uns hätten. Nach dem Essen gingen wir nochmals hin, aber da fanden wir sie noch viel weniger bereitwillig als vorher. Sie sagten nämlich, die Artikel müssen noch erwogen werden, die wir doch schon dem Konvent in Zürich vorgelegt hatten, und die solchen Anklang gefunden hatten, dass gar nichts bestritten worden war. Obschon wir nun sahen, dass man unbillig mit uns verfahre, so ertrugen wir die Schmach in aller Stille. Da war fast keine Silbe, um die sie nicht stritten. Als man den zweiten Artikel besprach, der von der Art des Brotes beim Abendmahl handelte, konnte Kuntz schon nicht mehr an sich halten, sondern brach in allerlei Vorwürfe aus, von denen wir nur einen erwähnen wollen. Er warf uns vor, alle deutschen Kirchen, die vorher ganz ruhig gewesen seien, seien durch unser rücksichtsloses Streben nach Neuerung beunruhigt worden. Wir erwiderten, der Gebrauch gesäuerten Brotes sei nicht von uns zuerst eingeführt worden, sondern übernommen aus altem Brauch der Kirche, und so von Hand zu Hand überliefert. Denn selbst unter dem Papsttum seien da noch Spuren eines reinern Abendmahls vorhanden gewesen, wo man gesäuertes Brot ausgeteilt habe. Er hörte aber auf keine Gründe, tobte vielmehr immer wilder, bis andere durch die Verlesung des dritten Artikels den Zank unterbrachen. Da begnügte er sich nun aber nicht mit Geschrei, sondern sprang vom Tisch auf und geriet am ganzen Leib in solche Aufregung, dass ihn seine Kollegen nicht zurückhalten konnten, obwohl sie ihn anfassten. Als er sich ein wenig gesammelt, rief er, eine unerträgliche List träte darin zu Tage, dass alles voll Ausnahmefälle stecke in unsern Artikeln. Wir erwiderten, wir hätten vielmehr gerade ehrlich sein wollen, als wir am Zürcher Konvent schon einfach und offen das ausgenommen haben wollten, was man doch ausnehmen müsse. Nun hört die Frechheit dieses Menschen! Er wollte sich nicht erinnern, dass je Artikel von uns dem Konvent fertig vorgelegt worden seien. Da wir nun keine Zeugen zur Hand hatten, eine so offene Lüge zu widerlegen, sagten wir, wir beriefen uns auf das Urteil der Kirche und seien bereit, jede Schmach auf uns zu nehmen, wenn nicht von allen Teilnehmern des Züricher Konvents alle Artikel anerkannt würden, nach denen Butzer unsere Sache verteidigte, und über die er das Urteil der Brüder verkündigte, die in allem unsern Forderungen beipflichteten. Damit Ihr umso sicherer seid, schicken wir sie Euch in treuer Abschrift. Da er uns nun der Lüge anschuldigen wollte, sagte er: Wie passt es nun zum Beschluss der Brüder, dass ihr wolltet, unsere Gesandtschaft solle Eure Bräuche billigen, die alle Brüder in Zürich missbilligten? Ihr seht, liebe Brüder, dass wir nicht mit einem Menschen zu tun hatten, geschweige, dass er in einer so schwierigen Sache sich als ein Knecht Christi gezeigt hat! Als wir ihm nun mit so klaren Beweisen zu Leibe gingen, dass er nicht ausweichen konnte, sagte er: Ich kenne Eure Gesinnungslosigkeit und Unzuverlässigkeit gut genug; denn in Zürich habt ihr behauptet, zu Lausanne seiet ihr bereit gewesen, in zwei Punkten uns nachzugeben, und hättet nur im dritten widerstanden, da ihr doch dort uns nicht ein bisschen nachgeben, ja uns nicht einmal anhören wolltet. Was, sagten wir, erinnerst du dich nicht, dass damals ganz friedlich unter uns verhandelt wurde, und nur in Betreff der Feiertage die Unterhandlung stecken blieb? Als er auch dies Lügen nannte, beriefen wir uns auf Erasmus Ritter, der dabei gewesen war. Der stimmte uns bei, aber Kuntz war nicht daran zu hindern, noch frecher fortzufahren. Der Gesandte, der die Lausanner Synode präsidiert hatte, legte für uns das bestimmteste Zeugnis ab und fügte bei, er werde, wenn wir wollten, ohne Zögern auch vor dem Rat gegen Kuntzens Lügen protestieren. Trotzdem dieser so aufs Haupt geschlagen war, fuhr er fort, bis zuletzt alles zu leugnen. Da gaben wir alle Hoffnung auf und gingen weg. Als wir auf die Straße kamen, fragte Sebastian, ob wir wirklich glaubten, was man erzähle, einzelne Brüder seien so streng, dass sie die Männer, die an unserer Stelle gekommen seien, Wölfe und falsche Propheten hießen. Wir antworteten, wir urteilten nicht anders über sie. So werden also wir, sagte er, nach gleichem Recht verdammt, die nach der Verbannung Meganders hier geblieben sind? Wir sagten, das sei nicht dasselbe und gaben unsere Gründe an, weshalb wir über jene Wölfe nicht milder urteilen könnten. Daraus könnt ihr nun erkennen, welchen Vorwand er genommen hat, sich von uns loszumachen. Denn sofort nachdem er das gehört, schob er jedes Handeln in unserer Sache von sich ab, trotzdem er vorher versprochen hatte, alles zu tun. So blieb allein Erasmus übrig, der, obwohl er in guten Treuen sich unserer Angelegenheit widmete, doch gegen den Widerstand der beiden Andern wenig ausrichtete. Nach ein paar Tagen wurden wir vor den Rat gelassen und dreimal in einer Stunde hereingerufen, wir sollten von unsern Artikeln lassen. Wir bestanden nämlich darauf, dass nur in gesetzmäßiger Weise die Übereinstimmung mit der Berner Kirche von der [Genfer] Gemeinde dürfe angenommen werden. Der Rat wollte, wir sollten uns begnügen, da sie nun einmal angenommen sei. Angenommen war sie aber nur von wenigen Verschwörern, in demselben Beschluss, nach dem wir hätten in die Rhone geworfen werden sollen. Schließlich wollten wir uns aber doch lieber zu einigen äußersten Bedingungen herbeilassen, als dass wir gute Leute auf den Glauben gebracht hätten, durch uns sei weiteres Handeln ins Stocken gekommen. Es wurde nun vom Rat beschlossen, zwei Gesandte sollten uns bis zum vierten Meilenstein vor der Stadt [Genf] begleiten und dann vorausgehen, um unsere Rückkehr zu erwirken. Hätten sie das erreicht, so sollten sie uns in die Stadt begleiten und dafür sorgen, dass wir wieder in unser Amt eingesetzt würden. Da uns das gar nicht befriedigte, verlangten wir eine neue Ratssitzung für uns. Gleich als wir kamen, legten wir dar, dass aus ihrem Vorgehen gerade das, was wir am meisten fürchteten, folgen werde, nämlich dass es scheine, wir seien nur unter Abbitte einer Schuld wieder eingesetzt worden; auch beklagten wir uns, dass kein Pfarrer der Gesandtschaft beigegeben worden sei. Es kann ein neuer Ratsbeschluss zu Stande: wir sollten von den Gesandten gleich bis in die Stadt geführt werden, und es sollte zuerst die Erlaubnis für uns erwirkt werden, in unserer Sache zu reden, damit wir dann, wenn wir über unsere Amtsverwaltung Rechenschaft abgelegt hätten und ohne Fehl befunden seien, wieder eingesetzt würden. Außerdem wurden uns Erasmus Ritter und Viret mitgegeben. Wir waren nur noch eine Meile von der Stadt [Genf] entfernt, als uns ein Bote entgegen kam und uns den Eintritt verbot. Obwohl dies wider Recht und Staatsbrauch ging, gehorchten wir doch dem Rat der Gesandten; sonst wären wir sicher weitergereist, wenn uns nicht diese standhaft widerstrebt hätten. Doch war eben dadurch am besten für unser Leben gesorgt. Denn es ergab sich nachher, dass nicht weit von den Mauern ein Hinterhalt stand, und selbst unter dem Tor saßen zwanzig bewaffnete Stadtknechte. Beide Räte erklärten sich dahin, die Entscheidung sei dem Volk überlassen. Vor diesem behandelte nun der eine Gesandte, Ludwig Ammann, und Viret, der in seinem und Erasmus Namen sprach, die Sache mit solchem Ernst, dass es schien, als wende sich die Stimmung der Menge zur Gerechtigkeit. Dann aber las nach ihrem Wegtritt einer von den Vorsitzenden des Rats unsere Artikel so gehässig als möglich vor, und einige riefen ihm Beifall zu. Denn so wars abgemacht, dass sie, während er las, durch ihre Zurufe das Volk erhitzen sollten. Drei Dinge griffen sie vor Allem heraus, um den Hass gegen uns zu schüren. Erstens, dass wir die Genfer Kirche unser nannten, dann, dass wir die Berner ohne Ehrentitel einfach beim Namen nannten, drittens dass wir den Kirchenbann erwähnten. Seht, riefen sie, sie sagen ihre Kirche, wie wenn sie schon wieder Besitz davon ergriffen hätten! Seht, wie übermütig sie die Obrigkeiten verachten! Seht, wie sie nach Gewaltherrschaft streben! Denn was ist der Bann anders als Tyrannenregiment? Nun schaut, wie leichtfertig und läppisch solche Verleumdungen waren: den Bann, dessen Namen sie jetzt so scheuten, hatten sie selbst längst angenommen. Aber diese Dinge waren ein guter Blasebalg, die Stimmung Aller zur Wut anzufachen. Sie beschlossen: eher sterben, als unsere Rechenschaft anhören. Die Artikel hatten zwar die Gesandten mitgebracht, aber mit der Weisung, sie dem Volk nicht vor unserer Ankunft kund zu tun, weil es uns leicht sei, etwa auftauchende Bedenken zu heben. Aber unser lieber Kuntz hatte einen andern Plan. Denn heimlich hatte er sie ihnen geschickt durch einen uns bekannten Verräter Namens Pierre Vandel (damit ihr nicht glaubt, wir stützen uns auf unsichere Vermutungen). Hierin ist seine Treulosigkeit mit Händen zu greifen; denn er und Sebastian allein hatten eine Abschrift, und dieser Vandel hat sich vor Vielen auf der Straße gerühmt, er trage ein für uns tödliches Gift bei sich. Kuntz konnte sich über seine Gesinnung gegen uns gar nicht verstellen; denn in einem Pfarrkonvent in der Nidau soll er gesagt haben: Der Rat hat zwar beschlossen, ich solle nach Genf, um die Verjagten (so nannte er uns höhnisch) wieder einzusetzen; aber lieber wollte ich von Amt und Vaterland weichen, als denen helfen, von denen ich mich so ungeheuerlich behandelt weiß. Das ist nun das Versprechen, das er Euch und der Kirche Christi feierlich gegeben, von dem Ihr meintet, jede Möglichkeit, es zu brechen, sei ihm genommen. Nun glaubt endlich der Erfahrung, dass es nicht grundlose Furcht war, als wir bei Euch so erschraken, dass uns der Wille der Kirche kaum dazu brachte, uns in dies Irrsal hineinzuwagen. Jetzt freilich sind wir fertig. Eurem und aller frommen Leute Urteil glauben wir genug getan zu haben und haben nichts erreicht, als dass Alles doppelt oder dreifach so schlimme geworden ist als vorher. Denn wenn schon anfänglich bei unserer Vertreibung der Satan dort und in ganz Frankreich lustig triumphierte, so ist seit dieser Rückweisung sein und seiner Gesellen Übermut erst recht gewachsen. Nicht zu glauben ists, wie frech und unverschämt nun in Genf die Bösen jeder Art Laster frönen, wie schadenfroh sie die Knechte Christi höhnen, wie roh sie über das Evangelium spotten, kurz wie ungebührlich sie in jeder Weise rasen. Das Unglück muss uns umso herber sein, weil, wie die gute Zucht, die dort vor kurzem so ziemlich zu Tage trat, selbst die heftigsten Gegner des Evangeliums nötigte, Gott die Ehre zu geben, so jetzt auch die wilde Freiheit zur Ausführung alles Lasterhaften wegen der Berühmtheit der Stadt zum ärgsten Spott der evangelischen Sache mehr als zu viel vor aller Augen liegt. Weh dem, durch den solch Ärgernis gekommen ist! Weh denen noch viel mehr, die mit ihm zu so frevelhaften Plan sich verschworen! Ein guter Teil von ihnen gönnte zwar uns das Leben wohl, aber weil sie nicht erreichen konnten, was sie wollten, ohne das Licht der Wahrheit auszulöschen, zögerten sie nicht, um diesen Preis in den Dienst der schlimmsten Begierden zu treten. Kuntz, weil er uns nicht vernichten konnte, ohne die Kirche zu ruinieren, zögerte nicht, sie mit uns dranzugeben. Nun hat er zwar unsern Bau zerstört, wir aber stehen noch fest im Herrn und werden noch fester stehen, wenn er einmal mit der ganzen Schar der Gottlosen stürzen wird. Es wäre freilich besser, die Gemeinde wäre ganz ihrer Hirten beraubt, als dass sie in der Hand von Verrätern ist, die unter der Maske von Hirten sich verbergen. Zwei solche sind es, die in unsere Stellen eingedrungen sind. Der eine widerstrebte dem ersten Aufkommen des Evangeliums, da er Guardian der Franziskaner war, bis er dann plötzlich einmal Christus fand, in der Schönheit einer Frau, die er dann, sobald er sie hatte, auf jede Weise verderbte. Schon im Mönchtum hatte er in Schmutz und Schande gelebt und nicht nur ohne die Frömmigkeit des früheren Aberglaubens, sondern sogar ohne allen Schein solcher Frömmigkeit. Nun, um nicht mit Recht als ein aus dem Stand christlicher Bischöfe Auszustreichender zu erscheinen, ruft er oft von der Kanzel herab, Paulus verlange von einem Bischof nicht, dass er bisher untadelig gewesen sei, sondern nur, dass er anfange es zu sein, sobald er zu solchem Amte gewählt sei. Seit er sich zum Evangelium bekannt hat, hat er sich so aufgeführt, dass es allen klar ist, dass sein Herz aller Gottesfurcht und Frömmigkeit gänzlich bar ist. Der zweite, so schlau er auch ist, seine Laster zu verstecken, ist doch so berühmt und berüchtigt lasterhaft, dass er nur noch Fremden imponieren kann. Beide, obschon ganz ungelehrt, und selbst im Schwatzen, geschweige denn im Reden ohne jedes Salz, sind doch unverschämt stolz. Jetzt heißt es, hätten sie sich einem Dritten zugesellt, der vor kurzem der Hurerei beschuldigt und beinahe überwiesen war, wenn er nicht durch die Gunst einiger Leute dem Urteil entwischt wäre. Die Geschicklichkeit, mit der sie jetzt ihr Amt führen, ist nicht größer als die, mit der sie es sich angemaßt haben. Wie sie teils ohne Wissen, teils trotz des Widerspruchs der Amtsbrüder des ganzen Gebiets sich eingeführt haben, so halten sie sich jetzt jede andere Maske eher vor, als die demütiger Knechte Christi. Nichts schmerzt uns aber tiefer, als dass durch ihre Unwissenheit, ihren Leichtsinn, ihre Dummheit der Dienst am Wort geschändet und entehrt wird. Denn es vergeht kein Tag, ohne dass sie sich öffentlich von Männern oder Frauen, zuweilen sogar von Knaben irgendeinen Irrtum vorhalten lassen müssen. Aber der Bote, der es eilig hat, nimmt uns schon den Brief fast aus den Händen. Also lebt wohl, geliebte und insonders hochverehrte Brüder, und ruft mit uns in ernstem Gebet zum Herrn, dass er sich bald aufmache.

Eure Euch liebenden Brüder

Farel und Calvin.

Wir beschwören Euch, liebe Brüder, sorgt dafür, dass dieser Brief nicht bekannt wird uns zum Schaden. Denn wir haben alles Euch vertraulicher dargelegt, als wir es gewöhnlich erzählen würden. Erinnert Euch also daran, dass wir das als Geheimnis Eurer Verschwiegenheit anvertraut haben.

Calvin, Jean – An Louis du Tillet in Angouleme.

Louis du Tillet, Domherr von Angouleme, Pfarrer von Claix, Calvins Freund und Gönner in Frankreich, hatte ihn in der Verfolgung geschützt, sich ihm bei der Flucht ins Ausland angeschlossen, dann aber in Genf ihn verlassen und war nach Frankreich und in die katholische zurückgekehrt. Er unterstützte Calvin finanziell. Der erwähnte Jean ist Louis du Tillets Bruder. Am Schluss wird der 1538 geschlossene 10-jährige Waffenstillstand zwischen Karl V. und Franz I. erwähnt. Die „beiden in hiesiger Stadt“ sind Butzer und Capito in Straßburg, wo Calvin damals zu Besuch war. Anton Firn, Pfarrer in Straßburg.

Calvins Lage und Absichten.

Lieber Herr, ich hoffe, Sie haben es nicht übel genommen, dass Jean ohne einen Brief von mir zu Ihnen gekommen ist. Denn es war mir schwer zu schreiben: ich hatte Ihnen soviel mitzuteilen, dass ich doch nur einen Teil davon Ihnen hätte nahe bringen können. Andererseits war es aber auch wieder schwierig für mich, Ihnen nur die Hälfte sagen zu können, ohne Erklärung des Ganzen. Die Erklärung war freilich nicht unmöglich, aber ich fürchtete, dass sie Ihnen nicht angenehm gewesen wäre. So zog ich es vor, es ganz zu lassen, und die Aufgabe Jean zu überlassen, der, denke ich, ihr treulich nachgekommen ist. Außer dem etwa, dass er Ihnen die Quelle und Ursache des Unglücks, die nur wenigen bekannt ist, nicht entdecken konnte. Ich bin von den beiden in hiesiger Stadt so sehr eingeladen worden, dass ich ihretwegen hierher gereist bin. Wir haben außer unserer Angelegenheit noch verschiedene andere Dinge besprochen. Was uns angeht, so wurde beschlossen, es wäre gut, nochmals eine Versammlung zu veranstalten, zu der Zürich, Bern, Basel, hiesige Stadt, Biel und jemand von besagtem Ort zusammenkämen, um nach genauer Prüfung die Erklärung abzugeben, ob wir unser Amt treu und pflichtgemäß verwaltet hätten, damit dieses Zeugnis wie ein gesetzmäßiges Urteil dazu diene, den Bösen das Maul zu stopfen, und zur Beschämung der Leute, die eine solche Tat zu unternehmen wagten. Mit demselben Mittel hoffen sie auch, die Spaltungen zu verhindern, die entstehen könnten und schon begonnen haben. Wie ich die Sache ansehe, so kommt´s mir vor, die Schwierigkeit sei zu groß für menschliche Hilfe. Doch kann ich nichts anderes tun, als den Ausgang dem großen Arzt anheim zu stellen, der allein hier vorsorgen und Heilung schaffen kann. Die Berner bemühen sich oder besser beharren drauf, so gut es geht, die Leute glauben zu machen, es stehe alles wohl. Aber es ist niemand, der nicht vom Gegenteil überzeugt wäre. Gott schicke nach seinem gerechten Urteil ein solches Wohlsein auf das Haupt und die Sippschaft derer, die so unwahr ihren Spott treiben mit der Zerrüttung seiner Kirche, und lasse es ihnen zur Besserung dienen, damit sie lernen, größern Eifer zu haben in so wichtigen Dingen. Ich werde mich nach Basel zurückziehen und abwarten, was der Herr mit mir vorhat. Es liegt nicht an den Straßburgern, dass ich nicht ihr Gast bleibe. Aber sie haben Last genug auch ohne mich, und ich kann wohl noch einige Zeit leben mit Hilfe des Geldes, das Sie mir zurückließen, und zum Teil auch meiner Bücher. Unterdessen wird der Herr uns aufrichten. Ich fürchte mich am meisten davor, wieder in die Stellung zurückkehren zu müssen, von der ich jetzt befreit bin, wenn ich bedenke, in welche Nöte ich verwickelt war, als ich dort war. Denn wie ich damals den Ruf Gottes vernahm, der mich festhielt, und an dem ich mich tröstete, so fürchte ich jetzt im Gegenteil, ihn zu versuchen, wenn ich eine solche Last wieder auf mich nähme, die ich als mir zu schwer erfahren habe. Ich habe noch andere Gründe, die ich Ihnen nur mündlich erklären könnte, durch die ich aber freilich die Leute nicht zufrieden stellen kann, mit denen ich jetzt zu tun habe. Doch hoffe ich, unser Herr wird mich führen in dieser so schwer entscheidbaren Beratung, und ich will umso mehr auf das schauen, was er mir zeigt, als mein eigenes Urteil, das mich übermäßig auf die andere Seite zieht, mir verdächtig sein muss. Es regt sich gegenwärtig etwas, das große Folgen haben kann, nicht ohne Mitwissen des Königs und des Kaisers, wovon Herr Firn Ihnen wohl berichten wird, weshalb ich es lasse. Es ist möglich, dass man nur etwas probiert, ohne die Absicht zu haben, weiterzugehen. Nun, man wird in zwei Monaten wissen, was dran ist. Mich Ihrer Gewogenheit demütig empfohlen haltend, bitte ich den Herrn, Sie so in seinem Wege zu führen, dass Sie heilig und unbefleckt seien auf seinen Tag.

Straßburg, 10. Juli.

Ihr untertäniger Diener und guter Freund

Charles d´ Espeville.

Calvin, Jean – An Viret und Couraut in Lausanne

Die Verhandlungen mit Genf hatten keinen Erfolg; Calvin reiste nach Basel.

Die Freunde gehen nach Basel.

Endlich sind wir nach Basel gekommen, aber durch und durch nass vom Regen und vor Müdigkeit fast tot. Auch war unsre Reise nicht gefahrlos. Denn einer von uns wurde beinahe weggerissen in einem Fluss. Aber wir erfuhren mehr Milde von diesem Fluss als von unsern eigenen Leuten. Denn die wollten uns wider Recht und Gerechtigkeit zugrunde richten; der Fluss musste doch zu unserer Rettung der Gnade Gottes gehorchen. Eine feste Wohnung haben wir noch nicht, da Grynäus die seine im Gymnasium schon dem Oporin überlassen hat. Von Bern sind wir abgereist, ohne den Rat zu fragen, damit man nicht über uns gemeinsam berate. Denn wir sahen wohl, dass manche zu der Meinung neigten, man müsse uns zurückhalten. Gewisse Stimmen sagten schon, man könne es uns nicht verzeihen, wenn wir eine so berechtigte Berufung ablehnten. Aber der Herr hat uns einen Ausweg gezeigt, dass wir nicht unüberlegt handeln mussten. Denn als wir verlangt hatten, man solle uns eine Ratssitzung gewähren, wurden wir auf später vertröstet. Nach dieser Antwort schien es uns, wir hätten für unsern Teil nun reichlich genug getan. Deine Angelegenheit, lieber Couraut, haben wir nach Möglichkeit guten Leuten anempfohlen, aber so, dass du nicht gebunden bist, ehe wir alles andere für dich versucht haben. Du weißt, was wir wollen. Wenn wir ein sicheres Quartier gefunden haben, werden wir euch ausführlicher schreiben, sobald als möglich. Lebt wohl, besten Brüder und Freunde.

Basel.

Eure Brüder Farel und Calvin.

Der Bruder, dem wir die Pferde zum Zurückbringen gegeben haben, will versuchen, bei euch eine passende Stellung zu finden. Sieh zunächst du, wo er mit seiner Arbeit der Kirche Christi dienen kann. Wir glauben, es sei ein rechtschaffener junger Mann und in der Wissenschaft nicht unerfahren. Wenn er dir würdig scheint, dass man ihm Rechnung trägt, so möchte ich ihn dir auch um unsertwillen empfohlen haben.