Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Caroli hatte sich, um einem Berner Haftbefehl zu entgehen, nach Straßburg gewendet und die dortigen Pfarrer um die Wiederaufnahme in die evangelische Kirche gebeten. Es nahmen an den Verhandlungen teil: Capito, Butzer, Hedio, Matthias Zell, Jakob Bedrot, Sturm und sehr wider Willen Calvin. Der erwähnte Claude d´Aliod war ein Antitrinitarier, der trotz mehrfacher vorheriger Verurteilung in schweizerischen und deutschen Kirchen von der Lausanner Synode im Pfarramt aufgenommen war. Über Alexandre Le Bel vgl. 31. Cordier, Calvins ehemaliger Lehrer, lebte in Neuchatel.

Zusammenstoß mit Caroli in Straßburg.

Obwohl sich mir dieser Tage plötzlich neuer Stoff zum Schreiben bot, wollte ich doch nicht anfangen, ehe die Angelegenheit mit Caroli zu einem bestimmten Abschluss gekommen sei, deren Behandlung die Unsern aufhielt, mir aber heftige Sorge und Angst machte. Es schien Butzer nicht gut, dass ich den Verhandlungen beiwohne, bis eine gewisse Hoffnung auf Einigung zustande käme, oder doch eine Wendung nach dieser oder jener Seite eintrete. Ohne Schwierigkeit gab ich dazu die Erlaubnis, damit ich nicht zu scharf spreche, wodurch nur noch größere Verwirrung entstünde. Er selbst scheint das Gleiche gewünscht zu haben, um freier gegen uns reden zu können. Soviel ich vernehmen konnte, begann man mit der Lehre. Sie fragten nämlich den Caroli, ob er in dem Glauben, den wir verkündigen, etwas [anders] wünsche. Er brachte nun über einzelne Punkte das vor, was ordnungsgemäß wiedergegeben ist in dem Protokoll, das nachher verfasst und durch unsere Unterschrift gebilligt wurde. Dann kamen sie auf seinen Abfall zu sprechen, was das Spannende an der Verhandlung war. Er suchte ihn auf alle Art zu entschuldigen. Er prahlte nämlich, er habe anfänglich eine ganz gerechte Sache gegen uns unternommen, denn er sei nicht gleich zur Anklage geschritten, sondern habe ganz freundschaftlich von uns die Unterschrift zu den drei [alten kirchlichen] Bekenntnissen verlangt; wir aber hätten uns nicht nur geweigert, sondern auch diese Symbole, die immer, von allen Frommen einmütig angenommen, feste Geltung in der Kirche gehabt hätten, mit lachendem Spott hergenommen. Die Unsern erwiderten, das sei aber doch für ihn kein Grund gewesen, zu den Papisten abzufallen. Dann tadelten sie ihn sehr scharf und mahnten ihn zur Buße. Darauf wurde ich gerufen und antwortete auf seine Vorwürfe. Zuerst erzählte ich die ganze Geschichte von Anfang an, wie sie gewesen war. Etwas schwieriger wars, uns zu rechtfertigen wegen der Bekenntnisse. Denn das klang hässlich, dass wir das verworfen hätten, was doch außer allem Streit sehen musste, weil es durch manchen Entscheid der ganzen Kirche angenommen ist. Zwar war sein Vorwurf leicht damit zu entkräften, wir hätten sie sie nicht von uns gewiesen, viel weniger noch missbilligt, sondern bloß deshalb die Unterschrift verweigert, damit Caroli nicht, wie er beabsichtigte, sich als den unserm Amte Vorgesetzten aufspielen könne; aber etwas von übler Nachrede blieb doch zurück. Besonders aber stimmte das die Andern ihm günstig, dass kurz vor seiner Intrigue gegen uns Claude ins Pfarramt aufgenommen worden war, der doch offenkundig von vielen Kirchen öfters mit vollem Recht verurteilt worden war. Also, wenn ich nachwies, wie boshaft er gehandelt, so konnte ich doch das nicht erreichen, dass er keinen Grund zum Angriff auf uns gehabt zu haben schien. Dann sollte ich mich rechtfertigen wegen meiner Äußerung über die Wortspielerei des nicänischen Bekenntnisses. Ich bewies ohne Mühe, dass es das sei. Doch gab ich zu, ich hätte nichts gesagt, wenn mich nicht die Bosheit Carolis dazu genötigt hätte. Wollte ich aber Alles berichten, es würde einen Band füllen. Denn ich habe den ganzen Verlauf unseres Streites von neuem dargestellt und so geordnet dargestellt, dass leicht ersichtlich wurde, dass das Übel nicht von uns ausgegangen ist. Nie habe ich deutlicher gemerkt, wie sehr uns unsere Freunde in Bern, die du kennst, mit ihren Berichten angeschwärzt hatten. Niemand von den Unsern zweifelte an unserer Schuldlosigkeit, aber alle quälten sie mich der Bekenntnisse wegen, weil wir nicht hatten unterschreiben wollen, da doch keine Gefahr dabei gewesen sei, und es uns von bösem Verdacht hätte befreien können. Einstimmig missbilligten sie unsere Weigerung. Das Alles in Abwesenheit des Caroli. Butzer forderte mich darum auf, Alles aufzuzählen, worin Caroli gefehlt hätte. Das wollte ich nicht; denn er hätte bei Allem ein Mittel gefunden, zu entwischen, oder das Vergehen klein erscheinen zu lassen. Da ich also sah, dass auf diese Weise doch nichts zu erreichen sei, schützte ich vor, ich wolle keine Anklage gegen ihn erheben; es genüge mir, wenn er freiwillig bekenne, gesündigt zu haben. Weil ich aber voraussah, dass der Ausgang der Sache mir unangenehm sein werde, drang ich auf nichts mehr, als dass sie ohne mich weiter verhandelten. Ich wolle nichts hindern, nur sollten sie mich nicht zwingen, zuzustimmen. Weil sie aber das schon für ein Hindern ansahen, wollten sie es nicht zugeben. Es wurden also Artikel aufgesetzt, in denen er selbst sich Einiges verbat, was dann auch auf seinen Wunsch hin gestrichen wurde. Diese Artikel wurden dann spät nachts mir zugestellt. Als ich sie las, erschreckte mich eine Stelle so, dass ich mich nicht erinnere, in diesem ganzen Jahr einmal betrübter gewesen zu sein. Früh morgens ließ ich Sturm zu mir rufen. Ich klagte ihm meinen Schmerz. Er berichtete Butzer. Da bestellten sie mich zu bestimmter Stunde ins Haus des Matthias Zell, um darzutun, was mich bedrücke. Dort fiel ich in schwere Sünde; denn ich konnte nicht Maß halten. Die Galle hatte sich meiner Stimmung so bemächtigt, dass ich von Bitterkeit überfloss nach allen Seiten hin. Ja selbst wenn ich mich auch gemäßigt hätte, ein gewisser Grund zur Entrüstung wäre doch da gewesen. Ich warf ihnen vor, dass sie mir, während Caroli fast ungetadelt davon komme, die Artikel unterbreitet hätten, nur um die Sache rasch zu Ende zu bringen, dass sie sie gutgeheißen hätten, ohne mich auch gehört zu haben, dass sie nach getanem Urteilsspruch jetzt meine Unterschrift wollten, und ich, wenn ich mich weigern wollte, sie nun zu meinen Gegnern haben müsse. An der Sache selbst ärgerte mich vor allem, dass Caroli sagte, die Beleidigungen, die ihn zum Abfall getrieben hätten, stelle er dem Herrn anheim, und das tue er deshalb, weil das andere Leute angehe. Ich schloss mit den Worten: Das ist mein Entschluss, lieber sterben als unterschreiben. Da war man nun auf beiden Seiten so erhitzt, dass ich gegen Caroli selbst nicht bitterer hätte werden können, wenn er da gewesen wäre. Schließlich stürzte ich aus dem Zimmer. Butzer geht mir nach, besänftigt mich durch sein Zureden und führt mich zu den Andern zurück. Ich sagte, ich wolle mirs noch weiter überlegen, bevor ich endgültig antworte. Als ich nach Hause kam, packte mich ein sonderbarer Anfall. Ich konnte keinen Trost finden, als in Seufzen und Weinen. Es quälte mich umso mehr, als du die Ursache all meines Unglücks warst. Denn immer wieder rückten sie mir deine Sanftmut auf, wie mild du gleich Caroli aufgenommen habest. Ich sei doch so hartköpfig, dass ich mich durch dein Vorbild nicht auch dazu bewegen lasse. Butzer spielte alle möglichen Rollen, meinen harten Sinn zu erweichen, aber dein Beispiel hielt er mir dabei immer wieder in gehässiger Weise vor. Und du kannst dabei wirklich deine Gedankenlosigkeit oder allzu große Bereitwilligkeit nicht entschuldigen. Ja, um offen zu reden, mehr Ernst und Beharrlichkeit und Maß hätte man mit Recht von dir erwarten dürfen. Die guten Brüder drangen in dich, ihn in Gnaden aufzunehmen. Da gabst du nicht nur nach, sondern fielest geradezu darauf herein. Bald drauf merkst du deinen Fehler. Es reut dich. Ja, du hättest ihn wieder aufnehmen können ohne Reue, wenn du nur dabei nicht alles Maß überschritten hättest. Klar ists also, dass es mir einen gewissen Trost bieten musste, dich anzuklagen der Schuld wegen, die mir nun so großen Ärger machte. Hätte ich dich vor mir gehabt und mit dir reden können, ich hätte das ganze Unwetter auf dich losgelassen, das sich nun über andere ergossen hat. Nachdem ich mich etwas erholt hatte, ließ ich Jakob Bedrot zu mir kommen. Ich erforschte von ihm, was man mit Caroli verhandelt habe. Er berichtete einiges, das mich wieder sehr aufregte. Ich verlangte nun, dass der Satz gestrichen werde, in dem Caroli die Schuld seines Abfalls auf andere schiebt, und dass die Bedingungen, unter denen Ihr ihn in Bonneville in Gnaden aufnahmt, genannt und bestätigt würden. Ich hätte etwas Besseres erreicht, wenn du mich nicht gehindert hättest. Schreibe es also dir selbst zu, wenn etwas daran böse ist. Erstens, dass du die Versöhnung nicht mit der nötigen Besonnenheit maßvoll vornahmst, d. h. dass du ihn nicht ohne feierliche Bezeugung seiner Schuld und Reue hättest aufnehmen sollen. Zweitens, dass du mir nicht alles, was geschehen war, genau geschrieben hast. Ich hoffe, dass das Schriftstück, wie es nun ist, dir erträglich ist; mich hat es viel gekostet. Es bleibt uns jetzt nur noch übrig, da wir ihn einmal in Gnaden aufgenommen haben, beständig in solcher Gesinnung gegen ihn zu bleiben. Denn da wir ihn nicht weg weisen durften, müssen wir ihn wenigstens mit allem Eifer bei uns festhalten. Das kann aber nicht anders geschehen, als wenn du alle deine Freunde davon abhältst, hochmütig gegen ihn zu sein. Das Schriftstück wird dir gesandt werden, sobald es abgeschrieben ist. Er ist darin fest verpflichtet, nicht wieder etwas Neues anzustellen. Nur bewahret Ihr ihm nun auch die Freundlichkeit, die Ihr allzu früh ihm erwiesen habt. Doch ich will das und anderes weiter behandeln, wenn das Schriftstück gesandt wird. Jetzt wollte ich dir nur in kurzem andeuten, welches Ende die Sache nahm.

Jetzt ist Caroli zu Herrn de Rognac gereist; in welcher Absicht erfuhr ich nicht, wohl nur, um eine Zuflucht zu suchen, bis er bei Euch eine Tätigkeit findet. Mit ihm gereist ist Alexandre; zur Entschuldigung sagte er, er habe ihn nach Barbarins Rat als Begleiter genommen. Du hast aber keinen Grund, ihn für dich oder für uns zu fürchten. Denn wir sind hier nicht so gar bereitwillig, Leute aufzunehmen, die aus ihrer Kirche ausgeschlossen sind. Nämlich auch er wünschte, angehört zu werden, aber man hatte keine Zeit. Wenn er es auf der Rückreise wieder wünscht, bin ich nicht dagegen, dass er gehört wird. Melde mir noch vorher seine ganze Geschichte, damit man ihn nach Verdienst empfangen kann.

Auf deinen Brief will ich bald antworten. Denn jetzt hat mich ein schwerer Schnupfen befallen, der mich nicht weiter schreiben lässt. Der Überbringer dieses Briefes wurde uns von Herrn de Rognac empfohlen, dem zu lieb wir ihm hier eine Stellung zu verschaffen suchten; aber wir fanden nichts. Von allen Handwerken hätte er am meisten Lust zur Buchbinderkunst. Jetzt reist er dahin, wo man alles probieren kann. Ich wünsche, er sei dir empfohlen und hoffe für ihn das Beste. De Rognac ist es wert, dass man ihm das und noch mehr zu lieb tut. Alle grüßen dich freundlich, vor allem Capito, Butzer, Sturm, Bedrot, Claude, Gaspard, Jacques und sein Begleiter, Enard und alle Franzosen. Weil ich weiß, dass du genügend an meine Bitterkeit gewöhnt bist, so schreibe ich keine Entschuldigung, dass ich mit dir zu unhöflich umgesprungen bin. Grüße mir alle Brüder, vor allem Cordier und Chaponneau und Thomas. Mit dem Sadolet-Brief tue, was dir gut scheint, aber schreib mir, was du getan hast. Cordier tut mir einen großen Gefallen, wenn er mir die Psalmen [in Versen], die er abgeschrieben hat, verschafft.

8. Okt. Straßburg.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Der nach seiner Verurteilung in Bern zum Katholizismus zurückgekehrte Pierre Caroli kam nach zwei Jahren wieder in die Schweiz, um sich den Reformierten wieder zu nähern. Farel Viret u. a. hatten eine Unterredung mit ihm in Bonneville (jetzt Neuveville) am Bielersee. Farel tadelte ihn, glaubte aber doch an die Ehrlichkeit seiner zweiten Bekehrung. –
Jacopo Sadoleto, Bischof von Carpentras, hatte die Genfer während Calvins Verbannung durch ein offenes Schreiben zur Rückkehr in die katholische Kirche zu bewegen gesucht.

Über Caroli. Die Wirksamkeit zu Gunsten der Evangelischen in Frankreich. Antwort an Sadolet.

Gestern während des Essens kam Henri. Ich stand gleich vom Tische auf, ging zu Butzer und las ihm deinen Brief vor; er machte ihm großen Spaß, besonders als er vernahm, dass du gar so sanft gegen Caroli bist. Er sagte, selbst er wäre kaum dazu zu bringen gewesen, ihn mit solcher Milde aufzunehmen. Kommt Caroli nach Basel, so läuft er Gefahr, selbst von Grynäus etwas unfreundlicher empfangen zu werden, weil Viret und Zebedee die Nachsicht des Grynäus tadelten und ihn, wie damals berichtet wurde, dem Caroli ungünstig stimmten. Uns allen ist diese deine Sanftmut ja sehr angenehm; denn für die Kirche kann sie ja nichts Böses bringen und wird das Herz der Bösen gar sehr rühren. Heute früh kamen diese beiden jungen Leute zu mir und veranlassten mich, rascher, aber dafür auch nur kurz, zu schreiben. In der Sache der Brüder [in Frankreich] taten wir, was unsere Pflicht war. Der Rat hat nach seiner frommen Art die Sache gerne auf sich genommen. Sobald die Verhandlung geschlossen war, habe ich dir darüber berichtet; aber ich sehe, dass mein Brief noch nicht angekommen war, als du schriebst. Der Bote, den sie an den Sachsen und den Landgrafen schickten, ist noch nicht zurück. Er wird aber jede Stunde erwartet. Butzer geht fast Tag für Tag zum Ratskanzler. Fürchte nichts, lieber Bruder; die Herzen sind hier nicht von Eisen. Weder der Rat, noch die Pfarrer werden es hindern, dass den frommen Brüdern Hilfe wird, soviel man ihnen in diesen Zeiten Hilfe bringen kann. Ich sehe, die Genfer werden noch in mancher Hinsicht unglücklich werden. Den Brief des Sadolet hat Sulzer hierher gebracht. Um eine Antwort glaubte ich mich nicht kümmern zu müssen, aber schließlich zwangen mich die Unsern dazu. Jetzt nimmt sie mich ganz in Beschlag. Ich brauche etwa sechs Tage zu der Arbeit. Mein Buch schicke ich dir, da ich deine Freundlichkeit noch nicht durch ein Gegengeschenk von meiner Seite vergolten habe. Lebwohl, allerliebster Bruder. Grüße alle unsere Brüder aufs Liebenswürdigste.

[August 1539]
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An seine Anhänger in Genf.

Calvins Partei wollte trotz der Versöhnung ihrer neuen Pfarrer mit den Reformatoren nichts von ihnen wissen; Saunier unterhandelte in Straßburg mit Calvin wegen der Abendmahlsgemeinschaft und seinem Pfarramt.

Von der Würde des Dienstes am Wort, die auch den jetzigen Pfarrern von Genf gebührt.

Die Barmherzigkeit unseres Gottes und die Gnade des Herrn Jesu Christi erweise sich Euch vielfach durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Nichts hat mich, geliebteste Brüder, tiefer betrübt seit den Stürmen, die Eure Kirche so kläglich zerrissen und fast umstürzten, als da ich von Eurem Zank und Streit mit den Pfarrern, unsern Nachfolgern, hörte. Wenn das Unrichtige, das mit ihrem Amtsantritt verbunden war und auch jetzt noch darin liegt, Euch auch mit Recht ärgern könnte, so kann ich, es mag als Anlass vorliegen, was will, doch nicht ohne großen und mein Innerstes erschütternden Schrecken hören, dass immer noch eine Art Schisma in Eurer Kirche besteht. Deshalb war es mir schon schmerzlicher, als ich mit Worten sagen konnte, als ich von Eurem Streit hören musste, solange die Verhältnisse bei Euch noch unentschieden waren, da dadurch nicht allein Eure Kirche zerrissen wurde, ganz öffentlich, sondern auch das kirchliche Amt selbst der Schmach und Schande ausgesetzt, und das ist von allergrößter Bedeutung. Da ich nun jener Unordnung wegen, die auch jetzt noch in der Kirche Gottes herrscht, wenig Hoffnung auf eine Heilung des gegenwärtigen Krankheitszustandes hatte, erfuhr ich mit umso größerer Freude, der üble Zustand habe mit einer Art Vereinigung und Verständigung vertauscht werden können, und schloss daraus, es könne noch geschehen, dass alle wieder ins rechte Geleise kämen, und so das Reich unseres Herrn Jesu Christi gefördert werde. Denn wo Streit und Zwietracht ist, da ist kaum Hoffnung auf Fortschritte zum Bessern. Da ich mir also einen bestimmten Erfolg aus dieser Versöhnung versprach, war ich leicht dazu zu bewegen, zu ihrer Befestigung auch meinerseits behilflich zu sein. Denn wenn ich mitten in den schwersten Stürmen nach dem Urteil meines Gewissens und meinem bestimmten Vorsatz mich stets eifrig bemühte, Einigung in der Kirche zu erreichen und zu erhalten, so musste ich umso mehr meine Liebe für die Frommen zeigen, als sich dazu so gute Gelegenheit bot. Ich sah freilich damals Eure Verhältnisse für so verwirrt an, dass es mir gar nicht so leicht schien, sie wieder in Ordnung zu bringen und zu verbessern. Immerhin hielt ich jenen Anlass für die erwünschteste und günstigste, von Gott gebotene Gelegenheit zur Wiederherstellung Eurer Kirche. Jetzt aber höre ich, dass gegen meine Erwartung die Versöhnung Eurer Pfarrer mit den Nachbarkirchen, die Farel und ich für ganz gültig ansahen, noch nicht genügt hat, Euch durch das ehrliche Gefühl der Freundschaft und das Band gesetzmäßiger Zusammengehörigkeit mit Euren Pfarrern zu verbinden, denen doch Eure Seelsorge anvertraut ist. Daher sah ich mich genötigt, Euch zu schreiben, ich wolle nach Möglichkeit auf Heilung dieses Übels hinarbeiten, das ich nicht anders nennen könne, ohne schwere Sünde gegen Gott. Obwohl nun mein Brief von Euch damals nicht sehr liebenswürdig aufgenommen wurde, so wollte ich doch auch weiterhin meine Pflicht nicht versäumen, um, wenn ich nicht mehr erreichte, doch mein Gewissen zu entlasten. Auch ist mir nicht zweifelhaft, dass Ihr (ich habe es erfahren), geneigt seid, Gott und seinen Dienern zu gehorchen, so dass ich nicht fürchten muss, meine Mahnung habe für Euch gar kein Gewicht, und ebenso wenig ist mir Eure Treue gegen mich verborgen. Dass Ihr aber [bis jetzt] meinen Rat nicht angenommen habt, muss ich wohl mehr auf Rechnung der Zeitlage setzen, da die Verhältnisse zu verwirrt waren, als dass es leicht gewesen wäre, zu erkennen, was nützlich war. Jetzt da die Verhältnisse ruhiger und geordneter sind, traue ich Euch zu, Ihr werdet leicht einsehen, dass nichts anderes mein Vorsatz ist, als Euch wieder auf den rechten Weg zu führen. Dann könnt Ihr, mir vertrauend, an der Sache selbst zeigen, wie Euch die Liebe dazu führt, der Wahrheit zu gehorchen. Zuerst erwägt, bitte, absehend von aller Beurteilung der einzelnen Personen, wie der Herr die Leute, die er in seiner Kirche als Hirten und Diener am Wort einsetzt, mit Ehre angetan und was er ihnen verliehen hat. Denn nicht nur befiehlt er, wir müssten seinem Wort selbst, wenn es uns verkündet wird, mit Furcht und Zittern Gehorsam leisten, sondern er will, dass man auch die Diener am Wort ehre und hoch achte als geschmückt durch seinen Auftrag, ja er will sie anerkannt haben als seine Engel (Mal. 2, 7; 2. Kor. 5, 20; 1. Thess. 5, 13). Gewiss, solange wir bei Euch waren, haben wir nicht viel mit Euch disputiert über die Würde unseres Amtes, um nicht einem falschen Verdacht Tür und Tor zu öffnen; jetzt, wo ich außer dieser Gefahr stehe, kann ich frei heraus sagen, was ich meine. Hätte ich mit den Pfarrern zu reden, so würde ich ihnen zeigen, was ihres Amtes Sinn sei, und wozu sie Euch in ihrem Dienste verpflichtet seien. Da aber schließlich jeder, Pfarrer wie Laie, für sein eigenes Leben selbst wird Rechenschaft geben müssen, so ists besser, jeder schaue auf sich, was er Andern schuldet, als lange zu forschen, was ihm die Andern schuldig sind. Habt Ihr dieser Überlegung einmal Raum gegeben in Euch, so wird auch das als feste Regel bei Euch gelten, dass Ihr die im Amte stehenden Diener am Wort, solang die Sorge für Eure Seelen ihnen anvertraut ist, ansehen müsst wie Eure Väter, und sie wert halten und ehren um des Amtes willen, das sie an Euch verwalten nach der Berufung Gottes. Das zielt aber nicht dahin, als wollte ich Euch das Recht rauben, das Gott Euch wie all den Seinen gegeben hat, alle Pfarrer einer Prüfung zu unterwerfen, damit Gute und Böse unterschieden werden und die abgewehrt werden, die unter der Maske von Hirten sich als räuberische Wölfe zeigen. Nur das will ich, dass bei denen, die ihre Pflicht als Pfarrer so weit erfüllen, dass sie erträglich sind, auch Ihr Euch christlich aufführt und mehr in Rechnung zieht, was Ihr Andern schuldet, als was Andere Euch schulden. Das will ich offen und kurz erledigen. Zweierlei müsst Ihr dabei bedenken: erstens, dass die Berufung Eurer [jetzigen] Pfarrer auch nicht ohne Gottes Willen geschehen ist. Denn obgleich die Änderung, die durch unsern Weggang veranlasst wurde, den Ränken des Teufels zuzuschreiben ist, und deshalb alles, was daraus erfolgte, Euch mit Recht verdächtig sein könnte, so ist doch darin eine besondere Gnade des Herrn zu erkennen, dass er Euch nicht ganz zugrunde gehen ließ, noch zurücksinken unter das Joch des Antichrists, von dem er Euch einmal frei gemacht hat. Vielmehr wollte er, dass bei Euch die evangelische Lehre bestehen bleibe und bis heute eine Form der Kirche gelte, unter der man mit ruhigem Gewissen leben kann. Wir haben Euch immer gemahnt, den Umsturz Eurer Kirche anzusehen als eine Heimsuchung, die nötig war für Euch wie für uns, und nicht so sehr den Bösen und den Werkzeugen Satans anzurechnen, als vielmehr Euern eigenen Sünden, die keine leichtere Strafe, vielmehr eine noch viel schwerere verdient haben. Dasselbe rate ich Euch also auch jetzt. Denn ganz abgesehen davon, dass das ein ganz vorzügliches Heil- und Hilfsmittel ist, Barmherzigkeit zu erlangen vom Herrn und Befreiung von seinem gerechten Euch beschwerenden Urteil, so habt Ihr noch einen zweiten Grund, der Euch zu solchen Gedanken bringen sollte. Nämlich, es sollte nicht scheinen, als vergäßet Ihr die große Wohltat des Herrn an Euch, durch die es geschah, dass der Bau des Evangeliums bei Euch nicht ganz zusammenstürzte, da er ihn so unterstützte, dass man diesen Beweis seiner Macht wahrhaft für ein Wunder halten muss, durch das allein Ihr vor dem höchsten Unglück bewahrt bliebet. Was es auch sei, ein Werk der Vorsehung Gottes ist es gewiss, dass noch Pfarrer da sind, die das Seelsorgeramt und die Leitung Eurer Kirche innehaben. Dazu kommt noch, dass die Knechte Gottes, die den Dienst an seinem Wort in den Nachbarkirchen tun, zur Beschwichtigung Eures verderblichen Streitens selbst die Berufung [Eurer Pfarrer] anerkannten. Zu ihrer Meinung haben auch wir unsere Unterschrift gegeben, weil wir keinen besseren Weg sahen, für Euren Nutzen und Euer Heil zu sorgen. Dass Ihr unsere Ehrlichkeit aus Erfahrung kennt, glaube ich gewiss, so dass ihr feststellen musstet, dass wir das durchaus freiwillig und aufrichtig getan haben. Abgesehen von meiner Liebe [zu Euch], habe ich auch die Sache selbst ernstlich und offen geprüft, damit Ihr von mir da gar nichts Unklares denken könnt. Deshalb schaut ernstlich zu, dass Ihr nicht leichthin verwerft, was Gottes Knechte als notwendig zu Eurem und der Kirche Nutzen und Bewahrung erachteten. Zweitens müsst Ihr darauf sehen, ob sie gesetzmäßig ihr Amt verwalten, ihre Dienstpflicht der Gemeinde gegenüber zu erfüllen. Hier aber, das gebe ich zu, ist zu fordern, dass einfach abgelehnt wird (ich möchte nicht verursachen, dass irgendeine Tyrannei in der Kirche eingeführt werde), dass fromme Leute solche zu Pfarrern haben, die ihrem Beruf nicht nachkommen. Denn es ist eine unerträgliche Schande, wenn gewissen Leuten [als solchen] die Ehrfurcht und der Gehorsam entgegengebracht werden sollen, die der Herr selbst nur denen, die wirklich Diener seines Wortes sind, zuerkannt haben will. Das gebe ich ohne weiteres zu für jeden, der nicht das Wort unseres Herrn Jesu Christi predigt: er mag Titel oder Vorrecht beanspruchen, welche er will, unwürdig ist er, für einen Pfarrer zu gelten, unwürdig, dass man ihm den Gehorsam erweise, den man dem Dienst am Worte schuldig ist. Weil aber feststeht, dass von unsern Brüdern, die heute bei Euch im Dienste am Wort stehen, das Evangelium gepredigt wird, so sehe ich nicht ein, womit Ihr es vor Gott entschuldigen wollt, dass Ihr sie vernachlässigt oder verwerft. Antwortet etwa einer, dies und jenes in ihrer Lehre und ihrem Leben gefalle ihm nicht, so fordere ich zunächst von Euch durch unsern Herrn Jesum Christum, dass Ihr, was es auch sei, zuerst ernstlich überlegt, ohne Euer Urteil zu überstürzen. Denn wenn wir um der Liebe willen einer dem andern schuldig sind, nicht kühnlich ein Urteil über andere zu fällen, sondern, soviel wir können, mild und gerecht zu bleiben, um wie viel mehr müssen wir solche Mäßigung denen gegenüber beobachten, denen der Herr eine besonders hervorragende Stellung vor andern gegeben hat. Auch wenn genug wäre, was sie zu wünschen übrig ließen (ich kann darüber nicht reden, weil ich darüber nicht im Klaren bin), so muss Euch doch der Gedanke helfen, dass man keinen so vollkommen findet, an dem nicht noch vieles zu wünschen wäre. Deshalb kommen wir dem genannten Gebot der Liebe nicht nach, wenn wir unsere Nächsten nicht samt ihren Schwächen tragen, so wir nur Gottesfurcht an ihnen sehen und den ehrlichen Willen, nach der Wahrheit zu streben. Schließlich kann ich daran keinen Zweifel hegen (und das geht ihre Lehre an), dass sie Euch die Hauptartikel des christlichen Glaubens treulich verkünden, und was zum Heile nötig ist, und zugleich die Verwaltung der Sakramente des Herrn damit verbinden. Wo das stattfindet, da steht auch das eigentliche Wesen des vom Herrn Jesu Christo eingesetzten Amtes in Kraft und ist diesem Dienste auch die ihm gesetzmäßig gebührende Ehre zu geben und Gehorsam zu leisten. So bitte ich Euch nun, geliebteste Brüder, und mahne Euch im Namen und in der Vollmacht unseres Herrn Jesu Christi, lasst uns Sinn und Geist von den Menschen weg auf ihn, unsern einzigen Erlöser, richten und das bedenken, was wir schuldig sind, seinen heiligen Geboten darzubringen. Wenn er unter Euch etwas aufgerichtet hat, so muss das mit Recht unverletzt bleiben; kein Grund soll Euch von Eurer Pflicht abbringen, das Amt, das er Euch so ernstlich anempfiehlt, in gutem Stande zu halten.

Wenn Ihr aber mit Euern Pfarrern disputiert und streitet bis zu Händeleien und Schimpfreden, wie es geschehen sein soll, so ist sicher, dass dadurch ihr Dienst, in dem der Glorienschein unseres Herrn Jesu Christi leuchten sollte, dem Schimpf und der Schande ausgesetzt, ja fast mit Füßen getreten wird. Es ist deshalb Eure Pflicht, Euch sorgfältig zu hüten, dass Ihr nicht im Glauben, Menschen höhnen zu können, tatsächlich Gott selbst den Krieg erklärt. Und es darf Euch durchaus nicht unwichtig scheinen, ob in der Kirche Spaltungen und Sekten entstehen und gepflegt werden; ja kein Christenherz soll solches ohne Schrecken hören können. Dass solches aber wirklich der Fall ist, wo dergleichen Trennung ist und gleichsam ein Auseinandergehen von Pfarrer und Gemeinde stattfindet, das bezeugt Eure Lage selbst. Schließlich also vernehmt noch das. Wenn Ihr mich für Euern Bruder halten wollt, so sei unter Euch eine feste Verbindung, die auch diesen Namen verdient, dass Ihr nicht den Dienst verschmäht, den ich zu Eurem Nutzen und zum Wohl der Kirche anerkennen musste, ohne auf Gnade oder Ungnade der Menschen zu achten. Weil die ganze Zeit, da mein treuer und frommer Mitarbeiter im Herrn hier war, so weit meine gewöhnliche Beschäftigung es erlaubte, der Besprechung [Eurer Verhältnisse] gewidmet war, konnte ich Euch nicht ausführlicher schreiben, wie ich vorhatte. Es wurde deshalb unter uns abgemacht, ich solle Euch in kurzen Worten den rechten Weg anweisen, den Ihr hier gehen sollt, er aber, wie es ihm gut schiene, Euch persönlich an Eure Pflicht mahnen. Indem ich hier also meinen freundlichen Gruß an Euch beifüge, bitte ich den Herrn Jesus, er möge Euch mit seinem heiligen Schutze bewahren, Euch mit seinen Gaben mehr und mehr überhäufen, Eure Kirche wieder in den rechten Stand bringen, und vor allem Euch erfüllen mit dem Geist seiner Milde, damit wir Alle uns in wahrer Geistesgemeinschaft dem Fortschritt seines Reiches widmen können.

Straßburg, 25. Juni 1539.
Euer ganz ergebener
J. Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Zwischen Genf und den Nachbarkirchen bahnte sich eine Einigung an. Die Genfer Pfarrer wurden von den Andern anerkannt und begannen ihrerseits nun auf Kirchenzucht im Sinne ihrer Vorgänger zu dringen. Einige undurchsichtige Bemerkungen sind weggelassen.

Über die Lage in Genf. Heiratspläne.

Sei mir gegrüßt, bester, liebster Bruder. Was du mir in deinem letzten Brief meldetest, war mir angenehm zu vernehmen, wenn es auch großenteils nichts sehr Heiteres war. Aber es nicht zu wissen, macht auch nicht froh, und es zu wissen, ist nützlich. Auf Einzelnes zu antworten ist unnötig. – –

Aus dem, was sie [in Genf] anfangen, kann ich beurteilen, welchen Erfolg sie haben werden in der Besserung der kirchlichen Verhältnisse, wenn ihnen der Herr nicht unverhofft zu Hilfe kommt. Wenn unsere Nachfolger in guten Treuen dabei handeln, werden sie in kurzer Zeit merken, dass es schwerer ist, als sie gedacht haben. Vielleicht müssen sie uns schließlich selbst bezeugen, dass wir unser Amt gut und treulich geführt haben. Dass sie neben deinem Eifer sehr zurückhalten, ist nicht verwunderlich. Denn so warm sind sie noch nicht geworden, dass sie dich erreichen mit ihrem Laufen, selbst wenn du es dir bequem machst. Du aber sieh, was die Zeitlage fordert und was notwendig ist, und richte nach diesem Maß deinem Eifer ein. –

Dass Zebedee so unsanft behandelt wird, tut mir sehr leid. Auch bei Butzer, glaub´ es mir, kommen die nicht in Gunst, die seine Bücher so rechthaberisch verteidigen. Er selbst nimmt die Freiheit recht milde auf, mit der ich oft anderer Meinung bin als er. Darüber möchte ich aber lieber mit dir mündlich reden; und das kann geschehen, wenn du eine mäßige Anstrengung nicht scheust. Ich sagte Butzer auch, dass dir großes Unrecht geschieht, weil alle seine Freunde fortführen, dir Feind zu sein; die aber deine Freunde gewesen seien, um seinetwillen dir jetzt entfremdet seien. Er wurde betrübter, als ich gedacht hatte. Als er ein Mittel dagegen suchte, sagte ich, die Wunde sei gefährlich zu berühren, so solle er es lassen, bis uns eine bessere Gelegenheit erscheine.

Von meinen Heiratsplänen will ich nun offener reden. Ich weiß nicht, ob dir schon jemand vor Michels Abreise die Person erwähnte, von der ich schrieb. Aber jedenfalls weißt du, was ich an ihr suche. Denn ich gehöre nicht zu der verrückten Art von Liebhabern, die auch die Fehler [ihrer Geliebten] preisen, wenn sie einmal von der Schönheit hingerissen sind. Das ist die einzige Schönheit, die mich anlockt, wenn sie züchtig ist, gehorsam, nicht hochmütig, sparsam, geduldig, wenn ich auch hoffen darf, dass sie zu meiner Gesundheit Sorge trägt. Also wenn du es für zuträglich hältst, so gürte dich [zur Reise], dass nicht ein Anderer zuvorkomme. Bist du anderer Ansicht, so lassen wir das. Ich werde dir nicht mehr schreiben, bis du kommst. Du wirst uns allen sehr willkommen sein. Wohlan, du kannst durch diese Reise dein Gemüt wieder wunderbar frei machen. Es hindert dich aber nichts, doch noch zu schreiben, während du dich zur Reise vorbereitest. Alle lassen dich mehr als freundschaftlich grüßen, Capito, Butzer, Sturm, Bedrot, Gaspard und die Franzosen, die ich nicht nenne, weil du die Namen doch nicht behältst. Grüße mir alle Brüder. Der Herr erhalte Euch alle ihm und seiner Kirche unversehrt.

Straßburg, 19. Mai 1539.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Andre Zebedee, Pfarrer in Orbe.

Zebedee, Pfarrer in Orbe, später in Nyon, war ein Hauptgegner der Einigungsbestrebungen zwischen Lutherischen und Reformierten.

Verteidigung der Lutherischen und vor allem Butzers.

Dein Brief, der mich auch sonst bestürzt machte, hat vor allem dadurch mich heftig erschreckt, dass ich daraus sehe, wie sehr du noch vor der Einigung einen Abscheu hast, die, wie ich glaube, für Jedermann ganz in Ordnung war. Da ich denke, du habest solche Abneigung nicht grundlos gefasst, so will ich, soweit es mir möglich ist, auf deine Einwendungen eingehen; und dann die Sache selbst kurz berühren. Du sagst, die Männer, deren Geist und Herz ich so rühme, und zwar die Unwichtigern wie die Bedeutenden, seien bei näherer Bekanntschaft meistens in ihrem Ansehen gesunken. Ich gebe das zu. Aber durch wessen Schuld! Du sagst: Wenns nur nicht ihre eigene war. Aber sieh zu, dass du Knechten Christi kein Unrecht tust, die du selbst in so bösem Verdacht hast, obwohl sie dir nicht den geringsten Anlass dazu boten. Butzer z. B. hat sich bei der Einigungsarbeit so benommen, dass viele laut schreien, sein Tun gefalle ihnen nicht; aber es kann niemand nur das Geringste sagen, worin er gefehlt. Ich weiß, welche Klagen über ihn man überall bei denen hört, die gegen die Einigung reden. Untersuchst du aber genauer, so ergibt sich, dass es nichts als leere Beschuldigungen sind. Verurteilen wir so leichthin einen Mann, der so außerordentliche Gaben empfangen und dessen Dienst Gott zu hochberühmten Ereignissen gebraucht hat, was soll dann denen geschehen, die sich bisher noch durch nichts bewährt haben! Wenn du auch weiterhin dir erlaubst, Unschuldige zu verdächtigen; dazu bringst du es nicht, dass ich Leute für unredlich halte und sie so nenne, deren Redlichkeit ich mit Augen sehe. Umsonst greifst du zu dem Gemeinplatz, Bewunderung für Menschen dürfe uns nicht von Gottes Wahrheit ablenken. Denn für keinen Menschen ist eine so verkehrte und blinde Bewunderung in mir vorherrschend, dass sie mich an klarem Urteil, geschweige an der Heiligkeit des Glaubens hindert. Auch Farel ist, das weiß ich, fester, als dass er in der Weise vom Wort Gottes getrennt werden könnte. Da aber alle, die auf Luthers Seite stehen, den Unsern, wie ich wusste, allzu großer Schlauheit verdächtig sind, wollte ich nicht haben, dass Farel sich mit ganz überflüssigen Bedenken plage. Denn was nützts, sich vor eines Mannes Verschlagenheit zu fürchten, wenn man doch seiner Ehrlichkeit ganz sicher sein kann. So werde ich nicht aufhören, [Butzers] Tüchtigkeit zu rühmen, dieselbe die ich auch an Melanchthon deutlich zu erkennen glaube. Ich gebe freilich zu, Einiges wünschte ich auch bei ihm anders; soweit bin ich davon entfernt, irgendjemand ganz auf seine Worte schwören zu lassen. Nur das ist mein Wunsch, dass wir alle uns hindernden [persönlichen] Vorurteile aufgeben, ruhig hinüber und herüber auf einander hören, und die sachliche Entscheidung uns vorbehalten, bis das Wahre gefunden ist. – Dass Butzer früher Gesagtes zurückgenommen hat, darüber brauchst du dich nicht so sehr zu entrüsten. Weil er geirrt hat in seinen Aussagen über die Bedeutung der Sakramente, hat er das mit Recht zurückgenommen. Ja, wenn doch nur Zwingli sich dazu auch entschlossen hätte, dessen Ansicht von dieser Sache ebenso falsch als gefährlich war! Als ich sah, wie viele der Unsern diese Ansicht Zwinglis beifällig aufnahmen, habe ich, damals noch in Frankreich, sie ohne Scheu bekämpft. Darin fehlt Butzer freilich, – ich gebe es zu -, dass er versucht, Ökolampads und Zwinglis Meinung so zu erweichen, dass er sie selbst schon fast Luther zustimmen lässt. Aber das werfen ihm die gar nicht vor, die sonst alles Andere an ihm gehässig übertreiben. Denn nichts liegt ihnen mehr am Herzen, als dass ja Zwingli ungetadelt bleibe. Ich aber wollte, sie gäben unter Verzicht auf so besorgte Verteidigung Gott die Ehre durch einfaches Eingestehen der Wahrheit. Dass in Zwinglis Lehre gar nichts Bedenkliches gewesen sei, gebe ich dir keineswegs zu. Denn das ist leicht zu sehen, dass er, zu sehr damit beschäftigt, den Aberglauben an fleischliche Gegenwart Christi auszurotten, auch die wahre Kraft der Gemeinschaft [mit Christo im Abendmahl] zugleich wegwarf, oder doch sicher verdunkelte. Das gerade musste aber mehr beleuchtet werden.

Nicht mit Unrecht ärgert es dich, dass Luther selbst gar nichts zurücknimmt, nichts mindert, sondern hartnäckig alles festhält. Aber was sollte Butzer tun? Du sagst, er hätte warten sollen. Aber besser wars doch, durch sein Beispiel Luther und die Andern an ihre Pflicht zu erinnern. Was soll da alle heilige Entrüstung? Denn wenn er seine Irrtümer zurückgenommen hat, dann darf er auch im Namen Gottes die Andern mahnen, dass sie ihrerseits verbessern, was sie Falsches gesagt haben. Was Luthers Buch gegen die Arianer enthält, weiß ich nicht, außer dass ich vom Titel auf den Hauptinhalt schließen kann. Wenn darin den Karlstadt gehörig durchbläute, so hat er darin nicht Unrecht. Darüber können sich seine Gegner doch nicht erzürnen; es sei denn etwa, dass es bedauerlich ist, wenn durch unnötiges Erinnern an Kämpfe der Vergangenheit die Geister erbittert werden. Dass freilich Karlstadt mit dem törichten Dogma [der Arianer] der Wittenbergischen Kirche zu schaffen machte, ist sicherer als sicher. Butzers lateinisches Buch habe ich nicht. Wenn darin solche Einschränkungen sich fänden [wie du schreibst], missfielen sie dir mit Recht und würden auch mir nicht besser gefallen, wenn ich sie läse. Aber es braucht nicht aus jeder Verschiedenheit der Meinungen ohne weiteres eine Trennung zu folgen, vielmehr auch wo dich dein Gewissen nötigt, irgendwie von seiner Meinung abzuweichen, musst du dir doch Mühe geben, dass eine brüderliche Gemeinschaft zwischen dir und ihm bleibt. Denn wir dürfen uns nicht leichthin von denen trennen, die der Herr zur Gemeinschaft an seinem Werk mit uns verbunden hat. Besonders bitte ich aber das von dir, dass, wie du die Wahrheit, in der du bisher fest gewesen bist, so standhaft festhältst, du auch nicht den Schein erweckst, als suchtest du absichtlich uneins zu werden mit denen, denen du das Ihrige nicht nehmen kannst, da du und alle Guten sie als Vorkämpfer unter den Dienern Christi achten müsst. Guter Gott, worauf komme ich zurück? Mit keinem andern Gefühl mussten wir einst uns von Dienern Christi trennen, als ob uns das Herz aus dem Leibe gerissen würde. Und nun solls fast ein Spiel sein, nicht irgendein Glied, sondern die wichtigsten Lebensorgane von unserer Genossenschaft abzuschneiden? Das überlege bei dir, so eilig und unordentlich ich es aufgeführt habe, und ertrage meine Freiheit mit billigem Sinn! Übrigens brauchst du für mich gar nichts zu fürchten. So gern ich in Todesgefahr gerettet werden möchte, so gewiss halte ich fest, was ich geschrieben habe.

Straßburg, 19. Mai [1539].

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Die weiteren Fortschritte der Versöhnungsversuche sind in ihren Einzelheiten nicht durchsichtig. Du Tally (vgl. 24, 25) ein Freund Calvins in Genf. Das Straßburger Gemeindeglied, über das Calvin klagt, ist unbekannt. Wendelin Rihel war Calvins Verleger in Straßburg. Über Zebedee vgl. 36.

Von der Lage in Genf. Schwierigkeiten im Amt und Geldnöten. Vom deutschen Protestantismus.

Ich fange doch an, von dem Versuch [uns mit den Genfern] zu versöhnen, etwas Besseres zu hoffen als früher. So oft ich überlegte, mit welchen Leuten wir zu tun hätten, und als wie schlüpfrig und rasch zerfließend wir doch schon oft ihre Treue erfahren hätten, dachte ich, bei diesem Versöhnungsversuch könne für uns nichts oder doch nur sehr wenig herauskommen. Dazu konnte ich die Bedingungen, die beiderseits aufgestellt wurden, auch wenn sie nicht gerade Unwürdiges enthielten, nicht ganz billigen. Wenn nun aber wahr ist, was du erzählst, dass jene Beiden zum Abfall verleitet werden, ist es sicher nötig, dass wir auch durch einen Vergleich unter ungünstigen Bedingungen solchem Übel entgegentreten. Auf ihre größere Standhaftigkeit setze ich doch einige Hoffnung, weil sie durch das Versprechen, das sie allen Kirchen gegeben haben, doch ziemlich festgehalten werden, so dass sie nicht so leichthin abweichen können. In gewisser Hinsicht haben wir ja schon erreicht, was wir in erster Linie wünschten, dass jene ganz schlimmen Zwistigkeiten unter den Brüdern, die die Gemeinde zerrissen, beigelegt wurden. Wir können Gott nie genug dafür danken, der durch seine Güte all unser Hoffen übertrifft. Was meine Rückkehr angeht, so geschieht, glaube ich, nicht, was du Tally schreibt; denn ich habe davon seither kein Wort mehr vernommen. Ich dachte, die Brüder hätten diese Frage als überflüssig bei Seite gelassen, da sie sahen, dass auch anderswoher Heilung kommen könne. Weil ich daher annahm, die ganze Bewegung zu diesem Zweck sei ermattet oder ganz hingefallen, so machte es mir auch keine Sorge mehr. Die Botschaft, die mir nun du Tallys Brief brachte, hat mich nicht ohne Grund so sehr erschreckt. Ich habe dir noch nicht alle Gründe genannt, und die wenigen, die ich erwähnte, mehr nur angedeutet als ausgeführt. Gewiss, das, was ich von dir sagte, ist von großer Wichtigkeit. Denn entweder müssen wir beide wieder eingesetzt werden, oder es scheint, ich sei nur aus Gnade wieder eingesetzt. So wird dann nur meiner Person die Wiedereinsetzung zugestanden, und nicht unserer Sache. Vor allem aber macht mich die Überlegung stutzig, wenn ich mir vor Augen halte, in welchen Strudel von Arbeit ich mich stürzen soll; denn ich spürte schon, dass er mich ganz verschlang, als er um die Hälfte weniger war.

Ich habe ja, das will ich gestehen, auch hier manche Kämpfe, und das harte; aber doch dienen sie mir zu Übung, und werfen mich nicht ganz nieder. Allerdings, diese Ostern hätte ich keinen geringen Handel bekommen, wenn jener schreckliche Mensch, über den du klagst, hier gewesen wäre. Entweder hätte ich ihn gezwungen, Rechenschaft zu geben von seinem Tun, oder er wäre nicht zum Abendmahl zugelassen worden. Einer seiner Schüler (der gleiche, den er gegen Claude Normain hatte aufhetzen wollen) hatte im Sinn, zu kommen, wenn ich ihm nicht die Mahnung hätte zukommen lassen, er müsse sich erst vor mir rechtfertigen oder bestimmt Besserung versprechen. Den ganzen Monat hatte er keine Predigt gehört, und das öffentliche Ärgernis seines Spielens und Zechens gleichsam zu Markte getragen; auch von Hurerei munkelt ein Gerücht, und trotzdem hätte er sich frech zum hochheiligen Sakrament gedrängt, wenn ich ihm nicht den Weg versperrt hätte. Dem, der ihm meldete, was ich ihm sagen lassen wollte, antwortete scherzend, die Beichte überlasse er den Papisten. Ich gab zur Antwort, es gebe auch eine Art christlicher Beichte. Wenn sein Meister zurückkommt, so wird zwischen uns der Krieg schon erklärt sein. Mein Verdienst ist es nicht, dass ich nicht schon längst einen Zusammenstoß mit ihm hatte. Denn ich habe seine Gottlosigkeit schon öffentlich und deutlich, auch in der Predigt, so gekennzeichnet, dass weder ihm noch Andern die Rede unverständlicher war, als wenn ich ihn mit Namen genannt oder mit dem Finger auf ihn gewiesen hätte. Jetzt, da er nach Frankfurt gereist war, habe ich Butzer beschworen, sich vor ihm nicht anders als vor einem geschworenen Feinde zu hüten. Sobald er merkt, dass ich ihn so behandle, welche Stürme wird er wider mich erregen: Also ob ich hier bleibe, ob ich reise, – viele Sorgen, Beschwerden und Schwierigkeiten drohen mir.

Ich gestehe, es ist mir lieb, dass ich die Brüder so voll Sorge für mich sehe, dass sie bereit sind, meinem Mangel aus ihren Mitteln abzuhelfen. Ich könnte ja nicht anders, als über einen solchen Beweis ihrer Liebe mich freuen. Aber ich habe beschlossen, doch auf deine und ihre Wohltätigkeit zu verzichten, bis größere Not mich zwingt. Der Buchdrucker Wendelin, dem ich mein Büchlein zum Druck gegeben habe, gibt mir, soviel ich für unvorhergesehene Ausgaben brauche. In meiner Bibliothek, die noch in Genf ist, wird wohl soviel Wert stecken, dass ich meinen Hauswirt bis zum nächsten Winter zahlen kann; für später wird er Herr sorgen. Da ich doch früher ungezählte Freunde in Frankreich hatte, bot mir keiner einen Heller an; und doch, hätten sie es getan, so hätten sie den billigen Ruhm ihrer Wohltätigkeit genießen können; denn sie hätten mir noch so wenig anbieten können, ich hätte es genommen. Ich vergaß Louis [du Tillet], der allein hat mir seine Hilfe angeboten; aber auch er verkaufte seine Spende zu teuer. Wenn er mich auch nicht gerade zum Widerruf aufforderte, so hat er doch deutlich ausgesprochen, ich sei aus der Kirche entronnen. Ich antwortete, was sich auf einen solchen Vorwurf gehört, fürchte aber, mein Brief ist verloren gegangen. Für die Gegenwart will ich mich also mit deinem und der Brüder gutem Willen begnügen; habe ichs einmal nötig, so will ich seine Leistungsfähigkeit erproben. Dagegen bitte ich, dass Ihr nach Eurer Freundlichkeit gegen mich auch zufrieden seid mit meiner Dankbarkeit. Es tut mir leid, dass die Krone verloren gegangen ist; ich muss mich wegen meiner Unachtsamkeit deswegen anklagen; nur glaubte ich, es müsse einen schon die Scham abhalten, [mein Vertrauen] so zu missbrauchen.

– – Wie kannst du mein Versprechen fordern, den Brüdern zu helfen bei der Wiederherstellung der Kirchenzucht [in Genf]? An wen sollte ich da schreiben und in welcher Art? Wodurch hast du mir dazu einen Weg bereitet, oder aber wie kannst du erwarten, ich solle mich da kühn einmischen?

Philippus gegenüber habe ich neulich ihm gerade ins Gesicht kein Hehl daraus gemacht, wie sehr mir die große Menge ihrer Zeremonien missfalle. Mir scheine, das Formenwesen, an dem sie festhielten, war nicht weit vom Judentum entfernt zu sein. Als ich mit Gründen in ihn drang, wollte er mir das nicht bestreiten, dass sie zu viel hätten von diesen teils törichten, teil überflüssigen Bräuchen; aber er sagte, man habe dies eben notwendig dem Starrsinn der Kirchenrechtler, die sie dort hätten, zugestehen müssen. Übrigens sei kein Ort in Sachsen, wo man nicht freier sei als in Wittenberg, und diese Gemeinde selbst werde nach und nach viel von diesem Zeuge abschaffen. Zum Schluss aber sagte er, Luther billige die Zeremonien, die er nur gezwungen festgehalten, nicht mehr als unsere Sparsamkeit in solchen Dingen. Wenn doch unser guter Zebedee sehen könnte, wie aufrichtig Philippus ist. Sicher würde er allen Verdacht eines Betruges ablegen. Dass Butzer weiter die lutherischen Zeremonien verteidigt, geschieht nicht, weil er sie selbst wollte oder sie einzuführen trachtete. Den lateinischen Gesang zu billigen, dazu kann ihn nichts bringen. Vor den Bildern hegt er Abscheu. Anderes dünkt ihn zum Teil verächtlich, zum Teil kümmerts ihn gar nicht. Aber das ist nicht zu befürchten, dass er, was einmal abgeschafft ist, wieder durch eine Rückkehr zum Alten einführe. Nur will er nicht leiden, dass wir uns um solcher äußerer Bräuchlein willen von Luther trennen. Ich glaube auch, dass das keine genügenden Ursachen zur Trennung sind.

Das deutsche [schmalkaldische] Bündnis hat nichts an sich, was ein frommes Herz verletzen müsste. Ich bitte dich, warum sollten sie nicht die Kräfte, die ihnen der Herr gegeben, vereinigen zu gemeinsamer Verteidigung des Evangeliums. Übrigens ziehen sie niemand weder mit Gewalt, noch irgendwelcher Nötigung in ihren Bund. Ja, es gibt vielmehr evangelische Städte, denen ein Bündnis mit Papisten, ja mit Bischöfen sogar, besser schien, z. B. Nürnberg. Wenn doch Zebedee wüsste, mit welchen Künsten die Bundesglieder bei ihrem Konvent versucht worden sind, und wie mannhaft sie widerstanden! Der kaiserliche Gesandte versuchte nichts mehr, als sie von den Schweizer Kirchen wegzuziehen. Er nannte diese freilich nicht, aber er verlangte, sie sollten die Sache der Sakramentierer nicht zur ihrigen machen. Ihre Antwort war, sie hätten brüderliche Gemeinschaft mit denen, die er Sakramentierer nannte. Wie viel Mut zeigten sie nur bei der letzten Verhandlung! Der Kaiser stellte die Bedingung, sie dürften niemand in ihren Bund aufnehmen während der Frist des Waffenstillstandes, der geschlossen werden solle. Sie stimmten dem zu, aber nur unter der Bedingung, dass, wer das Evangelium annehme, auch sicher sein solle außerhalb des Bundes. Würden solche angegriffen, so erklärten sie, alle für Bundesgenossen halten zu wollen, die Christi Sache unterstützten. Dagegen forderten sie ihrerseits vom Kaiser, dass während besagter Frist auch keine Bündnisse gegen das Evangelium geschlossen würden. Der Kaiser wollte, das Kirchengut solle den Priestern bleiben bis zum Ablauf des Waffenstillstandes. Die Unsern willigten ein, doch solle daraus für Kirchen und Schulen gesorgt werden, und bestanden darauf bis zuletzt. Was soll ich berichten von der berühmten Festigkeit dieser Stadt [Straßburg]? Als die kaiserlichen Bedingungen bekannt gegeben wurden, es sollen alle seit dem Nürnberger Konvent geschlossenen Bündnisse ungültig sein und keine neuen unter den Unsern geschlossen werden, damit jede Partei gleich bleibe, bis nach einem Religionsgespräch die deutsche Kirche reformiert würde, da gab es sofort einen Ratsbeschluss des Inhalts: Lieber wollten sie sehen, dass ihre Weiber und Kinder vor ihren Augen getötet würden, dass all ihr Gut zu Grunde ginge, ihre Stadt zerstört würde, ja dass sie selbst alle fallen und sterben müssten, als dass sie ein Gebot annehmen sollten, durch das dem Evangelium Christi der Weg versperrt würde.

Lieber Farel, überlege dirs, ob wir nicht solchen Männern Unrecht tun, wenn wir in aller Muße sie beschuldigen, während sie durch keine Gefahr noch Schrecken sich vom rechten Pfad abdrängen lassen. Die Sache wendet sich ohne Zweifel doch zum Krieg; schon wurde ein Einfall ins Gebiet von Lüneburg unternommen. Du sagst, es sei unsre Pflicht, Alles eifrig zu meiden, wodurch wir Gefahr liefen, guten, frommen Leuten Ärgernis zu geben. Das gebe ich zu; aber es ist doch die Pflicht der guten Leute, sich zu hüten, dass sie sich nicht von ungefähr und ohne allen Grund ärgern.

Während ich schreibe, kommt der Schüler, den ich erwähnte, und will in Gnaden aufgenommen werden: ja, er nennt obendrein den Claude als Vermittler. Ich hoffe, der Herr verleiht uns, dass wir seinen Trotz entkräften durch ernste Milde. Gut, dass wir bis zum Abendmahl noch vierzehn Tage haben, um vorher unsere Erfahrung mit ihm zu machen. Grüße mir Thomas freundlichst und die übrigen Brüder. Der Herr bewahre Euch alle unversehrt und einmütig. Lasst Euch im Gebete die Kirchen ja recht angelegen sein, da uns von allen Seiten die Gefahren so bedrängen.
Geschrieben im April 1539.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Von großer Arbeitslast. Weiteres vom Frankfurter Konvent.

Ich erinnere mich nicht, dieses ganze Jahr einen Tag gehabt zu haben, an dem ich mehr mit allerlei Geschäften überhäuft gewesen wäre als heute. Denn da dieser Bote auch den Anfang meines Werkes mitnehmen wollte, musste ich noch etwa zwanzig Briefe schreiben, einige Streitigkeiten schlichten, mehr als zehn Besuchern Rede stehen. Entschuldige also, wenn ich kurz und ungenau von Allem schreibe. Was im [Frankfurter] Konvent beraten wurde, werden wir nicht klar erfahren, bis Butzer zurückkommt, den wir nach seinem Brief in sieben Tagen erwarten. Doch schrieb er, bereitwilliger zum Schutz des Evangeliums habe er die Fürsten nie gesehen. Sicher haben sie in Schmalkalden etwas getan, das ihre hochgemute Stimmung zeigt. Es waren nämlich dort noch einige abergläubische Bildwerke, die sie samt ihren Altären zerstörten. Auch hoben sie beim Abendmahl die Elevation der Hostie auf, die bisher noch beibehalten worden war. Nun sollen die gehen, die immer noch, ich weiß nicht von welcher Mäßigung träumen und uns dazu zurückrufen wollen. Das wollte ich dir als Kostprobe geben, damit du siehst, dass sie weit davon entfernt sind, ängstlich zu sein. Auch unser Rat zeigt sich mutig. Neulich hat er eine Äbtissin, die anfing ihr Klostergut zu verschleudern, in Gewahrsam bringen lassen. Das Reichskammergericht hat auf Wunsch des Bischofs ihre Entlassung anbefohlen. Man trotzte dem Befehl. Die Bundesgenossen billigten, was geschehen ist, und erklärten, die Sache auf sich nehmen zu wollen. Es wurde deshalb ein Bote ans Kammergericht gesandt, mit der Meldung, der Rat werde sich seinem Spruch nicht fügen, wie er schließlich auch ausfallen werde. Wir warten also, bis sie ihren lächerlichen Blitzstrahl schleudern. Sorge, bitte, dass Balliot Geld schickt, damit ich Wendelin zahlen kann. Ich kann jetzt nicht fortfahren. Grüße alle Brüder angelegentlich von mir.
20. April 1539.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Weiteres von Frankfurt. Gespräch mit Melanchthon. Geldnot.

Da ich fürchtete, längeres Warten auf einen Brief von mir möchte dich verdrießen, wollte ich neulich lieber einen abgebrochenen Brief vorausschicken, als dich auf die Ankunft Michels vertrösten. Jetzt will ich also das übrige weiterspinnen. Bevor ich zu meinem Gespräch mit Philippus komme, will ich dir in Kürze darlegen, welche Fortschritte bisher erreicht worden sind im Stand der Dinge. Der kaiserliche Gesandte wagte solange nicht, so ungünstige Bedingungen anzunehmen, dass nur noch wenig fehlte, so wäre die Sache wieder der Entscheidung durchs Schwert überlassen worden. Der Gesandte wollte, die Unseren sollten sich von den Sakramentierern trennen. Sieh die Kunststücke Satans! Danach greift er, um nicht nur altem Hass, den er einst gesät hat, neue Nahrung zu geben, sondern auch, damit neue Beleidigungen als entzündete Brandfackeln hülfen größern Zwist zu erregen. Die Unsern aber anerkannten niemand als Sakramentierer und wollen in Verbindung stehen mit den Schweizer Kirchen. Schließlich wurde vom Kaiser die Bedingung preisgegeben und erreicht, dass sich die Stimmung zum Abschluss eines Waffenstillstands geneigt zeigte. Möge er der Kirche Christi nützlich sein. Mir verspricht es nichts Gutes. Das sieht auch der Kurfürst von Sachsen ein, der, obschon man ihn bisher für einen Zauderer hielt, meinte, ein Krieg sei für uns eine Notwendigkeit. Wider alles Erwarten riet der Landgraf vom Kriege ab. Obwohl er sich nicht weigerte, mitzuziehen, wenn der Bund anders beschlösse, so entmutigte er doch die Stimmung der Leute, die gerade auf seinen frischen Mut die größte Hoffnung gesetzt hatten. So nimmt die Sache jetzt die Wendung zum Waffenstillstand, während dessen beide Parteien auf Herstellung der Eintracht sinnen sollen. Die Gegner aber werden an nichts anderes denken, als an günstige Gelegenheit zum Krieg. Der Sachse wird nach dem Frankfurter Konvent mit dem Herzog von Jülich-Cleve zusammentreffen, dessen Schwester er zur Frau hat. Wenn er den dazu bringen kann, den Glauben anzunehmen, wäre es ein großer Zuwachs für das Reich Christi. Denn Niederdeutschland hat heute keinen mächtigeren Fürsten als ihn, und der über ein größeres Gebiet herrschte, auch Oberdeutschland nicht, ausgenommen allein Ferdinand [von Österreich], der ihn aber nur an Ausdehnung seines Landes [nicht an Macht] übertrifft. Über die Gesandtschaft an den König [von Frankreich], der Rettung unserer Brüder wegen und um ihm die Sache der Religion zu empfehlen, war noch nichts beschlossen, als Butzer das letzte Mal schrieb. Über Gesandtschaften wird nämlich erst zuletzt verhandelt, weil sie dann je nach der Lage ihrer eignen Angelegenheiten besser beraten können, wie und worum sie bitten dürfen. So müssen wir also bis dann uns gedulden. Mit Philippus habe ich über Vielerlei gesprochen. Der Einigung in der Abendmahlsfrage wegen hatte ich ihm schon früher geschrieben, damit wir allen guten Leuten über ihre Meinung sicheres Zeugnis ablegen könnten. Ich hatte ihm deshalb einige Artikel gesandt, in denen ich die Hauptsachen kurz andeutete. Denen stimmt er selbst ohne Widerspruch bei, aber er gesteht, sie hätten in ihrer Partei einige Leute, die etwas Handfesteres verlangten, und zwar das so lebhaft, ja gebieterisch, dass lange Zeit die Gefahr bestanden habe, sie hielten ihn für einen beinahe von seiner eignen Anschauung Abgefallenen. Obwohl er nun glaubt, eine wirkliche Übereinstimmung bestehe nicht, so wünscht er doch, dass diese Einigung, wie sie sei, begünstigt werde, bis der Herr beide Parteien zur Einheit in seiner Wahrheit führen wird. An ihm selbst darfst du nicht zweifeln, dass er innerlich durchaus unserer Meinung ist. Was wir über andere Dinge für Gespräche führten, wäre zu lang zu erzählen, aber das soll einmal Stoff zu einem angenehmen Gespräch unter uns geben. Als wir auf die Kirchenzucht zu reden kamen, seufzte er über die Sitten der Anderen; denn in dieser Sache darf man die elende Lage der Kirche mehr nur beklagen als bessern, damit du nicht meinst, Ihr hättet allein solche Not. Alle Tage gibt’s hier oder dort Beispiele, die uns alle mit Recht veranlassen, um Besserung zu beten. Vor noch nicht langer Zeit ist in Ulm ein rechtschaffener, gelehrter Mann mit Schimpf und Schande verjagt worden, weil er nicht mehr mit dem Laster Nachsicht üben wollte. Von allen seinen Kollegen, vor allem von Frecht, wurde er mit ehrender Empfehlung entlassen. Nicht erfreulicher ist, was von Augsburg gemeldet wird. Es wird bald nur noch ein Spiel sein, Pfarrer ihres Amtes zu entsetzen und ins Exil zu jagen. Und das Übel kann nicht gebessert werden, weil weder Volk noch Fürst das Joch Christi von der Tyrannei des Papstes unterscheiden. Philippus hält also dafür, es sei nichts besser, als in so stürmischer Zeit den widrigen Winden etwas nachzugeben, und er hegt die Hoffnung, dass, wenn man einmal von den äußeren Feinden mehr Ruhe habe, man dann auch Gelegenheit finden werde, sein Augenmerk auf die Abstellung der innern Übelstände zu richten. Capito dagegen beschwört jetzt Gott und Menschen, die Kirche sei verloren, wenn man nicht schleunigst in diesen betrübenden Zuständen Änderung schaffe; gegenwärtig betet er um seinen Tod, weil er keinen Fortschritt sieht. Ich aber finde: sind wir vom Herrn berufen, woran wir doch nicht zweifeln, so wird der Herr seinen Segen geben, auch wo Alles widerstrebt. So wollen wir alle Hilfsmittel versuchen; helfen sie nichts, so wollen wir weiterkämpfen bis zum letzten Atemzug.

Da ich sehe, wie betrübt du bist, möchte ich zuweilen bei dir sein, um dich etwas zu trösten. Dann wieder fällt mir ein, dass ich dir nichts bringen könnte als den Anlass zu noch größerer Feindschaft; dann bin ich gerne fern, damit du, der es schon schwer genug hat, nicht noch meinetwegen bedrückt werdest. Die böhmischen Brüder gaben mir eine Krone wieder, die ich zur Hälfte ihnen geliehen hatte; eine halbe hatte ich in Sauniers Auftrag dem Boten mitgegeben, der mit dem Bruder gekommen war. Ich gab ihnen den Auftrag, dir diese Krone zu bringen. Wenn du sie erhältst, behalte sie, damit sich soviel an meinen Schulden abgetragen habe. Was noch übrig bleibt, werde ich zahlen, sobald ich kann. Denn gegenwärtig ist meine Lage so, dass ich keinen Heller von mir zahlen kann. Es ist wunderlich, wie viel Geld mir entrollt für unvorgesehene Ausgaben, und außerdem muss ich von meinem Geld leben, wenn ich den Brüdern nicht zur Last fallen will. Meine Gesundheit, die du mir in deiner großen Liebe so anempfiehlst, kann ich so leicht nicht pflegen. Aber ich werde zu ausführlich, damit tue ich so eiligen Boten Unrecht. Lebwohl geliebter Bruder. Der Herr stärke dich durch die Kraft seines Geistes, die Last aller Widerwärtigkeiten zu tragen.

Geschrieben im März 1539.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

1539 fand in Frankfurt ein Konvent deutscher Reichsstände statt. Zwei Pfarrer, Le Comte von Grandson und Genan, waren nach Genf gereist, um zwischen den Genfern und den Vertriebenen zu vermitteln. Weggelassen längere undurchsichtige Abschnitte über Unbekannte und ein Bericht über die Verschwörung des Kardinals Pole in England.

Rückkehr nach Genf ist unmöglich. Vom Frankfurter Konvent.

Am Tag, nachdem ich deinen vorletzten Brief erhalten, begab ich mich auf den Weg nach Frankfurt. Der Aufbruch geschah so plötzlich, dass ich nicht mehr Zeit hatte, dir zu antworten. Das kommt ja bei so raschen Entschlüssen öfters vor. Die Reise zu unternehmen, war mir nie in den Sinn gekommen bis am Tag vor der Ausführung. Als ich aber einen Brief Butzers bekam, in dem er schrieb, er habe in der Sache der Brüder [in Frankreich] nichts tun können, bekam ich plötzlich Lust auch hinzureisen, teils damit die Angelegenheit nicht, wie es ja bei solcher Fülle von Traktanden leicht geschieht, nur nachlässig behandelt werde, teils um mit Philippus Melanchthon über Religion und Kirche sprechen zu können. Beides scheinen dir wohl genügende Gründe. Dazu kam noch, dass Capito uns alle aufforderte, und die Gelegenheit guter Begleitung. Denn Sturm und andere treffliche Männer gesellten sich als Begleiter zu mir. – – – Von der Reise Le Comptes und Genans konnte man nichts anderes erwarten, als dass sie erzürnt heimkehren mussten. Ich bezweifle, ob diesen Brüdern soviel Klugheit innewohnte, als sie zweifellos Mut besaßen. – – Wir wollen sie Alles probieren lassen, damit es nicht scheint, etwas, das zur Besserung der kirchlichen Verhältnisse diene, sei durch uns aufgehalten worden. Von dir können sie gewiss nicht mit Recht verlangen, dass du das kirchliche Amt von Leuten anerkennst, die, wie jedermann sieht, der Kirchenzucht zu überweisen wären. Aber es ist ganz wahr, was du sagst; alle, die sich selbst einer Schuld bewusst sind, wünschten nichts mehr, als dass alles Geschehene im Dunkel der Vergessenheit versunken läge, damit auch ihr eigener Schmutz nicht aufgedeckt werde. In solcher Verhüllung aber müssen wir beobachten, was wir sehen können, das Übrige aber dem Herrn überlassen. Es wäre ja auch mein Wunsch, dass die Erinnerung an all das Böse begraben würde, an das man ohne Schaden nicht mehr denken kann. Aber was nützte es, wenn Hass, Zwist in Lehre und Gesinnung, Missgunst und all die andern Übel der Kirche unsichtbar im Blute lägen und schließlich doch wie das böseste Geschwür ausbrächen? Da ists noch eher zu wünschen, dass sie mit einiger Schärfer ausgekämpft werden, wenn es nicht anders geht. Aber könnte man nicht einen Mittelweg innehalten: unserm Amt seine Ehre wiedergeben, der armen, verlorenen Kirche ein Heilmittel finden, aufzuheben, was anstößig ist unter Brüdern, und nur die Übel zu verbergen und [in Erinnerung] zu unterdrücken, bei denen es nicht nötig ist, von neuem sich aufzuregen? Denn es gibt Wunden, die durch jede Berührung wieder schlimmer werden, durch ruhiges Vergessen aber heilen. Ich bitte dich, was wollen die gute Leute, denen es in den Sinn kommt, ich, der ich mir dir vertrieben worden bin, solle ohne dich zurückkehren? Ich soll mit denen Hand anlegen zu gemeinsamer Arbeit, denen ich ganz fremd sein will, bis sie der Kirche Genugtuung geleistet haben? Denn sie wollen es so einrichten, dass von den vier Pfarrern zwei mit uns bleiben sollen, damit ich, nicht durch ein Urteil der Kirche, sondern sozusagen aus Gnade wieder eingesetzt, ganz machtlos in meiner Stellung sei. Was tun? Wo anfangen, um die verwirrten Verhältnisse wiederherzustellen? Sage ich nur ein Wort, das ihnen missfällt, so werden sie mir gleich Schweigen gebieten. Ich brauche dir solche und ähnliche Dinge nicht zu schreiben, die du selbst dir besser vorstellst, als ich sie beschreiben kann. Wiederum, wenn das einträte, so könnte ich den Zank der Brüder kaum aushalten; denn sie werden meinen, durch meine Rückkehr allein müsse dann Alles vollendet sein. Deshalb wollte ich, die Leute, die diesen Stein ins Rollen zu bringen suchen, täten lieber, was sie sonst wollten; denn mir machen sie nichts als viel Beschwer, und das ganz umsonst.

In Frankfurt trafen wir folgende Sachlage an. Es waren da aus dem Haus Sachsen der Kurfürst, sein Bruder und ein Neffe, ein Sohn Heinrichs mit Namen Moritz. Die drei hatten in ihrem Gefolge vierhundert Reiter; der Landgraf [von Hessen] brachte ebensoviel Pferde mit sich, der Lüneburger ein kleineres Gefolge. Ferner waren da von Brandenburg der jüngere Bruder des Kurfürsten, der jüngere Braunschweiger und drei andere, deren Namen ich nicht behalten habe. Sie alle Bundesmitglieder; die Andern, die im Bunde sind, hatten Gesandte geschickt, der König der Dänemark, der Herzog von Preußen und einige andere. Bei ihnen schien es nicht verwunderlich, dass sie zu Hause geblieben waren, denn in so zweifelhafter und gefährlicher Lage ist es nicht gut, ferne zu sein. Dagegen waren alle entrüstet, dass der Württemberger, der doch nur zwei Tagereisen entfernt wohnt, lieber der Jagdlust und ich weiß nicht welchen andern vergnüglichen Spielen frönen wollte, als einer Versammlung beizuwohnen, in der es sich um sein Land und vielleicht um seinen Kopf handelt. Die ihn entschuldigen wollten, sagten, er habe vertrauensvoll die Sorge den Übrigen überlassen, von denen er wisse, wie sehr ihnen die Sache am Herzen liege. Von den Städten waren die vornehmsten Männer gesandt worden. In den ersten Beratungen wurde einstimmig Krieg beschlossen, bis dann zwei Kurfürsten, der Pfälzer und Joachim von Brandenburg, vermittelten durch ein kaiserliches Schreiben und einen spanischen Bischof als Gesandten. Sie legten zuerst den Auftrag des Kaisers dar, der sie bevollmächtigte, Frieden und Waffenstillstand mit den Evangelischen zu schließen, wie ihnen Verhältnisse und Bedingungen am besten schienen. Dann suchten sie in langer Rede und mit guten Gründen die Stimmung für den Frieden zu gewinnen; besonders legten sie darauf Gewicht, dass der Türke nicht ruhig bleiben werde, wenn er Deutschland in Krieg im Innern verwickelt sehe. Der Zugang steht ihm schon offen, denn die Walachei hält er besetzt und von Polen hat er durch ein Bündnis freien Durchmarsch erwirkt. So droht er also jetzt schon Deutschland. Die Vermittler wollten, die Unsern sollten die Friedensbedingungen festsetzen; wenn kein Friede möglich sei, so solle man sich doch zu einem Waffenstillstand herbeilassen. Die Treue und Ehrlichkeit der Beiden ist den Unsern wohlbekannt; denn Joachim neigt selbst stark zur Sache des Evangeliums; der Pfalzgraf ist ihr nicht Feind. Da aber Aufträge, die von Spanien kommen, wenig Vertrauen erwecken, hätte man lieber gehabt, die Sache wäre von allen Kurfürsten, bei denen die höchste Gewalt im Reiche steht, geregelt worden. Das wurde aber dadurch unmöglich gemacht, dass der Mainzer aus vielen Ursachen vom Sachsen zurückgewiesen wurde, Joachim aber nicht einer Kurfürstenversammlung zuzustimmen wagte, von der sein Oheim ausgeschlossen war. So stellten die Unsern Artikel auf, in denen sie zeigten, wie sie nur wider ihren Willen auf Kriegsgedanken gekommen seien, legten aber auch das erlittene Unrecht dar, das sie zu solchem Plan getrieben hatte. Als Friedensbedingung verlangten sie, es sollte ihnen erlaubt sein, ihre Landeskirchen selbst zu verwalten, unter welcher Verwaltung sie auch die Verwendung des Kirchenguts verstanden wissen wollten. Ferner behielten sie sich vor, in ihr Bündnis aufzunehmen, wer sich ihnen anschließen wolle. Als die Artikel vorgelegt waren, verließen wir die Versammlung. Butzer meinte nachher, die beiden Kurfürsten würden eher etwas zugestehen als der kaiserliche Gesandte. Der Grund ist der: weil der Kaiser unserer Feinde Hilfe gegen die Türken ebenso braucht wie die unsrige, wünscht er jeder Partei einen Gefallen zu tun, aber ohne die andere zu beleidigen. Der Hauptinhalt seiner Forderung ist, es sollten ohne Änderung des gegenwärtigen Zustands gelehrte, bewährte und friedfertige Männer zusammenkommen, um über die strittigen Punkte der Religion zu verhandeln; dann sollte die Sache dem Reichstag vorgelegt werden, damit nach der Entscheidung aller Stände eine Reformation der deutschen Kirche zustande komme. Zu diesen Verhandlungen wurde ein Waffenstillstand auf ein Jahr geschlossen; die Unsern sind aber mit einer so kurzen Zeit nicht einverstanden und verlangen, dass ihnen Sichereres geboten wird. So ist alles noch in der Schwebe, und wir sind noch nicht außer Kriegsgefahr, wenn der Kaiser nicht weitere Zugeständnisse macht. Der Herzog von Jülich, der neulich seinen Vater verloren hat, schickte Gesandte mit dem Auftrag, er habe vom Herzogtum Geldern, dessen rechtmäßiger Herr er sei, durch Gottes Gnade Besitz genommen; nun entstehe ihm deshalb Feindschaft sowohl vom Kaiser, als auch vom Lothringer, ohne irgendwelchen ausreichend guten Grund. Denn der Lothringer könne keinen andern Rechtstitel geltend machen, als dass er der Erbe des letzten Herzogs sei. Der aber habe bloß durch Gewalt wider Recht und Gerechtigkeit das Herzogtum besessen, das durch kaiserlichen Entscheid dem Hause Jülich zugesprochen sei. Der Kaiser aber schütze einen Kaufbrief vor, der entweder als ganz erfunden oder doch als früh gefälscht deutlich zu erkennen sei, da der Preis 50 000 Kronen betrage, wie hoch schon die Stadt Geldern allein geschätzt werden könne; sicher sei diese Summe geringer als die Jahreseinkünfte aus diesem Lande. Er bat also die Unsern, sie möchten beim Kaiser vorstellig werden, dass er einen Reichsfürsten nicht ohne Grund herausfordere. Wolle der Kaiser sich auf ihre Bitten hin nicht zufrieden geben, so rufe er ihre Hilfe zum Schutz der gemeinsamen Sache der Freiheit an. Er hat noch keine Antwort erhalten. Sie werden es nötig finden, eine Entscheidung zu treffen, je nach der Wendung, die ihre eigene Sache nimmt. Vom Eintritt in den Bund ist aber nicht die Rede, trotzdem er unserer Religion nicht fremd ist. Vom Engländer liegt ein Bittschreiben vor, man möge eine neue Gesandtschaft zu ihm senden, der sich Philippus anschließen solle, damit er jemand habe, dessen Rat er brauchen könnte bei der Einrichtung der Kirche. Es ist zweifellos, dass die Fürsten die Gesandtschaft schicken werden. Melanchthon mitzuschicken, fand dagegen keine Zustimmung, weil seine Nachgiebigkeit ihnen verdächtig ist. Er selbst ist über die Meinung, die man von ihm hat, durchaus nicht im Unklaren und tut auch nicht dergleichen, es zu sein; jedoch hat er mir mit den heiligsten Eiden geschworen, die Befürchtung sei grundlos. Und sicherlich, wie ich seine Gesinnung zu durchschauen glaube, würde ichs wagen, auf ihn kein geringeres Vertrauen zu setzen als auf Butzer, wenn er mit solchen zu verhandeln hat, die wünschen, dass man ihnen etwas nachsieht. Denn Butzer brennt von solchem Eifer, das Evangelium auszubreiten, dass er zufrieden ist, wenn er die Hauptsachen erreicht hat, während er dann billigerweise milder ist, die Dinge zuzugestehen, die er für ganz geringfügig hält, die aber eben doch auch ihr Gewicht haben. Der König selbst ist kaum halb zur Einsicht gekommen. Priestern und Bischöfen verbietet er unter den strengsten gesetzlichen Bestimmungen (Amtsentsetzung ist nicht das Einzige) die Ehe. Die tägliche Messe hält er aufrecht. Sieben Sakramente will er gewahrt wissen. So hat er das Evangelium zerstümmelt und halb zerrissen, die Kirche aber noch voll von vielen Torheiten. Ja, er will die Schrift in der Landessprache in seinem Reiche nicht dulden, woran doch jeder sehen kann, dass das nicht aus einem gesunden Hirn stammt. Er hat sogar kürzlich ein neues Verbot erlassen, um das Volk vom Bibellesen abzuhalten. Ja, damit du siehst, dass er nicht zum Scherz solche Verrücktheiten begeht; – er ließ einen tüchtigen, gelehrten Mann verbrennen, weil er die Gegenwart des Fleisches Christi im Abendmahlbrot geleugnet hat; sein Tod wird von allen frommen und gelehrten Leuten sehr bedauert. Obwohl die Unsern durch Frevel dieser Art schwer beleidigt werden, geben sie es nicht auf, seinem Reiche Rechnung zu tragen. Während des Frankfurter Konvents ist unerwartet der Sohn Georgs [von Sachsen] gestorben, der wegen seiner Geisteskrankheit gefesselt bewacht wurde. Hätte er den Vater überlebt, so hätte die Vormundschaft Anlass zu neuen Unruhen geben können. Nun wird zweifellos jener Moritz, der Sohn Herzog Heinrichs, sein Nachfolger, den ich oben unter den Bundesgenossen erwähnt habe. So ist gute Hoffnung, dass das Gebiet, das jetzt Georg im Besitz hat, dann sofort auch zur Herde Christi kommt. Denn Georg ist über das Alter hinaus, das noch Nachkommenschaft erwarten ließe. Auch daran siehst du, wie noch alles in der Schwebe ist, was die Hauptsache angeht, und noch keine sichere Wendung der Dinge eingetreten ist. Umso mehr müssen wir Gott bitten, dass er so schwierigen Verhältnissen einen glücklichen Ausgang gebe. Was ich für Fortschritte in der Sache der Brüder [in Frankreich] gemacht habe und wie und wovon ich mit Philippus sprach, wirst du durch Michel erfahren, der schon in neun Tagen abzureisen beschlossen hat. Ich muss jetzt wegen der Eile des Boten einen halbfertigen Brief absenden. Die andere Hälfte bekommst du dann. Lebwohl, liebster Bruder. Grüße mir Thomas und alle andern Brüder. Capito und Sturm lassen dich tausendmal grüßen. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit dir.

Straßburg, 16. März 1539.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Claude de Glantinis und Alexandre le Bel waren zwei wegen schlechter Aufführung abgesetzte Pfarrer der französischen Schweiz. Die erwähnten Studenten sind Michel Mulot, Claude Feray, Gaspard Carmel; Henri und Laurent sind nicht näher bekannt. Weggelassen sind einige Sätze über eine undurchsichtige Angelegenheit.

Von der Kirchenzucht, Lobhudlern, den Verhandlungen mit den Anhängern in Genf. Über die Straßburger Studenten. Versuche im Dichten.

Ich werde nicht aufhören, dich zu mahnen, dass du tust, was ich dich schon von selbst tun sehe, teils um deinen Mut zu erhöhen, wenn ich dir mein Frisch auf! zurufe, teils um mich selbst mit dir durch meine Ermahnungen fest zu machen. Je gründlicher ich Alles betrachte und je weiter ich Umschau halte, desto sicherer wird’s mir, dass wir Viele ertragen müssen, die man, wenns ginge, lieber wegwünschen möchte. Denn unter diesem Übel wird nicht nur die ganze Kirche immer leiden müssen, sondern vor allem auch der Stand in der Kirche, der am reinsten sein sollte und ganz davon gesäubert, dass ihm lasterhafte Menschen zur Last lägen. Freilich, wenn man sie dulden muss, ja, sie mit Wohlwollen und Freundlichkeit sogar festhalten muss, so möchte ich deshalb doch nicht zu grenzenloser Nachsicht kommen, sondern Nachsicht nur üben, wo Fehler dadurch gebessert werden können. Bei Leuten wie de Glantinis und Alexandre le Bel und andern bösen Geschwüren der Art verlohnt sichs wohl, wenn wir eine reine Kirche wollen, sie nicht nur vom Amt auszuschließen, sondern auch, wenn sie weiter lästern, sie aus der Gemeinschaft der Gläubigen zu tilgen. Könnte ich Euch doch beweisen und überzeugend dartun, was ich für nützlich halte. Weilen sie noch in der Grafschaft Neuchatel, so sollen sie zur feierlichen Untersuchung durch die Kirche aufgeboten werden und streng ermahnt um ihrer Bosheit willen. Verstocken sie ihr Herz, so soll der Bann sie treffen. Du sagst, das steht nicht in Eurer Macht. Warum sollte nicht vom Rat zu erlangen sein, dass außerordentlichster Weise zwei oder drei Ratsherrn abgeordnet würden, die im Namen des Staates die Schuldigen vor die Synode der Brüder lüden und selbst als Schiedsrichter daran teilnähmen? Denn es liegt im Interesse der Obrigkeit selbst, dass nicht so frech verhöhnt wird, was sie entweder selbst aus eigener Machtvollkommenheit aufgestellt oder doch als Beschluss der Kirche angenommen und bestätigt hat. Die sich aber noch heilen lassen, die müssen wir als unsere Glieder hegen und pflegen. Ja selbst solche, die besser abgehauen würden, wollen wir, wenn irgend möglich, tragen, bis ihre Bosheit reif geworden und als offenes Geschwür ausgebrochen ist. – – –

Einstweilen sehe ich, wie wahr es ist, was Viret sagt, dass niemand uns gefährlicher ist als die Leute, die durch maßloses Loben unsern Neidern und Feinden die Galle überlaufen machen. Freilich, da ich bis jetzt nur geringen Anlass zum Loben geboten habe, glaube ich nicht, dass jemand zu freigebig [an Lob] gegen mich sei, außer etwa solche, die sich damit an dich machen wollen. Ich möchte doch, dass solch unbequeme Lobhudelei der Art, die nur uns und unsrer Sache schadet, verhindert werde. Wenn du dazu etwas tun kannst, so tue es, bitte. Ich habe wenigstens, als mir zu Basel Einer, um dich zu rühmen, sagte, er habe dir vor aller Welt keine geringere Ehrfurcht gezollt als [dem Apostel] Paulus, kein Hehl daraus gemacht, wie sehr mir diese Vergleichung missfällt. Was hat das für Sinn, dich ihm gleich zu stellen, da doch unter allen andern Apostel keiner zu finden ist, der ihm in Allem gleichkäme? Wir kommen dann doch in eine böse Lage, wenn wir Strafe zahlen sollen für die Dummheit und Übertreibung anderer Leute. Aber auch diese Krankheit lässt sich heilen, wenn einmal der Vorwand des Zwistes begraben wird. Drum werde ich bei Butzer, sobald er [vom Landgrafen] zurück ist, fest auf eine Zusammenkunft dringen. Wenns nur den Andern zu gut kommt, so wollen wir nicht zögern, unsrerseits Alles preiszugeben, wenn nur die Ehre Christi und die Treue unseres Dienstes unverletzt bleibt. Denn tausendmal lieber wollt ich sterben. Ich lasse mich auch nicht dorthin führen, als bis ich Butzer mit einem Eid auf diese Worte verpflichtet habe. Freilich hat er es mir schon freiwillig, ohne dass ich bat, versprochen und angenommen.

Dass mein Brief, den ich an die Brüder [in Genf] gemeinschaftlich schrieb, so ungünstig aufgenommen wurde, tut mir leid. Aber schon darum reut es mich nicht, ihn geschrieben zu haben, weil nun, wenns einmal so weit kommt, die Gegner uns nicht vorwerfen können, es sei auf unsern Rat hin etwas zugelassen worden, was den Brüdern Tadel eintrüge. Nur das ist mir ärgerlich, dass Saunier nicht treuer an mir gehandelt hat. Denn nur in dem Sinn und unter der Bedingung hatte ich den Brief geschrieben, dass er je nach deinem Urteil abgesandt oder unterdrückt würde. Da es nun durch seinen Leichtsinn anders gekommen ist, so vernimm, was dich hoffentlich zufrieden stellt. Die ganzen drei Tage wars schon viel, dass er mir und Capito nicht gerade Gewalt antat, wir sollten ihm erlauben, das Pfarramt [in Genf] anzunehmen. Es wurde ein Tag bestimmt, an dem wir ihm antworten wollten. Da ich aber gerade durch Unwohlsein oder ein dringendes Geschäft verhindert war, teilnehmen zu können, ließ ich mich entschuldigen. Das Pfarramt, worauf Saunier am meisten drängt, wurde ihm von Capito verweigert, wobei Firn an seinem Teil eifrig mithalf. Da die Sache nicht nach seinem Wunsch ging, wünschte Saunier eine neue Verhandlung. Am folgenden Tag kam Capito mit Firn zu mir. Saunier begann von Neuem vorzubringen, was schon Tags zuvor verhandelt worden war, und zwar forderte er es mit solchem Eifer, dass sich sein ganzer törichter Ehrgeiz verriet. Capito hieß mich ihm erwidern, und ich brauchte zu meiner Rede eine ganze Stunde. Saunier war wütend, weil er die Erlaubnis zu predigen nicht von uns erpressen konnte. Schließlich beruhigte er sich; nur sollten wir ihm in einen Brief bezeugen, was wir über die Abendmahlsgemeinschaft gesagt hatten. Zwei oder dreimal weigerte ich mich, zuletzt gab ich nach, aber nur unter der Bedingung, es solle dir vorbehalten sein, den Brief zu behalten oder zu veröffentlichen. Höre, was der Hauptinhalt war:
Ich ging aus vom Unterschied von Pfarrern und Laien. Dem Pfarrer sei die Austeilung des Abendmahls anvertraut, deshalb müsse man Treue und Klugheit von ihm verlangen dürfen. Dabei machte ich kein Hehl draus, dass das Abendmahl von ihren Pfarrern schändlich entweiht werde. Den Laiengliedern der Kirche stehe aber ein solches Urteil nicht zu, zeigte ich weiter, weil die Einzelnen sich nur selber prüfen sollten, und so zur Teilnahme am Tisch des Herrn treten. Dann teilte ich die ganze Sache in verschiedene Argumente; erinnere mich aber jetzt gerade nicht mehr ganz an diesen Teil des Briefes. Außer dass ich die Behauptung aufstellte, es bestehe tatsächlich bei ihnen die Kirche noch, wenn auch verstümmelt und zerstreut. Daraus ziehe ich den Schluss, die Teilnahme an den Sakramenten sei für die dortigen Frommen ganz gesetzmäßig. Dann löste ich die Einwände auf, die sie machen konnten, vor allem wegen der [richtigen] Berufung der Pfarrer, von denen sie das Abendmahl empfangen.

Was die Kirche angeht, so lass uns, bitte, lieber Bruder, den vielen Lobsprüchen der Schrift Raum geben, die uns die Einheit der Kirche ans Herz legen. Dann wollen wir auch die Zeugnisse beachten, die auch da noch eine Kirche feststellen, wo doch viele Eigenschaften der Kirche fehlen. Will mir einer ein Konzil aufdrängen als Kirche, in dem die Partei der Gottlosen die Übereinstimmung der Frommen unterdrückt, so dass er mich, wenn ich die Sprüche des Konzils nicht wie ein Gottesorakel verehre, zu den Heiden und Zöllnern rechnen zu müssen glaubt, das rührt mich wenig. Anders aber ist die Sache, sobald es sich um den Gebrauch der Sakramente handelt. Du weißt, wie gründlich David die Bosheit Sauls und des ganzen königlichen Hofes verabscheute. Aber die Gemeinschaft mit einer frevelhaften Rotte hinderts nicht, dass er besonders unter den Mesekiten [Psalm 120, 5] es beklagte, nicht zu den heiligen Versammlungen und zur Darbietung der feierlichen Opfer kommen zu dürfen. Aber ich will nicht die ganze Seite mit einer langen Reihe von Beispielen füllen; bedenke jedoch nur, wie beklagenswerte Laster zu gewissen Zeiten unter dem jüdischen Volke herrschten, und doch hatten sie nicht die Wirkung, dass die Opfer, die nach der Einsetzung und Ordnung des Herrn gefeiert wurden, nicht für die Gläubigen heilig und rein gewesen wären. Denn es blieb in ihnen die Leuchte des Herrn angezündet, die ihnen auch in der tiefsten Finsternis strahlte. Zebedee hat mir an dieser Stelle den Papst entgegen gehalten, aber umsonst. Denn am Papsttum fehlt die Grundlage, die ich als Stütze des Namens Kirche sehen will. Darin aber liegt das Missverständnis [des Zebedee], dass er, wenn ich vom Dienst des Wortes sprach, meinte, ich redete von irgendeiner Predigt, während ich darunter auch eine Lehre forderte, die sich wirklich als Grundlage einer Kirche eignet. Ich sehe also nicht ein, warum wir leugnen sollten, dass dort [in Genf] tatsächlich auch jetzt eine Art Kirche besteht, so dass die Sakramente des Herrn ganz richtig gefeiert werden können. Dabei gebe ich freilich zu, dass eine Kirche an einer sehr schweren Krankheit leidet, in der die Gottlosen und die Gläubigen so vermischt sind. Doch daraus folgt nicht, dass für die Frommen das Abendmahl des Herrn, das sie nach seiner Einsetzung pflegen, unrein sei. Allerdings sie haben keine rechtmäßigen Pfarrer, die es ihnen austeilen. Mehr noch, es ist Gefahr, dass sie die auch als ihre Pfarrer anerkennen, deren Abendmahlsspendung sie nicht verachten. Dagegen sage ich deutlich, dass damit kein Zeugnis abgelegt wird zur Billigung der Amtsverwaltung der Pfarrer, nur rate ich ihnen, sich nicht umsonst in einen Zank zu verwickeln, der ganz unnütz ist. Denn auch Christus und die Apostel anerkannten die Amtsverwaltung des Kaiphas nicht, trotzdem sie an den Zeremonien [dieses Amtes] mit ihm und dem ganz verderbten Volk teilnahmen; aber sie gestanden es der öffentlichen Ordnung zu und ließen den, der die Stellung eines kirchlichen Beamten einmal hatte, sein gewöhnliches Priesteramt verrichten. Du weißt ja auch, mit welchen Mitteln der in seine Ehrenstellung eingedrungen war. Was mehr? Wenn wir nicht auch solche Mäßigung üben, wird Einer vom Andern in unzähligen Schismen sich trennen, und nie werden schöne Gründe für die Trennung fehlen. Was Ihr über die rechte Verwendung des Kirchenguts von Eurer Obrigkeit erlangt habt, erfüllt mich mit unsagbarer Freude. Fahre so fort, lieber Bruder, und bleibe fest in diesen Grundsätzen. Wenn auch nicht überall Alles Fortschritte macht, so ists doch schon etwas, wenns einmal irgendwo vorwärts geht. Dass Caroli zum Konzil reisen soll, lächert mich; natürlich hat der Papst weder im Ernst noch im Traum daran gedacht, ihn dazu zu berufen. So müssen wir wohl auf einen andern Weg zur Ausbreitung des Reiches Christi warten und denken!

Die Psalmen hatten wir deshalb geschickt, damit sie bei Euch zuerst einmal gesungen würden, ehe sie an den Ort kommen sollten, den du dir denken kannst. Denn wir haben im Sinn, sie bald herauszugeben. Weil mir die deutschen Melodien besser gefielen, musste ich einmal versuchen, was ich im Dichten leisten könne. So sind die zwei Psalmen, der 46. und der 25., mein Probestück; andere habe ich dann nachher noch dazugefügt. Über Michel haben wir beschlossen, ihn noch vor Ostern auszusenden. Über die andern werden wir zur rechten Zeit Beschluss fassen. Ich wage es nicht, hierin etwas leichthin zu versuchen, damit wir nicht Ungebildete und Unvorbereitete [ins Amt] einführen. Claude, der in Basel studierte, scheint mir, wenn auch nicht ohne Wissen, doch noch nicht genügend ausgebildet. Auch Gaspard muss sich noch gründlicheres Wissen und größere Erfahrung erwerben. Unter den andern ist keiner, glaube ich, der vor einem Jahr tauglich sein wird. Schlimm ists, dass Henri von seinem Vater so im Stich gelassen wird. Wenn Ihr irgendwie einen Weg findet, so sorge bitte dafür, dass sein weiteres Studium ermöglicht wird. Er ist´s wert, dass man ihm Rechnung trägt; abgesehen von dem guten Anfang, den er in der Wissenschaft gemacht, verspreche ich mir viel von seinem bescheidenen Wesen. Weil ich annahm, du könnest es dir denken, was mein Rat sein werde über das Kirchengut, habe ich es unterlassen, davon zu schreiben. Aber soweit es sich in einigen Worten erledigen lässt, will ich es lieber unnötigerweise dazu setzen, als deinen Wunsch unerfüllt lassen. Mir scheint das die richtige Verwendung, dass es für vier verschiedene Aufgaben bestimmt werde; ein Teil soll zur Besoldung der Pfarrer, einer zur Ernährung oder Unterstützung der Armen, einer zum Unterhalt der Schulen verwendet werden. Das übrige soll für außerordentliche Ausgaben zurückgelegt werden. Denn es werden sich noch viele Geschäfte finden, zu deren Erledigung Geld nötig sein wird. Lebwohl, bester trefflichster Bruder. Alle die Unsern grüßen dich freundschaftlich, vor allem Michel und Gaspard. Laurent ist, ich weiß nicht wie, mir fremder geworden. Ferner Claude und Henri. Andere Franzosen kennst du nicht, doch lieben sie dich auch unbekannter Weise von Herzen. Capito bat mich ängstlich, ihn bei dir zu entschuldigen, und hätte nicht aufgehört, sich zu quälen, wenn ich ihm nicht versichert hätte, du seist gewiss mit meiner Entschuldigung zufrieden. Auch Sturm grüßt freundlich und Bedrot. Du siehst, wie mir Einer nach dem Andern einfällt.

Straßburg, 29. Dez. 1538.