Calvin, Jean – An Nicolas Parent in Straßburg.

Anweisung in Armensachen und einer seltsamen Heiratsgeschichte.

Ich bin damit einverstanden, dass du das Abendmahl auf nächsten Monat verschoben hast, da du es jetzt nicht abhalten konntest, ohne die Ordnung außer Acht zu lassen, die ich nicht ohne Grund sorgfältig bewahrt sehen möchte. Dass ich höre, unser Gemeindlein sei in gutem Stande, so dass es von meiner Abwesenheit keinen Schaden spürt, macht mir große Freude, oder erquickt und tröstet mich doch sicherlich in meinem Unglück. Wenn ich auch nur beiläufig und in wenig Worten dir bei meiner Abreise angeben konnte, was mir der Mühe wert erschien, so habe ich dir doch guten Rat gegeben, und ich freue mich, dass du ihm folgst, nicht weil es mein Rat ist, sondern weil ich glaube, dass es dir nicht ohne Nutzen und den andern heilsam ist. Was die Armen angeht, so bin ich nicht wenig in Verlegenheit beim Gedanken, wie wir ihnen helfen können. Denn du siehst, wie arm unsere Gemeinde selbst ist. Auch konnte ich es nie erreichen, dass aus Frankreich irgendeine Unterstützung geschickt wurde. Den zweiten Schlüssel hat Sturm bis sich zu Hause gelassen. Ihr werdet schon so viel in der Kasse finden, dass Ihr bis zu meiner Rückkehr der augenblicklichen Not abhelfen könnt; dann wollen wir mündlich beraten, wie mans besser machen kann. Landstreicher aber, von denen du merkst, dass sie ohne bestimmten Grund, sondern aus bloßem Leichtsinn herum reisen, brauchst du nicht lange aufzuhalten.

Es tut mir leid, dass Philipp solange krank liegen muss. Er ist ein frommer, junger Mann, bescheiden, tüchtig und klug, wie mir scheint. So habe ich, wenn ihn der Herr uns erhält, die beste Hoffnung auf seine Begabung gesetzt. Grüße ihn freundlich von mir. Den Andern, der in größerer Not ist, müssen wir mit Geld und Trost unterstützen. Was du von der alten Frau erzählst, konnte ich kaum glauben, so ungeheuerlich klingt es. Doch hattest du nicht Unrecht, mich darauf aufmerksam zu machen, da die Sache schon durch vieler Leute Geschwätz ruchbar geworden ist. Denn wir dürfen nicht übersehen, was so vom Gerücht umher geboten wird, auch wenn das Gerücht dunkel und unzuverlässig ist. Denn wenn es unsere Pflicht ist, unvorsichtige Taten zu verhindern, so können wir doch das Wahre vom Falschen nicht unterscheiden, wenn wir nachlässig übergehen, was in Aller Munde ist. Jetzt, da Charles nicht nur das Gerede von dem Anzeichen solchen Leichtsinns (danach man ein Vergehen nur vermuten, aber noch nicht verurteilen darf), sondern auch von einer eigentlichen Heirat bestätigt, bin ich starr vor Erstaunen. Eine Scheußlichkeit ists, die alle Frommen mit Recht verwünschen. Scheint etwas fabelhafter, als was man bei Dichtern liest, dass sechzigjährige Weiber noch geil werden? Und dieses Weiblein ist schon siebzig! Hat einen Sohn in dem Alter, in dem sonst auch verheirateten Frauen die sinnliche Lust aufhört! Wenn sie sich wenigstens mit einem Manne weit vorgerückten Alters verbunden hätte, so hätte sie sagen können, sie habe etwas Anderes begehrt als die Lust des Ehebettes! Nun hat sie sich aber nicht jede Verteidigung, sondern auch jeden Schein, der sie entschuldigen könnte, geraubt! Und sie glaubten, noch hübsch für ihre Sache gesorgt zu haben, wenn sie ihre Zuflucht zu einer heimlichen Trauung nahmen! Aber sie werden bald beide erfahren, wie gefährlich es ist, mit Gott Scherz treiben zu wollen. Wenn du nun fragst, was deine Pflicht dabei sei, so kann ich dir kaum raten. Denn wenn ich auch glaube, dass wir sie streng tadeln müssen und uns dem nicht entziehen können, ohne unsere Pflicht zu versäumen, so ist die Sache doch nicht ungefährlich und erfordert große Vorsicht, damit sie nicht von uns [gegeneinander] erbittert werden, und dann, so frech wie sie zusammenkamen, wieder auseinander fahren mit noch größerer Sünde und zu noch schwererem Ärgernis. Also, wenn nicht eine ganz besondere dir einen Weg auftut, rate ich dir nicht, mit ihr davon zu reden. Gibt es sich aber einmal gelegentlich, so zeige ihr nur, dass sie dabei doch zu wenig an ihren eigenen Ruf und die Erbauung der Kirche gedacht habe, dass dir sehr missfalle, was sie getan, und dass jeder ernste und anständige Mensch es höchlich missbillige. Du zweifeltest gar nicht, dass es auch mir eine furchtbar bittere und traurige Nachricht sein werde. Damit sie aber nicht noch dazu entweder [unter solchem Tadel] ganz zusammenbricht oder erst recht verrückt wird, so mildere die böse Sache durch sanfte Rede, so gut du kannst, und mahne sie, sie solle, was sie schlecht begonnen, durch einen bessern Ausgang wieder gut zu machen suchen. Schließlich halte solches Maß, dass die ganze Sache mir vorbehalten bleibt, wenn ich komme. In der Frage meiner Berufung nach Genf bin ich so unklar oder vielmehr so verworren in meinem Sinn, dass ich kaum wage, daran zu denken, was ich tun soll. Wenn ich einmal in diese Gedanken hinein gerate, so finde ich keinen Weg mehr. Daher, je mehr mich die Angst packt, umso verdächtiger bin ich mir mit Recht, und überlasse mich daher der Leitung der Andern. Unterdessen wollen wir den Herrn bitten, dass er uns den Weg zeige. Leb wohl, lieber Bruder, grüße mir alle die Unsern freundlichst.

Worms, 14. Dezember.
Dein Calvin.

Als ich eben den Brief absenden wollte, kam dein zweiter, in dem du deine Traurede beschreibst. Kühn wars gewiss von dir, dass du Matthieu so anzugreifen wagtest, der sich sonst kaum ermahnen, geschweige tadeln lässt. Ich freue mich aber, dass es so gut gegangen ist. Wir wollen uns also mit solcher freundschaftlichen Ermahnung begnügen und das Recht unsrer Kirche nicht weiter verfolgen. Doch soll uns dies Beispiel für die Zukunft mahnen, nichts von der Ordnung [der Kirche] zu unterlassen. Bei den beiden Eheleuten halte, bitte, solches Maß, dass aus den Dummen nicht Verrückte werden. Ich kenne den Stolz, die böse Zunge und die Frechheit des Weibleins. Dem Mönche werden wohl die Winternächte zu Hause lang vorkommen. Es ist zu befürchten, dass er, um die Langeweile zu vertreiben, anders wohin geht. Denn du weißt, dieser Menschensorte ist das Herumstreichen ein Vorrecht. Sturm habe ich erinnert, obwohl er von sich aus tun wollte, was du batest. So wird sie durch Krafft einen Brief bekommen. Leb wohl, liebster Bruder. Das in Eile, da der Bote gerade aufsitzen wollte. Grüße mir Sebastian, Enard und alle Andern freundschaftlichst.

Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Nicolas Parent in Straßburg.

Weggelassen ein paar Sätze über die Rückkehr nach Genf. Nicolas Parent, Calvins Pfarrhelfer an der französischen Gemeinde in Straßburg. Claude Feray ist der zweite Pfarrhelfer; beide waren oft in früheren Briefen erwähnt.

Anweisung an den Vikar wegen des Abendmahls.

Ich beglückwünsche mich und unsere Gemeinde noch mehr als dich, lieber Nicolas, dass sie alle so fleißig zur Predigt kommen und sie ehrfürchtig hören. Denn es war mein höchster Wunsch bei meiner Abreise, dass unsern Brüdern, die Christus durch meinen Amtsdienst leitete, auch in meiner Abwesenheit nichts abgehe, und dass nichts von der Ordnung verloren gehe, durch die allein die Herde Christi unversehrt erhalten wird. Das liegt aber mehr an ihnen, als an mir. Denn wie eine wohlgeordnete Gemeinde der Ruhmeskranz des Pfarrers ist, so kann er sich auch nicht freuen oder sich rühmen, als über ihr Wohlergehen. Gepriesen sei also der Herr, der die Herzen unserer Gemeindeglieder in solcher Ehrfurcht vor seinem Wort erhält und auch dich mit solchen Gaben ausrüstet, dass du sie befriedigen kannst. Möchte er doch auch einmal so für die Genfer sorgen, dass sie mich nicht weiter begehren! – An die Abendmahlsfreier erinnerst du mich mir Recht. Es war mir nur nicht in den Sinn gekommen, als ich abreiste. Aber du hast es etwas zu spät getan. Denn der Tag, da man es anzeigen sollte, ist wohl schon vorbei, oder ist sicher vorbei, wenn mein Brief zu dir kommt. Ich fürchte, wenn wir die übliche Prüfung weglassen, so wird uns eine solche Abweichung einige Verwirrung erregen. Ich glaube aber, da mans nun einmal nicht zur rechten Zeit bedacht hat, ists besser, du unterlässt es, außer wenn Claude zufällig zurückkommt, dass du es mit ihm beraten kannst. Denn wenn er mit dir es für gut findet, so möchte ich nicht, dass es unterlassen würde. So sehr fürchte ich, es könnte uns später zum Schaden sein, wenn etwas geändert wird. Sonst, wenn es unter Aufrechterhaltung der Ordnung geschehen könnte, würde ich nicht zögern, es aufzuschieben. Lebwohl, lieber Nicolas, grüße in meinem Namen Sebastian [Castellio], Enard und deine anderen Genossen aufs Freundlichste. Der Herr behüte Euch alle und lenke Euch mit seinem heiligen Geist zu jedem guten Werk.

Worms, 26. November.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Verhandlungen wegen der Rückkehr.

Wenn du an meinem Platze währest, bester Farel, so würde dir wohl schon ein Teil der zweifelnden Ungewissheit, die mich heftig plagt, rechte Sorge machen. Denn nicht ich allein bin in Unruhe; auch die mit mir leiden, haben dazu wahrlich Grund genug; denn es sind keine Leute, die sich um nichts aufzuregen pflegen. Ihr allein verkündet ohne Besinnen, was ich tun soll. Da ich selbst aber noch ziemlich schwanke und alle andern unsicher sehe, so kann ich noch nichts Bestimmtes beschließen; es sei denn, dass ich bereit bin, in allem dem Ruf des Herrn zu folgen, sobald er mir deutlich geworden ist. Als die [Genfer] Gesandten ihr Schreiben dem [Straßburger] Rat übergeben hatten, gab man ihnen die Antwort, ich sei abwesend, und ohne meine Zustimmung könne man nichts versprechen. Sie antworteten, sie wollten gerne nach Worms gehen, um meine Meinung zu erfahren. Es wurde ein Eilbote zu Pferd voraus gesandt, sie uns anzumelden. Er kam zwei Tage vor ihnen. Der Rat aber gab seinen Gesandten hier die Weisung, sie sollten dafür sorgen, dass ich nichts verspreche. Ich hätte nie geglaubt, dass ich bei unserm Rat soviel gelte. Der Brief wurde nicht ohne Verwunderung aller Anwesenden vorgelesen, weil Leute, denen ich kaum bekannt zu sein schien, so besorgt waren, mich [in Straßburg] fest zu halten. Aber vielleicht haben sie es eben getan, weil sie mich nicht genügend kannten. Denn was habe ich an mir, das mich ihnen so empfehlenswert macht? Wie es auch sei, die Gesandten ermahnten mich, bevor sie mir den Brief vorlasen, bei mir zu erwägen, was wohl nach meiner Meinung am meisten zu Christi Ruhm diene, zeigten aber freilich dabei schon genügend, was sie im Sinn hatten. Es wurde eine Besprechung festgesetzt. Ich zog gleich die Brüder zu Rate. Es wurde etwas verhandelt. Doch hielten wirs für besser, uns alles vorzubehalten, bis die Genfer kämen; damit wir, im klaren über den Zustand ihrer Stadt, sicherer urteilen könnten in der ganzen Angelegenheit. Als das verhandelt war, legte ich deinen und Virets Brief vor und bat wieder um ihren Rat. Wie ich sprach, brauche ich nicht zu sagen. Ich beschwor sie auf alle Weise, nicht auf mich Rücksicht zu nehmen. Wie ernst es mir mit dieser Rede war, konnten sie daran sehen, dass ich mehr Tränen als Worte vorbrachte. Zweimal unterbrach das Weinen meine Rede so, dass ich hinausgehen musste. Ich will nicht fortfahren. Nur das versichere ich dir, ich bin mir wohl bewusst, durchaus aufrichtig zu sein. Schließlich kams dahin, dass ich mich momentan nicht verpflichtete, sondern den Genfern nur gute Hoffnung machte. Ich erreichte aber, dass die Unsern erklärten, sie würden meinem Weggang nach Genf nach Beendigung des Wormser Gesprächs kein Hindernis in den Weg legen, wenn die Berner antworteten, sie seien nicht wider diesen Plan. Der Rat freilich entlässt mich, wie ich sehe, nur sehr ungern. Die Gesandten, die hier sind, werden kaum ihre Zustimmung geben. Auch Capito ist ihrer Meinung. Butzer aber wird’s durchsetzen, dass ich nicht festgehalten werde; wenn nur kein widriger Wind von Euch her bläst. Bestärke du sie in dem, was man jetzt wohl hoffen darf, und setze mir unterdessen sorgfältig auseinander, was du für uns nützlich hältst. Wenn wir zurückkehren, dann wird es Zeit sein, auf meine Entlassung zu dringen, wenn es überhaupt gut ist, dass ich nach Genf gehe. Du wirst mit deinen Briefen mehr erreichen als irgendjemand sonst. Aber davon, wenn die rechte Zeit kommt. Was von diesem Religionsgespräch zu hoffen ist, habe ich kurz zusammengefasst auf einem Blatt, das dir die Brüder zeigen werden. Ich habe es dir ja auch vor kurzem schon dargelegt. Mehr, wenn ich mehr Muße haben werde. Grüße Viret aufs freundlichste, entschuldige mich angelegentlich, dass ich ihm nicht antworte und bitte ihn, sich mit diesem Brief auch zufrieden zu geben. Lebwohl, bester, liebster Bruder. Der Herr behüte Euch alle.

Worms, 13. November 1540.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Weggelassen sind einige einleitende Bemerkungen.

In der Frage der Rückberufung will Calvin nicht selbst entscheiden.

– Über meine Gesinnung vernimm das: Hätte ich die Wahl, ich täte lieber alles andere, als dir gehorchen. Aber da ich weiß, dass ich nicht mein eigener Herr bin, so bringe ich mein Herz gleichsam ertötet dem Herrn zum Opfer dar. Deshalb brauchst du nicht zu fürchten, es handle sich nur um schöne Worte. Die Straßburger versprechen ganz wahrhaftig sein zu wollen; und ich dringe nur darauf, dass sie ohne Rücksicht auf mich prüfen, was Gottes Ehre und seiner Kirche Nutzen bringt. Wenn ich auch nicht sehr erfinderisch bin, so würden mir doch Ausflüchte nicht fehlen, mit denen ich so heimlich ausweichen könnte, dass es bei den Menschen leicht den Anschein erweckte, die Sache sei nicht durch mich ins Stocken geraten. Aber ich weiß, dass ich es mit Gott zu tun habe, der solche Schlauheit entdecken würde. Deshalb habe ich meinen Sinn gebunden und gefangen gegeben in den Gehorsam Gottes, und wenn mein eigener Rat mich im Stich lässt, so überlasse ich mich der Leitung der Leute, durch die, wie ich hoffe, der Herr selbst zu mir reden wird. – –

[24. Oktober 1540.]

Calvin, Jean – An den Genfer Rat.

Der Brief ist die Antwort auf eine Anfrage, deren Überbringer der Buchhändler Michel Dubois war.

Offizielle Antwort auf eine Rückberufung.

Großmächtige, edle und ehrenfeste Herren! Obwohl Sie außer dem Brief, den Sie mir zu senden geruht haben, dem Überbringer Auftrag gaben, mir mündlich Ihren guten Willen noch näher darzulegen, und er mich nicht da getroffen hat, wo er mich zur Ausrichtung seines Auftrags zu finden hoffte, so habe ich doch schon aus dem Brief allein Ihre Absicht im ganzen genügend erfahren. Als Antwort kann ich Ihnen vor Gott bezeugen, dass mir das Wohl Ihrer Kirche ein solches Anliegen ist, dass ich mich ihrer Not nie entziehen möchte, in allem, was ich für sie tun kann. Auch zweifle ich jetzt durchaus nicht daran, dass sie sehr bedrängt ist, und in Gefahr, noch mehr zerstreut zu werden, wenn man ihr nicht zu Hilfe kommt. Ich bin deshalb in großem Zwiespalt, da ich einerseits Ihrer Aufforderung zu folgen wünsche und mich anstrengen möchte, nach der Gnade, die Gott mir gegeben hat, Ihre Kirche wieder in bessern Stand zu setzen, andererseits aber die Aufgabe nicht leichthin verlassen darf, zu der der Herr mich hierher berufen hat, ohne dass er mich davon befreit durch ein gutes, gesetzmäßiges Mittel. Denn ich habe immer geglaubt und gelehrt und kann auch jetzt zu keiner andern Überzeugung kommen, als dass, wenn unser Herr einen zum Pfarrer einsetzt in einer Kirche, sein Wort zu lehren, dieser sich dann für gebunden halten soll zur Leitung dieser Gemeinde, und sich nicht leichthin zurückziehe ohne Gewissheit seines Herzens und Zeugnis der Gläubigen, dass ihn der Herr davon entbunden hat. Außerdem ist von den Herren des Rates hiesiger Stadt angeordnet worden, ich solle mit einigen meiner Brüder an die Versammlung in Worms reisen, um nicht nur einer Kirche zu dienen, sondern allen, unter denen die Ihrige auch inbegriffen ist. Ich achte mich nicht für so ausgezeichnet durch viel Wissen, Klugheit oder Gewandtheit, dass ich dort viel nützen könnte. Da es sich aber um eine Angelegenheit von so folgenschwerer Bedeutung handelt, und es nicht allein vom Rat dieser Stadt, sondern auch von andern bestimmt worden ist, ich solle kommen, um mich darzubieten zu allem, wozu es Gott gefallen sollte, mich zu brauchen, so bin ich genötigt, zu folgen, und ich könnte diesen Ruf nicht mit gutem Gewissen außer Acht lassen. Da ich mich in solcher Verwirrung und Ungewissheit sah, legte ich Ihren Brief den Hauptpfarrern dieser Stadt vor, die immer für Ihr Wohl und Ihre Erbauung besonderes Interesse hatten und von ganzem Herzen wünschten, Ihnen nach all ihrer Kraft hier wie überall zu helfen. Wir kamen miteinander überein, es würde, wenn es Ihnen gefallen sollte, während meiner Reise unsern Bruder Mag. Pierre Viret zu berufen, Ihre Kirche nicht mehr verlassen sein; denn er wäre kein Fremder für Sie und hätte gewiss dasselbe Interesse für Ihre Kirche wie Farel, der sie von Anfang erbaut hat. Während dieser Zeit wird uns dann der Herr so oder so etwas auftun, wie wir hoffen, je nachdem es die Not erfordert, oder Sie es für gut erkennen. Ich verspreche Ihnen, dass ich nichts abschlagen will, was ich tun darf, sondern mein Bestes tun will, Ihnen zu dienen; soweit es mir Gott und die Leute erlauben, auf die zu hören er mir gebietet.

Bis dahin, großmächtige, edle und ehrenfeste Herren, empfehle ich mich gehorsam Ihrer Gnade und bitte Gott den Herrn, Sie zu bewahren in seinem heiligen Schutz, und von Tag zu Tag seine Güter und Gaben in Ihnen zu mehren und Sie als Diener der Ehre seines Namens stets glücklich zu machen.

Straßburg, 23. Oktober 1540.
Ihr gehorsamer Diener
Jean Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Am 21. September 1540 beschloss der Genfer Rat die Rückberufung Calvins, und beauftragte damit den Syndic Ami Perrin. Du Tailly, Zebedee, ja selbst Marcourt u. a. forderten Calvin brieflich auf, dem Ruf Folge zu leisten. Farel war dazu selbst nach Straßburg gekommen und zwei Tage geblieben.

Erster Eindruck der Rückberufung nach Genf.

Ich zweifle nicht daran, dass du mich bei den Brüdern, die mich brieflich ermahnt haben, angelegentlich entschuldigen wirst, dass ich ihnen nicht antworte. Denn du weißt, dass ich in jenen zwei Tagen so verwirrt und erhitzt war, dass ich nur halb bei mir selbst war. Später versuchte ich, um dir einen Gefallen zu tun, an sie gemeinsam zu schreiben. Als ich mir aber nachher überlegte, wie es gewöhnlich mit solchen gemeinschaftlichen Briefen geht, so gab ich den Plan auf. Denn was an wenige gerichtet ist, fliegt dann gleich durch viele Hände, bis es zuletzt weit und breit bekannt ist. Das war also mein Grund, dir allein zu schreiben, dass du nicht andere Leser zulassest als solche, von denen du weißt, dass keine Gefahr besteht. Warum ich aber nicht will, dass weiter herum kommt, was ich in dein Herz ausschütte, wirst du verstehen, wenn du zu Ende gelesen hast. Obgleich ich das Zutrauen habe, dass du meine Gesinnung ganz kennst und auch andern in guten Treuen auseinandergesetzt hast, will ich doch kurz wiederholen, wie mir heute zu Mute ist. So oft ich mirs im Gedächtnis wachrufe, wie schlecht ichs dort [in Genf] hatte, so kann ich nicht anders, als im tiefsten Herzen schaudern, wenn es sich darum handelt, mich zurückzurufen. Die Unruhe will ich gar nicht rechnen, in der wir drunter und drüber geworfen wurden, seit ich als dein Kollege mit dir verbunden war. Denn ich weiß, wohin ich auch gehe, sind mir unendliche Verdrießlichkeiten bestimmt. Will ich Christo leben, so wird mir diese Welt immer unruhvoll sein. Dieses gegenwärtige Leben ist zum Kämpfen bestimmt. Aber wenn ich bedenke, mit welchen Qualen mein Gewissen damals gemartert war, welche Sorgen mir heiß machten, so musst du mirs verzeihen, wenn ich jenen Ort scheue für mich unheilvoll. Du bist nächst Gott mein bester Zeuge, dass kein anderes Band mich dort so lange festhielt, als dass ich das Joch meiner Berufung, das ich mir vom Herrn aufgelegt fühlte, nicht abzuschütteln wagte. Solange ich also dort festgebunden war, wollte ich lieber das Schlimmste ertragen, als die Gedanken an eine Ortsveränderung, die mir öfters etwa aufstiegen, an mich herankommen zu lassen. Jetzt aber, da ich durch eine Wohltat Gottes einmal befreit bin, wer wird mir´s nicht verzeihen, wenn ich nicht gern in den Wirbel untertauche, den ich als so verderblich für mich erfahren habe? Ja noch mehr, wer müsste mich nicht allzu großen Leichtsinns beschuldigen, wenn ich mich mit Wissen und Willen kopfüber hineinstürzte? Kommt nicht dazu, dass, auch wenn mich keine Gefahr davor zurückschrecken ließe, ich kaum glaube, dass mein Dienst den Genfern nützlich sein werde? Denn wie die meisten von ihnen geartet sind, werden weder sie mir, noch ich ihnen erträglich sein. Es ist noch etwas anderes, was mich in große Verwirrung bringt. Ich glaube nicht weit kommen zu können, wenn die mir die [Berner] nicht hilfreiche Hand bieten, von denen wir bist jetzt erst ihre Kraft zum Schaden durch Erfahrung kennen gelernt haben. Aber wir sehen, wie fern sie noch allem Streben nach Eintracht, geschweige denn aller Hilfsbereitschaft sind, wenn nicht der Herr sie wider alles menschliche Hoffen mir versöhnt. Was soll ich künftig tun, wenn sie wieder in ihren Pfarrern die Gemeinschaft mit mir verbieten, wie sie es früher getan haben? Rechne noch dazu, dass ich mit den Kollegen einen noch größern und härtern Strauß haben werde, als mit den Auswärtigen. Was vermag eines Menschen Kraft, die von allen Seiten durch so viele Hindernisse gehemmt wird? Und, ums zu gestehen, auch wenn mir alles ganz leicht wäre -, ich weiß nicht durch welche Entwöhnung habe ich die Kunst verlernt, die Volksmasse zu lenken. Jetzt habe ichs nur mit wenigen zu tun, von denen mich der größere Teil weniger als Pfarrer hört, denn auf mich achtet als einen Lehrer. Du sagst, ich sei zu empfindlich, da ich, jetzt mit Schmeichelreden ganz überschüttet, kein scharfes Wort mehr hören könne. Doch irrst du, wenn du das meinst. Aber da ichs nun schon schwer finde, Wenigen und ziemlich Gehorsamen wohl vorzustehen, wie soll ich eine solche Menge im Zaum halten können. Ich wage es kaum bei mir zu überlegen, mit welcher Absicht sie mich zurückrufen. Denn wenn ein aufrichtiger Sinn sie dabei leitet, warum rufen sie denn eher mich als dich zurück, dessen Dienst bei der Wiederherstellung ihrer Kirche nicht weniger nötig wäre, als er es anfänglich bei ihrer Gründung war? Wenn sie mich nun nur den Nachbarn [in Bern] zum Tort beriefen, weil sie von denen verlassen worden sind, auf deren Hilfe sie trauten, als sie uns zu entlassen wagten? Und doch vermag das alles nicht zu bewirken, dass ich dem Ruf nicht gehorche. Denn je mehr mein Geist vor dieser Aufgabe zurückschreckt, umso mehr bin ich mir selbst verdächtig. Deshalb erlaube ich mir auch nicht, über diese Sache selbst Beschluss zu fassen, und bitte die Unsern, mich nicht zur Beratung bei zu ziehen: ja, damit sie umso freier und ernsthafter beschließen, verberge ich zum großen Teil die heiße Not meines Herzens. Was sollte ich tun? lieber will ich weiterhin selbst blind sein und mich von Andern führen lassen, als meiner schwachen Sehkraft kühnlich trauen und irre gehen. Wenn ich dich frage, dessen Urteil ich mich am ehesten überlassen müsste, wirst du gewiss antworten, tauglichere Ratgeber könne ich nicht finden, als Capito und Butzer. Was diese aber meinen, hast du aus ihrem eigenen Mund gehört. Möchtest du es doch den Brüdern genau auseinandersetzen, und sie es ohne Vorurteil ernstlich erwägen! Das soll die Hauptsache sein: ich bezeuge vor dem Herrn, dass ich nicht listig handle in dieser Sache und keinen Spalt suche, dadurch zu entwischen. In Rücksicht auf die Genfer Kirche möchte ich hundertmal lieber mein Leben aufs Spiel setzen, als sie im Stiche lassen und verraten. Aber weil mein Geist sich nicht freiwillig zur Rückkehr neigt, bin ich bereit, denen zu folgen, von denen ich hoffen darf, dass sie mir gute, zuverlässige Führer sein werden. Übrigens sollen sie keinesfalls vor Schluss des Wormser Konvents sich um meine Rückkehr bemühen, wenn sie den Gesandten noch nicht haben abreisen lassen. Sonntags wird hier in allen Kirchen ein öffentlicher Bettag gehalten; montags brechen wir auf [nach Worms]. Helft auch Ihr uns mit frommem Gebet, dass wir standhalten in diesem Kampf. Was unsere Gegner planen, ist offenbar. Nämlich, dass sich alle Reichsstände zu unserm Untergang rüsten sollen. Mit welchen Künsten sie aber beschlossen haben, uns anzugreifen, ist ungewiss. Aber was sie von Schlauheit haben, werden sie bei dieser letzten Verhandlung an den Tag legen. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Grüße alle freundschaftlichst von uns Cordier, Thomas, Faton, Clerc und die Übrigen. Alle die Unsern wünschen dir und ihnen alles Gute.

Straßburg, 21. Okt. 1540.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Im August 1540 heiratete Calvin Idelette von Büren, die Witwe eines von ihm zur Kirche zurückgeführten und bald darauf an der Pest gestorbenen Wiedertäufers Jean Stordeur. Eine Madame du Vergier und ihr Sohn lebten als Pensionäre in Calvins Haus; Demoiselle war Bezeichnung auch für verheiratete Frauen adligen Standes. In Genf begann man ernstlich an die Rückberufung Calvins zu denken; Marcourt und Morand reichten ihre Entlassung ein. Farel hatte Calvin nach Neuchatel eingeladen. Margaretha von Navarra war schon in Frankreich Calvins Gönnerin gewesen.

Von allerlei Krankheit zu Beginn des Ehestandes und deutscher Politik.

Ich antworte dir so spät, weil ich, als dein Brief kam, vor Schwäche meines Leibes keinen Finger rühren konnte, und seither immer noch in meinem Sinn unentschlossen war und dir deshalb keine bestimmte Antwort geben konnte. Ja, der Herr hat, damit unsere Ehe nicht gar zu fröhlich beginne, gleich von Anfang an unsere Freude gedämpft, dass sie das rechte Maß nicht überschreite. Am 3. September hatte ich ein dumpfes Kopfweh, ein Übel, das ich so gewöhnt bin, dass es mir nicht mehr viel macht. Am Sonntag, der darauf folgte, spürte ich, als ich in der Vormittagspredigt etwas warm wurde, dass die Säfte, die meinen Kopf eingenommen hatten, flüssig wurden. Bevor ich aus der Kirche kam, packte mich ein Schnupfen, der mit beständigem Fluss mich bis zum Dienstag ziemlich quälte. Als ich an diesem Tag wie gewöhnlich predigte, wobei mir das Sprechen recht schwer fiel, weil meine Nase durch den Fluss verstopft war und im Hals die Heiserkeit mit fast erwürgte, fühlte ich plötzlich ein Schütteln durch den Leib gehen. Der Schnupfen stockte, aber zur Unzeit, da mein Kopf noch voll böser Säfte war. Am Montag war nämlich etwas passiert, was mir die Galle erregt hatte. Denn als unsere Demoiselle, die ja oft ihre Zunge, mehr als recht ist, den Lauf lässt, meinem Bruder ein Schimpfwort zurief, wollte er sich dergleichen nicht mehr gefallen lassen. Doch schlug er keinen Lärm, sondern ging in aller Stille aus dem Haus und schwur, er komme nicht mehr zurück, solange sie bei mir bleibe. Sie selbst ging nun, als sie sah, dass mich das Weggehen meines Bruders so betrübt hatte. Ihr Sohn blieb aber einstweilen bei mir wohnen. Nun habe ich die Gewohnheit, wenn mir ein Ärger oder eine große Angst heiß gemacht hat, mich beim Essen zu vergessen und gieriger hinunter zu schlingen als schicklich ist. Das passierte mir auch da. Da ich mir nun am Nachtessen den Magen überladen hatte mit zu viel und unpassender Speise, quälte mich am folgenden Morgen der verdorbene Magen entsetzlich. Dagegen wäre nun Fasten gut gewesen, uns so habe ich es gewöhnlich gehalten. Damit nun aber der Sohn der Demoiselle mein Wegbleiben vom Tisch nicht als einen Kunstgriff auslege, auch ihn fortzutreiben, zog ich es vor, ohne Rücksicht auf meine Gesundheit eine solche Kränkung zu meiden. Am Dienstag also, als der Schnupfen, wie gesagt, aufgehört hatte, befiel mich etwa um neun Uhr nach dem Nachtessen eine Ohnmacht. Ich ließ mich zu Bett bringen. Es folgte ein heftiger Fieberanfall, große Hitze und seltsamer Schwindel im Kopf. Mittwochs, als ich aufstehen wollte, war ich so geschwächt an allen Gliedern, dass ich zugeben musste, ich sei krank. Ich aß einfach zu Mittag; nach dem Essen hatte ich wieder zwei Ohnmachtsanfälle auszustehen. Dann häufige Fieberanfälle, aber unregelmäßig, so dass sich keine bestimmte Fieberart feststellen ließ. Ich schwitzte also, dass das Kissen fast ganz durchnässt war. Als ich derart drangenommen wurde, kam dein Brief. Weit entfernt davon, ausführen zu können, was du wünschtest, konnte ich vielmehr kaum drei Schritte gehen. Endlich verwandelte sich die Krankheit, was es auch gewesen sein mag, in ein Wechselfieber, das zuerst sehr heftige Anfälle zeigte, aber nach dem dritten nachließ. Es gab freilich nachher noch ab und zu Anfälle, die mich dann aber nicht mehr so unbarmherzig quälten. Als ich wieder gesund zu werden anfing, war die Zeit, [auf die du mich eingeladen], schon vorbei. Doch hatte ich noch nicht Kraft genug gesammelt, um eine Reise aushalten zu können. Das hinderte aber keineswegs, dass ich, wie wenn ich ganz gesund und die Zeit noch günstig wäre, mit Capito und Butzer beriet, was zu tun sei. Selbst mitten in meiner Krankheit hatte ich nicht aufgehört, Butzer zu bitten, er solle lieber allein reisen, als dass wir deine Erwartung täuschten. Er aber, obwohl ganz geneigt zur Ausführung des Auftrags, wollte mich doch lieber zum Begleiter haben. Selbst der Brief des Grynäus konnte ihn nicht dazu bewegen, der zwar abriet, aber doch versicherte, er werde mit uns kommen, wenn wir auf der andern Meinung bestünden. Als ich noch von der erwähnten Krankheit angegriffen war, fiel auch meine Frau in ein Fieber, von dem sie sich erst jetzt zu erholen beginnt, das aber nur durch ein anderes Übel abgelöst wurde; denn seit acht Tagen ist sie durch häufiges Erbrechen und Durchfall so erschöpft, dass sie sich nur schwer vom Bette erheben kann. Und doch muss ich eingestehen, dass nichts von alledem im Weg gestanden hätte, wenn nicht ein noch größeres Hindernis dazu gekommen wäre. Denn vor vierzehn Tagen entstand das Gerücht und hält sich beständig, der Kaiser komme nach Worms, um dort den Reichstag zu halten, den man zu Hagenau beschlossen hatte. Freilich ist noch keine Ausschreibung auf einen bestimmten Tag erfolgt, aber die Unsern fürchten, er greife wieder zum gleichen Manöver, das er bei der Ausschreibung des Hagenauer Gesprächs gebraucht hat. Denn er gönnte ihnen nur so kurze Zeit, damit sie sich nicht zuerst zu besonderer Beratung unter sich vereinigen könnten. So fürchten sie auch heute, er wolle sie unvorbereitet überraschen. Das hält nun Butzer notwendig hier fest und lässt ihn keinen Schritt tun. Er bittet dich also dringend, ihn entschuldigen zu wollen, da du ja sehen musst, dass es nicht seine Schuld ist, wenn er dir sein Versprechen nicht hält. Und ich kann mich für ihn verbürgen, dass ich nie einen Menschen zu etwas bereitwilliger gesehen habe als ihn zu dieser Reise, wenn ihn eben nicht dies festhielte. Vielleicht stellt es sich bald heraus, dass diese Sorge überflüssig war. Aber was sollten die Unsern anders tun, als gespannt sein, wenn man hört, man habe in Worms bereits die Quartiere verteilt, der Kaiser reise schon heran? Unterdessen, damit du auch das weißt, ist der Kaiser selbst daran, Flandern, Holland, Brabant und Luxemburg mit unerhörter Raubgier auszuplündern, ja auszusaugen. Geschieht weiter nichts, so rufe uns, wenn du willst; Butzer verspricht dir heilig, er werde ohne sich zu weigern, sofort kommen. Zu meiner Entschuldigung brauche ich mich nicht sehr anzustrengen. Denn mit Gott konnte ich nicht streiten, der mich ans Bett fesselte, als es Zeit war, die Reise anzutreten. Dass du nicht an meinem guten Willen zweifelst, denke ich mir. Alle, die bei mir waren, wissen, dass die Klage oft aus meinem Munde kam: So wird nun Farel in seiner Erwartung getäuscht. Aber du und ich, wir müssen es eben geduldig tragen, wenn der Herr, was wir beide wünschten und hofften, aufgehoben oder doch hinausgeschoben hat. Wir wollen glauben, dass er besser voraussah, was das Beste war, als wir es mit unserm Ratschlagen und Überlegen hätten finden können. Neues hören wir nicht hier, als dass der König [von Frankreich] und der Kaiser um die Wette durch ihr Wüten gegen die Frommen dem Götzen zu Rom sich zu verpflichten suchen. Neulich war hier ein Baske, wie es schien ein vornehmer Mann (er führte wenigstens fünf Reiter mit sich); durch ihn schrieb ich der Königin [Margaretha von Navarra] und beschwor sie dringend, in dieser Trübsal nicht zu weichen. Auf öffentlichem Weg vermögen wir nichts in so zweifelhafter Lage. Der Kaiser reist, wie du gehört hast, gegen Worms, doch ohne allzu große Eile. Er hat nun doch gezeigt, dass er eine Fürstenversammlung halten will, hierauf einen Reichstag zu Regensburg, wo dann über die Religionsfrage nach den Verhandlungen der letzten Tagung beschlossen und über den Stand des Reichs beraten werden soll. Die Stadt Regensburg hat aber die ungünstigste Lage, da alle Fürsten, die friedliebender sind, wegen der langen und beschwerlichen Reise nicht hinkommen werden, und die Unsern sich weniger sicher glauben, weil es mitten in Bayern liegt, dessen Fürsten ihre Feinde und mit dem Kaiser durch jenes frevelhafte Bündnis verbunden sind. In Tübingen sind 67 Häuser abgebrannt; man vermutet, das Feuer sei von Brandstiftern angelegt, weiß aber nicht, wer sie sind oder von wem sie dazu angestiftet sein könnten.

[Ende September 1540.]

Calvin, Jean – An Caroli, wohl im Gebiet von Neuchatel.

Caroli hatte nach einem Aufenthalt in Metz sich wieder ins Gebiet von Neuchatel gewandt, und da er dort keine seinen Ansprüchen entsprechende Stellung fand, sich bei Calvin in einem Brief beschwert.

Mahnung zu Friedfertigkeit und Demut.

Gnade sei mit dir und Friede vom Herrn, der dir und uns gesunden Sinn verleihe. Ich hätte es lieber gesehen, wenn du dich hierher gewandt hättest, um mündlich mit uns über unsere Aussöhnung zu verhandeln, als dass du dies mit einem Brief versuchst, besonders wenn er ist, wie der deine. Du bemühst dich heftig, den Schein von dir abzuwälzen, als hättest du ohne gerechte Ursache Wirren in der Kirche erregt. Als ob überhaupt irgendeine ehrenhafte Ursache zur Verwirrung der Kirche dargetan werden könnte! Nehmen wir an, die Brüder hätten dir nicht geziemend Rechnung getragen; gab dir das etwa das Recht, gleich solchen Lärm zu erregen? Willst du behaupten, der Geist Gottes habe dich dazu angetrieben, Allen den Krieg zu erklären? Ich sage das nicht, um dich [von Neuem] zu schelten; hättest du mich doch ganz schweigen lassen! Da du aber Alle, die sich deiner Meinung nach nicht richtig gegen dich benommen haben, mit dem Satan in Verbindung bringst, so hältst du uns doch für zu dumm, wenn du meinst, wir könnten das mit Stillschweigen übergehen. Du sagst, du seiest vor Entrüstung ganz außer dir und müssest Farel und mich schelten, weil wir´s durch unsere Briefe zu Stand gebracht hätten, dass dir die Brüder von Neuchatel keine Stelle gönnen wollten. Erstlich ist das entweder von dir erfunden oder dir falsch berichtet, denn es ist mir nie in den Sinn gekommen, derartiges an die Neuchateller zu schreiben. In dem Brief Farels aber war, soviel ich höre (denn ich weiß nur vom Hören davon), Michel bei weitem schärfer behandelt als du. Da ich dich also weder mit Worten noch mit Taten beleidigt hatte, ja nie auch nur den kleinsten Verstoß gegen dich begangen habe, war es dann anständig, mich so grausam herunter zu reißen? Ja, wenn ich sogar in irgendetwas deinem persönlichen Vorteil im Wege gestanden hätte, welche unwürdige Art war es für einen Christenmenschen, von Rachgier entflammt ein so Skandal erregendes Vorgehen zu wählen? Da ich dir vorher stets unbedenklich als Bruder galt, wie konnte es geschehen, dass ich in einem Augenblick ein Ketzer wurde, vor dessen Gemeinschaft schon du Abscheu hattest. Heißt das nicht den hochheiligen Namen Gottes missbrauchen? Du sagst, es sei dir nichts anderes übrig geblieben, als uns jetzt als unversöhnlich hinzustellen (das ist dein eigener Ausdruck gewesen); aber überleg doch, bitte, ein wenig, wie lächerlich du dich machst, so mitten im Frieden dieses Kampfsignal zu geben. Aber zugegeben, wir hätten dir dazu irgendeinen Anlass geboten, was soll das Wort bedeuten, das du gebraucht hast? Unversöhnlich heißt man doch einen, den man mit allen Mitteln zu besänftigen gesucht hat, und nicht zur geringsten Billigkeit bringen konnte. Wann hast du je bei uns so strenge und dauernde Härte erfahren? Über mich kannst du dich nicht beklagen; ich aber hätte das größte Recht, dir solches vorzuwerfen, um nicht schärfer zu reden. Aber ich dachte nie an Rache, geschweige dass es irgendetwas Böses gegen dich angestiftet hätte. Auch von Farel möchte ich wissen, was er dir Unrecht getan? Er hat geschrieben, Leute, die ihnen anvertraute Gemeinden [eigenmächtig] verlassen hätten, sollten nicht wieder zum Amte zugelassen werden; musste er das nicht? Denn wenn Einer die Gemeinde verlässt, die er einmal angenommen hat zu treuer Pflege, so ist das keine geringere Treulosigkeit, als wenn ein Vater seine Kinder aussetzt. Aber, sagst du, er zählte dich unter diese Leute, da du diese Schuld doch nicht auf dem Gewissen hast. Lies seinen Brief, so wirst du etwas anderes erfahren. Denn er verlangte nichts anderes von den Brüdern, als dass sie genau prüfen sollten, ob eine Untersuchung deiner Angelegenheit dich von Verdacht reinige. Musstest du nicht ganz dasselbe wünschen? Du bist nach Metz gekommen [von hier]: Welcher Übermut war es, dich bei Gegnern Christi zu rühmen, du seist gekommen, wohl ausgerüstet, uns der Ketzerei zu überführen? Und dabei hältst du an dem Ruhm fest, dass du nichts gegen das Evangelium im Sinne habest! Wie willst du uns das beweisen? Wenn einer sozusagen von Berufswegen mit einem Knecht Christi Krieg führt, ihn auf alle mögliche Weise hindert an der Förderung des Reiches Christi, so ists doch wunderlich, von einem solchen Menschen zu sagen, er stehe auf Seiten des Evangeliums. Lieber Bruder, schau wieder und immer wieder, wohin du gerätst! Wir haben einen Dienst am Wort, der mit Christo eng verknüpft ist; zweifelst du daran, so haben wir ein zur Genüge sicheres, treues Zeugnis unseres Gewissens. Schmeichle dir, wie du willst; schließlich musst du es doch spüren, dass du mit deinen Angriffen auf uns wider den Stachel löckst! Dazu, was kannst du uns schaden? Du nennst uns Ketzer! Wo? Doch immer unter Solchen, die auch dich für einen Ketzer halten werden, wenn sie jetzt auch deine Schmähsucht missbrauchen. Ich fürchte durchaus nicht, dass du bei frommen und gelehrten Leuten etwas erreichst, wenn du mich herabsetzest. – Das alles zielt dahin und ich möchte es von dir so verstanden wissen, dass du dich vor Gott prüfst, welchen Weg du betreten hast, und nicht Andere, Unschuldige verurteilst, um dich zu verteidigen, wozu dir nicht nur jeder Rechtsgrund, sondern auch jede Ausrede fehlt. Wenn ich das bei dir erreiche, habe ich genug. Aber ich möchte nicht, dass du deswegen Mut und Hoffnung verlörest. Denn wenn du uns aufrichtige und sichere Anzeichen eines geraden Sinnes gibst, so sind wir auch jetzt noch bereit, bald wieder in besten Treuen uns mit dir zu versöhnen, alles zu vergessen, zu verzeihen und fortan aus unserm Gedächtnis zu tilgen. Könntest du mir doch ins Herz sehen! Denn nichts wünsche ich sehnlicher, als dich zuerst mit Gott zu versöhnen, damit auch die Verbindung unter uns fest werde. Aber glaub mir, nie kannst du dem Herrn mit Nutzen dienen, wenn du nicht deinen Hochmut ablegst und die Schärfe deiner Zunge. Also wenn du im Sinn hast, dich wieder mit uns auszusöhnen, so sind wir bereit, dich aufzunehmen, und werden keine Pflicht gegen dich versäumen, sobald uns Gelegenheit geboten wird. Aber zu dem Friedensschluss, den du verlangst, wie könnten wir uns dazu herablassen? nämlich dass wir dir jetzt schon eine Gemeinde versprechen. Erstens liegen die Gemeinden nicht in unsrer Hand, wie du wohl weißt. Dann, mit welchem Gewissen sollten wir dir das versprechen, bevor über unsere Übereinstimmung in der Lehre alles klar ist? Du machst kein Hehl daraus, dass du jetzt noch von uns abweichst, und willst doch, dass wir dir eine Lehrstelle zuweisen. Erwäge selbst, ob sich das wohl ziemen würde. Du würdest uns mit Recht als Dummköpfe beurteilen, wenn wir dir gehorchten. – Um zum Ende zu kommen, so bitte ich dich, dass du einmal die ganze Sache ordentlich und ruhig bei dir betrachtest und auch diesen Brief abwägst, aber mit keiner andern Wage als einem Urteil, frei von allem Zorn. Dann wirst du gewiss erkennen, dass nichts besser ist, als umzukehren auf dem Weg, den du so schlecht begonnen hast. Willst du es mit uns versuchen, so verspreche ich dir, dass ich keine Freundespflicht versäumen will. Dasselbe verspricht Farel allen Ernstes für seine Person. Aber denk auch daran, etwas von der Liebe, die du so streng von Andern forderst, selbst Andern zu erweisen. Scheine ich dir etwa zu grob, so denk, was für eine Antwort dein Brief verdient; obgleich ich daran keineswegs gedacht habe, sondern nur, dir zu nützen. Und das glaubte ich nicht anders zu können, als wenn ich dich zur Erkenntnis deiner Sünde brächte. Leb wohl, liebster Bruder im Herrn, wenn du nur dich lieben und für einen Bruder halten lässest. Der Herr Christus leite dich mit dem Geist des Rats und der Klugheit, dass du aus den gefährlichen Klippen, in die du geraten bist, und aus dem Sturmwind der Prahlerei rasch in den Hafen kommest. Farel lässt dich grüßen und wünscht, dass du dich ernstlich zum Herrn bekehrest und so bereit seist, mit uns in Freundschaft und brüderliche Gemeinschaft zu treten, wie er selbst bereit ist, dich aufzunehmen.

Straßburg, 10. August 1540.
Von Herzen dein Freund
J. Calvin.

Calvin, Jean – An einen unbekannten Geistlichen, wahrscheinlich in Orleans.

Weggelassen sind undurchsichtige persönliche Mitteilungen.

Mahnung zu praktischem Bibel-Studium.

Dein Brief hat mich so gefreut, dass ich meiner Pflicht nicht anders nachkommen zu können glaube, als wenn ich ihn beantworte, als ob er an mich gerichtet gewesen wäre. Zuerst wünsche ich dir von Herzen Glück, weil ich sehe, dass du nicht zu den faulen Dompfaffen gehörst, die in ihrem ganzen Leben so sehr mit Essen und Trinken, Spielen und Schlafen und auch hässlichen Lüsten beschäftigt sind, dass sie an ehrenhaftes Studieren nicht einmal im Traume denken. Ich wundere mich eigentlich nicht, dass du auch jetzt einem solchen Leben fremd bleibst, da ich mich wohl erinnere, wie du schon, ehe dich der Herr erleuchtet hat, infolge deiner ausgezeichnet guten Naturanlage vor solcher Art einen Schauder hattest. Aber du musst bei deinen Studien doch auch darauf achten, dass sie dir nicht bloß zur Unterhaltung, sondern dem Zwecke dienen, einst der Kirche Christi Nutzen zu bringen. Denn die, die von der Wissenschaft nichts anderes wollen, als mit ehrenhafter Beschäftigung die Langeweile des Müßiggangs vertreiben, kommen mir immer vor wie Leute, die ihr ganzes Leben damit zubringen, schöne Gemälde zu betrachten. Und sie sind ihnen sicherlich nicht unähnlich. Denn wohin zielt das, danach allein zu trachten, dass du ein Gelehrter seiest und als solcher geltest? Das ergibt sich aber notwendig für alle, die stets nur bei der Profanliteratur verweilen, geradezu sich darauf verlegen und nichts anderes im Auge haben, als daraus tiefe Gelehrsamkeit zu erwerben. Damit also deine Studien auf das wahre Ziel gehen, so sorge zuerst, dass sie der Art seien, dass sie dein Leben umzugestalten vermögen, und dass du dann auch gebildet und gerüstet seiest, andern zu helfen. Das geschieht, wenn du ein gut Teil deiner Zeit dem Lesen der heiligen Schrift widmest und zum Lesen der Aussprüche Gottes einen solchen Sinn mitbringst, wie ihn der göttliche Lehrer von seinen Schülern verlangt. Anders kannst du nicht glauben, dein Leben sei Gott wohlgefällig, auch wenn du die Menschen hundertmal zufrieden stellst. Denn weder bist du so arm, dass du vorschützen könntest, die Kirche müsse billigerweise deinem Mange abhelfen, noch sind die Geldmittel der Kirche so einfach in Beschlag zu nehmen, dass man sie nicht mit einem bestimmten Rechtstitel verdienen müsste. Ich weiß, den meisten ist diese meine Strenge verhasst. Aber ich bitte dich, was soll ich Euch schmeicheln zu Euerm Verderben? Das wäre nicht einmal menschlich, geschweige denn christlich. Ja, auch wenn ich schwiege, mahnte dich das Beispiel Anderer genug. Denn es gab Viele, die anfänglich das Schönste von sich hoffen ließen; sobald sie sich aber solchem Müßiggang und solcher Sicherheit, besser Sorglosigkeit, überließen, wie wenige waren es da, die nicht, ich kann wohl sagen, in Rauch aufgingen. – –

Lebwohl bester, im Herrn geliebtester Mann. Der Herr Christus stärke dich mit seinem Geiste zu jedem guten Werk.
Straßburg.

Calvin, Jean – An du Tailly in Genf.

Du Tailly, ein französischer Refugiant in Genf (vgl. 24). Nausea (Friedr. Grau) Coadjutor von Wien, Joh. Faber, Bischof von Wien, und Joh. Cochläus waren als katholische Theologen am Hagenauer Gespräch.

Vom Hagenauer Religionsgespräch.

Herr du Tailly, da ich Sie in meinem letzten Brief vertröstet habe, ich werde es Ihnen melden, wenn wir bestimmtere Nachrichten von der Hagenauer Versammlung hätten, so wollte ich den Überbringer dieses nicht ohne einen Brief reisen lassen, obwohl wir das Endresultat noch nicht wissen. Ich will also kurz erzählen, was bis heute vorgefallen ist. Sie wissen, dass König Ferdinand die Fürsten seiner Partei einige Zeit vor den Unsern berufen hat, um mit ihnen zu beraten, von welcher Seite aus man uns angreifen müsse. Nachdem sie ihren Rat gehalten, beschlossen sie, vier Schiedsrichter aufzustellen, um die Gegenreden beider Parteien zu hören und dadurch zu einer guten Vereinbarung zu kommen. Die Schiedsrichter waren der Pfalzgraf und der Bischof von Trier als Kurfürsten, der Herzog von Bayern und der Bischof von Straßburg. Von unsern Fürsten erschien keiner, weil man sie mit einer zu kurzen Frist eingeladen hatte, wie sie sich beim Kaiser entschuldigten. Doch schickten sie mit freiem Geleit ihre Gesandten und Räte, sowie Gelehrte, um alles zu tun, was nötig wäre. Diese, obwohl sie mit gutem Recht die vorgeschlagenen Schiedsrichter, wenigstens zum Teil, hätten abweisen können, wollten sie doch anerkennen, um zu zeigen, dass sie durchaus nicht auswichen. Aber es kam, wie wir gleich gedacht hatten. Als es sich darum handelte, die Besprechung zu beginnen, wussten die Herrn Schiedsrichter noch nicht, an welchem Ende anfangen, und fragten darum die Unsern, was sie zu sagen hätten. Darauf antworteten diese, sie wollten eine Reformation der Kirchen nach dem zu Augsburg vorgelegten Bekenntnis und boten sich an, allen Schwierigkeiten abzuhelfen, die man dabei fände, und näher zu erklären, was etwa noch nicht klar genug sei. Darauf flüsterte Nausea Ferdinand zu, er solle uns die Priesterehe und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zugestehen. Über das Übrige aber dürfe man ohne Erlaubnis des heiligen Vaters sich nicht in eine Disputation einlassen. Dazu stimmten auch Faber, Cochläus und ihre Gesellen. Schließlich erteilte Ferdinand die Antwort, es liege nur an unsern Fürsten, dass man kein gutes Mittel zur Einigung suche. Er seinerseits sei gekommen, um zu beraten, wie ein gutes, freundschaftliches Gespräch zustande kommen könne; unsere Fürsten aber hätten nicht geruht zu erscheinen. Nichtsdestoweniger sei der Kaiser noch bereit, eine zweite Zusammenkunft zu veranstalten, auf der die Fragen von beiden Seiten besprochen werden sollten. Aber nur unter der Bedingung, dass nach jeder Disputation das abschließende Urteil seiner Majestät und seiner Heiligkeit, dem Papste, vorbehalten bleibe. Während dessen sollten die Unsern aber weder sich durch neue Bündnisse stärken dürfen, noch irgendjemand zur Annahme ihrer Religion veranlassen; auch sollten alle seit der Nürnberger Friedensverhandlung geschlossenen Bündnisse aufgehoben sein. Was den Vorwurf angeht, unsere Fürsten hätten eine Verhandlung verhindert, so ist er leicht in nichts aufzulösen. Denn es genügte vollständig, dass sie ihre Doktoren und Räte mit Vollmacht gesendet hatten; ja sie hatten sogar versprochen, auch noch zu kommen, wenn sie sähen, dass man in guten Treuen verhandle. Die neue Tagung nehmen sie sehr gerne an; aber alle [daran geknüpften] Bedingungen verwerfen sie als unerträglich, ja lächerlich. Denn es ist das gerade Gegenteil von dem, was der Kaiser zu Frankfurt versprochen hat. Die Absicht unserer Gegner ist, ihr Bündnis zu stärken, unseres zu schwächen; aber man hofft, dass Gott diese Absicht in ihr Gegenteil verkehren wird. Wie es auch sei, die Unsern suchen das Reich Christi zu mehren, so viel es ihnen möglich ist, und haben den Entschluss, in nichts nachzugeben. Wir wissen jetzt nicht, was dem Herrn gefällt, uns zu senden. Ein Teil unserer Gegner verlangt nichts anderes als Krieg. Der Kaiser ist zu sehr in andere Unternehmungen verwickelt, als dass er es wagt, noch mehr auf sich zu laden. Der Papst würde sich nicht weigern, sich seinerseits daran zu beteiligen. Denn er hat durch seinen Gesandten 300 000 Dukaten anbieten lassen zum Anfang. Wollten sie Alle, die unsern Glauben noch nicht angenommen haben, zum Angriff gegen uns verbinden, so machte der Kaiser keine Schwierigkeit, seinen Namen dazu herzugeben, und wäre es nur, um die Kraft Deutschlands zu brechen und es dann leichter bezähmen zu können. Aber es ist ein großes Hindernis, dass alle Kurfürsten einig sind, alle Zwietracht freundschaftlich zu schlichten, ohne zu den Waffen zu greifen. Der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg gehören zu unsrer Partei; so können sie nicht anders, als ihre Sache verfechten. Der Erzbischof von Köln ist keiner der Schlimmsten; denn er begreift sogar, dass die Kirche eine Reformation nötig hat, und sieht wohl, dass wir in der Wahrheit den andern überlegen sind. Der Pfalzgraf wünscht auch eine gewisse Reformation und kann darauf nicht anders als mit friedlichen Mitteln hoffen. Mainz und Trier lieben Frieden und Freiheit ihres Landes, um die es nach ihrer Meinung geschehen ist, wenn der Kaiser uns unterjocht hat. Diese Gründe veranlassen sie zum Widerstand, wenn man anders gegen uns vorgehen will als in friedlicher Verhandlung, wie wir sie verlangen. Der König von Frankreich leistet nur Hilfe, wenn man in christlicher Weise vorgeht. Sein Gesandter ist Bayfe, der zwar von unserer Sache nichts wissen will, aber uns nichtsdestoweniger ziemlich höflich empfängt, wenn wir ihn besuchen. Er hat auch beschlossen, hierher zu kommen, ehe er nach Hause zurückkehrt. Alle Gelehrten, die von unserer Seite gekommen sind, sind ganz einig untereinander. Da man wohl sah, dass die Gegner nur ihr Spiel treiben wollen, fand mans gut, eine besondere Beratung abzuhalten, wie man eine gewisse Zucht in der Kirche einrichten könne. Aber man konnte darin zu keinem Beschluss kommen, ohne sich mit den Abwesenden zu verständigen, wie mit Luther, Melanchthon und andern, und noch weniger etwas ausführen ohne die Bewilligung der Fürsten. So ging man nur soweit, dass jeder versprach, an seinem Ort sich bei den Fürsten und Städten zu verwenden, dass man auch unsererseits ein Konzil halte zur Besprechung dieser Dinge. Das wird das Wichtigste sein, was bis heute vorgefallen ist. Melanchthon ist nicht gekommen infolge einer plötzlichen Erkrankung und auch weil man annahm, es sei nicht nötig, dass er sich beeile, so lange es gefährlich sei. Ich war auch nur auf einen kurzen Besuch dort; auch Capito.

Straßburg, 28. Juli 1540.
Ihr Bruder und guter Freund
Jean Calvin.