Blarer an Georg Vögeli, 2.12.1531

„Wenn ich nur eine Zeit hie bei den guten frommen Leuten bleiben könnte, wie sie gerne sähen und wahrlich von großen Nöthen wäre. Mir ist wind und weh zu Muthe: ich wollte je gern zu Konstanz sein, sonderlich dieser Zeit, und kann doch mit keiner Gewissen diese junge erstgepflanzte Kirche, die so ein gut Herz zu mir hat, verlassen. So ist ja viel an einem guten, stattlichen, satten Grund und Anfang gelegen. Wann ich gedenk, daß der fromme Paulus anderthalb ganze Jahr bei den Korinthern und drei Jahre bei den Ephesiern gewesen ist, dem doch Noth gewesen wär, an viel anderen Orten auch zu wachen, so weiß ich nicht wo hinaus. Alle Menschen sagen zu mir, sie wissen, komm ich bald hinweg, so sei es Alles vergebens, und erzeigen sich die Leute so ganz herzlich, daß sie mir großen Kummer schaffen. So muß ich ja in der Wahrheit bekennen, daß mein Abwesen Konstanz nirgends so nachtheilig ist, als mein Abschied Eßlingen sein wird. Denn der gut fromm getreu und gotteifrig Doctor Hans (Zwick) sammt den Andern nichts versäumen, und obwohl meine Lehr und Vermahnung auch vielleicht etwas nützte, wo ich einheimisch wäre, doch dasselbige nicht so fürträglich, als mein Abschied von hinnen schädlich sein würde. Also doch ich bei höchster Wahrheit mit dem Urtheil meines Gewissens nicht wüßte mich hinwegzuthun. Die frommen Leute sind ja auch unsere Brüder und Schwestern, denen wir so viel mehr zu dienen schuldig, so minder sie noch erstarkt und erbauet sind. Ich sehe wohl, was der Menschen Art ist und wie es zugeht; wollt etwas leiden, daß wir länger zu Ulm auch gewesen wären; so sind wir, nachdem es Alles mit der Feder vergriffen und fürgeschrieben worden, davongewüscht, und jetzt ist kein Nachdruck. Schreibt und klagt mir der fromme Som alltag, wie es mit der Straf und Zucht nun gar nichts solle. Also, besorg ich gänzlich, würde es hie auch gehen; darum wollt ich von ganzem Herzen gern harren, bis ich seh, daß alle Ding nicht allein fürgenommen, sondern auch gehandhabt würden. Denn mein Vermahnen und Anhalten mit Kraft Gottes Geist viel beschießen wird; wo man das Herz zu Einem setzt, da geht wahrlich von Statt, was sonst gar stille steht. Schreib ich euch, mein lieber Herr und Bruder, der Sach also nachzudenken sammt andern guten Herrn und Brüdern. Meine Anmuthigkeit singt mir nach dem Fleisch nirgendshin mehr denn heimwärts; hinwieder will mich mein Gewissen nochmals aus viel ansehnlichen Ursachen kurz nicht heimlassen. Ihr mögt selbst besser denn ich Gelegenheit dieser Stadt bedenken; es ist noch Alles grün, zart und in der Blust; möcht licht Wetter anfallen, es verdürb Alles. Wiewohl der lieb Gott allein das Gedeihen gibt, läßt er doch unseren Dienst gemeiniglich ein treffliches Mittel sein zu der Sach; der geb uns zu thun nach seinem Lob und Aufbauung seines Reichs.“ …

„Mir ist, wenn es in der ganzen Welt fehlte, so könnte ich dennoch daran nicht zweifeln, anders denn der treue Gott zu Konstanz mit uns daran wäre, und ich weiß, daß er uns gnädig ist und wohl will, hat auch seinen Handel bei uns allweg so friedlich, beschaidelich und gnädiglich, daneben dennoch gewaltiglich und wunderbarlich geführt, daß wir ja haben greifen müssen, daß ers wohl und gut mit Gnaden gegen uns gemeint hat. Konstanz freut mich allweg, so ich dahin gedenke, wiewohl uns auch noch viel mangelt; aber, wohin ich komme, bedünkt mich, Ehrbarkeit hab bei uns größeren Fürgang.“

Ambrosius Blaurer an Martin Bucer

O mein geliebter Bruder! Der brennende Schmerz meiner Seele stellt mir immer vor Augen den Fall unseres Zwingli, dieser unvergleichlichen Säule der Kirche Christi. Sein Tod erfüllt nicht allein alle Frommen und alle Freunde des Evangeliums mit tiefer Trauer, sondern läßt uns auch für unsere christlichen Staaten ein drohendes Unheil ahnen. Wie sehr quälen mich die mannigfachen Gedanken, die in mir aufsteigen! Es hat mir immer mißfallen, ich sage es frei, und mich mit Besorgniß erfüllt, daß dieser Mann bei seiner unbändigen Gesinnung, unaufgefordert, stets für den Krieg gepanzert war, ja sogar in der Schlacht sein und mit dem thörichten Mars sich abgeben wollte. Hierüber legte ich indessen mir doch Schweigen auf, indem ich dachte, es geschehe durch einen unergründlichen Rathschluß Gottes, daß Zwingli mit dem Wort und mit den Waffen, mit der Ermahnung und That die Sache Christi verfechte. Jetzt lehrt aber der Ausgang, daß es ein unglückliches Zeichen ist, wenn ein Bischof die Rüstung eines Kriegers anzieht, obgleich ich nicht daran zweifle, daß der allgütige Vater, dem er mit so großem Eifer gedient, sich seiner erbarmt hat.

Blaurer, Ambrosius – An Huldrych Zwingli

Konstanz 1523 Juli 27

Ich selbst hätte nicht gewagt, Deine Studien zu stören; doch glaubten wir, es sei für Dich dieser Brief((Das Schreiben Fabers an einen Mainzer, an dessen Abschrift der obige Brief anschließt, ist datiert Constantiae 3. Iunii anno xxiij und handelt hauptsächlich von einer Schrift gegen Luther, die Faber eben vorbereitete; gegen Schluß gibt er die Absicht kund, gegen Zwingli eine Schrift herauszugeben mit dem Nachweis, daß die Messe ein Opfer sei.)) von Wert, von dem ich Dir auf Menlishofers Zureden eine Abschrift sende. Du kannst daraus die großartigen Anstrengungen Roms ersehen, würdig Fabers, der schon mehreres mit wenig Glück hervorgebracht hat und noch viel dem Erdkreis verspricht. Fürwahr, mir tut der arme Mann leid, um so mehr als er sein Elend nicht erkennt, und wir wollen ihm bessere Einsicht wünschen, obwohl eine Umkehr bei seinem Starrsinn kaum zu hoffen ist. Du aber fahre fort, die Lehre Christi gegen die Antichristen zu verteidigen mit Gottes Beistand. Was wir weiter von Fabers Bestrebungen, zumal gegen Dich, erfahren, werden wir mitteilen. LEbe wohl und sende, wenn es Dir nicht lästig ist, auch uns einen Gruß. Empfiehl mich Hutten, dessen Herausforderung an Erasmus, wenn je etwas, uns seine echte Gesinnung wiedergibt, sodaß wir die schwache Gesundheit des wahrhaft christlichen Mannes tief bedauern. Grüße Magister Erasmus, Urban von Fislisbach und Magister Gregorius Mangold samt Eurer ganzen Kirche. Unsere Vettern Zwick, deren einer Dir sein Mißgeschick schreiben will, lassen grüßen.

Ex Constantia nostra VI. Kalendas Augusti.

Quelle:
Briefwechsel der Brüder
Ambrosius und Thomas Blaurer
1509 – 1548
Herausgegeben von der
Badischen Historischen Kommission
bearbeitet von
Traugott Schieß
Band I
1509 – Juni 1538
Freiburg i. Br.
Verlag von Friedrich Ernst Fehsenfeld
1908

Ambrosius Blarer an Philipp Melanchthon, 6.8.1522

„Wenn jemals, so verlangt es mich jetzt, mein hochgelehrter Philippus, an dich zu schreiben, denn schweres Geschick und unselige Lage bedrängen mein Gemüth. Kaum habe ich das Kloster verlassen, so komme ich in übles Gerede, daß ich dem Aergerniß nicht vorgebeugt habe; ja Einige meinen, ich solle dahin zurückkehren. Aber eher wollte ich sterben, als länger an diesem Heerd der Gottlosigkeit gefangen gehalten werden, da ich es zu keinem Frommen der Mönche und zu meinem eigenen größten Schaden thun würde. Ueber den Stand aller meiner Angelegenheiten und insbesondere in Betreff dieses Punktes wird dich übrigens mein Bruder ausführlicher berichten. Dich bitte ich im Namen des allein guten und mächtigen Gottes und bei Allem, was dich rühren kann, daß du mir deine Ansicht mittheilest und mich genau wissen lassest, was du mir zu thun anrathest. Dein Rath soll mir die Stelle eines Orakels vertreten, denn ich weiß, daß du den Geist Christi hast und nichts rathen kannst, was gegen sein Gebot wäre.“

Ambrosius Blarer an seinen Bruder Thomas 25.7.1522

„Vor allen Dingen sei dir kund gethan, daß ich unlängst (nemlich am 8. Juli) aus unserem Alpirsbach, wo ich nur allzulang gleich einem Kinde unter den Elementen der Welt diente, zu einer gemeinsamen und zugleich freieren christlichen Lebensweise unter dem Schutz Christi zurückgekehrt bin. Wohl eine kühne That, um welche mich Viele ins Angesicht schelten werden, aber die mir gleichwohl kein Gutgesinnter (wenn er nur die näheren Umstände genau kennt) übel auslegen mag. Denn was sollte ich thun? Der Abt war sehr böse auf mich, deßgleichen auch einige Conventsbrüder. Dann, um die übrigen Plackereien, denen ich fortwährend bloßgestellt war, mit Stillschweigen zu übergehen – in Betreff ihrer konnte ich ja hoffen, daß sie bald ihr Ende erreichen werden, oder sie mit ungebeugtem Muthe ertragen -: verboten war mir die fromme Beschäftigung mit jenen Schriften, welche mein in römischen Verordnungen ausgehungertes und vertrocknetes Herz allein tränken und stärken konnten, verboten war mir die Predigt vor dem armen Volke, durch welche ich dasselbe aus dem Rachen der gierigen Wölfe mit aller Macht zu entreißen versuchte; verboten war mir die Vorlesung, durch welche ich die Brüder unter den Mönchen von Menschensatzungen abzubringen und für die wahrhaft christliche Freiheit zu gewinnen gewohnt war; verboten war, um es kurz zu sagen, Christus selbst, der nirgends heller wiederstrahlt, nirgends gnädiger uns anblickt, als in jenem von ihm uns aus dem Himmel hernieder gebrachten Gotteswort: solche mehr als gottlästernde Gotteslästerungen konnte, ja durfte mein Herz nicht länger ertragen. Der Abt bewies sich mir bereits um Luthers willen überaus feindlich. Schon war der Name Luthers von ihnen allen mit öffentlichem Fluch belastet. Das hätte ich immerhin standhaft ertragen, wenn sie nur der Schrift die gebührende Ehre gezollt hätten. Aber so weit erstreckte sich bereits ihr Vorurtheil, daß sie Alles, was ich aus dem Evangelium oder aus Paulus mit Fleiß entlehnt hatte, verschrieen, als stamme es von Luther und sei darum ketzerisch und gottlos, wie sie denn auch gar keine Verantwortung meines Glaubens annehmen wollten. Eine Zeit lang übte ich mich wohl in christlicher Bescheidenheit und Geduld, so lange ich noch hoffen konnte, sie damit für Christum zu gewinnen. Darum beugte ich, obschon ich selbst zur christlichen Freiheit hindurch gedrungen war, meinen Nacken um ihretwillen gern unter das Joch des Gesetzes, ward den Juden ein Jude und wünschte mit Paulo ein Fluch für meine Brüder zu werden. Als ich aber gewahr werden mußte, daß ich damit gar nichts ausrichtete und daß sie meine Hoffnung Tag um Tag mit ihrer Hartnäckigkeit vereitelten (wie denn diese Art Leute überaus zäh an ihrem Aberglauben festhält), so erachtete ich es an der Zeit, an mich selbst zu denken, ehe ich durch längeren Verzug mich selbst mit ihnen ins Verderben stürzte. Diese Gefahr lag aber nahe. So ging ich denn gemäß dem Befehl Christi, der seine Jünger hieß, aus der Stadt zu ziehen, welche sein Wort nicht annehme. Im Vertrauen auf welchen Beistand und unter welchen Bedingungen ich aber schied, zu erzählen, das würde mich zu weit führen. Aber, höre ich dich entgegnen, du hättest das Aergerniß vermeiden sollen! Diesen Einwand habe ich mir oft und viel vorgehalten; da ich aber auch unter Jenen (wenn ich Christum nicht verläugnen wollte) ohne Anstoß nicht leben konnte, und die unwissenden Leute, die mir Tag um Tag vorwarfen, daß ich ihnen zum größten Aergerniß gereiche, mich fortwährend Ketzer schalten, bat ich sie wiederholt bei allen Heiligen um die Erlaubniß meines Abschieds. Da ich diesen nicht erhielt, ging ich auf das Dringen meines Gewissens, auf den Rath der Besten, mit der Hilfe Christi (denn daran darf ich nicht zweifeln) gegen ihr Wissen und Wollen, um vielleicht nie mehr zurückzukehren, wenn nicht zuvor dieser böse Geist aus den Mönchen durch den Geist Gottes ausgetrieben worden. Ob dieses jemals geschehen wird, weiß ich nicht; das aber weiß ich, daß der Aberglaube und die Werkgerechtigkeit sich bei ihnen bis zuletzt halten wird. Schreibe mir, welchen Lebensweg du mir einzuschlagen rathest. Mein höchster Wunsch wäre, bei dir zu leben. Könntest du unsere Mutter überreden, daß sie hiezu die Einwilligung gäbe, so würdest du mir hiemit den willkommensten Beweis deiner Bruderliebe ablegen. Lebe wohl. Bestelle tausend Grüße an unsern Philippus und ebenso viele an den großmächtigen Luther.“