Calvin, Jean – An die Herzogin Renata von Ferrara in Montargis.

Nr. 699 (C. R. – 3727)

Die Gattin des Herzogs de Guise, Anne d´ Este, war Renatas Tochter. Am Hof Renatas war de Morel als evangelischer Prediger (vgl. 695). Der Nachbar ist Philibert Emanuel von Savoyen.

Klage über die Tochter der Herzogin.

Madame, es freut mich, durch den Überbringer dieses Briefes Ihnen etwas sicher zukommen lassen zu können; nicht als ob ich eben viel zu schreiben hätte, aber ich will doch meine Pflicht Ihnen gegenüber nicht versäumen, und ich denke auch, meine Briefe sind Ihnen stets willkommen, da Sie so gnädig sind. Könnten sie Ihnen auch noch einigen Nutzen bringen, so wollte ich mich wohl bemühen, Ihnen öfters zu schreiben; aber Sie haben ja, Gott sei Dank, einen Mann in Ihrem Hause, der durchaus imstande ist, Sie zu ermahnen und zu festigen, wenn es nötig ist. Ich habe Ihnen nichts Neues mitzuteilen, was Sie nicht auch sonst schon wüssten, besonders nichts für Sie Erfreuliches, und ich möchte Sie nicht betrüben, obwohl ich mich gezwungen sehe, nicht ohne großes Bedauern mein Herz von einer traurigen Sache zu entlasten, die für alle Kinder Gottes gleich betrübend ist. Sie wissen, Madame, was die Feinde der Wahrheit planen, wie es die Liga des Papstes mit dem König von Spanien, Venedig und den italienischen Fürsten, zu denen auch unser Nachbar gehört, bezeugt. Sie meinen, alles Christentum in der Welt ausrotten zu müssen. Nun wandelt auch Madame de Guise einen Weg, der nur zu ihrem Untergang führen kann, wenn sie so fortfährt. Denn wenn sie es auch nicht bedenkt, so erstrebt sie doch den Untergang der armen französischen Kirchen, deren Schutzherr und Verteidiger Gott sein wird. Ich versichere nochmals, Madame, ich unterließe es gerne, Sie damit zu behelligen; andrerseits wünschte ich aber doch auch, sie ließe sich durch Ihren Einfluss zur Mäßigung ihrer Leidenschaft bewegen, der sie nicht gehorchen kann, wie sie es tut, ohne mit Gott in Konflikt zu geraten. Ich sage Ihnen frei heraus, was jedermann weiß, damit Sie in Ihrer Klugheit auf ein gutes Mittel sinnen, das sie davon abbringt, sich mit denen zu verschwören, die nichts anderes wollen, als die Vernichtung des reinen Glaubens, und sich in Dinge zu mengen, die nur ein schlechtes Ende nehmen können, da sie wider Gott sind.

Indem ich mich, Madame, untertänigst Ihrer Gewogenheit empfehle, bitte ich den Vater im Himmel, Sie in seiner Hut zu halten, Sie zu stärken in seiner Kraft und Sie zunehmen zu lassen in allem Guten und Glücklichen.

Genf [März 1562].

Calvin, Jean – An Pfarrer Desprez in Chire bei Poitiers.

Nr. 705 (C. R. – 3759)

Ein Herr de Seillons war durch Pfarrer Desprez mit der Schwester seiner verstorbenen Frau getraut worden; dieser hatte sich dafür auf eine Predigt von Luther aus dem Jahre 1522 und auf eine Randglosse zu 3. Mose 18, 18 in einer Genfer Bibel des Buchdruckers Antoine Reboul berufen. Darüber von Poitiers angefragt, hatte sich Calvin in einem Gutachten gegen eine solche Ehe ausgesprochen; Desprez erklärte sich bereit, das Urteil anzunehmen und entschuldigte sich, dass er das Kind Herrn de Seillons getauft und mit ihm trotz seiner Exkommunikation verkehrt hatte. Über den Mönch von Loudun vgl. 666.

Über die Ehe mit der Schwägerin; Mahnung zur Ordnung.

Lieber Herr und Bruder, es ist schon recht lange her, dass Klagen über die Ehe, sie Sie eingesegnet haben, bis zu uns drangen. Aber schon ehe wir wussten, dass Sie es getan hatten, waren wir von den Brüdern in Poitiers um Rat gefragt worden und gaben ihnen ein schriftliches Gutachten darüber ab. Darin gaben wir bereits Antwort auf einige Punkte Ihrer Verteidigung, indem wir einfach den Fall selbst erwogen, da uns der Urheber selbst noch ganz unbekannt war. Soviel über unser Schreiben. Seither verlautete nun, dass Sie nicht nur unbedacht diese Ehe eingesegnet hatten, sondern nun den doppelten Fehler begingen, dies gegen alle zu verfechten als das Richtige und Gesetzmäßige. Seitdem Sie aber in die Geschichte hineingezogen wurden, haben wir nichts mehr dazu gesagt, weder im Guten noch im Bösen. Freilich hat sie uns geärgert, und ich hätte Ihnen das nicht verschwiegen, wenn ich Ihnen persönlich näher gestanden hätte. Nun, da Ihr Brief in unserm Kollegium vorgelesen worden ist, danken wir Gott, dass er Ihnen die Gnade gegeben hat, sich nicht auf Ihre Meinung zu versteifen, sondern Eintracht und brüderliche Verbindung mit andern Kirchen zu wünschen. Was nun die Sache an und für sich betrifft, so war Luther damals, als er die von Ihnen angeführte Predigt hielt, noch so ziemlich ein Neuling und noch nicht recht zu Hause in der Schrift. Über die Randglosse zu 3. Mose 18, 18 waren wir recht erstaunt. Der Geldgier der Buchdrucker schafft uns viel Verwirrung; denn da sie, gewinnsüchtig wie sie sind, überall solche Rand-Anmerkungen aufzutreiben suchen, die nichts sind als Groschenfänger, so finden sie auch Leute genug, die sich dazu hergeben, frech über ihre Fähigkeit hinaus Papier zu beschmieren. Zu diesen zählen wir auch den großen Renommisten, der sich rühmt, in Rebouls Drucken wahre Wunderdinge zustande gebracht zu haben. Freilich war wohl in Wirklichkeit die Ehe bereits lange eingesegnet, [bevor diese Genfer Bibel erschien].

Da wir nun bereits in Kürze dargelegt haben, was Gott uns gegeben hat, so will ich mich nicht mehr weiter darauf einlassen, sondern nur sagen, dass das Gesetz, das Blutsverwandten befiehlt, einem verstorbenen Bruder Samen zu erwecken [5. Mose 26, 5 – 10], hier ganz falsch herbeigezogen wird, da es sich gar nicht auf die Verwandtschaftsgrade bei denen eine Ehe erlaubt ist, bezieht. Und wenn verboten ist, die Schwester der Frau, die man hat, zu heiraten bei deren Lebzeiten, so ist es auch ein Missverständnis, zu meinen, durch dies Verbot solle nur der Inzest getroffen werden; denn es steht im Text ein anderer Grund, nämlich damit kein Zank unter den Schwestern entstehe, wenn eine zu Unrecht sich ängstigt. Für die jetzige Lage nun genügt uns, was Sie in Ihrem Briefe anbieten und vorbringen durchaus. Wenn einzelne noch deswegen auf gespanntem Fuße mit Ihnen stehen, so möchten wir, dass alles unterdrückt würde, und wir werden unser Möglichstes dazu tun. Doch bitte ich Sie auch, sich Ihrerseits jedes Tuns zu enthalten, das die Wunde aufreißen könnte, wie z. B. Ihr Verkehr mit Herrn de Seillons vielen Leuten üble Nachrede gegen Sie geradezu in den Mund legt. Freilich ist es uns erlaubt, einem Exkommunizierten in seiner Not zu helfen, aber Sie wissen wohl, dass das sich nicht auch auf jeden persönlichen Verkehr mit ihm ausdehnen lässt, da St. Paulus uns mahnt: habt nichts mit ihm zu schaffen, auf dass er schamrot werde; doch haltet ihn nicht als einen Feind, sondern vermahnet ihn als einen Bruder [2. Thess. 3, 14. 15]. Das gebe ich Ihnen zu, dass das Kind nicht von der Taufe ausgeschlossen werden durfte, da es von einem dazu berechtigten Paten dargebracht wurde, wenn nämlich dabei nach der Forderung der Kirchenzucht, die Sie kennen, Einspruch [gegen den gebannten Vater] erhoben wurde. Aber gerade das hat Ärgernis erregt, dass Ihre Taufhandlung die Ehe zu bestätigen schien, was durchaus unerlaubt war. Ich schreibe Ihnen das weniger als Vorwurf wegen dessen, was Sie getan haben, als vielmehr zur Mahnung für die Zukunft. Dazu kann ich Ihnen nicht verschweigen, dass man hier auch sonst schlimme Berichte von Ihnen ausstreute, die wider unser Wissen unser Ohr trafen. So behauptet man allgemein, Sie seien allzu geneigt, sich den Menschen gefällig zu erweisen, den Mantel nach dem Winde zu hängen und Dinge, die Züchtigung verdienten und nicht ertragen werden dürften, zu bemänteln. D. h. wir glauben nicht alles, um Sie verurteilen zu können; aber es ist vielleicht gut, es Ihnen vorzuhalten, damit Sie sich in Zukunft mehr in acht nehmen. So wird hier berichtet, Sie hätten einem Gerichtsschreiber in Poitiers zu lieb sein Kind heimlich und verstohlen getauft. Etwas anderes von Ihnen steht noch in frischerer Erinnerung. Sie hätten nämlich einige der Intriganten von Loudun aufgemuntert, der Kirche zu Trotz ihren schismatischen Mönch wiederzuwählen, der verdient, am Galgen zu hängen und nicht auf einer Kanzel zu stehen. Ich weiß wohl, dass Sie ihn nicht wieder selbst wiedereinführen wollten; aber unter dem Vorwand, Sie hätten Ihre Vermittlung versprochen, es bis zu der Unordnung, die eintrat, zu bringen. Wirklich, nur mit tiefer Betrübnis bringe ich diese schlimmen Geschichten vor, aber da Sie mir Anlass zum Schreiben boten, so wäre es Verrat an Ihnen, wenn ich nicht offen redete. Jedenfalls bitte ich Sie, nehmen Sie diesen Freimut und diese Geradheit nicht übel, und seien Sie überzeugt, dass ich nicht nur in brüderlicher Eintracht mit Ihnen verbunden sein möchte, sondern dass ich mich in allem und mit allen Mitteln bemühen werde, Ihnen zu ehrfürchtiger Aufnahme Ihrer Predigt zu helfen. Ich verbürge mich ebenso für unser Kollegium; denn wir sehen es wirklich alle als Pflicht an, die Begabung, die Gott Ihnen verliehen hat, zu respektieren und zur Geltung zu bringen. Glauben Sie uns, wir sind durchaus bereit dazu. Damit, lieber Herr und Bruder, empfehle ich mich herzlichst Ihrer Gewogenheit, wie auch unser ganzes Kollegium es tut, und bitte den lieben Gott, er wolle Sie behüten, Sie zunehmen lassen an allem Guten und Sie teilnehmen lassen . . . . .

Ostern [29. März] 1562.

Calvin, Jean – An Johann Sturm in Straßburg.

Nr. 704 (C. R. – 3754)

Das Januar-Edikt (vgl. 696), das den Evangelischen Versammlungsfreiheit gewährleistet hatte, reizte die katholische Partei. Am 15. bis 18. Februar hatten die vier Brüder de Guise in Zabern im Elsass mit Herzog Christoph von Württemberg und seinen Theologen eine Besprechung gehabt, in der der Kardinal sich als heimlichen Anhänger des Augsburgischen Bekenntnisses erklärt und seine Unschuld an allem in der Hugenotten-Verfolgung vergossenen Blut hoch beteuert hatte. Der Herzog de Guise zog dann mit starkem Gefolge nach Paris. Unterwegs bei Vassy in der Champagne stieß er am 1. März auf eine Gottesdienst feiernde evangelische Gemeinde; es kam zum Zusammenstoß und de Guise ließ alle Evangelischen niedermachen. Dieses Blutbad von Vassy führte zum Ausbruch des Bürgerkriegs. De Guise zog, obwohl er zur Verantwortung an den Hof zu Monceaux geboten wurde, nach Paris, wurde dort vom Volk mit Jubel empfangen, und de Conde musste mit seinen Truppen die Stadt verlassen. Calvin sandte deshalb Bude zu den deutschen Fürsten, um sie zur Hilfe für die französischen Evangelischen zu mahnen.

Das Blutbad von Vassy.

Aus welchem Grund unser lieber Bude diese Reise unternommen hat, erfährst du besser von ihm selbst mündlich, als ich es dir brieflich erklären kann, der Sicherheit halber. Dass dir die Sache, sobald sie dir dargelegt worden ist, am Herzen liegen wird, daran zweifle ich nicht. Ja, da sie auch dich angeht, so halte ichs für überflüssig, dich mit vielen Worten zu bitten, uns dabei zu helfen. Beleibt die uns im Januar-Edikt zugestandene Freiheit bestehen, so stürzt das Papsttum ganz von selbst zusammen. Deshalb werden die Guisen auch das Äußerste versuchen, uns die Freiheit mit Gewalt wieder zu nehmen. Zur Unterdrückung ihrer Versuche wäre es nun von großer Wichtigkeit, dass die deutschen Fürsten eingriffen, den König zum Festhalten ermahnten und ihm, falls es nötig würde, ihre Dienste anböten. Wenn jene bösen Geister Frankreichs neulich zu Zabern sich schön verstellten, so hat ja das Verbrechen, das sie gleich darauf begingen, aufgedeckt, wie eitel und falsch ihre Schmeichelreden waren. Denn kaum von jener Unterredung abgereist, eilten sie zu dieser barbarischen Bluttat. Doch davon und überhaupt alles, was sich auf die Sache bezieht, erfährst du von Bude. Lebwohl, hochberühmter und verehrter Mann. Der Herr sei stets mit dir und erhalte dich gesund.

Genf, 25. März 1562.

Calvin, Jean – An Jeanne d´ Albret, Königin von Navarra.

Nr. 703 (C. R. – 3748)

Über d´ Escars vgl. 694.

Trostbrief nach dem Abfall ihres Mannes.

Madame, das Mitleid, das ich mit Ihren Ängsten empfinde, lässt mich wenigstens teilweise spüren, wie hart und schwer sie zu tragen sind. Doch wie dem sei, es ist doch viel besser für Sie, um solcher Ursache willen traurig zu sein, als selbst schwach zu werden zu Ihrem Verderben. Es ist ja ein wünschenswertes Ding, in Ruhe und Wohlsein zu leben, und wenn Gott seinen Kindern dieses Gut schenkt, so können sie sich von Herzen freuen. Aber da dies nun einmal ein Vorrecht ist, das nicht ewig dauert, so müssen wir ihm eben auch auf rauen, schweren Wegen folgen, wenns ihm gefällt, uns hart zu prüfen. Man hat Sie wohl gelehrt, Madame, dass wir Gott nicht dienen können ohne Kampf. Die Arten dieser Kämpfe sind verschieden; aber wie es Gott gefällt, uns zu brauchen, so müssen wir bereit sein. Wenn die Angriffe, die Sie, Madame, nun auszuhalten haben, scharf und schrecklich sind, so hat Ihnen doch Gott lange Zeit Gelegenheit gegeben, sich darauf vorzubereiten. Der König, Ihr Gemahl, ist ja schon lange von diesen beiden Hörnern des Teufels, dem d´ Escars und dem Bischof von Auxerre, berannt worden. Nun hat er sich nicht nur von ihnen über den Haufen werfen lassen, sondern er stößt nun selbst wider Gott und die Seinen. Ich rede davon wie von einer ganz bekannten Sache. Ich weiß, Madame, die ersten Stöße gelten Ihnen. Aber hätten Sie auch hundertmal mehr Schwierigkeiten, die Kraft von oben, zu der wir unsere Zuflucht nehmen, wird doch siegen. Nur, Madame, werden Sie nicht müde, festzuhalten, dass Sie Gott zum Helfer haben! Denn wir brauchen ihm ja nicht aufs Geratewohl folgen, da seine Verheißung uns nicht fehlen kann, dass er auch Ihrer Festigkeit guten Erfolg geben wird, wenn sie sich gründet auf sein Wort. Mag auch die ganze Welt wanken; wenn unser Anker im Himmel festgemacht ist, so wirfts uns hin und her, aber wir kommen doch zum sichern Port. Der in seiner Hut hält, was wir ihm anvertrauen, ist getreu, sagt St. Paulus [1. Thess. 5, 24]. So wissen wir also, an wen wir glauben, und wollen beharren und Mitleid haben mit denen, die ihre Lust haben an Verlockungen so leichtfertiger Art, dass die Kinder ihren Spott damit treiben. Indessen, Madame, wollen wir Sie nicht vergessen in unserm Gebet, wie uns unser Bruder, Herr Beza, gemahnt hat, und wie wir auch sonst nach Ihrem Wunsche getan hätten. Ich bin sicher, Madame, Gott wird Ihre und unsere Seufzer erhören, wenn wir ihm nur das Opfer demütiger Ergebung bringen, das er wünscht. Denn so kühn wir sein dürfen und sollen in der Verteidigung seiner Sache, so müssen wir es doch unsern Sünden zuschreiben, wenn der Lauf seines Evangeliums aufgehalten wird. Wie dem auch sei, mitten in allen Nöten wollen wir uns an das Wort St. Pauli erinnern: Freuet Euch in dem Herrn, liebe Brüder, allewege, und abermals sage ich: Freuet Euch! [Phil. 4, 4] dann werden wir einen unüberwindlichen Mut haben in all unsern Trübsalen.

Madame, da der Überbringer dieses Briefes zu Ihnen zurückkehrt, um zu hören, wohin Sie ihn zu senden geruhen, so möchte ich Ihnen nur sagen, dass er sich bei uns so wohl gehalten hat, dass wir ihn am liebsten hier behalten hätten, wenn er sich nicht der Tätigkeit in Ihren Kirchen widmen wollte. Ich glaube, er hat seine Zeit hier nicht verloren, wie die Frucht seines Wirkens zeigen wird.

Den 22. März 1562.

Calvin, Jean – An Vermigli in Zürich (702)

Nr. 702 (C. R. – 3743)

Weggelassen ein paar Sätze über eine Berner Synode. Vgl. 700. Julian Apostata bedeutet den König von Navarra.

Politische Vermutungen.

Endlich habe ich deinen Brief erhalten, hochberühmter und verehrter Bruder; wenn ich ihn nur kurz beantworte, so wirst du das verstehen, auch wenn ich keinen Grund dafür anführe. – – –

Unser Beza wird von harten Anfechtungen heimgesucht. Neulich fehlte nicht viel, so wäre er durch die verbrecherische Treulosigkeit Julians mit vielen andern aufs Schaffot geschleppt worden; doch hat Gott so frevelhafte Pläne wunderbar zunichte gemacht. Obwohl dieser Apostat nun sogar die Guisen an den Hof gerufen hat, um das Äußerste zu wagen, so hofft Beza doch, ihre Unternehmungen würden nicht nur umsonst sein, sondern die Kirche werde so wachsen, dass sie nachher nichts mehr wagen würden. Die ersten Zusammenstöße sind allerdings sehr zu fürchten, wenn Gott nicht zur rechten Zeit eingreift, worum wir ihn stets bitten müssen. Obwohl nun schwere Drohungen und Schrecken umherschwirren, ahnt mir doch etwas Gutes. Da der Papst dem König Philipp nicht genug tut und der Herzog von Florenz sich vor beiden fürchtet, so haben doch jedenfalls die Unsern dem König und seinem Rat bereits eine Einspruchsformel gegen das Konzil zu Trient vorgelegt. Die Königin-Mutter wünscht, auch wir möchten Einspruch erheben, worauf ich ja Herrn Bullinger aufmerksam gemacht habe. Seht zu, was Euch gut dünkt; es wäre Unsinn, wollten wir von uns allein aus etwas unternehmen, aber Eurer Meinung schlössen wir uns gerne an. Lebwohl, erlauchter Mann und herzlich verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er erhalte dich lange gesund und segne dein Wirken.

Genf, 16. März 1562.

Der Herr Marchese und die übrigen Freunde lassen dich grüßen. Von mir auch an deine Frau und dein ganzes Haus viele Grüße.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Toussaint Gibout in Toulouse.

Nr. 701 (C. R. – 3742)

Toussaint Gibout, Doktor der Sorbonne und Domherr an St. Etienne in Toulouse, hatte im Jahre 1559 evangelisch zu predigen begonnen, dies aber wieder aufgegeben; doch schloss er sich nachher ganz der Reformation an und floh nach Dieppe.

Scharfe Aufforderung zum offenen Übertritt.

Als ich früher hörte, trefflicher Mann, du kämpfest bei Euch energisch für Verteidigung der Heilslehre und werdest deshalb von den Feinden des Glaubens verfolgt, da war ich um dein Wohl in Sorge und freute mich doch zugleich in Gott über deine Festigkeit. Aber ebenso sehr wundert es mich nun, dass jetzt, wo den Kindern Gottes doch größere Freiheit aufleuchtet, du noch im alten Schmutze bleibst, aus dem du doch längst hättest herauskommen sollen. Denn als von der erfreulichern Lage der Dinge in Eurer Stadt die Rede war, erkundigte ich mich gleich, wie du dich benähmest. Als man mir nun erzählte, du bleibest noch im gleichen Stand, da, – ich wills dir frei heraus gestehen, – schämte ich mich nicht wenig über diese ganz unaufrichtige Unentschlossenheit. Wenn auch ohne Zweifel der Satan und die Welt dir viel in den Weg legen, was dich hemmt und aufhält, so müsstest du doch alle diese Hindernisse durchbrechen. Denn da vieler Augen auf dich gerichtet sind, so hat, was du zur Entschuldigung vorbringst, nicht viel Bedeutung, wenn du nicht durch dein Beispiel allen vorleuchtest. Dazu hat dich Gott zu solchem Rang erhoben und dich so durch ein festeres Band zur Aufmunterung der andern verpflichtet. Auch kann man es dir nicht verzeihen, wenn dir die Kämpfe, in denen dich Gott früher schon geübt hat, nicht Mut gemacht haben. Nun ruft Gott all die Seinen sozusagen mit erhobenem Banner zum Kampf. Wenn anderer Leute Unschlüssigkeit vielleicht noch Schonung findet, – du darfst am allerwenigsten säumen. Denn was wäre widersinniger und schmählicher, als dass unter eines Knaben Führung Christo eine Gemeinde gesammelt wird, ganze Scharen wie um die Wette zusammenströmen, eine ganze Menschenmasse sich der Gottlosigkeit energisch widersetzt, Leute jeden Standes einmütig sich zum reinen Gottesdienst bekennen, – und ein Veteran der Theologie, der bereits ein leuchtendes Zeugnis seiner guten Gesinnung abgelegt hat, auf den man so hohe Erwartungen gesetzt hat, bliebe nicht nur ruhig, sondern sogar noch mitten unter den offenen und erklärten Feinden Christi? Du wirst sagen, du schweigest ja nicht ganz und bleibest nicht neutral, sondern gäbest manches Zeichen aufrichtigen Glaubenseifers. Aber es fehlt noch sehr viel daran, dass dieses unklare, zweideutige Zeichengeben ausreichte, die Herzen der Frommen zufrieden zu stellen, die mit Recht etwas Größeres von dir verlangen. Wenn du also nicht offen ans Licht trittst und Christo die Ehre gibst, ja als Vorkämpfer und Bannerherr in der Reihe gehst, so kannst du dem Vorwurf allzu schwächlicher Untätigkeit weder vor Gott, noch vor der Kirche je ausweichen; denn die Verhältnisse sind nun soweit gediehen, dass für Ausflüchte kein Raum mehr ist. Verzeih meine Heftigkeit, die mir nur meine wahre Liebe zu dir eingibt. Denn ich schätze die Begabung, die Gott dir verliehen, so hoch, dass ich nicht anders kann, als dir gut sein. Lebwohl, hochberühmter, von Herzen verehrter Mann. Der Herr leite dich mit seinem Geiste, wappne dich mit seiner Kraft und behüte dich mit seinem Schutze.

Genf, 14. März 1562.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (700)

Nr. 700 (C. R. – 3737)

Die Schande, die Calvins Stieftochter Judith über ihn brachte, ist nicht näher bekannt. Graf Antoine de Crussol war in königlichem Auftrag nach Aix gesandt, um die vom katholischen Volke gestörte öffentliche Ruhe wiederherzustellen. Als Julian Apostata bezeichnet Calvin den König von Navarra. Das erwähnte Gutachten betraf die Stellung der Evangelischen zu einem freien Konzil und war zu Händen Katharinas von Medici ausgestellt. Weggelassen ein Abschnitt über Synoden in Bern und Neuchatel. Über den französischen Gesandten Matthieu Coignet vgl. 664.

Unruhen in ganz Frankreich. Vom Gutachten über ein Konzil.

Als ich neulich unserm lieben Blaurer schrieb, konnte ich an dich nicht auch schreiben, weil ich eben erst ein Fieber los geworden war; dazu kam dann das häusliche Leid über die Schande meiner Stieftochter, das mich für ein paar Tage in die Einsamkeit trieb. Während ich in einem Landhäuschen weilte, wurde mir, dein Brief gebracht, mit dem viele Gerüchte, die anderswoher kommen, übereinstimmen. Wir haben also Grund, uns zu fürchten; aber es wird schwer halten, sich vor dem Unglück in acht zu nehmen. Wie groß das Durcheinander in Frankreich ist, siehst du teils aus Bezas Brief, von dem ich für dich eine Kopie haben anfertigen lassen, teils will ich es selbst kurz andeuten. Bei Aix-en-Provence, wo ein Parlament seinen Sitz hat, haben die Papisten einen Aufruhr erregt, so dass man es gewagt hat, den Grafen de Crussol, der mit den höchsten Vollmachten dorthin gesandt war, aus der Stadt auszuschließen. Er raffte nun einige Fähnlein zusammen, zwang sie, die Tore zu öffnen, und ließ einige henken. Ein Teil der Gegenpartei, der entfliehen konnte, hält sich noch in einem stark befestigten Nachbarstädtlein; doch wir sie bald der Mangel an allen Lebensmitteln zur Übergabe zwingen; bisher haben sie nämlich wie Räuber gehaust. Das Parlament selbst ist erschrocken und hat schwere Strafen über die Aufrührer verhängt, obwohl viele der Richter selbst in dasselbe Verbrechen verwickelt sind doch die schont man, bis die Bewegung abgeflaut ist. Marseille und andere Städte, die auf Abfall sannen, sind zur Botmäßigkeit gebracht durch Garnisonen, die man in sie legte. Das Parlament von Toulouse hätte gerne alles durcheinander gebracht, aber die Ratsherren der Stadt, die man die Capitouls nennt und bei denen die niedere Gerichtsbarkeit liegt, haben eine starke, sichere Mannschaft aufgeboten und den grausamen Übermut des Parlaments so ihm Zaum gehalten, dass sich in den Vorstädten die Evangelischen frei versammeln können, bis zu 10 000 Menschen; im Ganzen haben etwa 15 000 dem Evangelium die Ehre gegeben. In der Auvergne wütet der Adel ganz verstockt. Bei den Aremorikern dagegen, d. h. in der Bretagne, hat der Adel fast einmütig das Evangelium angenommen, ebenso in der Picardie, doch lässt sich das Volk nicht dazu bringen. In der Champagne und im Gebiet um Sens sind sie nur halbwegs mutig, dagegen fangen die Burgunder an, mehr zu wagen. Man gehorcht dem königlichen Edikt; aber gerade das Schauspiel, dass solche Massen in Ordnung vorgehen, ärgert die Gegner noch mehr, als wenn an irgendeinem unbekannten Ort Gottesdienst abgehalten würde.

Nichts hält den Fortschritt des Reiches Christi mehr auf, als der Mangel an Pfarrern. Zwar berichtet Beza auch, Julian versuche bei Hofe alles zu verderben; doch alles, was er Böses plant, wird auf sein Haupt zurückfallen; meinen letzten Brief hatte er damals noch nicht. Wenn die Königin sieht, dass Hilfe bereit ist, wird er vielleicht auch von ihr schärfer aufgerüttelt. Auch ich werde drängen wie bisher, damit die Unsern eine solche Gelegenheit sich nicht entgehen lassen und sich dann erst, wenn es zu spät ist, dem Äußersten entgegenstellen. Das Gutachten, um das mich Beza bat, habe ich bereits abgesandt; eine lateinische Übersetzung lege ich dir bei; doch habe ich lieber meine französische Antwort wörtlich ohne Rücksicht auf den Stil übertragen, als ein schönes Latein herausbringen wollen. Auch lag mir die Kürze sehr am Herzen, um alles umfassen zu können. Wenn es dir scheint, ich habe der Gegenpartei mehr zugestanden, als billig gewesen wäre, so bedenke, dass ich dabei nicht nach meinen Wünschen vorgehen durfte; der Protest musste dem Verständnis der Königin-Mutter angepasst werden. Doch hatte ich dabei zweierlei vor, nämlich erstens, dass unsere Bedingungen, wenn sie dem königlichen Kronrat gefielen, von den Papisten energisch abgelehnt werden, was auch sicher geschehen wird; zweitens, dass, wenn sie doch dazu gebracht würden, sich unter das Joch zu beugen, uns kein Konzil schaden könnte. Ich hielt es nämlich für besser, wenn wir dort säßen etwa in der Rolle der Volkstribunen, als in der der Senatoren, die einfach überstimmt werden könnten. Was Beza von Euch verlangt, siehst du, und du wirst mit deinen Kollegen so rasch, wie es nötig ist, beschließen, was Euch gut scheint. Geschieht etwas Wichtiges, so will ich mir Mühe geben, dass du es rechtzeitig erfährst. Coignet wird, wenn er kommt, durch Übermittlung von Briefen uns helfen können. Die Heimsuchung Frankreichs wird die Heuchelei der Leute aufdecken, die von den Menschen abhängig waren; den Frommen aber wird der Mut wachsen, sie werden umso mehr lernen, sich auf Gott allein verlassen, und zugleich wird sie die Aufregung zum rechten Beten treiben. – –

[10. März 1562.]