Calvin, Jean – An einen unbekannten Adressaten.

Der Adressat dieses Briefs muss ein vertrauter Freund Calvins sein, vielleicht Beza oder Viret, doch bleibt wie sein Name auch sonst mancherlei in dem Briefe dunkel; z. B. wer der N. war, dessen Name in Bezas Briefausgabe weggelassen ist. Mit Morand, seinem Vorgänger im Amt (vgl. 223) scheint Calvin ausgesöhnt zu sein. Über de Normandie vgl. 300.

Seltsame Zeichen beim Untergang Noyons. Die Verleumdungen als Zuchtrute Gottes.

Mit dem guten Manne, [der dir diesen Brief bringt], habe ich geredet. Zu berichten, welche Worte hin und her zwischen uns gewechselt wurden, hat keinen Wert. Ich ermahnte ihn und sprach zu ihm, wie sichs gehörte, doch so, dass kein böser Verdacht in ihm aufsteigen konnte. Du bist klug genug, zu sehen, wie sehr wir uns bei der geringen Zahl Gutgesinnter hüten müssen, uns ganz zu entfremden, wer noch einigermaßen erträglich ist. Von den Brüdern, die in Lyon gefangen liegen, ist nichts Neues gekommen. Sie schreiben uns je alle sieben Tage und empfangen dafür jeweilen einen Zuspruch von mir, mehr um der Gefälligkeit willen, als weil sie es nötig hätten. Denn die wunderbare Kraft des Geistes Gottes beweist sich an ihnen in ihrem vollen Glanz, und doch zweifle ich nicht daran, dass sie durch meine Briefe noch mehr ermutigt werden. In einigen anderen Gegenden Frankreichs soll das Verfolgungsfeuer auch wieder entbrannt sein; nichts anderes kann ja die Wut der Feinde dämpfen, als die Lauheit und Feigheit derer, die Christum ohne Kreuz besitzen wollen. So kommts, dass vielerorts keine oder nur seltene Verfolgungen vorkommen, weil die Wut keinen Stoff findet. Aber das ist ein erbärmlicher Friede, der mit dem Schweigen der Treulosigkeit erkauft wird! Zu Paris ist aber auf Befehl des Königs selbst der Edelmann eingekerkert worden, der uns vor zwei Jahren mit so übergroßer Bereitwilligkeit aufnahm, kurz nach Pfingsten. Es war ein sehr witziger Herr, aber nicht weniger tapfer, und hat seither stets ein leuchtendes Zeugnis seiner Frömmigkeit abgelegt. Kurz bevor man Hand an ihn legte, hatte er mir geschrieben, er sei nun ganz daran, nach Abwicklung seiner Geschäfte nach Genf auszuwandern. Und so wollte er sich mit den Tyrannen vergleichen, dass er, zufrieden mit einem Drittel seines Vermögens, zwei Drittel ihnen hinterlasse. Unter anderm erzählte er auch, was dir nicht verborgen bleiben soll, es habe sich ihm in den Ruinen unserer Stadt Noyon der seltsame Anblick geboten, dass mein Vaterhaus unversehrt stehen geblieben sei, während alle andern zu Asche geworden seien. Schließlich bemerkt er: „Ich zweifle nicht, dass Gott es als Zeugnis stehen lassen wollte gegen alle die in Ihrer Stadt, die acht oder zehn Tage vorher Herrn de Normandie im Bild verbrannt hatten usw.“ Weiter ist noch auf Beschluss des Pariser Gerichts etwas geschehen, was er als letztes berichtet. Dieses Gericht hat seine lächerliche Dummheit dadurch verraten, dass es, ohne mich zu erwähnen, den Abel vor das Gericht zu Noyon laden ließ, mit der Bemerkung, bei Nichterscheinen sei er als überführt anzusehen. Die Sache schiene mir unglaublich, hätten uns nicht die Freunde den Beschluss vom Pergament abgeschrieben gesandt. Ein Punkt ist noch der Erwähnung wert: An dem viereckigen Turm mitten auf dem Markt ließ man zu de Normandies ewiger Schmach eine eherne Tafel anbringen nach demselben Gerichtsbeschluss: jetzt ist dieser Turm samt seiner Privatwohnung vom Feuer verzehrt. De Normandie sagt nun, er entziehe sich der gerichtlichen Verfolgung, bis unsere Mitbürger seine Burg wieder aufgebaut hätten.

N., der zu unserm großen Ärger den unglücklichen Streit mit Morand hatte, hat, das muss ich gestehen, sich eine schöne Summe Geldes von hier und dort zusammengescharrt. Jedoch, dass er von mir darin unterstützt worden sei, bestreite ich, da ich vielmehr stets abriet, wenn mich jemand um Rat fragte. Aber die Schlechtigkeit dieses Menschen war so groß, dass er sich nicht scheute, ihm ganz Unbekannte anzugehn. Er ließ aber keinen los, bis er etwas aus ihm herausgepresst hatte. Meines Bruders Schwiegervater, ein Mann, der doch sein Geld so ziemlich festhält, ist um zwei Kronen geschädigt worden. Zu erzählen, mit welcher Zudringlichkeit er mich dazu bringen wollte, ihm 15 Kronen zu verschaffen, hat keinen Zweck. Da ich aber schließlich seine Unverschämtheit merkte und seiner Lügen müde war, habe ich ihm ebenso scharf und streng als offen seine Bitte abgeschlagen. Dass ihm aus unserer Armenkasse nichts ausgezahlt wurde, kann ich eidlich versichern, und es ist mir zuzuschreiben, dass er unsere Armenpfleger nicht auch betrog. Denn Vernou bat in seinem Namen, so dass ich gegen ihn hitzig wurde, weil er sich töricht einem Schwindler zu Diensten stelle. Als er dann bei mir persönlich die Hoffnung aufgab, von den Brüdern gemeinsam Hilfe erbat und wider meinen Willen in unsere Versammlung eindrang, da gab ich ihm in unserm Konvent kurz Bescheid, die Brüder könnten nicht nur seinen Bitten nicht willfahren, sondern sie wollten nicht einmal darüber beraten, da es sehr hässlich und unbillig wäre, seinen Gegner durch unser Eintreten für ihn zu verurteilen, so lang der Ausgang des Prozesses noch zweifelhaft sei und die Sache noch in Verhandlung schwebe. Ich habe mehr als zehn gute Zeugen dafür, die sagen können, dass ihm mit meiner Einwilligung kein Heller geliehen wurde. Ich habe es auch nicht heuchlerisch vor dir bezeugt, als du hier warest, es könne mich nichts dazu bringen, ihm mit einer Empfehlung zu helfen und dadurch gute Leute anzuführen. Ja, du erinnerst dich, ich habe damals etwas scharf gesprochen. Wenn ich nicht einmal mehr so falschen Vorwürfen ausweichen kann, was soll ich denn tun? Ich kann nur durch Geduld meinen Schmerz bezwingen. Damit mühe ich mich auch ab, komme aber nicht so weit, wie ich möchte. Denn es ist kein Leichtes für mich zu sehen, wie alle beifällig aufgenommen wird, was den Bösen beliebt, an Verleumdungen über mich auszustreuen. Auch hierin werden falsche Gerüchte über mich ausgestreut, nicht ohne einigen Schein der Wahrheit, weil man allgemein annimmt, ein so leichtsinniger, nichtsnutziger Mensch hätte ohne meine Zustimmung nicht dreißig oder mehr Gulden bekommen können. Gravier aber scheut sich nicht, zu prahlen, unser Rat habe ihm Amtsdiener zur Verfügung gestellt, zu einer Haussuchung bei mir. Da ist mirs gewiss schwer, gegen einen solchen Menschen, der mehr Geschrei macht als recht ist, nicht aufzubrausen. Doch hat mich bis jetzt niemand Lärm schlagen hören. Aber die Hauptsache ist, ich brauche solche Zuchtruten Gottes, damit ich zur wahren Demut erzogen werde. Noch notwendiger ist es mir, durch freiwillige Mahnungen der Brüder gezüchtigt zu werden. Darin fehlt mir aber eben dein Liebesdienst. Nicht einmal schüchtern mahnst du mich, sondern du liebkosest mich geradezu und tust, als ob dir mir gegenüber nicht mehr erlaubt wäre, als was dir auf dein Bitten gestattet würde. Ich sehe wohl, wohin du zielst. Du meinst, man müsse meine Grämlichkeit, die ich in den beständigen Schwierigkeiten bekommen habe, schonen. So angenehm mir auch diese freundliche Rücksicht ist, die aus der Liebe stammt, so schäme ich mich doch, dass du fürchtest, mich durch freie Aussprache zu beleidigen. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr mache dich von Tag zu Tag reicher an seinen Gaben und segne dein frommes Wirken. Grüße die Brüder und Freunde von mir. Meine Kollegen und viele Brüder lassen dich vielmals grüßen.

Genf, 15. Februar 1553.
In Wahrheit Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An einen unbekannten Franzosen.

Beza war zurzeit Professor in Lausanne.

Von Bezas Krankheit.

Als dieser dein Bote mit deinem Brief an Beza zu mir kam, da war ich von einer ganz neuen Befürchtung erschreckt und zugleich von schwerem Kummer bedrückt. Denn Tags zuvor war mir gemeldet worden, Beza sei von der Pest befallen worden. So war ich nicht nur bang wegen der Gefahr, in der er schwebte, sondern geradezu betäubt betrauerte ich in meiner außerordentlichen Liebe ihn schon wie einen Toten; wenn auch meine Trauer nicht nur aus meiner persönlichen Zuneigung, sondern vor allem aus der Sorge ums Gemeinwohl der Kirche stammte. Ich müsste ja ein Unmensch sein, wenn ich den nicht wieder liebte, der mich mehr als brüderlich liebt und mich wie einen Vater ehrt. Noch heftiger quälte mich aber der Gedanke an den Verlust der Kirche, da ich einen Mann, von dem ich die reichste Frucht erwarte, uns schon im Beginn seiner Laufbahn entrissen sah. Seine milde Gemütsart, seine feinen Sitten und die echte Lauterkeit seines Herzens haben ihn ja schon früher allen Guten liebenswert gemacht. Aber wenn du einmal heimlich hierher kommst, was zu tun ich dir sehr rate, so wirst du finden, dass er sich jetzt selbst übertrifft. Wenn du meinst, er sei für dich verloren, so sei ein so böses Vorzeichen ferne von uns. Es wäre richtiger, wenn er durch sein Scheiden dich wahrhaft und fest gewönne. Denn was haben wir außer Christo, wovon wir Gewinn haben können. Ich hoffe aber, Bezas Leben sei unserm Bitten gewährt. Denn, wenn er freilich auch noch nicht außer Gefahr ist, so ist doch gestern bessere Nachricht gekommen. Morgen werden wir hoffentlich etwas vernehmen, was uns alle Bedenklichkeit wegnimmt. Lebwohl, trefflicher Mann, und nimm es mir gut auf, dass ich so vertraulich an dich, einen mir Unbekannten, schreibe. Der Herr leite dich mit seinem Rat und behüte dich mit seinem Schutze.

30. Juni 1551.

Calvin, Jean – An einige unbekannte junge Leute.

Mahnung zu Vorsicht und Festigkeit.

Meistens geht es so, dass etwas Überflüssiges die Leser nicht nur langweilt, sondern sogar ärgerlich beiseite geworfen wird. Trotzdem habe ich das feste Zutrauen, dass Ihr, je weniger Ihr meine Ermahnung nötig habt, sie umso freundlicher aufnehmt. Denn wer freiwillig in die Laufbahn eines frommen Lebens eingetreten ist, der lässt sich nicht nur ruhig, sondern sogar gern noch zu weiterem anspornen. Dass es bei Euch so ist, das ist meine Überzeugung, und deshalb kann ich Euch unbedenklich zum Fortfahren ermuntern. Ich meine auch nicht, – um es einfach herauszusagen, worum es sich handelt – dass Ihr jetzt schon so munter weiter kommt, dass Ihr nicht noch von einem frommen Zuspruch Nutzen haben könntet; jedenfalls seid Ihr noch nicht so weit gekommen, dass Ihr nicht noch viel weiter streben müsstet. Wir müssen uns stets hüten, dass der kostbare Same, den wir empfangen haben, nicht erstickt wird oder ausartet; auch wenn wir täglich sorgfältig ausputzen; die Erfahrung lehrt uns, wie leicht die Dornen nachwachsen. Und wenn nun erst noch Nachlässigkeit dazukommt! Wenn nun erst vielfache Verführung von allen Seiten an uns heranschleicht! Das Allerschlimmste ist, wenn wir sie noch selbst herbeirufen. Ich sehe es in gewisser Beziehung, und Ihr spürt es selbst noch besser, wie viele Zerstreuungen sich einem aufdrängen in dem Leben, in dessen Strudel Ihr jetzt drin steht. Von diesem unruhigen, stürmischen Leben muss ich so sprechen, damit Ihr besonders eifrig und aufmerksam seid im Widerstand. Umso schwerer ist der Sieg, je größer die Gefahr ist, dass Ihr unbesorgt anderes treibt, darüber durch Satans List Christum vergesset, und das Euch dann in den Pfuhl der Welt hineinreißt. Behaltet stets das Wort des Paulus im Sinne: habe ein gut Gewissen, welches etliche von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten haben [1. Tim. 1, 19], damit wir nicht etwa auch für die andern ein Beispiel solch fruchtbaren Schiffbruchs werden. Freilich fürchte ich das von Euch nicht, aber weil wir nie zu vorsichtig sein können, so ließ mich meine Liebe zu Euch das nicht verschweigen. Wir sehen ja, wie heutzutage die meisten sich lustig machen und sozusagen ungestraft mit Gott ihren Spott treiben. Deshalb ist nichts besser, als dass jeder sich plötzlich aufrafft, darüber zu erschrecken, in sich geht und mit sich selbst Abrechnung hält. Und nun, wenn je in Euch einmal warme Begeisterung war, so dürft Ihr sie auch jetzt nicht matt werden lassen ob all dem Elend, das wir über die Kirche hereinbrechen sehen, so dass sie am Rand des Untergangs zu stehen scheint. Ihr müsst vielmehr dran denken, wie elend und gering dem Mose die Lage seines Volkes vorkommen musste, als er freiwillig auf Geld, Lust und Ehre der Ägypter verzichtete und der Genosse der Beschimpften und Geplagten wurde. Wenn wir nun auch nicht alle gleicher weise durch solche hohe Gesinnung uns auszeichnen, so sollen wir uns doch alle berufen fühlen, mit gleichem Eifer das ihm nachzutun. Mit diesen paar Worten möchte ich Euch zwar nicht vollständig beweisen, aber doch andeuten, wie sehr ich um Euer Seelenheil Sorge trage. Lebt wohl, Ihr trefflichen, edeln Jünglinge. Der Herr leite Euch stets mit seinem Geist und mache Euch mehr und mehr reich an geistigen Gütern, dass sein glorreicher Name durch Euch verherrlicht werde.

5. November 1548.

Calvin, Jean – An einen unbekannten französischen Herrn.

De la Riviere ist das Pseudonym für Francois Perrucel, den frühern Novizenmeister der Pariser Barfüßer, der sich der Reformation anschloss.

Genf kein Paradies, aber ein sicheres Asyl.

Monsieur, durch Herrn Francois de la Riviere habe ich teilweise von Ihrer Absicht gehört und lobe unsern Herrn, dass er Ihnen guten Mut gegeben, ihm zu dienen bis in den Tod. Da wir uns ihm ganz hingeben müssen und ohne Hintergedanken, wenn wir als die Seien anerkannt sein wollen, so bleibt für Sie nur noch übrig, zu wissen, wie Sie sich am besten in seinen Dienst stellen können. Wahr ists, die Erde ist sein und wir dürfen überall wohnen, wenn wir uns nur sorgfältig unbefleckt halten zu seiner Ehre an Leib und Seele. Wenn uns gesagt wird, dass die ganze Erde heilig ist, so mahnt uns das ja gerade, dass wir sie nicht beflecken sollen durch ein böses Leben. Es ist nun in Betracht zu ziehen, ob Sie durch die Verheimlichung Ihres Glaubens, wie Sie sie üben, nicht teilhaft werden der Befleckung, die Sie mit Recht an den Ungläubigen verurteilen. Ich weiß wohl, Ihr Herz ist weit davon entfernt zuzustimmen, aber indem sie scheinbar an diesem Wesen teilnehmen, geben Sie zweifellos Zustimmung vor. Wie wir nun aber vor Gottes Angesicht den Götzendienst verabscheuen sollen, so schickt es sich auch, im Angesicht der Menschen alles zu vermeiden, was den Schein geben könnte, als billigten wir den Götzendienst. Es ist ebenso nötig, dass unser Leib ganz rein für Gott erhalten wird, wie unsre Seele, denn er ist ein Tempel des heiligen Geistes und hat die Verheißung unvergänglicher Herrlichkeit, die an ihm offenbar werden soll am jüngsten Tage. Nun ist es aber unmöglich, Leib und Seele ganz dem Dienste Gottes zu widmen und daneben dergleichen zu tun, als habe man Gemeinschaft mit den Götzendienern bei einer Handlung, von der wir wissen, dass sie Gott die Ehre raubt. Da genügt nun die Antwort nicht, Sie bekennten ja nichts mit dem Munde, sondern seien vielmehr sogar bereit, im Gegenteil Einspruch zu erheben, wenn man es von Ihnen verlange; denn Sie wissen wohl, dass Sie in keiner andern Absicht hingehen, als um den Feinden Gottes zu zeigen, dass Sie ihr Tun nicht verwürfen. Wollten Sie ihnen nicht den Gefallen tun, um dadurch den Verdacht zu vermeiden, als seien Sie ein Gegner ihrer kultischen Gräuel, so gingen sie gewiss nie hin. Und das ist nichts anderes, als ihrem Götzen aus Heuchelei huldigen, wenn schon Sie es nicht wollen. Wenn Sie finden, ich sei zu scharf in meiner Rüge, so bitte ich Sie, einmal in sich zu gehen, und Sie werden finden, dass ich nichts vorgebracht habe, was Ihnen nicht auch Ihr Gewissen schon vorwirft. Urteilen Sie danach, ob Gott Ihnen nicht noch viel mehr vorzuwerfen hat, denn er sieht deutlicher als wir. Daher kann ich nach dem Urteil, das Gott mir gegeben hat, einem Christenmenschen einfach nicht raten, in solchem Zustand zu verharren, und kann nicht anders sagen, als dass erst der ganz glücklich ist, der frei ist von solcher Gebundenheit. Wer also die Möglichkeit hat, sich frei zu machen, darf sie meines Erachtens nicht verschmähen. Freilich, nie wird einer die Umstände so ganz nach Wunsch finden, dass er ohne Schwierigkeit davon kommt, ja selbst nicht ohne viel Schererei, Schaden und Verlust an Geld und Gut. Aber wir müssen eben lernen, Gottes Ehre allem andern vorzuziehen. Was Sie persönlich angeht, so halte ich dafür, Gott habe Sie bis hierher gebracht, damit Sie nun fest entschlossen sein sollen, nicht an dem Ort zu versumpfen, wo Sie Gott willentlich beleidigen, und ich enthalte mich daher längerer Ermahnungen. Nur achten Sie wohl darauf, den guten Willen, den Ihnen Gott gegeben, nicht zu ersticken in Ihnen, sondern vielmehr anzufeuern. Seien Sie sich selbst ein Mahner, der Sie stets daran erinnert, Ihren guten Vorsatz auszuführen. Denn ich weiß, und die Erfahrung wird es auch Sie lehren, wie viele Abhaltungen es gibt, die Ihren Vorsatz in Vergessenheit bringen wollen oder ihn so verzögern, dass er kalt wird. Was den Lebensunterhalt angeht, um dessentwillen mich Herr Francois angefragt hat, so habe ich ihm geantwortet, und er wird es Ihnen, denke ich, schon ausrichten. Aber Ihr Auszug muss doch sein, wie der der Kinder Israel aus Ägypten, nämlich mit Sack und Pack. Und dazu braucht es, das sehe ich ein, festen, unwandelbaren Mut. Aber Sie vermögen alles in dem, der Sie stark macht. Hat er Sie einmal hierher gebracht, so werden Sie schon sehen, welche Anweisung er Ihnen gibt. Ich meinerseits werde mich von Herzen gerne für Sie verwenden, wie es meine Pflicht ist. Ich hoffe, da Sie schon mit bedeutenden Dingen zu tun gehabt haben, wird es Ihnen auch hier daran nicht fehlen. Aber es gefällt Gott manchmal, unsern Glauben in der Weise zu üben und zu prüfen, dass wir lassen müssen, was bisher unser Handwerk war und nicht wissen, was wir neues finden sollen. Da haben wir als Beispiel unsern Vater Abraham. Gott befiehlt ihm, sein Vaterland und seine Freundschaft und alles Übrige zu verlassen, und zeigt ihm dafür keinen Entgelt in der Gegenwart, sondern vertröstet ihn auf später [1. Mos. 12, 1]. Ziehe aus, sagte er ihm, in das Land, das ich dir zeigen will. Wenn es ihm nun heute gefällt, das gleiche an uns zu tun, dass wir unser Heimatland verlassen müssen, um umzusiedeln in ein unbekanntes Land, ohne zu wissen, wie wir es dort finden werden, so wollen wir uns ihm übergeben, dass er unsere Schritt lenke, und wollen ihm die Ehre antun, zu hoffen, dass er uns zum sichern Hafen führe. Sie müssen freilich wissen, dass Sie nicht in ein Paradies auf Erden kommen und sich in Gott freuen können ohne alles Leid. Sie werden vielmehr ein ziemlich rohes Volk finden, Sie werden ärgerliche Versuchungen auch hier erfahren. Kurz, erwarten Sie keine Besserung Ihrer Stellung, außer der, dass Sie frei werden von der unseligen Gefangenschaft Leibes und der Seele und in Freiheit Gott in reiner Weise dienen können. Sie haben die reine evangelische Lehre hier, Sie können seinen Namen anrufen in der Gemeinschaft der Gläubigen, Sie können die Sakramente recht genießen. Aber das muss Ihnen durchaus genügen, wenn wir es annehmen, wie es sich gehört. Von andern Lebensgütern nehmen Sie, was Gott Ihnen gibt, und verzichten auf das, was er nicht will, dass Sie es haben sollen. Bereiten Sie sich also darauf vor, in der Nachfolge Jesu Christi dem Kreuz nicht zu entfliehen, denn mit dieser Flucht würden Sie ja auch gar nichts gewinnen, das Kreuz würde Sie doch finden. Aber wir wollen zufrieden sein mit der unschätzbaren Wohltat, dass es uns nicht allein möglich ist, mit ruhigem Gewissen zu leben, sondern auch uns täglich zu üben in der Heilslehre und im rechten Brauch der Sakramente zu unsrer Stärkung. Wer auf diesen Grund baut, der errichtet einen guten Bau, und tatsächlich können Sie gar nicht anders zeigen, ob Sie Jesum Christum verehren oder nicht, als wenn Sie die ganze Welt für Dreck achten, wenn Sie nur ihn finden.

So empfehle ich mich denn, Monsieur, Ihrer Gewogenheit angelegentlich und bitte den lieben Gott, er möge Sie erfüllen mit dem Geist des Rates und der Klugheit, dass Sie erkennen, was gut und nützlich ist, er möge Sie befestigen in wahrer Standhaftigkeit, damit Sie seinen Willen auch ausführen, in andern Worten, er möge Sie leiten an seiner Hand, Ihren Ausgang und Eingang segnen und alles zu gutem Ende bringen.

Den 18. Oktober 1548.
Ihr ergebener Bruder und Diener im Herrn.
Ch. d´ Espeville.

Calvin, Jean – An einen unbekannten Franzosen.

Messe und Abendmahl.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei und bleibe bei Ihnen durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Geliebter Bruder, ich preise unsern Herrn, dass er Sie zu reiner, schlichter Erkenntnis seiner Wahrheit zurückgeführt und Sie befreit hat von Irrtümern, in die er manchmal sogar die Seinen geraten lässt zu Ihrer Demütigung. Nun achten Sie darauf, zu wandeln in dieser Schlichtheit des Glaubens, damit Gott Sie immer mehr darin bestärke. Sind Sie so eins geworden in dieser Welt mit unserm Haupte Jesu Christo und ein Glied seines Leibes, weil er unser Fleisch angenommen hat, um ganz unser Bruder zu sein, und leben Sie im Gehorsam seines Evangeliums, das uns all unsere Seligkeit bei ihm suchen heißt, so werden auch Sie zu dem Leben kommen, das den Gläubigen verheißen ist, in der Erwartung, dass er uns alle miteinander auferwecke zu seiner Herrlichkeit; wie wir hoffen dürfen, dass während unser Leib in der Erde schläft, unsere Seele mit ihm lebt.

Was nun die Frage angeht, die Sie mir stellen, nämlich, ob es einem Christenmenschen erlaubt sei, teilzunehmen am Abendmahl, wie es an Ihrem Wohnort gefeiert wird, so wäre die Antwort leichthin ja, wenn es nämlich das Abendmahl Jesu Christi wäre. Aber wenn Sie alles recht betrachten, so ist zwischen dem Abendmahl und der päpstlichen Messe nicht mehr Übereinstimmung und Ähnlichkeit als zwischen Feuer und Wasser. Freilich ist es wahr, dass die Gebote Gottes durch keine menschliche Bosheit oder Dummheit zu etwas Schlechtem gemacht werden können, aber das leugne ich Ihnen gerade, dass die Messe von Jesus Christus gestiftet ist; vielmehr hat der Satan sie ihm zum Trotz zurecht geschmiedet, um das heilige Abendmahl zu zerstören. Denn sie ist das gerade Gegenteil davon, sofern man daraus ein Opfer gemacht und einer töricht ersonnenen Handlung die Kraft des Leidens und Sterbens Jesu Christi zugeschrieben hat. Es ist dazu noch andrer handgreiflicher Götzendienst dabei, nicht nur in der Anbetung des Brotes, sondern auch im Gebet für die Gestorbenen, in der Zuflucht, die man im Verdienst und der Fürbitte der Heiligen sucht und in manchem andern, was man dabei tut und das Gott verboten hat. Deshalb ist den Gläubigen ebenso wenig erlaubt, an einem solchen Aberglauben teilzunehmen, als es früher erlaubt war, in Bethel Opfer zu bringen. Denn es widerspricht direkt dem Glaubensbekenntnis, das Gott von uns fordert. Da aber diese Frage ausführlicher behandelt ist in Schriften, die ausdrücklich davon handeln, so bitte ich Sie, diese Schriften fleißig zu lesen, und anempfehle Sie dem Herrn, dass er Ihnen seinen Willen zeige und Ihnen die Augen öffne, dass Sie weiß von schwarz wohl unterscheiden lernen. Ich glaube auch, Sie werden dann zufriedener in Ihrem Geiste sein, wenn Sie sich nicht erlauben, dergleichen zu tun, als billigten Sie die Gottlosigkeiten der Bösen. So bitte ich denn den lieben Gott, er wolle seine Gnade mehr und mehr wachsen lassen an Ihnen, Sie erkennen lassen, was gut ist und Ihnen dann auch die Kraft und Treue geben, ihm zu folgen und anzuhangen.

Genf, 13. Juni.
Ihr treuer Bruder
Johann Calvin.

Martin Butzer über seinen Hausstand

„Diesen Winter habe ich nie unter acht Personen in meiner Behausung um des Herrn willen erhalten, abgesehen von anderer Steuer und Hilfesleistung, die ich den Dürftigen getan. Nicht ein Geringes habe ich von dem, das mir meine Hausfrau zugebracht also eingebüßt, dazu alle meine Besoldung, und dennoch Schulden, und zwar keine geringe gemacht. Dieses schreibe ich nicht gern, will mich auch selbst nicht rühmen, wie ich auch in solchem nicht gerechtfertigt und bei allem ein unnützer Knecht bin, hab es wegen der Anklage des Geizes (katholischerseits) getan, und das vor Gott, der Alles weiß und recht richten wird.“

Calvin, Jean – An einen uns unbekannten Freund.

Die erwähnten Genfer Kollegen sind Jacques Bernard, Aime Champereau und Henri de la Mare. Der dritte dankte bald ab. Calvins und Farels eigentliche Nachfolger Marcourt und Morand hatten es schon vor seiner Rückkehr getan. Calvin arbeitete an der dritten lateinischen Ausgabe seines Hauptwerks Institutio religionis christianae.

Die neue Genfer Kirchenzucht.

Um dir von meinem Ergehen etwas zu berichten, dass du nicht nur vom Hörensagen von mir weißt, so habe ich viel Mühe, teils das Zusammengebrochene wiederherzustellen, teils das Bestehende irgendwie zu erhalten. Während mich der Reichstag aufhielt, hatten die Berner den Unsern Viret sozusagen leihweise abgetreten, bis zu meiner Ankunft. Er hat mir viel erleichtert, aber doch nicht erreicht, dass nicht auch jetzt noch alles recht schwierig ist. Als man ihn zurückverlangte, habe ichs durchgesetzt, dass mir sein Urlaub um ein halbes Jahr verlängert wurde. Unterstützt durch seine Mitarbeit, seinen Rat, seine Treue und seinen Eifer, habe ich allenthalben in bessere Form gebracht, was ganz umgestürzt oder doch zerbrochen, verstümmelt und verzettelt war. Zuerst musste man den Anfang damit machen, ein Kirchengesetz abzufassen. Es wurden uns sechs Ratsmitglieder beigeordnet zu seiner Abfassung. In zwanzig Tagen haben wir eine Gesetzesvorlage aufgestellt, die zwar durchaus nicht vollständig genug, aber doch im Verhältnis zur Kraftlosigkeit unserer Zeit recht erträglich ist. In der Volksabstimmung wurde sie angenommen. Dann wurde ein Gericht zur Ausübung der Sittenzucht und zur Wahrung der Kirchenordnung eingesetzt. Denn ich wollte, wie es billig ist, die geistliche Gewalt von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterschieden wissen. So ist auch die Ausschließung vom Abendmahl wieder in Gebrauch getreten. Als in Deutschland teils die Pest, teils der Krieg wütete, bewirkte ich, dass ein außerordentlicher Bettag beschlossen wurde. Die dabei zu brauchenden Gebete habe ich geschrieben. Dazu habe ich neue [liturgische] Formeln gefügt, um bei der Verwaltung der Sakramente eine längere und deutlichere Erklärung zu haben. Schließlich kam ich zum Katechismus, bei dessen Abfassung mir der Herr, wie ich glaube, beigestanden hat. Das sind ja freilich Arbeiten von wenigen Tagen gewesen, aber bei so vielen Abhaltungen, die mich bald hierhin, bald dorthin rufen, ist jede Arbeit schwierig. Denn ich besinne mich nicht, dass seit ich hier bin, mir nur einmal zwei Stunden vergönnt gewesen wären, in denen man mich nicht in Anspruch nahm. Rechne dazu, dass ich noch die lateinische Institutio fertig bringen musste, die mich, wie du bei ihrem Erscheinen merken wirst, nicht wenig Schweiß gekostet hat. Aber das alles wäre mir leicht zu ertragen, im Vergleich mit einem andern Übelstand, der mich wunderlich quält. Wir haben nämlich Kollegen, die uns recht wenig passen. Zwei von ihnen sind damals, als wir vertrieben wurden, in unsere Stellung eingedrungen; ein andrer ist seither, ich weiß nicht wie, eingeschlichen. Denn zwei von denen, die gleich anfangs die vakant gewordenen Stellen besetzt hatten, haben es selbst besser gefunden, sich davon zu machen. Der dritte hat mich auch bereits um einen Teil der Last erleichtert und um Entlassung gebeten, die er ohne Schwierigkeit erhielt. Bleiben noch zwei, die mir sehr viel zu tun geben werden, wenn sie nicht zur Vernunft kommen. Der eine von wilder, besser grimmiger Gemütsart, gehorcht keinem guten Rat. Der andere aber, schlau und verschlagen, ist ganz aus Lüge und List zusammengesetzt. Beide sind daneben ungelehrt und hochmütig. Zur Unwissenheit kommt noch sorglose Fahrlässigkeit, da sie nie auch nur im Traum daran gedacht haben, was es heißt, einer Gemeinde vorzustehen. Unter solchen Dornen muss ich leben. Du fragst, warum ich denn das müsse. Ich wills dir in ein paar Worten auseinander setzen. Du weißt, im Fass bleibt eine Hefe zurück, die man nicht ausschöpfen kann, ohne dass der klare, reine Wein verdirbt. So ists mir hier gegangen. Als ich hierher kam, hätte ich sie, wenn ich gewollt hätte, mit einem Wörtlein wegbekommen können; aber ich erwog, was die damalige Zeitlage ertrug. Es war damals in der Gemeinde zu Neuchatel der entsetzliche Lärm losgebrochen, den zu dämpfen ich auf meiner Reise dorthin abbog. Ich erreichte freilich nichts, als dass die Gemüter sich allmählich beruhigten und es möglich wurde, an Heilung zu denken; wobei ich freilich sah, wie schwierig sie noch sein werde. Hier war mir niemand zur Hand, den ich hätte einsetzen können, wenn ich jemand hätte beseitigen lassen. So wäre die Gemeinde verwaist geblieben, wenn ich etwas derart unternommen hätte. Ein drittes Hindernis lag darin, dass wir die Ordnung der Kirchenzucht noch nicht festgestellt hatten, mit der ich sie hätte angreifen können. Durch eine gewaltsame Art der Vertreibung aber wollte ich kein böses Beispiel geben, weder für damals gerade, noch für die Zukunft. Auch das hielt mich in gewisser Weise zurück, dass die Gefahr bestand, man könnte mich verdächtigen, ich verfahre mehr aus persönlicher Rachsucht als aus wahrem Eifer so leidenschaftlich in dieser Sache. Freilich hätte das allein mich nicht zögern lassen, wenn die übrigen Umstände günstig gewesen wären. So beschloss ich bei mir, sie in jeder Weise zu ertragen, da keine Möglichkeit war, sie wegzubringen. Es war mir dabei nicht verborgen, welch harten Zwang ich mir damit auflegte. Denn es ist nicht genug, wenn man einen Kollegen neben sich behält; man muss auch zugleich Frieden mit ihm halten. Und ich wusste wohl, dass Friede nicht bestehen könne, wenn ich ihn nicht mit großer Mäßigung und Toleranz erkaufe. Aber, fragst du, ist denn das so hart? Gewiss, wie du mich kennst, kannst du leicht beurteilen, dass es mir nicht leicht fällt. So tue ich meiner Eigenart Gewalt an und halte durch meine Mäßigung ihren bösen Willen so im Zaum, dass er nicht offen ausbrechen kann. Sie leugnen es auch selbst gar nicht, dass sie von mir viel freundlicher beurteilt worden sind und heute noch behandelt werden, als sie es je zu hoffen wagten. Auch habe ich nicht nur gegen sie, sondern auch gegen die andern Überbleibsel der Partei [unsrer Gegner] diese Mäßigung angewendet, so dass sie, sie mögen wollen oder nicht, gezwungen sind, es anzuerkennen und zu loben. Denn wenn du wüsstest, wie leicht ich den Beifall des Volkes hätte finden können, wenn ich mit vollen Segeln auf sie eingefahren wäre, so wundertest du dich, dass ich diese Gelegenheit habe vorbeigehen lassen. Als ich damals im Rat redete, habe ich die Ehre meiner Amtsstellung so verteidigt, dass ich die Gegner durchaus schonte. Was nützte es, das wirst du auch sagen, über tote Hunde zu triumphieren? und doch fändest du ganz gewiss viele, die sich kaum Zügel angelegt hätten. Als ich zum ersten Mal wieder in der Predigt vors Volk trat, da war jeder gespannt und in großer Erwartung. Ich ließ aber die Erwähnung der Dinge, die alle bestimmt erwartet hatten, ganz weg und sagte ein paar Worte über Art und Weise unserer Amtsführung und hob dann mäßig und mit Takt unsere lautere Treue hervor. Nach dieser Einteilung nahm ich die Bibelstelle zur Erklärung vor, bei der ich seinerzeit stehen geblieben war; ich wollte damit zeigen, dass ich mein Lehramt nur auf eine gewisse Zeit unterbrochen, nicht aber aufgegeben habe. Im Betreff unserer Reinigung von den Verleumdungen, die jene Frevler über uns ausgestreut hatten, war mir das Volk schon zuvorgekommen. Denn in dem Volksbeschluss, der über meine Rückberufung gefasst worden war, hatten sie mich ihren treuen Hirten genannt. Ein zweiter Volksbeschluss war darauf gefolgt, in dem Rat und Volk bekannte, es sei uns schweres Unrecht geschehen und Gott um Verzeihung für diese Schuld bat. Nach meiner Rückkehr habe ich erreicht, dass eine Gesandtschaft an meinen Kollegen Guillaume [Farel] gesandt wurde, mit der Bitte, er solle seine frühere Herde auch wieder einmal besuchen; dann auch noch eine in die Stadt, wo der andere [Couraut] begraben liegt, um für den Toten in jener Gemeinde Zeugnis abzulegen. Da hast du nun einen Teil von dem, was ich erlebt habe. Du, lieber Bruder, bitte nun Gott, dass er das alles zu gutem Ende leite und mir Rat, Mut und Kraft verleihe, sein Werk treu und klug zu vollführen. Denn je weiter ich komme, umso besser spüre ichs, welch arbeitsreiche und schwierige Aufgabe über übernommen habe. Wenn du einmal hierher zu uns kommen kannst, so weißt du, welche Freude es mir wäre, dich zu sehen. Ich hoffe die nächsten Herbstferien werden dir dazu passen. Leb wohl, liebster Bruder.

Genf. [Ende Januar 1542].

Urbanus Rhegius an einen Unbekannten

„Ich, der ich vielleicht in Beurtheilung der Wahrheit auch kein Klos bin, urtheile so: Niemand könne Luthern hassen, wenn er ihn kennt. Luthers Schriften zeigen seinen Geist an, aber wenn du den Mann selbst siehst, wenn du ihn selbst mit apostolischem Geiste über göttliche Dinge reden hörst, dann wirst du sagen: die Gegenwart übertrifft das Gerücht. Luther ist zu groß, als daß er von irgend einem Halbwisser könnte oder dürfte gerichtet werden. Siehe, welch herrliche Gnade Gottes in dem Manne ist, dessen ich mich wahrlich nicht schäme. Ich will sagen, was ich denke. Wir schreiben ja auch hin und wieder und behandeln die Schrift, ohne Prahlerei gesagt: aber mit Luther verglichen, sind wir Schüler. Dies Urtheil fließt nicht aus der Liebe, sondern vielmehr die Liebe aus dem Urtheil. Ich verachte Niemanden. Ich will mich lieber verachten lassen, als gelobt werden. Dagegen aber will ich nicht leiden, daß Luther, jeneg auserwählteste Werkzeug des heiligen Geistes, verachtet werde. Er bleibt noch wohl ein Theologus für der ganzen Welt, das weiß ich; ich kenne ihn nun bas((besser)), denn zuvor, ehe ich ihn habe selbst gesehen und gehört“.

Urbanus Rhegius an einen Unbekannten

„Als ich nach Sachsen reiste, brachte ich in Coburg einen ganzen Tag allein mit Luther, dem Manne Gottes, zu: ich habe nie in meinem Leben einen angenehmeren Tag verlebt. Denn Luther ist ein solcher und ein so großer Theologe, daß keine Jahrhunderte einen ähnlichen gehabt haben. Um so mehr verabscheue ich die Thorheit und Anmaßung der Carlstadtianer, die sich schmeicheln, als könnten sie mit Luther verglichen werden, dessen Schatten sie nicht erreichen bei aller Gelehrsamkeit, womit sie sich brüsten. Luther war mir immer groß. Aber jetzt ist er mir der größte. Denn selbst gegenwärtig, habe ich gesehen und gehört, was sich Abwesenden mit keiner Feder beschreiben läßt“.

Luther, Martin – An einen Unbekannten

28. Februar 1529

Gnad vnd Fried in Christo. Gunstiger guther Freund. Auff die frage der Ehe halben ist das meine gutho meinung, Ich rithe in keinen weg, das der geselle sich von dem weibe scheiden solt, Sondern stracks zur ehe behalten, Er habe sie gleich wieder Vatters willen oder Bapst recht bekommen. Denn wiewol ein kindt wider seins vatters wissen nicht freihen soll, wenn es aber dohin vnd so ferne kompt, das der Sohn eines andern tochter beschlefft oder Schwengert vnd ins werck mit der ehe bracht ist, So ist vetterliche obrigkeit zu lang außen gewest vnd ist des andern nachteil an seiner tochter nicht zu leiden. Vatter soll Vatter sein, soferne es ohne eines Andern schaden und nachteil ist. So achte ich nach des Bapsts recht diese ehe nicht anders, denn als so einer eine magd Schwengert, weil diese Frau vor Gott frey vnd nicht des ersten mannes weib hatt mogen sein, wiewol sie als die betrogene vnschuldig ist et sic titulus ille vel casus de ea quae prius per adulterium polluta est hatt hie kein stadt noch fug. Vnd Summa wenn gleich zehen irthumb hierinnen gewesen weren, weil die sachen nuhn an tag kommen, das der vorige man ein eheweib hatt, So ist sie frey vnd dieses andern recht ehelich weib vnd soll sie behalten. Denn fur Gott kann er sie nuhn nicht lassen. Hiemit Gott beuohlen. Sontags Oculi 1529.

Martinus Lutherus

Zeitschrift für Kirchengeschichte
in Verbindung mit D. W. Hass, D. H. Reuther und D. A. Ritschl
herausgegeben von
D. Theodor Brieger
VI. Band
Gotha,
Friedrich Andreas Perthes
1884