Luther, Martin – An einen Unbekannten

28. Februar 1529

Gnad vnd Fried in Christo. Gunstiger guther Freund. Auff die frage der Ehe halben ist das meine gutho meinung, Ich rithe in keinen weg, das der geselle sich von dem weibe scheiden solt, Sondern stracks zur ehe behalten, Er habe sie gleich wieder Vatters willen oder Bapst recht bekommen. Denn wiewol ein kindt wider seins vatters wissen nicht freihen soll, wenn es aber dohin vnd so ferne kompt, das der Sohn eines andern tochter beschlefft oder Schwengert vnd ins werck mit der ehe bracht ist, So ist vetterliche obrigkeit zu lang außen gewest vnd ist des andern nachteil an seiner tochter nicht zu leiden. Vatter soll Vatter sein, soferne es ohne eines Andern schaden und nachteil ist. So achte ich nach des Bapsts recht diese ehe nicht anders, denn als so einer eine magd Schwengert, weil diese Frau vor Gott frey vnd nicht des ersten mannes weib hatt mogen sein, wiewol sie als die betrogene vnschuldig ist et sic titulus ille vel casus de ea quae prius per adulterium polluta est hatt hie kein stadt noch fug. Vnd Summa wenn gleich zehen irthumb hierinnen gewesen weren, weil die sachen nuhn an tag kommen, das der vorige man ein eheweib hatt, So ist sie frey vnd dieses andern recht ehelich weib vnd soll sie behalten. Denn fur Gott kann er sie nuhn nicht lassen. Hiemit Gott beuohlen. Sontags Oculi 1529.

Martinus Lutherus

Zeitschrift für Kirchengeschichte
in Verbindung mit D. W. Hass, D. H. Reuther und D. A. Ritschl
herausgegeben von
D. Theodor Brieger
VI. Band
Gotha,
Friedrich Andreas Perthes
1884