Durchlauchtiger rc. Der Brüderschaft halben, mag sein, daß man Christen, so irren, und doch den Irrthum nicht vertheidigen, als Brüder dulden solle, wie Christus selbst seine Jünger geduldet hat. Aber diejenigen, so ungegründete Lehre vorgeben und vertheidigen, kann man nicht für Brüder halten; denn man soll ja nicht willigen in unrechte Lehre. So hat auch Paulus die Galater angenommen, daneben aber von denjenigen, so unrechte Lehre vorgaben, gesprochen: ich wollte, daß die, so euch beschneiden, weggeschnitten würden.
Denn wie können wir doch Brüderschaft mit unserm Widerpart machen, und also willigen, daß sie ihre Lehre vertheidigen für recht und gewiß, so doch unser Gewissen anders fühlet und hält? Es ist doch noth, daß man gewiß sei, was man hält und lehrt. Wahrlich, wenn das Herz ungewiß ist, und soll also ungewiß etwas vorgeben, so ist’s übel verwahrt wider Gottes Gericht; wie Paulus spricht: was nicht aus dem Glauben geschiehet, ist Sünde; und bedarf guter Erfahrung, wie der Glaube gewiß sein muß, so er vor Gottes Gericht bestehen soll.
Wie kann man vermeinen, es liege nicht groß daran, was man lehre, es sei genug vor Gott fromlich und ehrbarlich leben! Also wären viel Philosophen auch christlich gewesen. So ist auch die Lehre nicht zu richten nach dem Schein eines bürgerlichen Lebens, sondern nach Gottes Wort…. Immerhin sind wir schuldig, zu bekennen, was wir glauben, sowie wir auch schuldig sind, andern nicht zu wehren, die Lehre, so wir nicht gewißlich für recht halten, zu verbieten. Zudem ist auch noth, daß wir bedenken, daß wir nicht andre gute und gewisse Lehre mit dieser ungewissen Subtilität stopfen, wie bereit zum Theil geschiehet. Verfolgen doch die Zwinglischen ohne ein Concilium die Papisten und Wiedertäufer; warum soll den Andern unrecht sein, ihre ungegründete Lehre zu verbieten außerhalb des Concilii? sonderlich so dadurch rechte, gewisse Lehre gefördert und Friede erhalten wird.
Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862