Matthieu Dymonet von Lyon war ein berüchtigter Wüstling, wurde dann durch eine plötzliche, völlige Bekehrung dem evangelischen Glauben zugeführt, am 9. Jan. 1553 verhaftet und starb am 15. Juli als Märtyrer. Der Brief ist eigentlich vom 10. Januar datiert, doch ist das wohl ein Irrtum.
Ein Neubekehrter als Märtyrer.
Obwohl ich zur Stunde keine so schweren Kämpfe zu bestehen habe wie Sie, sehr lieber Bruder, so lassen Sie wohl doch zu, dass ich Sie ermahne, als ob ich mit Ihnen gefangen läge; tatsächlich entspringt mein Eifer, Ihnen zu schreiben, doch nichts anderm [als meiner Teilnahme an Ihrem Los]. Doch bitte ich Sie, zu betrachten, dass wir alles dem Willen und der Anordnung unseres Vaters im Himmel überlassen müssen, der einen jeden von uns beruft zu der Stellung, die ihm gefällt. Zuweilen spart er seine Kinder auf, bis er sie gebildet und geformt hat in langer Behandlung, wie St. Petrus bekanntlich aus dem Mund des Herrn vernahm: wenn du aber alt wirst, wird man dich führen, wo du nicht hin willst [Joh. 21, 16]. Zuweilen kommt es aber auch vor, dass er Neulinge drannimmt, oder wenigstens solche, die nicht lange Zeit zum Kämpfen eingeübt sind. Wie dem auch sei, so ist das gut, dass er nicht weniger mächtig ist, seine Kraft in den Schwachen zu zeigen und sie plötzlich unbezwinglich zu machen, als sie an denen fortwirken zu lassen, die diese Kraft schon in langen Zeiträumen an sich gespürt haben. Soviel ich höre, waren sie nicht unter den ersten, die Gott zu seiner Erkenntnis berufen hat, und nichtsdestoweniger hat er Sie nun ins Vordertreffen gestellt, damit Sie sein Zeuge seien. Er hat Ihnen beim ersten Angriff solche Kraft und solche Standhaftigkeit geschenkt, dass die Feinde der Wahrheit das Zeichen Jesu Christi erkennen mussten, das sie nicht leiden mögen. In dem Mitleid, das ich, wie sichs gehört, mit Ihnen habe, fühle ich gar wohl, dass Satan nicht aufhört, stets neue Angriffe auf Sie zu machen; da müssen wir eben unsere Zuflucht zu dem nehmen, der so wohl begonnen hat, und ihn bitten, er wolle sein Werk vollenden. Wenn Sie viele Versuchungen bestehen müssen, so erschrecken Sie nicht; ja, wenn Sie eine solche Schwäche in sich spüren, dass Sie fast daran sind, sich erschüttern zu lassen, so erkennen Sie, dass Gott Sie dadurch demütig machen will, so dass Sie in der Not seine Hilfe besser erkennen und dazu getrieben werden, seinen Namen anzurufen und Ihre Zuflucht ganz in seiner Gnade zu suchen, wie wir das denn so nötig haben, dass er uns fast mit Gewalt dazu treibt. Jedenfalls fehlt es auch nicht an solchen, die von außen her das Feuer noch schüren, Leute, die unter dem Schein der Freundschaft und Verwandtschaft Ihre schlimmsten Todfeinde sind; denn um Ihren Leib zu retten, werden sie sich bemühen, Ihre Seele nach Kräften ins Verderben zu ziehen. Ferner ist die menschliche Phantasie selbst eine wunderliche Werkstatt, in der tolle Einbildungen geschmiedet werden, geeignet, die wahre Ruhe zu stören, die die heilige Berufung unseres Gottes geben soll; denn er befiehlt uns, nur auf ihn zu schauen, und hat damit Recht. Deshalb heißt es gewappnet und bewehrt sein nach allen Seiten. Doch brauchen Sie darum sich keine Sorgen zu machen, da Gott verheißen hat, die Seinen auszurüsten, je nach der Art, wie Satan sie angreift. Überlassen Sie sich nur ganz ihm und misstrauen Sie allem, was in Ihnen liegt; setzen Sie Ihre Hoffnung darauf, dass er allein stark genug ist, Sie aufrecht zu halten. Sie brauchen übrigens nur auf zwei Dinge zu schauen: wie groß die Sache ist, die Sie verfechten, und welcher Siegeskranz denen verheißen ist, die standhaft ausharren im Bekenntnis des Evangeliums. Der Dienst Gottes, die unendliche Gnade, die er uns gezeigt hat in seinem Sohn, all die Herrlichkeit seines Reiches, das ist eine so köstliche Sache, dass es einem sterblichen Menschen nicht leid tun darf, sein Leben dranzusetzen im Kampf gegen die hässlichen Verdrehungen, die die Welt beherrschen und all das Genannte zunichte machen wollen. Nun wissen wir ferner, welches Ende diese Kämpfe nehmen werden, und dass der, der uns erlöst hat, einen so köstlichen Preis wie sein Blut nicht wird verloren gehen lassen, wenn wir damit versiegelt sind. Nun wissen wir aber auch, dass er sich gerade zu denen als den Seinen bekennt und sich auch zu ihnen am jüngsten Tage zu bekennen verspricht, die sich hienieden zu ihm bekannt haben. Wir wissen freilich noch nicht, was er mit Ihnen zu tun beschlossen hat, aber besseres gibt es nicht, als ihm Ihr Leben zum Opfer zu bringen und bereit zu sein, es hinzugeben, wenn er will, doch in der Hoffnung, dass er es auch bewahren kann, wenn es ihm zu Ihrem Heile nützlich scheint. Wiewohl das dem Fleische schwer fällt, so ist’s doch so die die wahre Ergebung der Gläubigen. Sie müssen beten, der liebe Gott möge das Ihrem Herzen so einprägen, dass es nie verlöscht. Wir bitten ihn auch unsrerseits, er möge Sie seine Kraft spüren lassen und Sie dessen ganz sicher machen, dass er Sie in seiner Hut hat, die Wut Ihrer Feinde im Zaum hält, und in jeder Weise sich als Ihr Gott und Vater zeige.
Da ich höre, unser Bruder Pierre Bergier liege im gleichen Gefängnis mit Ihnen, so will ich Sie bitten, ihn von mir zu grüßen und ihm diesen Brief auch mitzuteilen. Wir wollen wandern, bis wir ans Ziel kommen und ins Himmelreich aufgenommen werden.
Den 10. [Februar] 1553.
Ich habe noch etwas vergessen, nämlich: Antworten Sie Ihren Feinden mit Ehrerbietung und Bescheidenheit, nach Maßgabe des Glaubens, den Gott Ihnen verleihen wird. Ich sage das, weil es nicht allen gegeben ist zu disputieren, wie auch die Märtyrer keine großen Schriftgelehrten und feinen Denker gewesen sind, um sich auf tiefsinnige Dispute einlassen zu können. Beugen Sie sich also demütig unter die Führung des Geistes Gottes und antworten Sie nüchtern nach Ihrer Erkenntnis und dem Satz der Schrift: Ich glaube, darum rede ich [Ps. 116, 10; 2. Kor. 4, 13]. Und doch soll Sie das nicht hindern, frei und rund heraus zu reden, dessen gewiss, dass, der verheißen hat, uns Rede und Weisheit zu geben, der alle Gegner nicht widerstehen können, auch Sie nicht im Stiche lassen wird.