Luther, Martin – An Erhard Schnepff

An den hochwürdigen Herrn Erhard Schnepf, treuen Diener des Worts in Hessen, seinen geliebtesten Bruder.

Gnad und Friede im Herrn. Auch mich, theurer Mann, erfreuet es eben so sehr als Euch, daß Euer Landgraf nicht verschmähete dem Reichstage beyzuwohnen. Er würde sonst nicht nur sich ungütigen Anmerkungen, sondern auch die Sache des evangelii selbst, die ohnehin von fanatischen Leuten genung leidet, ausgesetzet haben. So beweiset der Herr durch derley Fügungen, daß er mit uns sey. Wir sehen zugleich, daß unser Seufzen noch so viel vermöge, daß am Ende uns nicht verlasse der Gott der Demüthigen und Gebeugten, der die Wirderwärtigkeiten zu unserm Vortheil lenkt. Ihm sey Preis und Ehre in Ewigkeit. Es geschehe also! Ich schrieb auch an Euren Herrn einen Brief, den ich hier beylege. Wenn Ihr schicklich könnet, möget Ihr ihn selbst einhändigen. Sollt es nöthig seyn, so könnet Ihr ihm mündlich die Sache noch näher legen. IIch kann auf die Aufrichtigkeit seiner Gesinnungen weder alle Hoffnung bauen, noch alle Hoffnung aufgeben. Daher habe ich vielleicht nicht zu dringend noch der Wichtigkeit der Sache gemäß ihn ermahnet, daß er sich vor Ansteckung der andern und dem schnödesten Köder des Teufels hüte. Dieses einzige ist bey der ganzen Sache meine Stütze, daß Christus selbst unser Flehen zu erhören versprach, wie es geschrieben stehet: Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen in der Warheit. Und abermal: Die Gerechten flehten zu ihm, und der Herr erhörte sie. Ja er selbst befahl und sprach: Rufe zu mir am Tage der Trübsal, und ich werde dich befreyen, und du wirst mich lobpreisen. Dieß´sey uns eine eherne Mauer! Amen. Die Gnade des Herrn sey mit Euch, der Euch stärken, und in dem Ihr wahres Heil finden möget. Erinnert Euch meiner in Eurem Gebete, so wie ich mich Eurer erinnere. Aus meiner Einöde den 20sten Jun. 1530.

Euer
Martin Luther

Quelle: Gottfried Schütze