Beza, Theodor von – An Johannes Jakobus Grynaeus, 24. Juni 1595

Heute, am Tag Johannes des Täufers, an meinem 77. Geburtstag, kündigte mir meine alte Magd gleich bei meinem Erwachen an, daß sich in unserm Hühnerhof Seltsames zugetragen habe. Eine Henne, die ich für verloren gehalten, weil sie uns vor einem Monat, am Tag, da ich sie kaufte, sofort verlassen hatte, sei diesen Morgen plötzlich wieder im Hühnerhof erschienen – begleitet von fünfzehn stattlichen Küchlein! Aus dieser schlichten Geschichte meines Alltagslebens siehst du, lieber Grynaeus, daß ich ohne Umstände mit dir als meinem Freund rede. Ich habe sofort dem Geber alles Guten meinen Dank ausgerichtet, daß er auf solch liebevolle Art meinen irdischen Besitz gemehrt hat. Halte mich nicht für abergläubisch, mein Freund, aber ich habe mich dabei des Gedankens nicht erwehren können, daß dieses Hühnervolk ein Angeld sei auf weiteren Segen meines himmlischen Herrn. Darauf habe ich flugs ein Verslein gedichtet; ich sende es dir, um dir Kunde von meinen geistigen Erholungen zu geben. Das Verslein lautet: Die Henne, die ich auf dem Markt für zehn Schillinge gekauft hatte, beschert mir nach einem Monat fünfzehn kleine Hühner! Aber ich, du freundlicher Herr Jesu, welche Früchte habe ich während 77 langen Jahren für dich hervorgebracht? Welchen Ertrag hätte das Feld nicht bieten sollen, das du so teuer bezahlt hast, das du so lange und so treu bearbeitet hast? Ach, wie wenig Ehre erweist doch meine Seele ihrem himmlischen Herrn, und wie oft verleugnet sie ihren göttlichen Ursprung! Vergib mir, o Herr, und erhöre mich, wenn ich tiefgebeugt dich bitte: Du hast einst dein Volk versammeln wollen, wie eine Henne die Küchlein unter ihre Flügel versammelt; handle so auch an mir; gib es, daß ich immer dein Küchlein bleibe! – Dein Freund

Th. von Beza

Quelle:
Der Gärtner Wochenschrift Freier evangelischer Gemeinden Deutschlands Witten, 1922 Verlag: Bundes-Verlag, Witten

Beza, Theodor von – An König Heinrich VI.

Genf, 10. Juli 1572.

Erhabenster König, es verräth einen hohen Sinn, wenn der Mensch in Widerwärtigkeiten nicht erliegt, sondern durch sie zum Streben nach dem Kranze des Sieges getrieben wird; diese Kraft der edlen Seelen schenkte euch Gott. Er ließ euch in der Lehre. der Wahrheit, mit der er seinen Geist der Sündhaftigkeit, der die Schwächsten stark und unbesieglich macht, zu verbinden pflegt, unterrichten; darum leben wir alle der Hoffnung, das Unglück, das Euch und die ganze Kirche betroffen, werde Euch nicht niederstürzen, sondern Euch vielmehr Anlaß geben, zu zeigen, welche Stärke der Seele und welch großen Muth Euch der Herr verliehen. Da mich Gott an den Posten gestellt hat, den ich einnehme, so beschwöre ich Euch beim Namen Christi, der sich Euch von Eurer Jugend an zu seinem Dienste erkoren, daß ihr entschlossen, muthvoll und standhaft fortfahret, und die betretene Bahn bis aus Ende durchlaufet. Vorsichtig müßt Ihr vor Allem werden, wenn Ihr bedenkt, daß Satan keinem König und Fürsten der Erde so nachstellt, wie Euch, weil er einsieht, daß ihm alles daran liege, Euch vom begonnenen Laufe und der ergriffenen Religion zu entfernen. Ihr werdet es schon oft bemerkt haben, daß jener Feind unzählige Diener und Helfer hat, deren er sich bedient, um Euch vom rechten Wege abzulenken, und allmählich zu verderben. Eure Klugheit erfordert es zu wachen, daß sich jener Feind nicht Eurer selbst bediene, um seine Absichten zu erreichen. Wollte doch Gott nach seiner großen Barmherzigkeit, dieß Unglück von Euch und uns allen wenden! Die Zeiten sind schlecht, unzählige Menschen verlassen die wahre Religion und rufen die Gebräuche des Aberglaubens zurück, weil sie denken, man könnte diese den Unwissenden lassen, und sie selbst nur zum Scheine üben. Diese Denkart ist aber nur eigentliche Gottlosigkeit, es ist ein Hohn aller Religionen, es ist eine Gleichgültigkeit gegen den Dienst des höchsten Wesens, vor der Ihr Euch, wie vor einem ansteckenden Gifte, darum am Meisten zu fürchten habt, weil dadurch der Mensch in einen Abgrund stürzt, in dem keine Hoffnung der Rettung ihm bleibt. Da ich nun Tag und Nacht an Eure Ruhe denke, so kommt mich eine große Furcht an, die Flamme eines so furchtbaren Brandes möchte auch Euch ergreifen. Doch Muth! in Gottes Hand ist alles: er wird auch an Euch seine Kraft und Gnade durch Eure Erhaltung zeigen, er wird Euch durch seinen Beistand bewegen, Mittel gegen jene Uebel zu gebrauchen. Das erste ist unstreitig, daß Ihr nie aus Ueberdruß oder langer Weile den Predigten beizuwohnen versäumt, daß ihr nicht blos den Predigern, welche die reine Lehre vortragen, Euer Ohr gern leiht, weil Gott ihnen das Predigtamt übertragen, und Christus gesagt hat: wer euch hört, der hört mich, wer euch verachtet, verachtet mich; sondern auch alle die gerne hört, welche Euch durch fromme Reden zur Gottseligkeit ermuntern. Es ist aber noch nicht dem Worte Gottes gehorchen, wenn man ihm das Ohr leiht, man muß es in das Innere seiner Brust aufnehmen, damit es dort wohne, Augen und Ohren regiere, Gedanken, Reden und Handlungen lenke. Ist dieß bei Euch der Fall, so werden wohl viele Stürme über Euch hereinbrechen, aber Ihr werdet gewiß auch an Euch das Wort des Herrn als Wahrheit erfahren: ich will die ehren, die mich ehren. Laßt Ihr euch dagegen nur einen Fuß breit von diesem Wege ableiten, so zweifelt nicht, daß die, welche Euch von Gott entfernten, und Euch vor Augen schmeichelten, im Verborgenen Euch verachten und tadeln werden. Damit Ihr desto gewisser vor allem Uebel Euch bewahret, so rufet Gott von ganzem Herzen an und behaltet das Beispiel Davids, des frommen Königs, immer vor Augen. Wenn sein 101. Psalm mehr als irgend eines Sterblichen Rath Eurer Seele gegenwärtig ist, so seid überzeugt, daß die Gnade Gottes, die gleichsam Euer Erbgut war, Euch bleiben werde, und daß Eure Nachkommen noch größere Beweise derselben erhalten werden. Zu Gott siehe ich, zu ihm, der ein König aller Könige, ein Herr aller Herrn ist, daß er Euch in seinen Schutz nehme, und mit seinem heiligen und königlichen Geiste erfülle, daß Ihr auf diesen vertrauend Euch selbst durch Reinheit des Wandels, Frömmigkeit und Tugend besieget, aber ich flehe zugleich, daß er Euch mit allen seinen Gaben beglücke und erfreue zum Ruhme seines b. Namens, zum Troste seiner Kirche, zum Nutzen des Reichs.

Beza, Theodor von – Brief aus Poissi

Poissi, 8. Sept. 1561.

Wir bitten und beschwören Euch bei dem Namen des großen Gottes, der Zeuge und Richter unsrer Gedanken und Worte ist, daß Ihr für heute Alles vergeßt, was seit vierzig Jahren geschrieben und gethan sein mag, und mit uns jede Vorliebe, jedes Vorurtheil, das den Erfolg unsrer Unterhandlung hemmen könnte, ablegen möget, daß Ihr von uns das hoffet, was Ihr, so Gott will, gegründet finden sollte, daß wir uns gerne belehren lassen, und das Alles anzunehmen bereit sind, was uns aus der h. Schrift als wahr erwiesen wird. Glaubet ja nicht, daß wir hieher kommen, einen Irrthum zu behaupten, nein, sondern um die Irrthümer, die wir und Ihr könnten begangen haben, zu verbessern. Glaubt nicht, daß wir den Stolz besäßen, die Kirche Gottes, die ewig sein und bleiben wird, umstürzen zu wollen. Glaubet nicht, wir wollten Euch unsrem armen und niedrigen Stande, mit dem wir gleichwohl durch Gottes Gnade ganz zufrieden sind, gleich machen. Nein, es ist unser ernster Wille, daß Jerusalems Trümmer wieder zu einer Stadt werden, daß der geistliche Tempel wieder erbaut werde, daß des Herrn Haus, von lebendigen Steinen errichtet, von seinem alten Glanze aufs Neue umstrahlt sei; daß alle zerstreuten und auseinandergetriebenen Schafe wieder in die Hände des einzigen, erhabensten Hirten geführt und gesammelt werden. Das ist unser Entschluß und Wille. Habt ihr es bis heute nicht geglaubt, so werdet ihr, das hoffen wir, es heute glauben lernen, da Sanftmuth und Geduld allen unseren Verhandlungen zu Grunde liegen soll. O möchten wir doch, statt alles Streitens und Beweisens mit einer Stimme dem Herrn ein Lied singen, und wie einstmals Heiden thaten, als schon ihre Schlachtordnungen sich gegenüber standen, uns einer dem andern die Hände reichen! Es wäre ja eine Schande, wenn wir, die wir beide die Lehre des Friedens bekennen, uns so leicht trennen, so schwer versöhnen wollten. Doch freilich können wir Menschen dieß Alles nur wünschen, Gott allein kann es zur Ausführung bringen, ich ahnde, er wird es thun, seine Güte wird unsre Sünden bedecken und sein Licht unser Dunkel zerstreuen.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Beza, Theodor von – An den Berner Rath

Im Mai 1555

Was uns betrifft, so sei es fern, daß wir uns durch Calvins oder irgend eines andern Menschen Ansehen etwas sollten vorschreiben lassen, wenn es auf den christlichen Glauben ankommt. Nur damit uns nicht das Urtheil Christi treffe, daß die sollen wieder verachtet werden, die seine Diener verachten, müssen wir bekennen, daß wir, nachdem wir Calvins Unterricht im Christenthum und sonstige Erklärungen der h. Schrift gelesen, nach unserem Gewissen und mit uns gewiß ein großer Theil der Christenheit bekennen müssen, daß diese Lehre mit der h. Schrift ganz übereinstimmt, und daß wir darüber nicht schweigen können, ohne eine der Hauptgrundfesten der Reformation Eurer Kirchen zu erschüttern; da diese Reformation doch durchaus bis auf den heutigen Tag bewahrt wurde, und wir sie mit Gottes Hülfe bis auf den letzten Blutstropfen noch ferner zu bewahren entschlossen sind. Darum, wenn Euch Gottes Wahrheit, der Friede der Kirche, die Ruhe der Gewissen immer theuer gewesen, so bewirket, wenn dieß nicht zu viel verlangt scheint, daß die erwähnte Lehre nicht mehr als eine Erfindung Calvins erscheine, sondern als Lehre des lebendigen Gottes, und daß sie, die von einigen eher getadelt, als verstanden ist, aufrecht erhalten werde. Wenn es Euch etwa gefällig wäre, über diese Sachen noch ferner das Urtheil der Kirchen zu vernehmen (obgleich uns das nicht nöthig scheint wegen der beständigen Uebereinstimmung der Lehrer hierüber), so sind wir auch stets bereit, Rechenschaft von unsrem Glauben und Zeugniß der Wahrheit abzulegen. Deßhalb bitten wir Euch, damit Euren Untergebenen die Wahrheit nicht etwa zweifelhaft werde oder bleibe, die Predigt der Lehre, welche uns anvertraut worden, nicht in engere Grenzen, als recht ist, einzuschließen, da es uns nach Gottes Wort erlaubt sein muß, über die Geheimnisse des Glaubens, sofern die Schrift darüber handelt, klar zu sprechen, wie wir es bis dahin mit gutem Gewissen zu thun uns bemühten. Da wir nun an Eurem guten Willen gegen die Kirche keineswegs zweifeln, so bitten wir Euch bei dem Sohne Gottes, der diese Geheimnisse uns zu unsrem Troste eröffnet hat, demüthig, daß Ihr euch deutlich erklären möget, damit denen das Maul gestopft werde, welche behaupten, daß man Gottes Heiligthum weder betreten, noch seine Geheimnisse erörtern müsse, und dadurch die Lehre der Wahrheit verläumden und den Sturz Eurer Kirchen beabsichtigen.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862

Beza, Theodor von – An Bullinger über die Verwerfung

Wir gestehen ein, daß die Ungläubigen wegen ihres Unglaubens verdammt werden, und wir lassen alle Schuld der Verdammniß auf den Menschen zurückfallen. In der Verwerfung aber kommt es allein auf Gottes Willen an, welcher die einzige Regel seiner Gerechtigkeit und deren einziges Gesetz ist, weshalb wir mit Paulus ausrufen: O welch‘ eine Tiefe! –

Jener aber erwidert, daß wir auf diese Weise Gott zum Urheber der sünde, gleichsam zu einem Tyrannen machen, der nicht nach Recht und Vernunft, sondern nach bloßer Willkür handele. Wenn Gott jemanden verwirft, sagt Bolsec, so thut er es, weil er zugleich voraus wußte, daß er die ihm dargebotene Gnade, die er hätte annehmen können, von sich stoßen werde. Wenn nun aber gott deswegen den menschen verwirft, weil er dessen Glauben vorausweiß, so erwählt er auch den menschen, weil er dessen Glauben vorausweiß.

Nun ist es aber doch bekannt, daß wir nicht erwählt werden wegen des Glaubens, sondern daß wir glauben, weil wir erwählt sind; denn sonst würde die Erwählung von uns und nicht von der göttlichen Gnade abhängen. Wir sagen also, daß wer die Verwerfung nicht annimmt, daß der auch die Erwählung leugnen müsse; wir sagen, daß man der Vernunft hierin kein Urtheil gestatten könne, daß man die verschiedenen Zwecke der Sünde in’s Auge fassen müsse. Als Sünde betrachtet, fällt zwar alle Schuld derselben auf die Menschen zurück; insofern aber diese Sünde von der Verwerfung abhängt, so wird diese von Gott bestimmt, zur Verherrlichung seines Ruhmes durch die Strafen der Bösen. Wir sagen endlich, daß bei der Verwerfung drei Grade stattfinden: Die Verwerfung, der Unglaube oder die gänzliche Unbekanntschaft mit Gott und dann der Tod. Diesen entsprechen ebenso viele Grade der Erwählung: Die Erwählung aus Gnaden, der Glaube und das ewige Leben.

….

Was ist aber das für eine Frömmigkeit, wenn Einer es wagt, mit unverschämter Stirn die schändlichsten Lästerungen nicht allein in öffentlicher Versammlung vor den Lehrern aufwieglerischer weise vorzubringen, sondern dieselben auch noch bis zu dieser Stunde auf das Hartnäckigste vertheidigt? Es sei denn, daß man es nicht als Irrlehre betrachten wolle, wenn Einer behauptet, allen Menschen werde dieselbe Gnade angeboten, und alle wären in gleicher Weise von Gott zur Seligkeit berufen; es stehe also in der Macht eines Jeden, die Gnade Gottes anzunehmen oder zurückzuweisen, weshalb man diejenigen, von denen Gott vorausgesehen und gewußt habe, daß sie der dargebotenen Gnade sich zuwenden würden, die Erwählten heiße.

Denn vor Gott sei Alles schon gegenwärtig; er sehe daher den künftigen Glauben der Menschen voraus, in Bezug auf welchen er gewisse Menschen erwähle, und ebenso den Unglauben, weshalb er andere verwerfe. Wie? wir wurden also erwählt, weil wir (späterhin) glauben würden, und wurden nicht erwählt, damit wir glaubten? Der Glaube sollo also die Ursache und nicht die Wirkung der Erwählung sein! Denn sonst müßte man, meine Bolsec, auch sagen, der Unglaube sei nicht die Ursache, sondern die Wirkung der Verwerfung, woraus dann folge, daß Gott der Urheber der Sünde sei, daß Gott die Bosheit wolle, daß in Gott zwei einander widerstrebende Willenswirkungen wären. O der köstlichen Spitzfindigkeit, der subtilen Schlüsse!

Ich aber erwiedere: Ihr habt mich nicht erwählet, spricht Jesus, sondern ich habe euch erwählt. Der Glaube ist eine Gabe Gottes. Wir werden dazu hingezogen, wiedergeboren und dann belehrt. Dieß widerfährt aber nun den Allerwenigsten; wer kann also leugnen, daß gewissen Menschen eine ganz besondre Gnade zugetheilt werde? Ist die Gnade aber etwas Besonderes, – wohlan, für wen ist sie denn? _ Für die, welche Gott erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war, nach seinem Wohlgefallen,damit sie heilig seien, nicht weil sie heilig sein würden. Wenn nun aber auch Jene von Ewigkeit her erwählt sind, so wird deswegen noch Niemand, außer diesem Hieronymus, behaupten, daß Etlich von Ewigkeit her verworfen sind. Wenn der Glaube aus der Erwählung kommt, sagt er, dann muß auch der Unglaube aus der Verwerfung kommen und nach derselben gesetzt werden. Aber das finde ich wenigstens nicht in der heiligen Schrift: Diese sagt: Wessen er will, dessen erbarmt er sich, und er verhärtet, welche er will. Sie sagt nicht: er verhärtet den, der nicht glaubt (obgleich das auch sehr wahr wäre), sondern wen er will, und damit zeigt die Schrift an, daß Gottes Wille das Höchste und das Oberste sei.

Ueberdies wenn Paulus den Gottlosen, welche gegen diese Lehre stritten, die Worte in den Mund legt:wer vermag seinem Willen zu widerstehen? und ihre Lehre doch die wahre gewesen wäre, so müßte man mit Bolsec auf dieselbe Weise antworten. Nun aber ist es eine Blasphemie, zu sagen, das sei Gottes Wille, denn Gott will, daß allen Menschen geholfen werde, Gott ist es nicht wohlgefällig, daß Jemand umkomme.

Quelle:
Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche, VI. Theil Theodor Beza. Leben und ausgewählte Schriften von Dr. Heinrich Heppe Elberfeld, Verlag von R. L. Friderichs, 1861

Beza, Theodor von – An Bullinger, Prediger in Zürich

Lausanne, 12. Jan. 1552.

Jesus sagt zu seinen Jüngern, nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich euch. Der Glaube ist Gottes Geschenk, wir müssen gezogen, wiedergeboren, belehrt werden. Wer kann läugnen, daß dies nur wenigen Menschen widerfährt, daß also gewissen Menschen eine besondere Gnade zu Theil wird? Wenn es eine besondere ist, so fragt sich, für wen sie besonders sei. Doch wohl für die, welche von Gott vor aller Welt Anfang nach seinem guten Vorsatz auserlesen waren, daß sie heilig sein sollten, nicht aber, weil sie heilig sein würden. Wenn nun Einige von aller Ewigkeit her auserwählt sind, so kann doch nur ein Bolsec läugnen, daß nicht andere von aller Ewigkeit her verworfen sind. Der Glaube folgt auf die Auserwählung, es muß also auch die Verwerfung dem Unglauben vorangehen. In dieser Sache, wie in vielen andern, muß es genug sein, zu wissen, daß es so sei, das Warum zu erforschen ist Tollheit. Was also die Seligkeit betrifft, so schreiben wir alles Gott zu; in Rücksicht auf die Verwerfung aber erkennen wir nicht blos ein Vorherwissen Gottes, sondern auch einen Rath und Beschluß desselben (denn eine Gnadenwahl ohne Verwerfung ist nicht möglich), und doch werfen wir alle Schuld auf den Menschen. Sagt der menschliche Verstand etwas dagegen, so höre ich ihn nicht an, sondern schließe: das ist Gottes Wille, Gottes Rath, seine Rathschlüsse sind mir zwar unbekannt und ungemäß, Gott hat aber gewiß Gründe und gute Gründe, denn er will nicht im Menschen das Unrecht, und ist ganz Regel der Gerechtigkeit. Gegen meinen Bildner will ich nicht streiten, und diese Lehre treibt mich nicht zur Verzweiflung, sondern macht mich fest in Versuchungen, weil ich weiß, daß mein Heil nicht auf mir, sondern auf Gottes Vorsatz beruht, welcher immer derselbe bleibt. Gott hat mich durch das innere und äußere Wort berufen, das bezeugt mein Geist, der in mir seufzt und nach seinem Gott verlangt. Durch die Kraft des Geistes meines Gottes sind jene Versprechungen besiegelt; es haben meine Ohren Gottes Wort gehört, meine Seele hat es empfangen, hat ihn durch Gottes Gnade ihren Beifall gegeben, meine Augen haben Gottes Sacramente gesehen, meine Hände sie gehalten, der h. Geist hat durch sie mich Christi theilhaftig gemacht. Ist das nicht Beweis genug, daß ich ein Erwählter bin? Wer anders vernünftelt, streitet mit Gott.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862