Heute, am Tag Johannes des Täufers, an meinem 77. Geburtstag, kündigte mir meine alte Magd gleich bei meinem Erwachen an, daß sich in unserm Hühnerhof Seltsames zugetragen habe. Eine Henne, die ich für verloren gehalten, weil sie uns vor einem Monat, am Tag, da ich sie kaufte, sofort verlassen hatte, sei diesen Morgen plötzlich wieder im Hühnerhof erschienen – begleitet von fünfzehn stattlichen Küchlein! Aus dieser schlichten Geschichte meines Alltagslebens siehst du, lieber Grynaeus, daß ich ohne Umstände mit dir als meinem Freund rede. Ich habe sofort dem Geber alles Guten meinen Dank ausgerichtet, daß er auf solch liebevolle Art meinen irdischen Besitz gemehrt hat. Halte mich nicht für abergläubisch, mein Freund, aber ich habe mich dabei des Gedankens nicht erwehren können, daß dieses Hühnervolk ein Angeld sei auf weiteren Segen meines himmlischen Herrn. Darauf habe ich flugs ein Verslein gedichtet; ich sende es dir, um dir Kunde von meinen geistigen Erholungen zu geben. Das Verslein lautet: Die Henne, die ich auf dem Markt für zehn Schillinge gekauft hatte, beschert mir nach einem Monat fünfzehn kleine Hühner! Aber ich, du freundlicher Herr Jesu, welche Früchte habe ich während 77 langen Jahren für dich hervorgebracht? Welchen Ertrag hätte das Feld nicht bieten sollen, das du so teuer bezahlt hast, das du so lange und so treu bearbeitet hast? Ach, wie wenig Ehre erweist doch meine Seele ihrem himmlischen Herrn, und wie oft verleugnet sie ihren göttlichen Ursprung! Vergib mir, o Herr, und erhöre mich, wenn ich tiefgebeugt dich bitte: Du hast einst dein Volk versammeln wollen, wie eine Henne die Küchlein unter ihre Flügel versammelt; handle so auch an mir; gib es, daß ich immer dein Küchlein bleibe! – Dein Freund
Th. von Beza
Quelle:
Der Gärtner Wochenschrift Freier evangelischer Gemeinden Deutschlands Witten, 1922 Verlag: Bundes-Verlag, Witten