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Wir gestehen ein, daß die Ungläubigen wegen ihres Unglaubens verdammt werden, und wir lassen alle Schuld der Verdammniß auf den Menschen zurückfallen. In der Verwerfung aber kommt es allein auf Gottes Willen an, welcher die einzige Regel seiner Gerechtigkeit und deren einziges Gesetz ist, weshalb wir mit Paulus ausrufen: O welch‘ eine Tiefe! –
Jener aber erwidert, daß wir auf diese Weise Gott zum Urheber der sünde, gleichsam zu einem Tyrannen machen, der nicht nach Recht und Vernunft, sondern nach bloßer Willkür handele. Wenn Gott jemanden verwirft, sagt Bolsec, so thut er es, weil er zugleich voraus wußte, daß er die ihm dargebotene Gnade, die er hätte annehmen können, von sich stoßen werde. Wenn nun aber gott deswegen den menschen verwirft, weil er dessen Glauben vorausweiß, so erwählt er auch den menschen, weil er dessen Glauben vorausweiß.
Nun ist es aber doch bekannt, daß wir nicht erwählt werden wegen des Glaubens, sondern daß wir glauben, weil wir erwählt sind; denn sonst würde die Erwählung von uns und nicht von der göttlichen Gnade abhängen. Wir sagen also, daß wer die Verwerfung nicht annimmt, daß der auch die Erwählung leugnen müsse; wir sagen, daß man der Vernunft hierin kein Urtheil gestatten könne, daß man die verschiedenen Zwecke der Sünde in’s Auge fassen müsse. Als Sünde betrachtet, fällt zwar alle Schuld derselben auf die Menschen zurück; insofern aber diese Sünde von der Verwerfung abhängt, so wird diese von Gott bestimmt, zur Verherrlichung seines Ruhmes durch die Strafen der Bösen. Wir sagen endlich, daß bei der Verwerfung drei Grade stattfinden: Die Verwerfung, der Unglaube oder die gänzliche Unbekanntschaft mit Gott und dann der Tod. Diesen entsprechen ebenso viele Grade der Erwählung: Die Erwählung aus Gnaden, der Glaube und das ewige Leben.
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Was ist aber das für eine Frömmigkeit, wenn Einer es wagt, mit unverschämter Stirn die schändlichsten Lästerungen nicht allein in öffentlicher Versammlung vor den Lehrern aufwieglerischer weise vorzubringen, sondern dieselben auch noch bis zu dieser Stunde auf das Hartnäckigste vertheidigt? Es sei denn, daß man es nicht als Irrlehre betrachten wolle, wenn Einer behauptet, allen Menschen werde dieselbe Gnade angeboten, und alle wären in gleicher Weise von Gott zur Seligkeit berufen; es stehe also in der Macht eines Jeden, die Gnade Gottes anzunehmen oder zurückzuweisen, weshalb man diejenigen, von denen Gott vorausgesehen und gewußt habe, daß sie der dargebotenen Gnade sich zuwenden würden, die Erwählten heiße.
Denn vor Gott sei Alles schon gegenwärtig; er sehe daher den künftigen Glauben der Menschen voraus, in Bezug auf welchen er gewisse Menschen erwähle, und ebenso den Unglauben, weshalb er andere verwerfe. Wie? wir wurden also erwählt, weil wir (späterhin) glauben würden, und wurden nicht erwählt, damit wir glaubten? Der Glaube sollo also die Ursache und nicht die Wirkung der Erwählung sein! Denn sonst müßte man, meine Bolsec, auch sagen, der Unglaube sei nicht die Ursache, sondern die Wirkung der Verwerfung, woraus dann folge, daß Gott der Urheber der Sünde sei, daß Gott die Bosheit wolle, daß in Gott zwei einander widerstrebende Willenswirkungen wären. O der köstlichen Spitzfindigkeit, der subtilen Schlüsse!
Ich aber erwiedere: Ihr habt mich nicht erwählet, spricht Jesus, sondern ich habe euch erwählt. Der Glaube ist eine Gabe Gottes. Wir werden dazu hingezogen, wiedergeboren und dann belehrt. Dieß widerfährt aber nun den Allerwenigsten; wer kann also leugnen, daß gewissen Menschen eine ganz besondre Gnade zugetheilt werde? Ist die Gnade aber etwas Besonderes, – wohlan, für wen ist sie denn? _ Für die, welche Gott erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war, nach seinem Wohlgefallen,damit sie heilig seien, nicht weil sie heilig sein würden. Wenn nun aber auch Jene von Ewigkeit her erwählt sind, so wird deswegen noch Niemand, außer diesem Hieronymus, behaupten, daß Etlich von Ewigkeit her verworfen sind. Wenn der Glaube aus der Erwählung kommt, sagt er, dann muß auch der Unglaube aus der Verwerfung kommen und nach derselben gesetzt werden. Aber das finde ich wenigstens nicht in der heiligen Schrift: Diese sagt: Wessen er will, dessen erbarmt er sich, und er verhärtet, welche er will. Sie sagt nicht: er verhärtet den, der nicht glaubt (obgleich das auch sehr wahr wäre), sondern wen er will, und damit zeigt die Schrift an, daß Gottes Wille das Höchste und das Oberste sei.
Ueberdies wenn Paulus den Gottlosen, welche gegen diese Lehre stritten, die Worte in den Mund legt:wer vermag seinem Willen zu widerstehen? und ihre Lehre doch die wahre gewesen wäre, so müßte man mit Bolsec auf dieselbe Weise antworten. Nun aber ist es eine Blasphemie, zu sagen, das sei Gottes Wille, denn Gott will, daß allen Menschen geholfen werde, Gott ist es nicht wohlgefällig, daß Jemand umkomme.
Quelle:
Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche, VI. Theil Theodor Beza. Leben und ausgewählte Schriften von Dr. Heinrich Heppe Elberfeld, Verlag von R. L. Friderichs, 1861