Calvin, Jean – An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Vgl. 320. Der Edelmann, der Calvins Brief überbrachte, war wahrscheinlich de Falais´ Bruder, Francois de Bourgogne.

Über Übelstände in der anglikanischen Kirche.

Monseigneur, ich kann Ihnen nicht genug danken für die freundliche Aufnahme, die mein Bote bei Ihnen gefunden hat; nicht nur dafür, dass Sie geruhten, die Ablieferung meiner Bücher an den König selbst zu übernehmen, sondern auch für alles übrige, wodurch Sie mir auch jetzt Ihre einzigartige Gesinnung der Freundschaft zeigen konnten, wie Sie mir schon vorher Ihre Huld in genügender Weise bezeugt hatten. Wegen des Knaben, den Sie in Ihren Dienst aufgenommen haben, hätte ich mich nicht erkühnt, Ihnen zu schreiben, wenn ich nicht dächte, es sei geschickt genug zum Allerbesten, was dort von ihm erwartet wird. Aber umso mehr bin ich Ihnen verbunden dafür, da ich sehe, dass meine Empfehlung etwas genützt hat bei Ihnen. Weil aber alles, was ich zu schreiben wüsste, mager ausfiele gegenüber dem, was ich am Herzen habe, und auch dem, was Ihre Wohltaten verdienen, so will ichs lieber unterlassen, viele Worte davon zu machen. Nur bitte ich Sie, Monseigneur, mich so ganz für den Ihrigen zu halten, dass, wenn ich Ihnen gute Dienste leisten könnte, es nicht an mir läge, wenn Sie nicht in meinem Tun einen besseren Willen anerkennen müssten, als ich ihn in Worten ausdrücken kann. Ich hätte mich früher bei Ihnen entschuldigt oder bedankt – wenn Sie es als das gelten lassen wollen -, wäre es nicht dieses Edelmannes Wunsch gewesen, Ihnen meinen Brief erst jetzt bringen zu dürfen. Ich sehe darin auch ein Zeichen der Freundschaft, die Sie mir zu erweisen geruhen, dass Leute, die es von sich aus verdienten, bei Ihnen angenommen zu werden, hoffen, durch Vermittlung meiner Briefe Ihnen erst recht willkommen zu sein.

 

Doch, Monseigneur, will auch ich nicht aufhören, Ihnen ans Herz zu legen, was Ihnen schon an sich teuer und köstlich ist. Nämlich Sie möchte stets dafür sorgen und sich Mühe geben, dass Gott recht geehrt und ihm recht gedient wird, besonders, dass in der Kirche noch besser Ordnung geschaffen wird, als bis jetzt geschehen ist. Wiewohl es nicht leicht ist, dazu taugliche, geeignete Leute zu finden, so stehen doch besonders, so viel ich höre, zwei große Hindernisse im Weg, denen abzuhelfen nötig wäre. Das eine ist, dass die Einkünfte der Universitäten, die gestiftet sind zum Unterhalt der Studenten, zum Teil schlecht angewendet werden. Denn es werden von den Stipendien auch solche ernährt, die offen bekennen, dass sie Gegner des Evangeliums sind und durchaus nicht zur Hoffnung berechtigen, dass sie aufrecht halten werden, was mit so großer Mühe und Arbeit aufgebaut worden ist.

 

Das zweite Übel ist, dass die Einkünfte der Pfarreien zerstreut und verschleudert werden, so dass nichts da ist zum Unterhalt rechter Leute, die fähig wären, die Pflicht guter Hirten zu erfüllen; deshalb setzt man unwissende Priester ein, was große Verwirrung verursacht. Denn der Charakter dieser Menschen erzeugt große Verachtung für Gottes Wort, ja selbst wenn sie das höchste Ansehen der Welt genössen, so liegt ihnen gar nichts daran, ihrer Pflicht nachzukommen. Ich bitte Sie also, Monseigneur, wollen Sie die Reformation immer besser fördern und ihr dauernde Festigkeit geben, dass sie bleibt, so wenden Sie gefälligst alle Kraft an die Besserung dieser Übelstände. Ich glaube wohl, es lag nicht an Ihnen, dass die Dinge nicht gleich von Anfang an besser geordnet wurden. Da es aber sehr schwer ist, auf den ersten Schlag die Zustände so zu gestalten, wie es wünschenswert wäre, so bleibt immer noch übrig, mit der Zeit das gut Begonnene zu vervollkommnen. Es darf denen, die heute aus den Kirchengütern Nutzen ziehen, nicht leid tun, dass die Pfarrer daraus ihren genügenden Unterhalt bekommen, da doch jeder sie von seinem Gut ernähren müsste, wenn sie ihr Einkommen nicht vom Staat haben könnten. Ja, es wird sogar ihr Nutzen sein, wenn sie ihre Pflicht tun, denn sie können doch kein Glück davon haben, wenn sie das Volk Gottes um seine geistliche Weide betrügen dadurch, dass sie die Kirchen guter Pfarrer berauben. Auch im Blick auf Sie, Monseigneur, zweifle ich nicht, dass, wenn Sie treulich daran gearbeitet haben, diese Sache in Ordnung zu bringen, Gott seinen Segen über Sie sehr mehren wird. Da ich aber sicher bin, Sie seien von selbst so wohl geneigt, dass es keiner langen Ermahnung bedarf, so will ich schließen mit der Bitte zum lieben Gott, er möge Sie stets führen durch seinen Geist, Sie wachsen lassen in allem Guten und bewirken, dass sein Name immer mehr verherrlicht werde durch Sie. So, Monseigneur, empfehle ich mich untertänigst Ihrer Gewogenheit.

 

Genf, 25. Juli 1551.
Ihr sehr ergebener Diener
Johann Calvin.

Calvin, Jean – An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Lord Seymour wurde Februar 1550 aus seiner Gefangenschaft befreit.

Glückwunsch zur Befreiung, Mahnung zu Friedfertigkeit und rechtem Reformationseifer.

Monseigneur, wenn ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe, so wars nicht, weil mir der gute Wille dazu gefehlt hätte, sondern zu meinem großen Bedauern musste ich es lassen, aus Furcht, während der Wirrnisse, die herrschten, könnte ein Brief von mir Anlass zu neuen Schwierigkeiten werden. Nun aber danke ich meinem Gott, dass er mir wieder die Möglichkeit [Ihnen zu schreiben] gibt, auf die ich bis jetzt gewartet habe. Und ich bins nicht allein, der sich über den guten Ausgang freut, den Gott ihrer Trübsal gegeben hat, sondern [es freuen sich mit] alle wahren Gläubigen, die den Fortschritt des Reiches unseres Herrn Jesu Christi wünschen, da sie wissen, wie bemüht und besorgt Sie waren, das Evangelium in England wieder ganz zur Geltung zu bringen und allen Aberglauben zu zerstören. Ich zweifle auch nicht, dass Sie bereit sind, in Zukunft wieder ebenso vorzugehen, wenn Sie Gelegenheit dazu haben. Sie für Ihre Person, Monseigneur, haben nun nicht nur die Wohltat Gottes, der Ihnen die Hand zur Befreiung bot, zu erkennen, sondern auch sich Ihrer Heimsuchung zu erinnern, um Nutzen daraus zu ziehen. Ich weiß wohl, welche schmerzliche Erinnerung Ihnen davon bleiben wird, wie Sie versucht sein werden, denen, die Ihnen nach Ihrer Ansicht noch viel Schlimmeres zufügen wollten, als nun geschehen ist, mit Gleichem zu vergelten. Aber Sie wissen, was St. Paulus uns darüber vorhält, nämlich, dass wir nicht zu kämpfen haben mit Fleisch und Blut [Eph. 6, 12], sondern gegen die heimlichen Ränke unsers geistigen Feindes. Deshalb wollen wir uns doch nicht mit Menschen versäumen, sondern uns lieber gleich gegen den Satan wenden, um allem zu widerstehen, was er wider uns plant, wie er ja auch zweifellos der Urheber des gegen Sie gerichteten bösen Angriffs war, um dadurch den Lauf des Evangeliums aufzuhalten und alles in Verwirrung zu bringen. Also, Monseigneur, vergessen und vergeben Sie die Fehler der Menschen, die Sie für Ihre Feinde halten können und richten Sie Ihren Sinn darauf, die Bosheit dessen zu besiegen, der sich dieser Menschen bedient hat zu deren eigenem Verderben, als sie Ihr Verderben im Auge hatten. Solche Großmut wird nicht nur Gott gefallen, sondern Sie auch den Menschen umso liebenswerter machen, und ich zweifle nicht, dass Sie darauf Rücksicht nehmen, wie es sein soll. Erstreckt sich aber Ihre Freundlichkeit so weit, so darf ich mich umso mehr darauf verlassen, dass Sie auch gütig aufnehmen, was ich Ihnen darüber sage; denn sie wissen ja, dass nichts mich zu solchen Mahnreden an Sie treibt, als meine Liebe und die Sorge um Ihr Wohl und Ihre Ehre. Auch ist es eine so schwere Tugend, unsere Leidenschaften zu überwinden, und zwar so weit, dass wir Böses mit Gutem vergelten können, dass wir nie genug dazu ermahnt werden können. Ja weil der Herr die Sache besser hinausführte, als viele dachten, so erinnern Sie sich, Monseigneur, an Josephs Beispiel. In der ganzen Welt ließe sich heute kaum ein solcher Spiegel verfolgter Unschuld finden. Als er aber sah, dass Gott gut gemacht hatte, was man gedacht hatte, bös zu machen gegen ihn [1. Mose 50, 20], da gab auch er sich Mühe, sich als einen Diener der Güte Gottes zu erweisen an seinen Brüdern, die ihn verfolgt hatten. Solcher Sieg wird auch für Sie noch glänzender sein als der, den Gott Ihnen schon gegeben durch die Rettung und Bewahrung Ihres Lebens, Ihrer Güter und Ihrer Ehre. Und doch, Monseigneur, haben Sie auch daran zu denken, dass, wenn Gott Sie für eine kleine Weile demütigen wollte, das nicht ohne Grund geschah. Denn waren Sie auch ohne Schuld vor den Menschen, so wissen Sie doch, dass vor dem großen Richter im Himmel keiner ist, der nicht schuldig befunden würde. So haben alle Heiligen die Rute Gottes gelten lassen; sie beugten ihren Nacken und senkten ihr Haupt unter seine Zucht. David war auf rechtem Weg gewandelt und bekennt doch, dass es gut für ihn war, gedemütigt zu werden durch Gottes Hand [Psalm 118, 21.; 119, 67.71]. Deshalb, sobald wir irgendeine Züchtigung spüren, solls unser erstes sein, in uns zu gehen und unser Leben wohl zu prüfen, um die Fehler zu erkennen, die uns verborgen blieben. Denn manchmal blendet zu großes Glück unsere Augen, ja, merken wir nicht einmal, weshalb Gott uns züchtigt. Wir haben allen Grund, ihn wenigstens ebensoviel Ehre anzutun wie einem Arzt; der muss ja auch unsere innern Krankheiten, die uns unbekannt sind, sehen und zur Heilung schreiten, nicht wie wir es wünschen, sondern wie er es für passend hält. Ja noch mehr, oft muss er vorbeugende Mittel brauchen, um nicht zu warten, bis wir schon dem Übel verfallen sind, sondern um dem Angriff zuvorzukommen. Gott hat, da er Sie, ganz abgesehen von Ihrem gewöhnlichen Rang, auf einen sehr hohen Posten stellte, große Dinge durch Sie getan, die vielleicht nach Ihrem Tode noch mehr Lob finden werden, als sie jetzt während Ihres Lebens gepriesen werden. Vor allem hat er bewirkt, dass durch Sie sein Name gepriesen werde. Nun sind aber gerade die Tüchtigsten und Besten in größerer Gefahr als alle anderen, in der Versuchung sich zu vergessen. Sie wissen, Monseigneur, was geschrieben steht vom heiligen König Hiskia [Jes. 39]. Nachdem er so löbliche Taten getan, sowohl für Religion und Gottesdienst als für das gemeine Wohl des Landes, überhob sich sein Herz. Wenn Gott das bei Ihnen verhüten wollte, so ist das eine außerordentliche Wohltat, die er Ihnen erwiesen. Wenn er auch keinen anderen Grund gehabt hätte, als ob Ihrer Befreiung gerühmt und von Ihnen wie von den andern an Ihnen als der wahre Protektor der Seinen erkannt zu werden, so müsste auch das Ihnen schon genügen.

Nun bleibt Ihnen noch, Monseigneur, da er Sie wieder obenauf gebracht hat, dass Sie ihm Dank erweisen für seine Wohltat, wie es sich ziemt. Sind wir von gefährlicher Krankheit genesen, so müssen wir doppelt sorgsam sein, dem lieben Gott zu dienen und ihn zu ehren, wie wenn er uns ein zweites Leben geschenkt hätte. An Ihrer Stelle dürfen Sie nicht weniger tun. Ihr Eifer, den Namen Gottes zu erhöhen, und das reine Evangelium wiederherzustellen, ist groß gewesen. Aber Sie wissen, Monseigneur, in einer so wichtigen Sache können wir nie ganz genug tun, auch wenn wir alle unsere Kraft aufwenden. Immerhin, wenn Gott Sie sich aufs Neue verbunden hat und Sie dadurch antreiben wollte, mehr denn je zu tun, so ist es Ihre Pflicht, sich zu ermannen und allen Eifer zu zeigen, dass das heilige Werk, das er durch Sie begonnen hat, gefördert werde. Ich zweifle nicht daran, dass Sie das tun werden, aber ich traue auch darauf, dass Sie verstehen, welche Liebe mich dazu treibt, Sie zu ermahnen, und dass Sie alles gütig aufnehmen, wie Sie es bisher getan haben. Wenn Ihnen so Gottes Ehre vor allem am Herzen liegt, so wird er gewiss über Sie wachen und über Ihr ganzes Haus, und seine Gnade reichlich ausgießen darüber und Sie spüren lassen, was sein Segen wert ist. Denn die Verheißung kann Sie nicht täuschen: Wer mich ehrt, den will ich auch ehren [1. Sam. 2, 30]. Wohl ists wahr, dass die, die am besten ihre Pflicht tun, oft am meisten belästigt werden durch manchen Angriff. Aber ihnen ists dann genug, dass Gott ihre Hilfe ist, sie wieder aufzurichten. Wiewohl es sich nun ziemt, dass Sie auf Gott sehen und damit ganz zufrieden sind, wenn ihm Ihr Dienst gefällt, so ist es doch, Monseigneur, ein großer Trost für Sie, den König so wohl geneigt zu sehen, dass er die Wiederherstellung der Kirche und der reinen Lehre allem übrigen vorzieht. Es ist ja eine bewundernswerte Tugend an ihm, dass bei seiner Jugend die Eitelkeiten der Welt es nicht zu hindern vermögen, dass Gottesfurcht und wahre Frömmigkeit sein Herz beherrschen, und das ist eine außerordentliche Gabe Gottes für das Königreich. So muss es Ihnen auch eine Hilfe und große Stärkung sein, dass Sie ihm den Hauptdienst, den er wünscht und fordert, tun, wenn Sie dem himmlischen König, dem Sohn Gottes, dienen.

Damit Monseigneur, empfehle ich mich ergebenst Ihrer Gnade, und bitte unsern lieben Gott, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten und Ihnen mehr und mehr die Gaben seines heiligen Geistes verleihen, und Sie sie brauchen lassen zu seinem Ruhm, dass wir alle uns daran freuen mögen.

[Februar 1550.]

Calvin, Jean – An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Über die richtige Reformationsmethode.

Monseigneur, da Gott Sie ausgestattet hat mit außerordentlicher Klugheit und Großmut und allen andern Tugenden, die erforderlich sind für den Stand, den er Ihnen gegeben, und die Geschäfte, die er Ihnen anvertraut hat, besonders aber, da Sie mich für einen Diener seines Sohnes halten, dem Sie vor allem gehorchen wollen, so bin ich sicher, dass Sie aus Liebe zu ihm freundlich aufnehmen, was ich Ihnen in seinem Namen schreibe. Tatsächlich erstrebe ich ja nichts, als dass Sie, das Begonnene mehr und mehr fortsetzen, seine Ehre fördern, bis Sie sein Reich aufgerichtet haben, so vollkommen dies auf Erden möglich ist. Sie werden auch beim Lesen [meines Briefes] merken, dass ich nichts von mir in den Vordergrund schiebe, sondern alles aus seiner reinen Lehre abgeleitet ist. Fasst ich nur Ihre Würde und Hoheit ins Auge, so fände ein Mann wie ich ja keinen Zutritt; da Sie es aber nicht verschmähen, zu lernen von dem Meister, dem ich diene, sondern vielmehr die Gnade, sein Jünger sein zu dürfen, allem übrigen vorziehen, so glaube ich keiner langen entschuldigenden Einleitung zu bedürfen; vielmehr denke ich, Sie seien ganz bereit, alles anzunehmen, was von ihm kommt.

Wir haben alle Grund, unserm Gott und Vater zu danken, dass er Sie zu dem so herrlichen Werke brauchen will, dem reinen und recht geordneten Gottesdienst in England die Oberhand zu verschaffen durch Ihr Eingreifen, und dafür zu sorgen, dass die Heilslehre Statt hat und treulich allen verkündet wird, die sie hören wollen. Dass er Ihnen dazu Kraft und Standhaftigkeit verliehen hat, dass Sie es durchführen konnten gegen soviel Versuchungen und Schwierigkeiten, dass er seine starke Hand über Ihnen gehalten und alle Ihre Ratschläge und Bemühungen gesegnet hat, dass sie gediehen, das ist etwas, was alle wahrhaft Gläubigen dazu treibt, seinen Namen zu rühmen. Da aber der Satan stets neue Kämpfe wagt, und es nichts Schwierigeres gibt, als die Wahrheit Gottes zu unangefochtener Herrschaft über die Menschen zu bringen, die von Natur zur Lüge neigen, da es andrerseits auch manchen Umstand gibt, der heutzutage den Siegeslauf dieser Wahrheit aufhält, und besonders der seit langer Zeit eingewurzelte Aberglaube des Antichrists sich nicht so leicht aus den Herzen ausreißen lässt, so denke ich, werden Sie es ganz gut brauchen können, durch fromme Ermahnungen bestärkt zu werden; ich zweifle gar nicht daran, dass Ihre Erfahrung Sie das empfinden lässt, und kann deshalb ganz freimütig vorgehen. So wird diese meine Überlegung hoffentlich Ihrem Wunsch entsprechen, und wenn meine Mahnung überflüssig ist, so nehmen Sie doch den Eifer und die Besorgnis gut auf, die mich dazu trieben. Ja noch mehr, ich glaube, weil Sie die Notwendigkeit einsehen, werden Sie meine Ermahnung auch umso freundlicher aufnehmen. Mag dem nun sein, wie es will, – ich bitte Sie, Monseigneur, mit gnädigst Gehör zu leihen für einige Mahnungen, die ich mir vorgenommen habe, Ihnen hier kurz darzulegen, in der Hoffnung, sie möchten beim Hören wenigstens soviel Gefallen dran finden, dass Sie getröstet und ermutigt werden zur Fortsetzung des frommen, edeln Werkes, zu dem Sie Gott bisher gebraucht hat.

Ich zweifle nicht daran, dass die schweren Unruhen, die Ihnen seit einiger Zeit zu schaffen machen, Ihnen hart und schmerzlich sind, und besonders, dass vielleicht manche daran Ärgernis genommen haben, da sie zum Teil angestiftet waren unter dem Vorwand des Religionswechsels. Deshalb mussten diese Unruhen auch für Sie eine recht harte Anfechtung sein, sowohl durch die Gedanken, die Ihnen dabei kommen konnten, als auch durch das Gerede der Böswilligen und Törichten und das Erstaunen der Gutgesinnten. Wirklich hat das Gerücht davon auch mir rechte Herzensangst gemacht, bis ich dann erfuhr, dass Gott begonnen hat, abzuhelfen. Trotzdem, weil sie möglicher Weise noch nicht ganz gestillt sind, und weil der Teufel sie immer wieder neu erregen könnte, müssen Sie sich dessen, was die biblische Geschichte vom frommen König Hiskia erzählt, erinnern; nämlich, dass er gerade, als er den Aberglauben in Juda ausgerottet und die Kirche nach Gottes Gesetz reformiert hatte, in solche Bedrängnis durch seine Feinde kam, dass er ein hoffnungslos verlorener Mann schien [2. Kön. 18]. Nicht ohne Grund betont der heilige Geist das ganz ausdrücklich, dass diese Heimsuchung über ihn kam, eben gleich, nachdem er die wahre Religion wieder in ihr Recht eingesetzt hatte. Denn es hätte wohl scheinen können, als müsste er nun, da er sich bemüht hatte, Gottes Herrschaft zu festigen, auch seinerseits ein friedsames Königtum bekommen haben. So sind nun alle gläubigen Fürsten und Landesherren durch sein Beispiel daran erinnert, dass, so sehr sie sich anstrengen, den Götzendienst zu vernichten und für die reine Anbetung Gottes zu sorgen, wie sichs gehört, doch auch Ihr Glaube durch mancherlei Versuchung geprüft werden kann. Gott lässt das zu und will es so, um die Treue der Seinen ans Licht zu bringen und sie zu lehren, auf Höheres zu blicken als auf die Welt. Doch tut freilich der Teufel auch sein Teil daran und versucht mit bösen Mitteln, sozusagen unterirdisch, weil er es nicht öffentlich tun darf, die reine Lehre zu Fall zu bringen. Doch nach der Mahnung St. Jakobi, der uns sagt [Jak. 5, 11], wir sollten die Geduld Hiobs ansehen und seinen Ausgang in Betracht ziehen, müssen auch wir, Monseigneur, unsern Blick richten auf den Ausgang, den Gott dem guten König Hiskia gegeben hat. Er hat ihm geholfen in allen Nöten, und zuletzt blieb Hiskia doch Sieger. Da nun Gottes Arm nicht kürzer geworden ist, und ihm die Verteidigung seiner Wahrheit und das Heil der Seinen heutzutage so sehr am Herzen liegt wie jemals, so zweifeln Sie nicht daran, dass er auch Ihnen helfen will, und zwar nicht nur einmal, sondern in allen Versuchungen, die er Ihnen sendet. Dass die Mehrzahl der Menschen dem Evangelium Widerstand leistet und sich sogar mit wütender Heftigkeit gegen sein Vorwärtskommen wehrt, darf uns nicht wundern. Die undankbare Menschheit ist stets zurückgewichen und wird es stets tun, wenn Gott sich ihr nähern will, und bäumt sich sogar auf gegen ihn, wenn er ihr sein Joch auflegen will. Ja, da die Menschen von Natur zur Scheinsucht neigen, so mögen sie es nicht leiden, dass man sie zu der Klarheit des Wortes Gottes führt, die ihre Schmach und Schande aufdeckt, und wollen sich nicht aus dem abergläubischen Wesen herausreißen lassen, das ihnen als Deckmantel dienen soll, für ihr dunkles Wesen. So ist es nichts Neues, dass großen Widerspruch findet, wer die Menschen zu reinem Gottesdienst bringen will. Daran erinnert uns ja auch unser Herr Jesus, wenn er sagt, er bringe mit dem Evangelium auch das Schwert [Matth. 10, 34]. So darf uns das nicht stutzig machen, noch feig und furchtsam, denn schließlich, wenn sich die Menschen genug empört und alle sprudelnden Blasen getrieben haben, so werden sie in einem Augenblick bezwungen und ihr Ungestüm bricht in sich zusammen. Es ist wahr, was im zweiten Psalm steht: Gott lacht nur über ihr Toben; d. h. stillschweigend lässt er sie stürmen, wie wenn die Sache ihn gar nichts anginge. Schließlich aber werden sie stets zurückgedrängt durch seine Kraft. Sind wir mit der bewaffnet, so haben wir eine gute, unbezwingbare Wehr, welche Ränke der Teufel gegen uns richte, und werden schließlich durch Erfahrung lernen, dass, gerade wie das Evangelium eine Friedensbotschaft ist unsrer Versöhnung mit Gott, es auch dazu dienen muss, Frieden unter den Menschen zu stiften, und dadurch werden wir merken, dass Jesaja nicht Unrecht hat, wenn er sagt, dass man, wenn erst Jesus Christus unter uns herrschen wird durch seine Lehre, die Schwerter zu Pflugscharen und die Lanzen zu Sicheln machen wird. [Jes. 2, 4] Aber wenn auch in erster Linie die rebellische Bosheit der Menschen all die Zettelungen und Empörungen verursacht, die sich gegen das Evangelium erheben, so müssen wir doch auch auf uns blicken und einsehen, dass Gott unsere Fehler züchtigt durch die, die sonst nur dem Satan dienen wollen. Es ist eine alte Klage, das Evangelium sei die Ursache aller Übel und Plagen, die über die Menschen kommen. Tatsächlich sehen wir in der Geschichte, dass es einige Zeit nach der Ausbreitung des Christentums keinen Erdenwinkel gab, der nicht schrecklich heimgesucht wurde. Die Kriegsunruhen entbrannten wie ein Weltfeuer in allen Ländern; Überschwemmungen hier, Seuchen und Hungersnöte dort, eine entsetzliche Verwirrung aller staatlichen Verhältnisse, dass es schien, als sollte die Welt untergehen. Ebenso sahen wir zu unsrer Zeit, seit das Evangelium wieder aufzukommen begann, soviel Elend, dass jedermann sich beklagt, dass wir in einem unseligen Jahrhundert leben, und wenige sind, die nicht unter schwerer Last seufzen. Spüren wir solche Schläge, so müssen wir auf die Hand dessen sehen, der uns schlägt, und müssen bedenken, warum er es tut. Der Grund, der ihn bewegt, uns seine Zuchtruten spüren zu lassen, ist nicht zu dunkel, noch schwer zu verstehen. Wir wissen, sein Wort, durch das er uns zum Heile führen will, ist ein unermesslicher Schatz. Nehmen wir es ehrerbietig an, wenn er es uns anbietet? Da wir nun gar nicht großen Wert auf das legen, was Gott so wertvoll ist, ist es da nicht ganz begründet, dass er sich rächt für unsern Undank? Wir hören auch, dass Jesus Christus sagt: der Knecht, der den Willen seines Herrn weiß und tut ihn nicht, verdient doppelte Züchtigung [Luk. 12, 47]. Da wir nun so träg sind, dem Willen unseres Gottes zu gehorchen, der uns schon früher mehr als hundertmal verkündet worden ist, so dürfen wir es auch nicht sonderbar finden, dass er uns heftiger zürnt, da wir ja unentschuldbar sind. Wenn wir den guten Samen nicht Frucht bringen lassen, so ist es wohl begründet, dass die Dornen und Disteln des Satans aufschießen und uns stechen und ritzen. Da wir unserm Schöpfer nicht die Unterwürfigkeit zeigen, die wir ihm schuldig sind, so ists kein Wunder, dass sich die Menschen auch gegen uns erheben.

So viel ich davon verstehe, Monseigneur, haben Sie zweierlei Arten von Empörern, die sich gegen den König und den jetzigen Zustand des Königreichs aufgelehnt haben. Die einen sind Phantasten, die das Evangelium vorschützen, um alles in Unordnung zu bringen. Die andern sind solche, die sich auf das abergläubische Wesen des römischen Antichrists versteifen. Alle miteinander verdienen, unterdrückt zu werden durch das Schwert, das Ihnen anvertraut ist, da sie sich nicht nur gegen den König wenden, sondern auch gegen Gott, der ihn auf den königlichen Thron gesetzt und Ihnen den Schutz nicht nur seiner Person, sondern auch seines königlichen Ansehens anvertraut hat. Das Hauptmittel dagegen wird aber doch sein, so gut als möglich zu bewirken, dass die, die Geschmack gefunden haben an der evangelischen Lehre und ihr anhängen, sie in solcher Demut und Gottesfurcht annehmen, dass sie sich selbst verleugnen, um Gott zu dienen. Denn sie müssen daran denken, dass Gott sie alle aufrütteln will, mehr als bisher sein Wort nach bestem Wissen und Gewissen benützen. Die Tollen, die die Welt zu anarchischer Freiheit erneuern möchten, sind vom Satan ausgerüstet, um das Evangelium in schlechten Ruf zu bringen, als ob es nichts hervorbrächte als Empörung gegen die Obrigkeit und Verwirrung aller Lebensverhältnisse. Darunter müssen nun alle Gläubigen seufzen. Die Papisten, die festhalten wollen an den schmutzigen Gräueln ihres Götzen zu Rom, zeigen sich als offene Feinde der Gnade Jesu Christi und aller seiner Gebote. Auch das muss allen, die einigen Gefallen an frommem Eifer haben, großes Herzeleid bereiten. Deshalb müssen sie alle miteinander denken, dass das Zuchtruten Gottes, für sie gemeint, sind. Und warum anders, als weil sie die Heilslehre nicht so wirken lassen, wie es sich gehörte? So ist also das Hauptmittel, solchen Aufruhr zu ersticken, das, dass die Bekenner des evangelischen Glaubens wahrhaft erneuert sind nach dem Bilde Gottes und in ihrer Person zeigen, dass unser Christentum keine Verwirrung der Lebensverhältnisse verursacht. Durch ihr bescheidenes, ruhiges Wesen müssen sie ein gutes Beispiel dafür sein, dass wir unter der Leitung des Wortes Gottes keine liederlichen, zügellosen Menschen sind; durch ihr gutes, heiliges Leben müssen sie allen Verleumdern das Maul stopfen. Denn durch dieses Mittel besänftigt, wird Gott seine Hand zurückziehen und, statt wie jetzt die Verachtung seines Wortes an ihnen zu strafen, sie segnen für ihren Gehorsam mit jedem Glück. Ja, der ganze Adel und alle Regierenden sollen nur aufrichtig und in aller Demut sich finden in die Unterordnung unter den großen König Jesus Christus und ihm huldigen ohne jede Verstellung mit Seele und Leib und allem, damit er ändere und unterdrücke die kühne Frechheit der Leute, die sich gegen sie erheben möchten. Das ists, wie die irdischen Obrigkeiten regieren sollen, – im Dienst Jesu Christi und mit der Wirkung, dass er die oberste Gewalt hat über alle, die Kleinen und die Großen.

Deshalb, Monseigneur, so sehr Ihnen der Staat Ihres königlichen Neffen lieb ist und am Herzen liegt, wie Sie es ja wohl beweisen, so sehr bitte ich Sie im Namen Gottes, darauf hauptsächlich Ihre Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu richten, dass Gottes Lehre gepredigt wird so wirksam und kräftig, dass sie Frucht bringt, und durch nichts, was es auch sei, sich darin ermüden zu lassen, nach einer vollständigen Reformation der Kirche zu streben. Um Ihnen deutlicher zu erklären, was ich damit meine, will ich das Ganze in drei Teile zerlegen: Erstens: die Weise, das Volk recht zu belehren, zweitens: die Ausrottung der bisher herrschenden Missbräuche, drittens: die sorgfältige Bekämpfung des Lasters und die Verhütung aufkommender Ärgernisse und Zuchtlosigkeiten, durch die der Name Gottes gelästert wird.

Was den ersten Punkt angeht, so glaube ich nicht, erklären zu müssen, welche Lehre statthaben soll. Vielmehr danke ich unserm lieben Gott, dass er Sie erleuchtet hat zu reiner Gotteserkenntnis und Ihnen den Rat und Entschluss gegeben hat, für Verkündigung seiner reinen Wahrheit zu sorgen. So brauche ich Sie, Gott sei gelobt dafür, nicht zu unterrichten, was der wahre Christenglaube ist und die Lehre, an der man festhalten muss, da ja durch Sie die wahre Glaubensreinheit wiederhergestellt ist. Nämlich, dass wir Gott für den einzigen Herrn unserer Seele ansehen und sein Gesetz für die einzige Regel und geistliche Vorschrift für unser Gewissen, so dass wir ihm nicht nach törichten Menschensatzungen dienen. Ferner, dass er nach seinem Wesen verehrt sein will im Geist und in Herzensreinheit. Andrerseits aber erkennen wir, dass in uns nur Unseligkeit liegt, dass wir verderbt sind in allem unserm Sinnen und Trachten, so dass unser Herz ein Abgrund der Bosheit ist. So verzweifeln wir an uns selbst, machen zunichte jeden Anspruch auf eigne Weisheit, Würdigkeit oder Fähigkeit zum Guten, wenden uns zu dem Quell aller Güter, welcher ist Jesus Christus, und nehmen an, was er uns gibt, nämlich das Verdienst seines Leidens und Sterbens, damit wir dadurch versöhnt werden mit Gott. Rein gewaschen durch sein Blut, fürchten wir nun nicht mehr, dass unsere Flecken uns hindern, Gnade zu finden vor seinem himmlischen Thron. Sicher, dass uns unsere Sünden vergeben sind umsonst, kraft seines Opfers, finden wir darin Ruhe und Halt und werden unseres Heils gewiss. Wir werden geheiligt durch seinen Geist, uns dem Gehorsam gegen die Gerechtigkeit Gottes zu weihen; gestärkt durch seine Gnade, werden wir Sieger über Teufel, Welt und Fleisch. Als Glieder seines Leibes schließlich zweifeln wir nicht daran, dass Gott uns zu seinen Kindern rechnet, und dass wir ihn voll Vertrauen anrufen dürfen als unsern Vater. Wir sind uns klar, dass auf diese Hauptsache alles, was in der Kirche gesagt und getan wird, zurückführen muss, nämlich dass wir der Welt entzogen, emporgehoben werden zum Himmel mit unserm Haupt und Heiland. Da Gott also Ihnen die Gnade erwiesen hat, die Kenntnis dieser Lehre, die so lang begraben war vom Antichrist, wiederherzustellen, so enthalte ich mich, davon mehr zu reden.

Wenn ich die Art der Belehrung berührt habe, so geschah es nur, damit das Volk so unterrichtet wird, dass es lebendig angefasst wird und man spürt, was der Apostel sagt [Hebr. 4, 12], Gottes Wort sei ein zweischneidig Schwert, das Gedanken und Sinne durchdringt bis aufs Mark im Gebein. Ich sage das, Monseigneur, da es mir scheint, es gebe recht wenig lebendige Predigt im englischen Reich, sondern meistens werde nur Abgelesenes hergesagt. Ich sehe wohl, was Sie zu solcher Vorschrift zwang: erstens hatten Sie keine guten, tauglichen Pfarrer, denke ich, wie Sie es wünschten, und mussten deshalb diesem Mangel so abhelfen. Zweitens könnte es viel leichtsinnige Geister geben, die aus der rechten Bahn wichen und törichte Phantastereien säeten, wie es oft bei Neuerungen vorkommt. Aber alle diese Erwägungen dürfen doch nicht hindern, dass das Gebot Jesu Christi seine Kraft behält in der Predigt des Evangeliums. Nun darf aber die Predigt nicht tot sein, sondern muss lebendig sein zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, wie St. Paulus dem Timotheus sagt [2. Tim. 3, 16]. Ja so, dass, wenn ein Ungläubiger hereinkäme, er dadurch gestraft und gerichtet würde und Gott die Ehre geben müsste, wie es an andrer Stelle heißt [1. Kor. 14, 24. 25]. Sie wissen auch, Monseigneur, wie er von der Lebendigkeit spricht, die in der Rede derer liegen muss, die sich als gute, treue Diener Gottes bewähren wollen, wie die nicht den Prunk der Redekunst haben müssen, um sich damit geltend zu machen, sondern wie der Geist Gottes in ihrer Stimme widertönen soll, um kräftig zu wirken. Alle Gefahren, die man befürchten könnte, dürfen doch nicht hindern, dass Gottes Geist seinen freien Lauf in denen nimmt, denen er seine Gnadengaben gegeben hat zur Erbauung der Kirche.

Freilich ist es doch gut und nützlich, dem Leichtsinn phantastischer Geister entgegenzutreten, die sich zu viel Freiheit herausnehmen, und allen neugierigen, neuen Lehren die Tür zu verschließen; aber dazu gibt es ein gutes, geeignetes Mittel, wie es uns Gott selber zeigt. Das ist erstlich, dass es eine Zusammenfassung der Lehre gibt, die alle predigen sollen; diese Bekenntnis zu halten, müssen alle Prälaten und Pfarrer beschwören, und keiner soll in ein kirchliches Amt gelassen werden, der nicht versprochen hat, an dieser Vereinbarung festzuhalten. Ferner ist not eine gemeinsame Lehrform für die Kinder und das ungebildete Volk, durch die ihnen die gute Lehre vertraut wird, so dass sie sie wohl unterscheiden können von den Lügen und Entstellungen, die man etwa im Gegensatz dazu einführen könnte. Glauben Sie mir, Monseigneur, die Kirche Gottes kann sich nie halten ohne Katechismus; denn dieser ist gleichsam der Same, der verhindert, dass die gute Saat nicht ausstirbt, sondern sich mehrt von Geschlecht zu Geschlecht. Deshalb, wenn Sie einen Bau aufführen wollen, der von langer Dauer ist und nicht bald in Zerfall gerät, so sorgen Sie dafür, dass die Kinder unterrichtet werden nach einem guten Katechismus, der ihnen kurz und ihrem kindlischen Verständnis entsprechend zeigt, wo das wahre Christentum liegt. Dieser Katechismus wird dann zu doppeltem Gebrauch nützlich sein, nämlich, um alles Volk zu lehren, damit es von der Predigt Nutzen hat und es auch unterscheiden kann, wenn irgendein ungebildeter Mensch eine fremdartige Lehre vorbrächte. Jedoch halte ich es auch für gut und sogar notwendig, die Pfarrer auf eine bestimmte, schriftliche Form der Lehre zu verpflichten, sowohl um der Unwissenheit und Einfalt einzelner zu Hilfe zu kommen, als auch um die Übereinstimmung und Einigkeit aller Kirchen besser zum Ausdruck zu bringen, und drittens um aller Neugier und den Erfindungen der Leute, die nur etwas besonderes haben wollen, die Spitze abzubrechen; wie schon gesagt, muss für solche Leute der Katechismus als Zügel dienen. Ebenso steht es mit der Art und Weise der Sakramentsverwaltung und der öffentliche Gebete. Aber trotzdem, soviel daran ist, so darf doch solche Zucht die Wirkungsfähigkeit nicht ertöten, die die Predigt des Evangeliums haben muss. Sorgen Sie doch ja soviel als möglich dafür, dass das Evangelium gute Schallrohre finde, durch die es bis ins Innerste der Herzen dringe. Denn es besteht Gefahr, dass Sie keinen großen Erfolg der von Ihnen begonnenen Reformation sehen werden, so gut und heilig sie auch ist, wenn nicht die Macht der Predigt je und je angewandt wird. Nicht umsonst steht von Jesu Christo geschrieben: Mit dem Stab seines Mundes wird er die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Bösen töten [Jes. 11, 4]. Das ist das Mittel, durch das er uns bezwingen will und alles zerstören, was ihm feind ist. Deshalb wird ja auch das Evangelium die Herrschaft Gottes genannt. Wie sehr also auch Edikte und Gebote der Obrigkeiten gute Hilfsmittel sein mögen zur Förderung und Aufrechterhaltung des Christenstandes, so will doch Gott seine unumschränkte Gewalt zeigen in diesem geistlichen Schwert seines Wortes, wenn es verkündigt wird durch die Pfarrer.

Um Sie, Monseigneur, nicht zu langweilen, will ich jetzt zum zweiten Punkt kommen, den ich vor Ihnen berühren will, nämlich zur gänzlichen Aufhebung und Ausrottung der Missbräuche und Entstellungen, die der Satan vormals unter die Gebote Gottes gemengt hat. Wir wissen, unter dem Papst ist nur ein Bastardchristentum, von dem Gott nichts wird wissen wollen am jüngsten Tag, wie er es heute schon verdammt durch sein Wort. Wollen wir nun die Leute herausziehen aus diesem Abgrund, so ist nichts besser, als sich an das Beispiel St. Pauli zu halten. Als der bessern wollte, was die Korinther übel gemacht hatten beim Mahl unseres Herrn, da sagte er ihnen: Ich habe es von dem Herrn empfangen, was ich Euch gegeben habe [1. Kor. 11, 25]. Daraus müssen wir nun die Hauptregel entnehmen, umzukehren zum wahren, echten Gebot Gottes, wenn wir eine Reformation wollen, die gut und ihm wohlgefällig ist. Denn soviel vom Menschengeist erdachte Beimischungen dabei sind, so viele Verunreinigungen sind es, die uns abziehen vom frommen Gebrauch dessen, was uns Gott verordnet hat zu unserm Heil. Also solche Missbräuche zur Hälfte abschaffen, heißt nicht, die Dinge in den reinen Zustand bringen, denn wir werden dann doch stets noch ein maskiertes Christentum haben. Ich sage das deshalb, weil manche, unter dem Vorwand weiser Mäßigung, der Ansicht sind, einige der Missbräuche müsse man schonen und nicht daran rühren, und es genüge nach ihrem Empfinden, den Hauptmissbrauch entwurzelt zu haben. Wir sehen aber im Gegenteil, wie fruchtbar die Lügensaat ist; es braucht nur ein Samenkörnlein davon, um die ganze Welt in drei Tagen damit zu erfüllen, bei der Geneigtheit und Hingebung, die die Menschen für solche Dinge haben. Unser Herr lehrt uns da eine ganz andere Art; denn wenn David von den Götzen spricht, sagt er: Ihren Namen will ich nicht im Munde führen [Psalm 16, 4], um damit zu zeigen, wie sehr wir sie verabscheuen sollen. Besonders wenn wir betrachten, wie sehr wir Gott zur Zeit unserer Unwissenheit beleidigt haben, müssen wir doppelt darauf bedacht sein, die Erfindungen des Teufels, die uns zur Sünde verleitet haben, zu fliehen als Kuppelkünste, die nur die Seelen verführen. Andrerseits sehen wir auch, dass die Menschen, – man mag ihnen ihre Fehler und Irrtümer zeigen und sie auf die Dinge hinweisen, soviel man will, – trotzdem so verstockt sind, dass man nicht fertig wird damit. Lässt man ihnen nun nur ein paar davon bestehen, so bietet man umso größerer Verstocktheit Nahrung, und das ist ein Schleier, der ihnen die ganze Lehre verhüllt, die man ihnen vorlegen möchte. Ich gebe freilich auch zu, dass man Maß halten muss, und dass zu große Schroffheit weder gut noch nützlich ist, ja sogar, dass man die Zeremonien der Unbildung des Volkes anpassen muss. Aber unter diesem Vorwand darf nichts durchgehen, was vom Satan und vom Antichrist ist. Deshalb, wenn die heilige Schrift die Könige lobt, die den Götzendienst zerstörten, so gibt sie ihnen doch, wenn sie nicht vollständig damit aufgeräumt haben, den Tadel: doch die Höhen und Orte törichter Anbetung tat er nicht ab [1. Kön. 15, 11. 14].

Deshalb, Monseigneur, da Gott sie so weit gebracht hat, so sorgen Sie bitte auch dafür, dass er Sie ohne Ausnahme anerkennen könne als den Wiederhersteller seines Tempels, so dass einmal die Regierungszeit Ihres königlichen Neffen der des Josias [2. Kön. 23] verglichen werden kann, und Sie ihm die Dinge in solchen Stand bringen, dass er die gute Ordnung nur aufrecht zu erhalten braucht, die ihm Gott durch Sie geschaffen hat. Ich will Ihnen ein Beispiel solcher Verderbnis anführen, die etwa übrig bleiben und dann wie ein bisschen Sauerteig schließlich den ganzen Teig versäuern könnte. Es wird in England noch ein Gebet für die Verstorbenen gesprochen bei der Abhaltung des Abendmahls unseres Herrn. Ich weiß wohl, dass damit nicht das Fegfeuer des Papstes anerkannt werden soll; ich weiß auch, dass man dafür den alten Brauch anführen kann, der Toten zu gedenken, um so alle Glieder des Leibes [Christi] zu vereinen. Doch gibt es dagegen ein unbedingt geltendes Argument, nämlich, dass das Abendmahl Jesu Christi eine so heilige Handlung ist, dass sie durch keine menschliche Erfindung besudelt werden darf. Ja, wir dürfen selbst bei dem Gebet nicht unserm Gefühl den Lauf lassen, sondern müssen uns an die Vorschrift halten, die uns St. Paulus gibt. So werden wir in Gottes Wort gegründet sein. So ist ein empfehlendes Gedenken an die Toten nicht vereinbar mit der guten, richtigen Form des Gebets und eine böse Zutat zum heiligen Abendmahl unseres Herrn. Es gibt auch noch andere Dinge, die vielleicht weniger tadelnswert, aber doch nicht entschuldbar sind, wie z. B. die Zeremonien der Salbung [bei der Taufe] und der letzten Ölung. Die Salbung ist erfunden von der frivolen Phantasie der Leute, die sich mit dem von Jesu Christo Eingesetzten nicht begnügten und den heiligen Geist nachahmen wollten in einem neuen Sinnbild, als ob das Wasser nicht genügend wäre. Die so genannte letzte Ölung ist beibehalten worden vom unbedachten Eifer der Nachfolger der Apostel, die doch nicht mehr die gleichen Gaben wie diese hatten. Denn wenn die Apostel Öl brauchten bei den Kranken, so geschah es zu wunderbarer Heilung. Hat das Wunder aufgehört, so darf die leere Form nicht mehr im Gebrauch bleiben. So wäre es also besser, diese Dinge abzuschaffen und zwar so, dass Sie nichts behielten, was nicht zum reinen Gotteswort stimmt und zur Erbauung der Kirche dient.

Freilich soll man die Schwachen tragen, aber zu ihrer Stärkung und um sie zur Vervollkommnung zu führen. Das heißt aber nicht, dass man den Toren zu Gefallen sein müsse, die dies und jenes begehren, ohne zu wissen warum. Ich weiß, die Erwägung hält manche zurück, dass sie fürchten, eine allzu große Veränderung sei unerträglich, namentlich im Blick auf die Nachbarn, mit denen man Freundschaft pflegen will; so will man ihnen zu Gefallen leben, indem man manches nur beschneidet [statt abhaut]. Das wäre ja erträglich in weltlichen Geschäften, wo es erlaubt ist, einander nachzugeben und um des Friedens willen von seinem Rechte abzustehen. Aber das ist nicht das Gleiche bei der geistlichen Leitung der Kirche, die nach Gottes Wort geordnet werden soll. Da steht es uns nicht frei, den Menschen etwas mehr aufzulegen, oder ihnen zu lieb etwas wegzulassen. Ja, nichts missfällt Gott mehr, als wenn wir nach unserer Menschenweisheit mäßigen und zurechtstutzen, vorrücken oder zurückweichen wollen ohne seinen Willen. Wenn wir ihm also nicht missfallen wollen, so müssen wir die Augen schließen für alle Rücksicht auf die Menschen. Drohenden Gefahren dürfen wir ja wohl, so viel es uns möglich ist, ausweichen, aber nicht durch ein Abweichen vom rechten Weg. Wir haben seine Verheißung, dass er es uns gelingen lassen wird, wenn wir aufrichtig wandeln [Spr. Sal. 2, 7]. So bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Pflicht zu tun und ihm zu überlassen, was da kommen mag. Das ists, weshalb die Weisen dieser Welt so oft enttäuscht werden in ihren Hoffnungen, weil Gott nicht mit ihnen ist, wenn sie ihm und seiner Hilfe nicht trauen und krumme Wege suchen, die er verdammt. Wollen wir nun Gottes Macht spüren auf unserer Seite? So müssen wir einfach das befolgen, was er uns sagt. Vor allem müssen wir an dem Grundsatz festhalten, dass die Reformation seiner Kirche das Werk seiner Hand ist. So müssen sich darin die Menschen auch von ihm leiten lassen. Ja noch mehr, oft will er, seis zur Wiederherstellung seiner Kirche, seis zu ihrer Erhaltung, in wunderbarer und für Menschen unbegreiflicher Weise vorgehen. Deshalb geht es nicht an, diese Reformation, die göttlich sein soll, einzuschränken nach unserm Verständnis und das Himmlische dem Irdischen und Weltlichen unterzuordnen. Dadurch will ich freilich die Klugheit nicht ausschließen, die recht notwendig ist, um das rechte, gute Maß zu halten und nicht in irgendeiner Richtung zu übertreiben, damit womöglich alle Welt für Gott gewonnen werde. Aber es muss die Klugheit des heiligen Geistes herrschen und nicht die des Fleisches, und wenn wir den Mund des Herrn gefragt haben, müssen wir ihn auch bitten, dass er uns führe und leite, und nicht unserm Sinn folgen. Tun wir so, so wird’s uns leicht, manchen Versuchungen die Spitze abzubrechen, die uns auf halbem Weg aufhalten könnten. Deshalb, Monseigneur, da Sie begonnen haben, in englischen Landen das Christentum wieder in seinen ursprünglichen Stand zu bringen, nicht im Vertrauen auf Ihre eigene Kraft, sondern auf die Hilfe des Armes Gottes, und da Sie bisher diese mächtige Hand auf Ihrer Seite gespürt haben, so zweifeln Sie nicht daran, dass es auch weiter so sein wird bis ans Ende. Wenn Gott Königreiche und Fürstentümer der Ungläubigen, sie seine Feinde sind, erhält, um wie viel mehr wird er in seiner Hut halten die, die sich ihm fügen und ihn suchen als ihren Oberherrn.

Ich komme nun zum letzten Punkt, der Züchtigung der Laster und der Unterdrückung der Ärgernisse. Ich zweifle nicht daran, dass es in Ihrem Reich gute, löbliche Gesetze und Verordnungen gibt, das Volk bei ehrbarem Leben zu erhalten. Aber die großen, entsetzlichen Ausschweifungen, die ich in der Welt sehe, zwingen mich, Sie zu bitten, auch darauf Ihre Sorge zu richten, dass die Leute auch in guter, ehrbarer Kirchenzucht gehalten werden. Lassen Sie sich vor allem die Ehre Gottes angelegen sein, damit auch die Verbrechen ihre Strafe finden, von denen die Menschen gewöhnlich nicht viel Aufhebens machen. Ich sage das, weil oft Diebstahl, Totschlag und Raub, durch die Menschen geschädigt werden, schwer gestraft werden, aber Hurerei und Ehebruch, Trunksucht und Lästerung des Namens Gottes werden geduldet, als wären das erlaubte Dinge oder doch kaum der Strafe wert. Aber wir sehen, wie Gott im Gegenteil diese Dinge einschätzt. Er sagt, wie wertvoll ihm die Heiligkeit seines Namens ist. Und doch wird sein Name gleichsam in Fetzen gerissen und mit Füßen getreten. Es kann also nicht sein, dass er solche Schmach ungesühnt lässt. Ja noch mehr, die Schrift zeigt, dass durch Gotteslästerungen ein ganzes Land verseucht wird. Was nun den Ehebruch angeht, so muss es für uns, die wir uns Christen nennen, eine große Schande sein, dass die Heiden mehr darauf hielten, ihn streng zu bestrafen, als wir; ja manchmal lacht man nur darüber. Wenn die heilige Ehe, die ein lebendiges Bild sein soll unserer heiligen Verbindung mit Gottes Sohn, befleckt wird, wenn das festeste und unlösbarste Band, das es auf Erden geben soll, unrechtmäßig zerrissen wird, und das geht uns nicht zu Herzen, so ist das ein Zeichen, dass wir keinen Eifer für Gott haben. Über die Hurerei muss es uns genügen, dass St. Paulus sie mit Heiligtumsschändung vergleicht, da durch sie der Tempel Gottes, unser Leib, entweiht wird [1. Kor. 6, 18 – 20]. Ebenso, dass Hurer und Trunkenbolde vom Reich Gottes ausgeschlossen sind, so dass uns sogar der Verkehr mit ihnen verboten wird, woraus deutlich folgt, dass sie in der Kirche nicht geduldet werden sollen [1. Kor. 5, 11. 6, 10]. Das ist gerade die Ursache mancher Plagen, die heutzutage die Erde heimsuchen. Denn je mehr sich die Menschen solche Ausschweifungen selbst verzeihen, umso mehr muss Gott sie rächen. Um deshalb seinem Zorn zuvorzukommen, halten Sie, ich bitte Sie darum, Monseigneur, den Zügel kurz, und sorgen Sie dafür, dass die, die das Evangelium hören, sich auch als Christen bewähren durch ein heiliges Leben. Denn wie die Lehre gleichsam die Seele der Kirche ist, die ihr das Leben gibt, so sind die Kirchenzucht und die Bestrafung der Laster wie die Muskeln, die ihrem Körper Halt und Kraft geben. Es ist die Pflicht der Bischöfe und Pfarrer, darüber zu wachen, dass das Abendmahl unseres Herrn nicht durch Leute von Ärgernis erregendem Lebenswandel besudelt wird; aber bei der Machtstellung, in die Gott Sie gebracht hat, fällt die Hauptaufgabe doch Ihnen zu, nämlich die andern dazu zu veranlassen, dass jeder seine Pflicht tut, und dafür zu sorgen, dass die eingerichtete Ordnung genau eingehalten wird. Nun, Monseigneur, im Hinweis auf das, was ich oben sagte, will ich mich nicht mehr lange entschuldigen, weder wegen der Länge meines Briefes, noch deswegen, dass ich so frei heraussagte, was ich auf dem Herzen hatte. Denn ich verlasse mich darauf, dass Sie meine Gesinnung nach Ihrer Klugheit erkannt und, wohl geübt in der heiligen Schrift, auch bemerkt haben, aus welcher Quelle der Inhalt meines Schreibens geschöpft ist. Ich fürchte deshalb auch nicht, Ihnen lästig und zudringlich erschienen zu sein, indem ich nach meinem Vermögen gezeigt habe, wie sehr ich es wünsche, dass Gottes Name durch Sie immer mehr verherrlicht werde, worum ich ihn täglich anflehe. Ich bitte ihn, er möge seine Gnadengaben Ihnen immer reichlicher zu Teil werden lassen, er möge Sie stärken durch seinen Geist zu wahrer, unbezwinglicher Festigkeit, er möge Sie unterstützen wider alle Ihre Feinde, er möge Sie mit Ihrem ganzen Hause mit seinem heiligen Schutze behüten, er möge Sie das Ihnen anvertraute Amt so glücklich führen lassen, dass der König nur den lieben Gott loben kann dafür, dass er ihm in seiner Jugend einen so guten Vormund für ihn selbst und das Reich gegeben hat. Damit will ich schließen, indem ich mich, Monseigneur, Ihrer Gnade ergebenst empfohlen habe.

[22. Oktober 1548.]

Calvin, Jean – An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Eduard Seymour, ein Onkel des Königs Eduard VI., regierte als dessen Vormund unter dem Titel eines Protektors von 1547 – 1549 über England und führte, unterstützt von Cranmer, die Reformation ein.

Widmung zum Kommentar zu den Timotheusbriefen.

Da das herrliche Gerücht, erlauchtester Fürst, das wie von deinen andern Heldentugenden, so besonders von deiner außerordentlichen Frömmigkeit berichtet, im Herzen der Guten überall, auch wenn du ihnen sonst unbekannt bist, Liebe zu dir entfacht, so muss notwendigerweise auch, wer in England gut gesinnt ist, dir mit fast unglaublicher Ehrfurcht und Liebe anhängen. Denn nicht nur dürfen sie sehen, was wir anderen schon vom Hörensagen bewundern, sondern sie genießen auch die Früchte, die durch einen vorzüglichen Herrscher dem ganzen Volkskörper wie jedem einzelnen Gliede zu gute kommen. Auch kann das Lob, das dir das Gerücht spendet, nicht als eitles, von Schmeichlern ausgehendes, Geschwätz gelten, da deine Taten ein leuchtendes Zeugnis dafür ablegen.

Eine Vormundschaftsverwaltung ist auch schon bei einem gewöhnlichen, mäßig begüterten Mündel schwierig. Du führst die dir anvertraute Vormundschaft eines Königs, ja eines mächtigen Reiches, mit solchem Geschick und solcher Klugheit, dass alles deinen Erfolg bewundert. Und damit deine Tüchtigkeit nicht nur in gesetzlichen, friedlichen Zuständen des Staates sich auszeichne, hat Gott sie auch in dem Kriege zur Schau gestellt, den du bisher ebenso glücklich wie tapfer selbst geleitet hast. Und doch waren dir alle diese vielen Schwierigkeiten, die jeder leicht ausrechnen kann und die du überwinden musst, kein Hindernis, vor allem der religiösen Reformation deine Sorgfalt zu widmen. Ein Plan, ebenso würdig der Person des Fürsten, als nützlich für das Wohl des Landes! Denn nur dann ist eines Reiches Glück von Dauer und sein Schutz zuverlässig, wenn der, auf dem alles beruht und durch den allein es erhalten wird, Gottes Sohn, es regiert. So konntest du auch dem Wohl Englands durch nichts mehr Festigkeit geben, als durch die Zertrümmerung der Götzen und die Aufrichtung eines reinen Gottesdienstes. Das kann nämlich nicht geschehen, ohne dass die echte evangelische Lehre eingeführt wird, die allzu lang unterdrückt war durch die frevelhafte Tyrannei des Antichrists in Rom, und das heißt wieder nichts anderes, als Christum auf den Thron erheben. Diese an sich schon treffliche Tat ist aber umso größern Lobes wert, weil unter den heute Regierenden nur wenige zu finden sind, die die Abzeichen ihrer Herrscherwürde dem geistlichen Zepter Christi unterordnen. So ist ausgezeichnet für den allergnädigsten König gesorgt, dass er aus seiner Verwandtschaft einen solchen Leiter seiner Jugend fand. Denn wenn auch jedermann seine edlen Anlagen vor allem preist, so war doch zu seiner Erziehung zu männlicher Standhaftigkeit und zur Einrichtung der englischen Kirche, solange er selbst zu jung war, dieses Amtes zu walten, ein so geschickter Meister mehr als nötig. Ich zweifle nicht, dass er selbst es einsieht, Gott habe ihm dich gegeben, damit er in von deiner Hand nach seinem Wunsch geordnete Verhältnisse bald eintreten könne.

Mich aber konnte weder die weite Entfernung meines Wohnsitzes noch meine unbedeutende Stellung hindern, dir zu deiner edlen Leiterschaft in der Verbreitung des Ruhmes Christi Glück zu wünschen. Und wahrlich, da Gott mich einmal in die Zahl derer aufgenommen, durch deren Wirken er heutzutage der Welt die reine evangelische Lehre wiedergibt, warum soll ich nicht dir, den auch eine besondere Gnade Gottes zum Schützer und Verfechter dieser Lehre gemacht hat, in aller Ehrfurcht nahen, obwohl ich sehr weit von dir entfernt lebe? Da ich nun dafür nicht anders Zeugnis ablegen konnte, so glaubte ich, als Pfand dir diesen Kommentar zu zwei Briefen Pauli widmen zu sollen. Und ich habe nicht etwa zufällig gerade dieses Werk zur Widmung herausgegriffen, sondern mit Überlegung gewählt, was mir am besten schien. Paulus erinnert hier seinen Timotheus daran, mit welcher Art der Lehre man die Kirche erbauen soll, welchen Fehlern und Feinden man widerstehen, wie viel Ärger man dabei schlucken muss; er mahnt ihn, sich von keiner Schwierigkeit überwinden zu lassen, alle Gefahren tapferen Sinnes zu bestehen, die Frechheit der Bösen kräftig im Zaum zu halten, nichts nachzulassen aus Ehrgeiz und um Menschengunst willen. So ist uns in diesen beiden Briefen wie in einem lebenswahren Bild das rechte Kirchenregiment geschildert.

Da du dich nun im Auftrag deines Königs eifrig bemühst, die englische Kirche, die, wie eigentlich alle Kirchen der Christenheit, durch die frevelhafte Gottlosigkeit des Papsttums furchtbar verwüstet war, zu reformieren und dazu manchen Timotheus am Werke hast, so kannst du samt ihnen das Werk nicht besser zustande bringen, als wenn Ihr geradezu diesen Plan Pauli ausführt. Denn weder steht etwas drin, was nicht auch für unsere Zeit trefflich passt, noch ist andrerseits zum Aufbau der Kirche etwas nötig, was man nicht daraus entnehmen könnte. Meine Auslegerarbeit aber wird hoffentlich auch wenigstens eine bescheidene Hilfe dazu bieten. Doch ist es mir lieber, du erkennst das durch eine Probe, als dass ichs mit Worten rühme. Ist sie dann vor dir, hochedler Fürst, bewährt erfunden, so habe ich Grund, mir selbst am meisten Glück zu wünschen. Dass du in deiner außerordentlichen Freundlichkeit meine Widmung wohl aufnimmst, daran ich zweifle ich nicht.

Der Herr, in dessen Hand die Enden der Erde sind, erhalte das Königreich England stark und blühend, gebe dem allergnädigsten König den rechten Fürstensinn und beschenke ihn reichlich mit allem Guten, und dir verleihe er, glücklich weiter zu schreiten auf dem begonnenen herrlichen Weg, damit durch dich sein Name mehr und mehr ausgebreitet werde.

Genf, 1. August 1548.