Calvin, Jean – An Herrn de Falais in Straßburg.

Madame de Fresne, de Falais Schwester, war gestorben. Ihr Gatte hatte früher dem Evangelium angehangen, später aber seine Frau deswegen bedrängt.

Trost beim Tode der Schwester des Herrn de Falais.

Monseigneur, den Tag bevor Camus ankam, hatte ich an Sie und an andere Briefe gesandt, durch einen jungen Schneidergesellen aus der Picardie. Weil ich aber nicht genau wusste, ob man Sie schon vom Tode Ihrer Frau Schwester in Kenntnis gesetzt habe, wagte ich nicht es zu erwähnen. Nun bin ich aber froh und danke Gott von Herzen, durch den Brief der gnädigen Frau zu erfahren, dass sie unverzüglich den Punkt fest ins Auge gefasst haben, von dem auch ich ausgegangen wäre, wenn ich Sie hätte trösten wollen. In der Tat, Sie haben allen Anlass, Gott zu danken für die Gnade, die er der Verstorbenen und damit auch Ihnen erwiesen hat. Denn da der Gatte so kalt geworden ist gegen unsre Sache, so hätte die gute Dame in einer unglücklichen Gefangenschaft leben müssen, wenn sie noch länger in dieser Welt geblieben wäre, und hätte allezeit sich sehnen müssen. Sie hätten Ihrerseits doch keine Gelegenheit gehabt, ihr die Hand zu bieten [zur Befreiung] oder auch nur, ihr Linderung zu verschaffen in ihren Schmerzen. So hätten Sie nie ohne Bedauern und Betrübnis an sie denken können. So hat nun Gott Mitleid gehabt mit Ihnen und mit ihr, wenn er so für sie gesorgt hat und vor allem vielen Gefahren zuvorgekommen ist, in die sie hätte geraten können bei langer Dauer [ihres Leidens] nach unserer menschlichen Schwachheit. Wir haben aber noch einen bessern Trost, den, dass es nicht lang geht, bis wir uns wieder zusammenfinden. Während wir darauf denken, uns vorzubereiten, ihr zu folgen, wird die Stunde rasch kommen. Ich will Ihnen aber lieber Glück wünschen, dass Gott Ihnen diese Gedanken ins Herz gegeben hat, statt mich abzumühen, Sie nochmals dran zu erinnern. Auch die andern Nachrichten, die Camus mir von Ihnen brachte, haben mich gefreut, und ich hege die Erwartung, dass Gott gut hinausführen wird, was er wohl begonnen hat.

So empfehle ich mich, Monseigneur, ergebenst Ihrem Wohlwollen, richte Ihnen auch die ergebenen Empfehlungen meiner Frau aus und bitte unsern lieben Gott, er möge Sie allezeit in seiner Hut halten, Sie stärken an Leib und Seele, damit er Sie immer besser brauchen kann.

Genf, 20. November 1546.
Ihr ergebener Diener und guter Freund
Johann Calvin.

Ich versichere Sie, Sie sind die Ursache, dass ich den Frühling noch mehr herbeisehne, als ich es sonst tue. Unser Bruder des Gallars empfiehlt sich ebenfalls Ihrer Gewogenheit ergebenst.

Calvin, Jean – An Herrn de Falais in Straßburg.

Vgl. 181. De Falais war offenbar durch Virets Antwort etwas beleidigt. Der Fuchs ist Kaiser Karl V., dessen Vorgehen im Schmalkaldischen Krieg durch Krankheit gehemmt war. Im Oktober 1546 schloss Moritz, Herzog von Sachsen, seinen verräterischen Vertrag mit dem Kaiser, gegen seinen Vetter, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und seinen Schwiegervater, den Landgrafen Philipp von Hessen. Weggelassen sind unwichtigere Nachrichten.

Entschuldigungen wegen vergeblicher Bemühung in Virets Heiratssache. Trost in der Krankheit. Politische Nachrichten. Erörterungen über die Abendmahlsfrage.

– – Der Heirat wegen, von der ich Ihnen schrieb, Monseigneur, bitte ich Sie, meinen Worten Glauben zu schenken. Ich will Ihnen die reine Wahrheit erzählen und nichts verheimlichen. Der Grund, der mich bewog, Ihnen zu schreiben, war, dass man dem Manne hier eine Partie antrug, die ihm nicht passte. Der heftigen Leidenschaft gewisser Leute wegen, die sich damit befassten, waren wir aber in Verlegenheit um eine ablehnende Antwort. Um diesen Anschlag zu durchkreuzen, wäre es mein Wunsch gewesen, es hätte sich in Straßburg etwas gefunden; denn es hätte viel weniger Neid und Eifersucht gegeben, wenn er eine Frau von weit her genommen hätte. Wir hatten es nämlich schon erfahren, wie gewisse Leute darüber murrten, dass wir nicht gingen, wie sie am Schnürchen zogen. Im Übrigen versichere ich Sie, dass damit keinerlei Hintergedanken verknüpft waren, sondern ich wollte Ihnen nur den Mann in seiner Verlegenheit anempfehlen, wobei ich weder an die dachte, von der Sie mir gnädigst schrieben, noch an irgendeine andere. Nun wissen Sie, dass der erste Brief lang unterwegs blieb, ehe wir Nachricht von Ihnen erhielten; das veranlasste mich, nochmals zu schreiben, auf seinen besonderen Wunsch, obwohl ich eigentlich nicht recht einsah, warum. Denn unterdessen sprach man, wie ich seither vernahm, ihm bereits von etwas anderem. Trotzdem teilte ich es ihm mit, als ich Nachricht von Ihnen bekam, und sein Entschluss war so, wie ichs Ihnen gemeldet habe, ohne falsche Komplimente und Ausflüchte. Seither habe ich gehört, dass man immer noch von einer Witwe spricht; freilich weiß ich momentan nicht, wie die Sache geht. Ich habe mich gar nicht drein gemischt. Obwohl ich selbst in Genf eine Witwe wusste, so passend, dass ich sie mir selbst zur Frau wünschte, wenn Gott mich durch Verlust meiner Gattin heimgesucht hätte und ich mich wieder verheiraten müsste, so zog ich in Betracht, was von andrer Seite für ihn getan wurde und wollte nicht mehr mich einmischen und sie vorschlagen. Und das, obwohl ich es für einen besonderen Nutzen gehalten hätte. Da ich aber meine Freundespflicht zur Genüge getan, so gab ich mich jetzt damit zufrieden, ihn Gott anzuempfehlen und das Wasser laufen zu lassen, wie es wollte. So sprach ich denn auch Ihnen meinen Dank aus ohne Heuchelei und wies die Schwierigkeiten nach, die diese Sache hatte. Ich glaube auch nicht, dass bei dem Mann, für den ich Sie bat, ein Falsch war; ja ich wage, Ihnen das zu versichern. Aber in ein paar Stunden kann sich viel ändern. In Betracht der gegenwärtigen Lage teilte ich ihm nichts vom Inhalt Ihres Briefes mit. Ich brauche mich da nicht lange bei Ihnen zu entschuldigen. Es ist auch gut, dass die Sache nicht bekannt geworden ist. Deshalb können Sie nun nach Ihrer Klugheit die ganze Sache so ansehen, als ob nie davon geredet worden wäre. Freilich soll Ihr guter Wille gegen mich und auch gegen den, den es ja hauptsächlich anging, nicht begraben sein. Denn ich kann Sie versichern, dass er ihn bereitwillig anerkennt, und ich weiß, dass er Ihren Eifer im Herzen behält, auch wenn er keinen Erfolg gehabt hat.

– – Obwohl nun Ihre körperliche Schwäche recht lang anhält, so ists doch schon viel, dass es immer ein bisschen vorwärts geht in der Besserung. Nach der schweren Krankheit, die Sie hatten, hat man allen Grund, damit zufrieden zu sein. Doch werden wir nicht aufhören, Gott zu bitten, er möge Sie wieder ganz herstellen, und ihm zu danken, dass er Sie vom Grabesrand gerettet hat. Übrigens hoffe ich nach allem, was er uns sehen lässt, dass er Sie noch tüchtig brauchen will als Gesunden, wie er Sie gebraucht hat als Kranken. Denn wir so danieder liegen in unserem Bett, so heißt das durchaus nicht, dass wir deshalb unnütz wären für ihn, wenn wir ihm nämlich dadurch unsern Gehorsam beweisen und uns ganz in seinen Willen ergeben, wenn wir unsern Glauben dadurch bewähren und der Versuchung widerstehen, wenn wir schließlich die Tröstungen wirken lassen, die er uns gibt zur Überwindung aller Trübsal. Das ist so bei Krankheiten, am meisten bei den langen, die eine besondere Geduldsprobe sind, vor allem aber auch beim Sterben. Trotzdem traue ich, wie gesagt, auf den lieben Gott, der Sie nun durch die Krankheit geprüft hat, er werde Sie auch noch als gesunden Mann zum Guten brauchen. Doch müssen wir ihn bitten, dass er uns bei festem Mut erhält und nicht zulässt, dass wir matt werden im langen Warten.

Obwohl der Rückzug des Fuchses ja noch recht zweifelhaft ist, so ists doch schon ein klein wenig, dass er, statt sein Ziel zu erreichen, wie es sein Vorteil gewesen wäre, den Krebsgang begonnen hat. Soviel wir gehört haben, ist es deutlich zu merken, wie Gottes Hand ihn verfolgt. Ich habe es nun immer lieber, Gott haut ihm nur einen Finger ab, als wir den ganzen Arm. Nicht, als ob es nicht auch Gottes Werk wäre, was er durch uns tut, aber ich habe stets eine solche Furcht vor solchem Siegesruhm, dass mich Gottes sichtbares, eigenes Eingreifen mehr freut. Auch bietet sich dabei dem Unglücklichen mehr Anlass zur Erschütterung seines Herzens. Komme, was will, ich glaube, ich sage die Wahrheit, wenn ich bei der Nachricht von seinem Abmarsch schreibe: Wo geht er hin? Wo ist er hingegangen? Was wird aus dem Bösewicht noch werden? Zum wenigsten hat Gott, indem er ihn so vertrieb, seinen Hochmut vernichtet.

Es geht ein Gerücht, das mich mehr verwirrt und betrübt als überrascht; nämlich, dass Moritz sich mit ihm verbünden wolle, um seinen Vetter und seinen Schwiegervater und damit schließlich sich selbst zu verderben. Dazu müsste ihn doch Satan ganz in Besitz genommen haben. Doch wir wollen abwarten, was Gott gefällt, in aller Bereitschaft, anzunehmen, was ihm gefallen hat. – – –

Noch eins habe ich vergessen, nämlich die Anklage gegen mich, als wolle ich in der Abendmahlslehre im Brot den wirklichen Leib Christi enthalten sehen. Ich weiß nicht, wo man so etwas im Traum bei mir gesehen hat. Ich dachte nie daran. Ich rede über diese Frage in verschiedenen Schriften, hauptsächlich in der Institutio, im Katechismus, im Kommentar zu den Korintherbriefen, und in [der Schrift], über die Art, das Abendmahl auszuteilen. In der Bittschrift berühre ich es nur leichthin. Übrigens habe ich auch ein Schriftlein eigens darüber verfasst. Ich glaube nicht, dass ein urteilsfähiger Leser irgendwo einen Widerspruch [zwischen meinen Äußerungen] findet. Aber das ists, manche glauben, man könne zwischen Symbol und Wirklichkeit nicht unterscheiden, ohne sie ganz zu trennen, und machen Gott so zum Komödianten, der eitle, unrichtige Dinge im Bilde zeigt. Es ist nun unsere Pflicht, zu erkennen, dass das von der Schlauheit des Satans kommt, der die Geister uneins machen will, damit unser Arbeiten vergeblich sei. So wollen wir Gott bitten, er möge durch seine Gnade Gedeihen geben, dass wir nicht umsonst arbeiten. Solche Beispiele sollen uns anspornen und zugleich bescheiden machen, so dass wir nicht meinen, wir hätten viel geleistet mit unserm Schreiben. So empfehle ich mich samt meiner Frau, Monsieur, Ihrem und Ihrer Frau Gemahlin Wohlwollen und will den lieben Gott bitten, Sie stets zu bewahren in seinem heiligen Schutz, Sie zu stärken durch seinen Geist in jeder Tugend und seine Herrlichkeit immer mehr in Ihnen leuchten zu lassen.

Genf, 16. November 1546.

Bitte entschuldigen Sie meine Fehler; ich konnte nämlich diesen Brief nicht mehr durchlesen, da mich das Kopfweh befallen hatte. Unser Bruder des Gallars empfiehlt sich Ihnen ergebenst und sendet Ihnen ein Distichon, das er auf den Fuchs gedichtet hat. Wir sehnen uns sehr nach Nachrichten. Ließe der Krieg nicht alle Druckerpressen feiern, so hätte ich Wendelin den Galaterkommentar gesandt; aber da die beiden Korintherbriefe noch in der Truhe liegen, brauche ich mich nicht zu beeilen.

Ihr ergebener Diener, Bruder und guter Freund
Johann Calvin.

Calvin, Jean – An Herrn de Falais in Straßburg.

Vgl. 169. Weggelassen sind unwichtigere Nachrichten. Dass Virets Namen vermieden wird, geschieht wohl, um Indiskretion des Boten zu verhüten.

Nochmals wegen Virets Heirat.

– – In der Angelegenheit des Mannes, in der ich Sie um Hilfe bat, gab er mir die Antwort, er lasse Ihnen ergebenst für die bewiesene große Freundlichkeit danken. Doch müsste er vor allen Dingen mit der Vorgeschlagenen schon Verkehr gehabt haben, sonst müsse er fürchten, sie würden sich aus Mangel an gegenseitigem Verständnis nicht wohl bei einander befinden in Zukunft. Nun findet er aber, in diesen Kriegsunruhen wäre die Reisezeit schlecht gewählt, und ich bin darin gleicher Meinung. Andrerseits wäre aber auch ein langes Hinausziehen der Sache gefährlich; es ist das ja auch gegen Ihre Absicht, und ich finde es sehr vernünftig. Im Übrigen läge kein Hindernis in seiner Kränklichkeit; ich finde es nur Unrecht, dass eine ungewisse Sache so lang in der Schwebe bliebe. Freilich kann ich angesichts der Gründe, die er dafür anführt, seine Forderung nicht missbilligen, die Frau, die er nehmen wolle, müsse unterrichtet sein von diesem Hauskreuz, das er zu tragen habe. Dazu fordere die Liebe vorherige Bekanntschaft, und die Ehen seien nie glücklich, wenn sie nicht auf gegenseitiger persönlicher Erklärung beruhten, und man darüber gesprochen habe, was jeder Teil vom andern verlange. Das Übel liegt eben in dem langen Warten und doch sehe ich keinen andern Rat. Ich bitte Gott, er wolle die Sache gut ausfallen lassen, wie es auch sei. – –

Meine Frau lässt sich Ihnen ergebenst empfehlen.

Genf, 4. Okt. 1546.
Ihr Diener, ergebener Bruder und guter Freund.
Johann Calvin

Calvin, Jean – An Herrn de Falais in Straßburg.

Der eingeschlossene Brief an Frau de Falais datiert vom 21. Juni. Herr de Falais hatte einen Rückfall seiner Krankheit gehabt. Non placet = Es gefällt mir nicht; ich willige nicht ein.

Frage nach einer Frau für Viret.

Monseigneur, Sie sehen am Datum des eingeschlossenen Briefes, wie lang er bei mir liegen blieb, seitdem ich ihn geschrieben, weil der Bote keine Gelegenheit fand, seines Amtes zu walten. Ich wollte Sie davon nur in Kenntnis setzen, damit Sie nicht etwa glauben, er habe ihn so lange in den Händen gehabt [ohne ihn abzugeben]. Wir sind sehr gespannt auf Nachricht von Ihnen des Gerüchtes wegen, das umgeht. Gott lasse es durch seine Gnade geschehen, dass Sie Grund haben, uns Freude zu machen. Da nun der Bote doch schon in Anspruch genommen ist, habe ich mich entschlossen, Monseigneur, ein Gesuch an Sie zu stellen. Sie wissen, dass unser Bruder Viret eine Frau bekommen sollte. Ich bin darum ebenso besorgt wie er. Nun finden wir zwar Frauen genug hier, in Lausanne und in Orbe; aber es ist darunter noch keine, mit der ich ganz zufrieden wäre. Da wir nun darüber beraten, möchte ich Sie bitten, falls Sie in Straßburg eine bemerkt hätten, die Ihnen für Viret passend schiene, es mir gefälligst zu melden. Ich wollte mich an niemand wenden als an Sie, da nicht alle die Klugheit haben, die es dazu braucht. Sie könnten mir freilich einwenden, ich müsste in Straßburg doch mindestens eine kennen; aber ich möchte doch kein Wörtlein wagen, ehe ich Ihr Urteil habe. Sie können es in ein Wort fassen; dann schweigen Sie, so halte ich das für ein Non placet. Ich habe nicht gezögert, in dieser Sache, so heikel sie ist, mich gerade an Sie zu wenden, denn die Notwendigkeit wird mich entschuldigen, selbst wenn ich zudringlich schiene, da es niemand anders gab, dem ich mich hätte anvertrauen mögen, und da ich denke, Sie hätten damit wohl nicht verschont bleiben wollen, weil Sie ja wohl wissen, wie wichtig für die Kirche Gottes die Heirat eines solchen Mannes ist. Freilich möchte ich Sie nicht damit belästigen, für ihn zu werben, falls sich in Straßburg eine Partie für ihn fände. Aber Ihren Rat einzuholen, diese Freiheit werden Sie mir, denke ich, gestatten. Indem ich mich nun, Monseigneur, Ihrer Gunst in dem Grad, wie ich Sie liebe, empfehle, bitte ich den lieben Gott, stets für Sie so zu sorgen und Sie so zu führen, dass Sie mehr und mehr seiner Ehre dienen.

Genf, 4. Juli [1546].
Ihr Diener, ergebener Bruder und guter Freund
Johann Calvin.

Calvin, Jean – An Herrn de Falais in Straßburg.

Die Güter de Falais waren als Besitz eines flüchtigen Ketzers konfisziert worden. Calvin verfasst deshalb für ihn eine Schutz- und Bekenntnisschrift an den Kaiser, deren Entwurf er ihm mit diesem Brief sendet. De St.-Andre, jetzt Pfarrer in Thonon, stand als niederländischer Refugiant de Falais nahe und las deshalb den Entwurf auch. Weggelassen sind unwichtigere Personalnachrichten.

Über die Apologie für de Falais.

Monseigneur, hier sehen Sie, was ich verfasst habe, um Ihnen zu gehorchen. Ich wage nicht, zu versprechen, dass Sie damit zufrieden sein können. Es genügt mir völlig, wenn Sie davon überzeugt sind, dass es nicht am guten Willen gefehlt hat. Ich fürchte, Sie finden nicht darin, was Sie erwartet haben. Es liegt aber kein Grund vor, dass mir das allzu große Vertrauen, das ich in ihre Nachsicht setze, als Fehler angerechnet werde. Wäre ich persönlich wohler gewesen, und hätte ich Muße gehabt, so hätte ich möglicherweise etwas Besseres zu Stande gebracht. Da mir aber beides gefehlt hat, so bitte ich Sie, mich für entschuldigt ansehen zu wollen. Es hätte mich freilich keine große Mühe gekostet, viel mehr Papier voll zu schreiben; aber es war mein Bestreben, mich kurz zu fassen, da ich es für das beste hielt, im Blick auf den Adressaten der Schrift. De St.-Andre fand; es fehle nichts, außer, dass Sie bei der Stelle von Ihrer Auswanderung die Reisen, die Sie gemacht haben, mehr im Einzelnen ausgeführt haben wollten. Ich dachte auch an einen anderen Schluss, da ich aber nicht recht wusste, wie ich mich so verhalten sollte, habe ich es gelassen. Es steht in Ihrem Belieben, hier noch eine Bemerkung darüber anzufügen, wenn Sie es für nützlich halten; nämlich, dass Sie nicht wagten, der Güter wegen eine Forderung zu stellen, da Sie es doch für verlorene Mühe hielten, von Ihren Gütern zu reden, ehe Sie sonst wieder in Gnaden aufgenommen wären, was Ihnen ja auch die Hauptsache und wichtiger als alles andere sei. Trotzdem möge er geruhen, den Adel Ihres Hauses in Betracht zu ziehen, und sich nicht von denen leiten lassen, die nur darauf ausgingen, es zu zerstören. Ich weiß nicht, ob es für Ihre Brüder von Nutzen wäre, sie zu erwähnen. Prüfen Sie das selbst. Meines Erachtens müsste man am Schluss noch eine Bemerkung beifügen, die den Verdacht aufhöbe, als bedauerten Sie den Verlust Ihrer Güter gar zu sehr, eine Erklärung, dass Sie um der Ehre willen den Verlust standhaft ertragen, eine Bitte an Gott, er möge Sie stets mehr spüren lassen, wie viel Jesus Christus wert ist und die Güter, die er gibt, so dass, wer ihn hat, alle Dinge für Dreck und Schaden achten kann. Entschließen Sie sich, auf die Frage der Güter einzutreten, so schiene es mir gut, sie so in Kürze abzuschließen. Ich habe Ihnen die Entschuldigung schon vorgebracht, warum ichs nicht getan habe. – – –

Genf, 16. April.
Ihr ergebener Diener und Bruder im Herrn Jesu.
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An den Herrn de Falais.

Jacques de Bourgogne, Sieur de Falais de Bredam, ein Urenkel des Herzogs Philipp von Burgund, am Hof Karls V. erzogen und mit der Herrschaft Falais in Belgien belehnt, hatte sich schon in der Jugend der Reformation angeschlossen und fühlte sich drum in seiner Heimat nicht mehr sicher. Calvin rät ihm deshalb in absichtlich bloß andeutender Rede zur Auswanderung. Der erwähnte Herr, der dazu seine Hilfe anbietet, ist der Refugiant David de Busanton in Genf. Calvin schreibt pseudonym und nennt auch der Gefahr wegen den Adressaten Jacques Le Franc.

Aufforderung zur Auswanderung.

Monsieur, obwohl es gegen die übliche Sitte ist, dass ich mir die Freiheit nehme, Ihnen vertraulich zu schreiben, bevor ich Ihnen recht bekannt bin, so bin ich doch sicher, dass Sie meinen Brief wohl aufnehmen werden, und es wäre geheuchelt, wollte ich mich lang entschuldigen, wie wenn ich daran zweifelte. So will ichs denn in dieser Sache machen wie einer Ihrer Freunde, nämlich ohne weitere Einleitung.

Die Angelegenheit, die ich mit Ihnen behandeln möchte, forderte zwar eigentlich unser Beisammensein, um mindestens einen halben Tag darüber reden zu können. Tatsächlich war es auch seit vier bis fünf Monaten oft mein Wunsch, Gott möge uns die Gelegenheit dazu einmal schenken. Ich bin auch jetzt noch im Zweifel, ob ich Sie bitten soll, zu besserer Beratung eine Reise zu unternehmen, damit wir nach näherer Betrachtung und Besprechung beschließen könnten, was zu tun ist. Denn wenn es sich darum handelt, die Sache als noch unentschieden in Erwägung zu ziehen, so ist noch manches einzuwenden und zu widerlegen, ehe Sie zu einem Entschluss kommen können; und es wäre töricht und unbedacht von mir, das alles brieflich verhandeln zu wollen. Aber schließlich habe ich andrerseits gedacht, dass, wenn Ihnen unser Herr schon den Mut gegeben hat, uns aufzusuchen in der guten Absicht, bei uns Ruhe im Herrn zu finden, es ja verlorene Mühe wäre und bloß Aufenthalt und Verzögerung, wenn ich Ihnen riete, hierher zu reisen, nur um zu sehen, wie es hier ist, und sich dann danach richten zu können. Deshalb bin ich nicht der Meinung, Sie sollten sich diese überflüssige Mühe machen, um dann nachher gleich weit zu sein wie vorher. Das wäre ja auch möglich, wenn die Gelegenheit dann nicht ebenso günstig wäre wie eben jetzt.

Ich bedenke die Schwierigkeit wohl, die für Sie im Hinblick auf die Welt liegt und in den Bedenken, die Sie in der Welt festhalten wollen. Aber Sie müssen eben da zu einem bestimmten Entschluss kommen und dann alles abweisen, was Ihnen als diesem Entschluss widersprechend vorkommt. Freilich, ein solcher Entschluss darf auch nicht leichtsinnig gefasst werden, d. h. ohne Begründung und das feste Bewusstsein, weshalb man sich so entschließt. Aber wenn Ihr Gewissen fest geworden ist in einem Bekenntnis, das besser und stärker ist als alles, was Ihnen die Welt bieten kann, so müssen sie ganz darauf bestehen und alle Hindernisse, die Sie abwendig machen wollen, ansehen als Fallstricke des Satans, der Ihnen den Weg verlegen möchte. Doch glaube ich nicht, noch viele Gründe anführen zu müssen, zum Ihnen zu zeigen, was nach Gottes Willen handeln heißt. Ich denke, das ist Ihnen schon ganz klar. Es ist bei Ihnen nur noch einerseits das Bedauern, so manches lassen zu müssen, andrerseits die Furcht, nicht zu treffen, was Sie sich wünschen. Aber alles Bedauern der weltlichen Dinge lässt sich doch überwinden durch den einen Gedanken, dass es keine unglücklichere Lebenslage und Gemütsstimmung gibt, als beständig einen Zwiespalt in sich herumzutragen oder vielmehr von einer unauflöslichen Qual im eigenen Innern gepeinigt zu sein.

Nun fragen Sie sich, ob Sie Frieden mit Gott und Ihrem Gewissen haben können in Ihrem gegenwärtigen Zustand. Wenn Sie die Hoffnung auf bessere Zeiten zurückhält, so müssen Sie fürs erste ja deutlich sehen, wie der Abgrund sich immer weiter auftut, und Sie mit der Zeit immer tiefer hineingeraten.

Zweitens, wenn es Gott gefiele, die gegenwärtige Missordnung zu bessern, welche Freude wäre es für Sie, sagen zu können: So lang mein Meister aus meinem Vaterland verbannt war, wählte ich freiwillig die Verbannung, um ihm zu dienen, jetzt wo er wieder eingezogen ist, komme ich auch zurück, um hier zu leben. Freilich hat es nicht den Anschein, als sollte das in Bälde geschehen. Deshalb ist es das Beste, auszuziehen, ehe Sie wie ein Ertrinkender so tief versunken sind im Seetang, dass Sie sich nicht mehr losreißen können. Ja, es heißt hier: je bälder, je besser. Denn in solchen Dingen muss man die Gelegenheit benützen, wenn sie sich bietet, und es so ansehen, dass der Herr, wenn er uns ein Mittel zeigt, uns gleichsam eine Türe öffnet; da heißt es dann eintreten ohne Zögern, damit die Türe nicht wieder geschlossen wird, während wir uns mit Beratungen aufhalten. Die Hauptgelegenheit sehe ich nun darin, dass der Herr die Herzensbande gelöst hat zwischen Ihnen und Ihrer Umgebung und Ihnen so in der Liebe zu ihm, die er in Ihnen wachgerufen hat, leicht macht, was sonst so schwer scheint. In einem solchen Fall müssen wir, nach der Mahnung des heiligen Apostels, die Gaben des Geistes brauchen, sie in Tat und Wirkung umsetzen, sie nicht absterben lassen, damit sie nicht ganz erlöschen durch unsere Achtlosigkeit. Je alles bequem nach unserem Wunsch zu haben, dürfen wir gar nicht erwarten. Denn wäre es so, welche Bewährung unseres Glaubens gäbe es dann? Zweifellos hat unser Vater Abraham auch außerordentlichen Widerstand gefunden, als er aus seinem Lande ausziehen musste und hatte auch nicht alles nach seinem Wunsch; trotzdem eilt er fort ohne Zögern. Sind wir seine Kinder, so müssen wir ihm auch folgen. Freilich haben wir keinen ausdrücklichen Offenbarungsbefehl, unser Land zu verlassen. Aber da wir das Gebot haben, Gott zu ehren mit Leib und Seele, wo wir auch seien, was wollen wir mehr? Da richten sich die Worte doch auch an uns: Gehe aus deinem Vaterlande, wenn wir gezwungen werden, wider unser Gewissen zu handeln, und nicht zur Ehre unseres Gottes leben können. Übrigens wird der Herr Ihnen mit der Möglichkeit, wegzukommen, auch die Klugheit schenken, sie zu brauchen, und Sie sind ja am rechten Ort, um sehen zu können, was Ihre Angelegenheit erfordert. Nur soviel wünschte ich, dass Sie danach streben, soviel wie möglich aus dem Wirrsal herauszukommen, damit Sie umso munterer und freier sind, nachdem Sie sich aus den Schlingen befreit haben. Alles mit Hilfe der guten Freunde, die mit Ihnen sind, um Sie mit Rat und Tat zu unterstützen.

Der gute Herr, den Sie so sehr zur Handreichung herbeiwünschen, reist zu Ihnen mit dem Anerbieten, alles zu tun, was er von seiner Seite kann, um seine Pflicht zu erfüllen. Sicher soll sein Eifer auch Sie antreiben und ein neuer Sporn für Sie sein, die gute Geistesgabe, die schon in Ihnen ist, zu mehren und zu entflammen.

Da nun das übrige nicht gut brieflich verhandelt werden kann, so bitte ich den lieben Vater im Himmel, Ihnen mehr die Augen aufzutun, dass Sie sehen, was er Ihnen schon verliehen hat, und Ihnen auch Kraft und Beharrlichkeit zu schenken, dass Sie den Weg gehen, den er Ihnen zeigt. Schließlich möge er Sie leiten in allem und überall durch seinen heiligen Geist und Sie behüten mit seinem Schutze. Damit empfehle ich mich untertänigst Ihrem Wohlwollen, ohne dabei die gute Gesellschaft von lieben Herren, die bei Ihnen sind, zu vergessen.

[Genf, 14. Oktober 1543.]
Ihr Diener, untertäniger Bruder und Freund
Charles d´ Espeville.