Calvin, Jean – An die französische Gemeinde in Frankfurt a. M.

Nr. 714 (C. R. – 3871)

Vgl. 709.

Die letzten Kämpfe in Frankfurt.

Zu unserm großen Bedauern hören wir, sehr liebe Brüder, dass unter Euch Meinungsverschiedenheiten entstanden sind, die so heiß wurden, dass scharfer Zank daraus erwuchs, wie wenn Ihr nicht schon in der Auflösung Eurer Gemeinde einen genügend harten Schlag empfangen hättet, und, was uns noch mehr betrübt, wir sehen keinen Weg, Euch wieder zu wirklichem brüderlichem Zusammenhalten zu bringen; denn wir fürchten, das werde schwer bei Euch zu erreichen sein. Was der Dichter sagt, geht auch aus Euerm Brief hervor: es sind Fehler gemacht worden innen wie außen. Ein Teil von Euch meint, trotz der Schließung Eurer Kirche müsse man doch noch den Bestand der Gemeinde wahren bis zum endgültigen Entscheid der Sache. Die andern glauben dagegen, es sei übel getan, da doch die Wahrheit mit großer Schmach und Schande unterdrückt und sozusagen in die Verbannung getrieben worden sei. Was uns angeht, so können wir nicht anders urteilen, als dass zwar die sehr wohlgetan haben, die sofort nach der Schließung der Kirche und dem Verbot des Gottesdienstes ihr Bündel schnürten und anderswohin zogen, dass aber die, die hierzu nicht imstande waren, unseres Erachtens eher Mitleid verdienen als irgendwelche böswillige Behandlung. Tatsächlich wäre es mehr als unrecht, Refugianten an ihrem Zufluchtsort fesseln zu wollen, wie arme Sklaven in der Tretmühle; denn selbst angenommen, die Gemeinde bestünde noch, so dürfte man eine Ortsveränderung von Privatleuten nicht für unerlaubt halten, – wie vielmehr muss es Leuten, denen man die Ausübung ihrer Religion verboten hat, erlaubt sein, sich anderswohin zu begeben! Andrerseits wäre es aber auch unmenschlich, die als Verräter an der Wahrheit anzusehen und zu verlästern, die durch häusliche Umstände oder durch die Geschäftslage verhindert und festgehalten worden sind, so dass sie nicht auswandern und an einen andern Ort übersiedeln konnten. Was nun den Vorwurf betrifft, dass diejenigen, die ihre Kinder zur Taufe Eurer [lutherischen] Gegner bringen, Jesum Christum zum Gespött machen, so müssen wir darüber so urteilen: wenn sie dabei schweigen und nicht offen bekennen, dass sie sowohl die Irrlehren als auch die Tyrannei und den dummen Stolz der Männer verabscheuen, von denen sie ihre Kinder taufen lassen, so begehen sie einen Fehler, der unentschuldbar und unerträglich ist; denn es ist sicher, dass diese fetten, sichs wohl sein lassenden Pfaffen nichts wollen, als über Christum und seine Wahrheit einen Triumph davontragen, und dann können wir ihrer Unverschämtheit keine Gelegenheit geben, ohne beständig Christum zu verunehren. Wenn man aber ein offenes, vollständiges Bekenntnis ablegt und dadurch den Hochmut dieser ehrwürdigen Herren etwas dämpft, so sehe ich nicht ein, warum man die durchaus verdammen müsste, die gezwungen sind, ihre Kinder von den dazu verordneten und eingesetzten Pfarrern taufen zu lassen, wiewohl sie nicht mit ihnen übereinstimmen. Eine andre Sache ists mit dem heiligen Abendmahl, das keiner aus ihrer Hand empfangen darf, ohne die heilige Lehre schmählich zu verleugnen.

Es scheint uns nicht von Nutzen, uns weiter in eine Prüfung aller Einzelheiten Eures Streites einzulassen; ja aus verschiedenen Gründen halten wir es für unrichtig, auch nur das, was Ihr davon schriebt, zu berühren. Deshalb bitten und beschwören wir Euch im Namen Gottes, lasst all das leidenschaftliche Streiten mit seiner Bitterkeit und nehmt Euch brüderlich auf untereinander. Die in so harter Knechtschaft Unterdrückten sollen seufzen und den Brüdern Glück wünschen, die an andern Orten Freiheit erlangt haben. Die aber, denen Gott die Gnade gegeben hat, diesem schweren Joch zu entrinnen, sollen eher Mitleid haben mit ihren Brüdern, als sie so übermäßig zu bedrängen und ihnen dadurch den Mut zu nehmen. Verzeiht uns also, wenn wir vorzogen, solches Maß innezuhalten, statt allen Euern Wünschen zu entsprechen. Der Herr leite Euch durch den Geist der Milde und Güte mit einer unüberwindlichen Festigkeit; er versammle und halte Euch in einem Leibe zusammen durch das Band der Barmherzigkeit und der Liebe. Seid Gott befohlen, sehr teure und geliebte Brüder.

Genf, 27. Oktober 1562.

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An die französische Gemeinde in Frankfurt.

Nr. 591 (C. R. – 3011)

Viret und mit ihm vierzig waadtländische Pfarrer waren, weil sie auf der Einführung der calvinischen Kirchenzucht bestanden, am 20. Januar 1559 ihres Amtes entsetzt worden. In der französischen Gemeinde in Frankfurt waren Zwistigkeiten ausgebrochen zwischen den Pfarrern Houbraque und Perrucel, an denen die Gemeinde teilnahm. Die Theologia deutsch, der in Frankfurt entstandene, anonyme mystische Traktat, den Luther liebte und 1518 neu herausgab, war von Castellio ins Französische übersetzt worden und in dieser Gestalt in die Frankfurter Gemeinde eingedrungen.

Warnung vor Uneinigkeit und gefährlichen mystischen Schriften.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei stets mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Herren und Brüder. Obwohl die lange Krankheit, mit der Gott mich heimsucht, eine rechte Sorge ist und die Not der armen Kirche zu Lausanne mich noch viel mehr quält als mein eigenes Leiden, so habe ich doch noch neuen Schmerz und neue Angst empfunden, als ich von den Unruhen hörte, die der Satan wieder unter euch gestiftet hat. Was Ihr früher erfahren habt, hätte die Leute wohl zurückhalten sollen, die nun wieder begonnen haben, die Einheit und Eintracht zu zerstören, die Gott in seiner Güte wiederhergestellt hatte unter Euch. Seht Ihr aber, dass einzelne ihrem Eigensinn so ergeben sind, dass ihr Ehrgeiz und ihre Neuerungssucht zur Zerstörung der Gemeinde führen, so ist es an Euch, einzugreifen; sind sie aber so hartnäckig, dass sie sich nicht beugen lassen, wenigstens nicht durch die gewöhnlichen Zuchtmittel, so sollen sie aus Eurer Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Ich weiß wohl, wenn ich Euch das rate, so setze ich mich dem Vorwurf aus, ich gehe zu weit und ich solle mich mit meinem hiesigen Amte begnügen und nicht auch in die Ferne regieren wollen. Doch mir genügts, wenn Gott mein Zeuge ist, dass nur meine Liebe zu Euch und die Sorge um Euer Wohlergehen mich dazu treibt und nötigt, und zwar zu meinem eigenen Bedauern, mich in Eure Verhältnisse einzumischen. Ich glaube auch, die meisten unter Euch, ich darf wohl sagen beinahe alle, sind davon überzeugt, wiewohl einige sich ärgern, wenn man für das Rechte sorgt, und darüber murren, trotzdem sie eigentlich selbst finden, es sei gut und nützlich. Noch lieber aber wäre es mir, hoffen zu dürfen, dass jeder, wenn er sieht, wie ich mich mühe, zu einen, was entzweit ist, ohne jemand persönlich zu verletzen, schließlich meine Verwendung in dieser Sache gern sehen wird. Ich bitte Euch also, liebe Brüder, sorgt dafür, dass ich mich wieder freuen kann, ja dass mein anderes Leid gelindert wird durch die Nachricht, mein Brief habe Euch genützt und Euch geholfen und gedient, Euch wieder in guter Eintracht zu versöhnen. Das größte Unglück ist, dass sogar Eure zwei Pfarrer miteinander zanken. Denn wenn schon Zwistigkeit und Zank zwischen gewöhnlichen Gemeindegliedern ein Verderben der Kirche sind, was ists erst, wenn die Boten des Friedens im Streite liegen? Gerade deshalb tut eilige Hilfe not, weil sonst zu befürchten ist, dass der Übelstand wächst und dann nicht mehr abgestellt werden kann. Wenn St. Paulus sich beeilt hat, die streitenden Frauen miteinander zu versöhnen und deswegen der ganzen Gemeinde zu Philippi geschrieben hat [Phil. 4, 2. 3], umso mehr als sie mit ihm gekämpft hatten für das Evangelium, so ist ja noch viel mehr Grund vorhanden, dass, wenn ein Zwist herrscht zwischen den Pfarrern, deren Amt es wäre, Streitigkeiten zu schlichten, jeder zu Hilfe eilt, wie wenn es gölte, ein Feuer zu löschen, das alles in Brand stecken könnte. Indessen will ich mir kein Urteil in dieser Sache erlauben; es sei denn darüber, dass man versucht hat, einige Traktate in der Gemeinde einzuführen oder doch ihre Verbreitung gebilligt hat, nämlich die Theologia deutsch oder vom neuen Menschen. Was diese Schriften angeht, so möchte ich, wenn ich je vom Worte Gottes etwas geschmeckt oder verstanden habe, ihre Verfasser hätten sie ungeschrieben gelassen. Denn stehen auch keine deutlichen Irrlehren darin, so sinds doch Geschwätze, vom Teufel geschmiedet in seiner Schlauheit, um die Einfachheit des Evangeliums ganz durcheinander zu bringen. Seht Ihr aber näher zu, so findet Ihr, dass ein so tödliches Gift darin verborgen liegt, dass sie verbreiten die Kirche vergiften heißt. Deshalb, liebe Brüder, bitte und ermahne ich Euch vor allen Dingen im Namen Gottes, meidet wie die Pest die Leute, die Euch mit solchen Schandschriften anstecken wollen. Ich bitte auch die, die sich bisher mit ihnen eingelassen haben, vorsichtiger zu sein, damit sie nicht ein Übel nähren, das sie dann nicht mehr abstellen können, wenn sie wollen. Indessen strebet nach dem Ziel, dass Eure Pfarrer einig seien in schöner Brüderlichkeit, um ihre Pflicht zu tun, und hütet Euch vor allem Streit, der die Bande des Friedens zerrisse und die Zersetzung mehrte, deren böse Anfänge jetzt schon zu bemerken sind. Deshalb bitte ich den lieben Gott, er wolle Euch Rat und Klugheit schenken, alle unordentlichen Leidenschaften absterben lassen und überhaupt Euch behüten, Euch stärken in seiner unüberwindlichen Kraft und nicht zulassen, dass, was er erbaut hat, unter Euch zerstört werde. Meine Brüder lassen Euch grüßen und ich besonders möchte mich Eurer Fürbitte empfohlen haben.

Genf, 23. Februar 1559.

Calvin, Jean – An die französische Gemeinde zu Frankfurt am Main.

Nr. 502 (C. R. – 2486)

Begleitschreiben für den neuen Pfarrer Houbraque.

Empfehlung des neuen Pfarrers. Mahnung zur Eintracht.

Die Liebe Gottes, unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei allezeit mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Herren und Brüder, wiewohl es recht gut gewesen wäre, wenn Ihr nach dem Tode unseres lieben Bruders Richard Vauville vom ersten Tag an mit einem andern Pfarrer versorgt gewesen wäret, besonders der Unruhen und Zwistigkeiten wegen, die damals unter Euch waren, und wiewohl Euch das lange Warten recht unangenehm war, so hoffe ich doch, dass, so Gott will, die Ankunft unseres Bruders, Mag. Guillaume Houbraque, solche Frucht bringen werde, dass das alles wieder gut gemacht wird, so dass Ihr zufrieden sein könnt und es Euch schließlich nicht mehr leid tut, eine Zeitlang haben warten zu müssen, da das besser ist, als wenn Ihr durch übereiltes Handeln einen bekommen hättet, der nicht so gut gepasst hätte. Denn Houbraque ist wohl erfahren in der Schrift und von hohem, aufrichtigem Eifer erfüllt, die Kirche zu erbauen. Einige von Euch kennen ihn bereits, und wir haben ihn bei uns als so tüchtig befunden, dass wir ihn, hätten wir nicht auf Euch Rücksicht genommen, gerne hier in unserm Genfer Pfarrkollegium behalten hätten. Wie er also sich Mühe geben wird, die ihm von Gott verliehenen Gnadengaben zu Eurem Heil und Nutzen zu gebrauchen, so seht auch Ihr darauf, sie recht zu benutzen; denn wenn Ihr ihn freundlich aufnehmt und Euch in aller Sanftmut in die Lehre fügt, die er Euch bringt, so ermutigt Ihr ihn dadurch, umso treuer seine Pflicht zu erfüllen. Zweifellos wird er seinerseits kein anderes Bestreben haben, als Frieden und Eintracht zu pflegen und, falls etwa noch etwas von den früheren Händeln und Zwistigkeiten herrschen sollte, solche nach Kräften zu schlichten. Ich bitte Euch um Gotteswillen, Euch beiderseits dem anzupassen, was dazu dient, die Einigkeit unter Euch wieder herzustellen; denn es genügt nicht, dass Eure Zwistigkeiten beigelegt sich und Ihr nicht mehr in Parteien gespalten seid, wie im offenen Kampf, sondern die Hauptsache ist, dass Ihr untereinander verbunden seid in herzlichem Verlangen, Gott zu dienen einträchtig alle zusammen. Dazu ist es aber nötig, dass Ihr alles Geschehene vergesst; denn ich sehe wohl, die Erinnerung daran nährt in einigen unter Euch immer noch einen bittern Groll, der von Tag zu Tag neue Bitterkeiten hervorbringt, wenn er nicht ganz ausgefegt wird. Ich will dafür nur ein Beispiel anführen, von dem ich erfahren habe. Ihr wisst, als man Euch erklärte, ein gewisser Gisberg von Geldern sei ein Mensch mit bösen, gefährlichen Ansichten, und jedermann müsse sich vor ihm hüten und ihn meiden als einen, der sich selbst aus der Kirche ausgeschlossen habe, da erhob sich ein Glied Eurer Gemeinde und widersprach dem. Selbst angenommen, er hätte irgendwie Grund dazu gehabt, so wäre doch die Art des Vorgehens weder gut noch christlich gewesen. Wie ist es aber vollends zu entschuldigen, wenn ein Mensch auf seine Lehre geprüft worden ist von den dazu von der Kirche Beauftragten, unter denen unser verehrter Bruder, Herr von Laski, war, und ist als verdorben und in seinem Irrtum verstockt erfunden worden, und dann ein Schreiner von Beruf allein sich zum Richter aufwirft und alles verwirft, was gesagt worden ist? Aber das kommt davon, wenn die Herzen vom Hass vergiftet sind; dann muss der Argwohn herrschen und alles ins Schlimme ziehen, was die tun, die wir nicht gern haben, so dass wir ihnen zu leid das Weiße schwarz nennen. Wenn man so fortfährt, so werdet Ihr Euch stets fort neue Wunden schlagen, und schließlich wird sich das Übel entzünden und alles verzehren. Daher tut es Not, die Leidenschaften besser zu bändigen, damit sie beherrscht und gemäßigt werden, und nicht nur das, sondern einer soll den andern in aller Milde und Freundlichkeit ertragen und den bisher Entzweiten Anlass bieten zur Einigung. So bitte ich Euch, liebe Brüder, im Namen Gottes, handelt mehr nach dem Spruche St. Pauli: Nichts tut durch Zank und eitle Ehre, [Phil. 2, 3], das will nach dem Wort, das er braucht, sagen, aus der Sucht, Recht zu behalten; denn solange jeder nur darauf bedacht ist, seine Sache zu verteidigen, so lange gibt’s immer wieder Streit. Vielmehr soll jeder seine Fehler erkennen, und die, die gefehlt haben, sollen sich von selbst wieder fügen, und dann soll man alles weitere Nachforschen lassen, das zu nichts dient als zu neuer Verletzung. Denn wenn wir nichts ertragen können, was uns nicht behagt, so müsste jeder eine Welt für sich haben, und wenn deshalb St. Paulus die Epheser mahnen will, zu halten die Einigkeit im Geiste durch das Band des Friedens [4, 3], so leitet er sie ausdrücklich an zur Demut, Sanftmut und Geduld [4, 32], damit sie sich in Liebe ertragen lernen sollen. So vergesst denn auch Ihr, liebe Brüder, dass Ihr gewonnen habt im Streite, damit Ihr den Kampf wider den Satan gewinnet, der nichts lieber möchte, als er könnte Euch getrennt halten, weil er wohl weiß, dass Euer Heil in rechter, frommer Eintracht läge. Wenn ich so spreche, so meine ich damit nicht, dass Ihr mit allen Fehlern sollet Nachsicht haben, aber dass, wenn noch Widersprüche bestehen in Dingen, die die Religion nichts angehen, die begraben sein sollen und man nicht Formfehler oder Irrtümer aus Unachtsamkeit und derartige Schwächen weiter behandeln soll, als wären es unerträgliche, todeswürdige Verbrechen; vor allem soll man sich nicht darauf versteifen, eine arme Gemeinde auseinanderzusprengen, d. h. ganz zu Grunde zu richten. So rede ich nicht einzelnen Persönlichkeiten zu lieb, oder weil ich schlecht unterrichtet wäre, denn ich liebe Euch alle und wünsche deshalb Eure Unvollkommenheiten gebessert zu sehen wie die meinen, und die Sorge um Euer Wohlergehen macht, dass ich Euren Zustand kenne, als ob ich ihn aus nächster Nähe sähe. Im übrigen, liebe Brüder, lasst nun unsern lieben Bruder Houbraque, wenn er zu Euch kommt, als Arzt an denen wirken, die bisher zu heftig ihren Leidenschaften fröhnten, und zeigt, dass Ihr eine heilige Eintracht unter Euch erstrebt dadurch, dass ein jeder sich bestrebt, gerade dem sich zu nähern, dem er besonders feind war.

Damit will ich schließen und den lieben Gott bitten, er möge Euch stets in seiner heiligen Gut halten, Euch leiten in aller Klugheit und Aufrichtigkeit, Euch wandeln lassen einträchtig in seinem Dienst und Euch mit allen seinen Segnungen reichlich bedenken.

Ich empfehle mich Eurer Fürbitte.

Genf, 24. Juni 1556.
Euer ergebener Bruder
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An die französische Gemeinde in Frankfurt am Main.

Richard Vauville, der Pfarrer der französischen Gemeinde in Frankfurt, war im November 1555 gestorben, vgl. 470. An seine Stelle wurde Francois Perrucel, der französische Pfarrer von Wesel, berufen, der aber ablehnte.

Versuch zur Schlichtung der Frankfurter Zwistigkeiten.

Die Liebe Gottes, unseres Vaters, die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes stets mit Euch.

Sehr liebe Brüder, es tut mir weh, dass ich nicht so sehr Anlass habe, Gott zu preisen und zu loben für das Wohlergehen Eurer Gemeinde, als vielmehr Euch sagen muss, wie sehr mich die schlechten Nachrichten von Euren Verhältnissen geschmerzt haben. Die Kunde vom Tode unseres lieben Bruders, M. Richard Vauville, hat uns sehr betrübt; denn Gott hatte Euch an ihm einen tüchtigen und treuen Pfarrer gegeben, wofür man nicht immer leicht Ersatz findet. Ja, heute ist leider die Zahl derer, die sich rechtschaffen dem Dienste Gottes widmen, recht klein. Ich glaube auch, Ihr habt selbst bereits erfahren, wie nützlich Euch sein Wirken war, und wie untadelig er wandelte. Doch hoffe ich, unser lieber Bruder, Mag. Francois [Perrucel], den Ihr zu seinem Nachfolger erwählt habt, wird sich nach der Gnade, die ihm Gott erwiesen, so halten, dass Ihr nichts entbehren müsst; wenn dann nur auch die armen Brüder in Wesel nicht unversehen bleiben, wofür Ihr zweifellos sorgen werdet, wie auch dafür, dass alles zwischen den beiden Gemeinden in guter Eintracht abgeht; denn schon ihre Notlage mahnt Euch, Rücksicht auf sie zu nehmen.

Was mich aber hauptsächlich treibt, Euch zu schreiben, ist die Betrübnis, die mein Herz empfindet, wegen der Händel und Zwistigkeiten, die schon zu lange unter Euch um sich fressen. Ich dachte, alles sei erledigt, und wir lobten bereits Gott dafür nach dem Bericht, den uns unser lieber Bruder de St. Andre von Euch gegeben hatte. Jetzt ist mein Schmerz doppelt, da ich sehe, wie der Übelstand, den ich für abgetan hielt, weiter besteht.

Es handelte sich damals um einige Fehler, die Ihr an unserm Bruder, Mag. Valerand [Poulain], Euerm Pfarrer, fandet. Es wurde dem so gründlich abgeholfen, dass Ihr hättet zufrieden sein können, wie mir scheint, umso mehr, als er sich friedlich jeder Zurechtweisung unterzogen hatte. Nun hat sich jetzt, wie ich höre, ein neuer Zwist erhoben, nämlich, dass ihn einige nicht als Pfarrer ansehen und anerkennen wollen, bis er seines Amtes entsetzt und man auf eine neue Wahl eingegangen sei. Für meine Person muss ich sagen: wer an einer solchen Forderung festhält, ist schlecht beraten, da das eine zu weitgehende Strenge ist und nicht zur Erbauung der Kirche dient. Ich weiß nicht im Einzelnen, wie er in Frankfurt zu predigen begann, und wie er zu seiner jetzigen Stellung gekommen ist. Hätte eine Wahl mit allen Förmlichkeiten stattgefunden, so würde er ohne Zweifel heute nicht bekämpft. Nehmen wir also den Fall an, man müsste darauf nochmals zurückkommen. Bedenkt nun doch bitte, wenn ein Bruder im fremden Lande um einen Raum und die Erlaubnis einkommt, eine Herde Jesu Christi zu sammeln, wenn die, die dort sind, sich mit ihm und zu seiner Predigt versammeln, wählen sie ihn damit nicht doch tatsächlich, auch wenn dabei keine weitern Förmlichkeiten beobachtet werden? Mir scheint, es wäre undankbar, einen Mann mit einem Mal zu verwerfen, der bei der Gründung der Gemeinde solche Dienste geleistet hat, und ihn nicht mehr zu berücksichtigen, da er doch erst die Möglichkeit und den Beginn eines Gemeindelebens im Namen Gottes und unter seiner Führung zustande gebracht hat. Ich gebe zu: wo feste kirchliche Zustände eingerichtet sind, ist eine Durchbrechung der Kirchenordnung unerlaubt; wo aber überhaupt noch nichts Festes besteht, ists doch ganz anders. Seht doch alle die Kirchen an, die in ganz Deutschland unserm Herrn Jesu Christo gewonnen worden sind! Sind nicht überall die, die zuerst in ihnen gewirkt haben an der Aussaat des Evangeliums, als Pfarrer anerkannt worden ohne weitere Förmlichkeit? Ich will Euch nicht an menschliche Autorität binden; aber ich führe diese Praxis an, um Euch zu beweisen, was ich eben sagte, nämlich, dass bei verworrenen Verhältnissen eine Wahl nicht in der gleichen Weise gefordert werden kann wie in einer bereits geordneten Gemeinde. Ich finde also für solche Bedenken weder Grund noch Halt, sondern es scheint mir, man suche damit nur Anlass zu weiterem.

Bedenkt übrigens auch, in welches Wirrsal man hineingeriete, wenn die Forderung angenommen würde. Was soll über all die Taufen gelten, die seither vollzogen worden sind? Was von dem Abendmahl, das Ihr genossen habt? Ich sage nicht mehr, weil das genügen muss, solchen übers Ziel hinausschießenden Händeln ein Halt zu gebieten. Genügt aber selbst das den Brüdern noch nicht, die in ihrem Eifer zu zäh an ihrer Meinung festhalten, so bitte ich sie, um Gottes willen doch an die großen Gefahren zu denken, in die sie die ganze Gemeinde bringen. Ihr wohnt da in Frankfurt gleichsam zur Miete. Findet man nun, dass Ihr so schwer zu befriedigen seid, wird dann nicht diese unangenehme Art die guten Herren entmutigen, die Euch so freundlich aufgenommen haben? Weiter seht Ihr, dass in der Person des so Bekämpften Ihr alle von denen angegriffen werdet, die nichts wollen als einen Anlass, Euch zu Grunde zu richten. Es ist schlimm, dass zwar Welfen und Ghibellinen sich einigen, wenn sie einen gemeinsamen Feind sehen, dies bei Euch aber nicht so ist, die Ihr doch einig sein solltet in der Wahrheit des Evangeliums. Unsere Gegner in der Abendmahlsfrage beginnen einen Vernichtungskrieg auch gegen Euch. Mag. Valerand ist bereit sie zurückzuweisen und hält die ersten Schläge aus. Dass er nun von der andern Seite noch durch Euch behelligt wird, ist doch zu wunderlich. Gerade die Not, in der er ist, sollte selbst die Herzen derer rühren, die wirklich Grund hätten, ihm zu zürnen. Seht vor allen Dingen auch darauf, dass Gott Euch heimsucht mit der Pest und dass er Euch schon einen Eurer Pfarrer genommen hat, sozusagen als Drohung, er wolle Euch das ganze geistliche Amt nehmen, wenn Ihr nicht zur Zufriedenheit zu bringen seid.

Ich schreibe Euch so, weil ich ein angelegtes Feuer löschen will. Noch einmal, fühlt sich jemand verletzt, so bitte ich ihn im Namen Gottes, zum mindesten ohne Aufruhr und Zank sich zu gedulden, bis Ihr einmal meinen guten Rat hören könnt, und einstweilen sich damit zu beruhigen. Ich hoffe zwar, diese Ermahnungen, die ich Euch gegeben, genügen, aber ich will Euch damit noch einmal einen letzten Vorschlag machen. Viel lieber wäre mir freilich, wenn das Übel gleich und unverzüglich besser würde und man wieder zu guter Eintracht käme. Damit, will ich Euch sagen, machtet Ihr Brüdern die größte Freude, die Eure Ruhe und Euer Wohl wünschen und Euch das verschaffen möchten, so gut sie können.

Indem ich hiermit Eurer Gewogenheit empfehle, bitte ich den lieben Gott, Euch durch seinen Geist zu leiten in alle Klugheit, Sanftmut und Tüchtigkeit. Meine Kollegen lassen Euch herzlich grüßen.

Genf, 26. Dezember 1555.
Euer Bruder
Johannes Calvin.