Brief von Caspar Olevian an Andreas Stephanus (Böhmische Brüder) (Auszug)

Es ist nicht zu sagen, wie hoch ich das Werk des Herrn halte, welches in euern Gemeinen nicht nur angefangen hat, sondern schon viele Jahre währet. Es bewegt mich und meine Kollegen, das Verderben dieser Zeit nicht wenig dazu, daß wir von der besten Einrichtung der Kirche mit Euch conferiren, dann wir wollten gerne so bauen, daß der Bau auch bei den Nachkommen bestehe. Wir sehen aber, wie vieler abwechselung und schneller Veränderung diejenigen Kirchen unterworfen sind, die ihres Rechts beraubt, blos von einem weltlichen Regiment abhangen. Wir erkennen, was der Herr euch hierin verliehen hat.

Gewiß, ich erstaune, wann ich die Gestalt der reformirten Kirchen in Deutschland ansehe. Der weltliche Stand ist vor diesem eine Herberge der Kirche gewesen, nun aber werden solche Herbergen an vielen orten in Herrschaften verwandelt, so, daß man über die Kirche, und selbst über die himmlische Lehre, nach eigenem Gutdünken herrscht. Eine Hauptursache dieses Uebels scheint zu seyn, weilen sich viele Kirchen allzuviel an das weltliche Regiment gehängt haben, nicht anders, als wenn dasselbe ein wesentliches Stück des Reichs Christi wäre. Ich muß also Eure Weise wohl sehr hoch halten, da Ihr wollt, daß Euere Kirchen zwar, dem weltlichen Regiment und allen menschen zum Guten und zur Besserung sollen unterthan seyn, doch, daß dabei ihrer durch Christi Blut erworbenen Freiheit nichts abgehe.

Calvin, Jean – An die Brüder-Unität in Böhmen (631)

Nr. 631 (C. R. – 3222)

Die böhmischen Brüder hatten den Schweizern ihr Bekenntnis gesandt (vgl. 626); die Kritik, die diese daran geübt hatten, war unter den polnischen Evangelischen als Verurteilung der Böhmen aufgefasst worden; so schickte die Brüder-Unität nur einen Gesandten nach Genf, dem Calvin folgendes Schreiben mitgab. – Melanchthon war am 19. April 1560 gestorben.

Über den Zwist zwischen Böhmen und Polen und das Bekenntnis der Brüder-Unität.

Nachdem mir der Bruder, von dem ich Euren Brief erhielt, Euren Auftrag persönlich auseinandergesetzt hatte, und ich sah, dass die Sendung nicht an mich allein, sondern ebenso wohl an meine Kollegen ging, so redete ich ihm zu, das nämliche noch einmal in unsrer Versammlung vorzubringen. So enthält meine Antwort, was unser aller Meinung ist. Erstens danken wir Euch herzlich, dass Ihr es nicht verschmäht habt, die Brüder zu uns zu senden, um Eure Liebe zu uns und Euren Wunsch nach brüderlicher Einigung zu bezeugen und sozusagen zu verbürgen; wir nahmen diesen Liebesdienst umso lieber an, als er aus aufrichtigem Eifer für die evangelische Sache stammt. Es ist unser Wunsch, dass Ihr ebenso überzeugt seid von unserm Willen zur Pflege heiliger Einigkeit. Tatsächlich ist es ja bei unsrer weiten Entfernung voneinander und unsrer allseitigen Einkreisung durch die Feinde, die fast die ganze Welt in ihrer Macht haben, wohltuend und angenehm, uns damit über unsre Zersplitterung zu trösten. So bezeugen wir denn in gegenseitiger Übereinstimmung, dass wir einen Vater im Himmel haben und ein Leib sind, dessen Haupt Christus ist, und Ihr werdet es hoffentlich auch so halten; wir werden uns auch Mühe geben, dass Ihr es in der Tat spürt, wie Ihr uns am Herzen lieget. Nun wissen wir aber, dass es das beste Band zur Anknüpfung und Erhaltung brüderlicher Eintracht ist, wenn ein Teil nicht allzu leichtgläubig böse Gerüchte über den andern Teil annimmt, und wir meinen darin nicht gefehlt zu haben. Denn wenn Euer Abgesandter geglaubt hat, sich in Eurem Namen indirekt über einen an die Polen gerichteten Brief beschweren zu müssen, so sind wir uns keiner Schuld bewusst, und wenn Ihr es recht überlegt, so werdet Ihr selbst, gerecht, wie Ihr seid, finden, dass wir, von Euch um unsere Meinung in dieser Sache befragt, nicht freundlicher und maßvoller hätten antworten können. Wir haben sicher nicht bös von Euch geredet und waren, so weit es anging, besorgt, das bereits entstandene Ärgernis zu schlichten, schlimmerem Zerwürfnis entgegenzutreten und Euch miteinander auszusöhnen, damit Ihr gleich an Anfang an helfen könntet, in Polen das Reich Christi aufzurichten. Wir hätten an Euch geschrieben, wenn wir Gelegenheit gehabt hätten; es ist Euch ja aber wohlbekannt, wie schwer es ist, bei solcher Entfernung einen Briefverkehr miteinander aufrecht zu halten. Jetzt, wo wir die Möglichkeit haben, wollen wir Euch ehrlich sagen, wie wirs meinen. Wie wichtig es ist, dass Ihr den Polen die Hand bietet, damit die reine evangelische Lehre bei ihnen Fortschritte mache, das könnt Ihr Euch in Eurer Klugheit selbst zurecht legen, ohne dass wir es Euch sagen. Denn es wäre nicht zu bezweifeln, dass Eure Uneinigkeit, sobald die Feinde ihrer innewürden, die so gut und erfolgreich begonnene Bewegung hemmen müsste. Zwar hat Euer Abgesandter uns einleuchtende Gründe genannt für Eure Furcht, Euch den Polen zu nähern, nämlich dass sie selbst unter sich zerspalten seien durch böse Rotten. Aber diese Notlage müsste Euch umso mehr drängen, durch Eure Gemeinschaft den sich einschleichenden oder bereits um sich greifenden Übelständen abzuhelfen. Denn die tollen Köpfe, die bei den jetzigen zersplitterten Verhältnissen sich die Freiheit nehmen, Lärm zu machen und alles durcheinander zu bringen, würden durch das Machtgebot so vieler Gemeinden schon gebändigt werden, wenn diese einander helfen wollten. Nun leiden die frommen Brüder darunter umso mehr, dass sie Eurer Hilfe beraubt sind. Wenn der Satan die wilden Angriffe eines Stancaro, eines Giorgio Blandrata und anderer gegen Polen richtet, ists da nicht Eure Pflicht, zu Hilfe zu eilen? Unterlasst Ihr es, so sehet wohl zu, dass nicht auch Ihr einmal die Hilfe der Brüder entbehren müsst. Es wird auch nicht stets in Eurer Hand liegen, die Kämpfe zu vermeiden, vor denen Euch Gott bisher beschützt hat. Ein weiteres Hindernis Eurer Annäherung bildet der Streit um die Mitteilung von Christi Fleisch und Blut im Abendmahl. Um dieses Hindernis beiseite zu schaffen, rieten wir Euch, eine passende deutliche Erklärung der Frage zu suchen. Missfällt Euch dieser Rat, so wird Euch die Erfahrung lehren, dass er gut und heilsam war; doch halten wir Euch nicht für so eigensinnig, dass Ihr ihn verschmäht. Vielleicht haben Euch zwei Punkte Anstoß gegeben; erstens, dass wir schrieben, die Kürze Eures Bekenntnisses sei dunkel und zweideutig, und es sei eine bestimmtere Fassung der Lehre nötig, dass zweitens dass wir sagten, Eure Apologie sei zu heftig und hitzig gegen alle, die, nicht zufrieden mit einer so knappen Formulierung, eine richtige einleuchtende Erläuterung wünschen zu den Worten, in denen Ihr sagt: Das Brot ist Christi Leib. Wir wissen wohl, wie viel Beifall das Vorgehen derer findet, die, geschützt durch das Augsburgische Bekenntnis, Frieden und Ruhe haben und Belästigungen und Gehässigkeiten, kurz dem Kreuz, ausweichen wollen. Wie aber der Verfasser dieses Bekenntnisses, Herr Philippus Melanchthon, über die Abendmahlsfrage gedacht hat, ist auch Euch wohl bekannt, und wir werden es vielleicht der ganzen Welt kundgeben müssen, gezwungen durch die Unredlichkeit derer, die aus hellem Licht Finsternis machen wollen. Wir wollen freilich nicht, obwohl wir Melanchthons Andenken stets in Ehren halten werden, sein Ansehen benutzen, um uns Gegner zu belasten, sondern zu zeigen, dass die Leute das Augsburgische Bekenntnis mit Unrecht zu vertreten behaupten, die der Gesinnung seines Verfassers so durchaus fremd sind. Wir (mit Eurer Erlaubnis seis gesagt) bleiben der Meinung, es sei nicht ungefährlich, einfach den Wortlaut Eures Bekenntnisses anzunehmen, und wenn nicht eine rechte Erklärung beigefügt wird, so würde den Polen das Unterschreiben dieses Bekenntnisses Ursache und Grund zu vielem neuem Zank. Wegen der Heftigkeit fällt uns die Entschuldigung nicht schwer, auch wollen wir nicht übertreiben, was wir begraben sehen möchten. Es genüge, dass doch wirklich nicht geleugnet werden kann, dass der Verfasser Eurer Apologie das rechte Maß überschritten hat. Wenn mir Euer Bote, um Wiedervergeltung zu üben, seinerseits vorwarf, ich sei doch auch in einzelnen meiner Schriften allzu heftig, so will ich das ja im Ganzen nicht leugnen, aber doch passt der Einwand hier nicht. Denn wenn ich ein paar unreine Hunde angreife, so ist das ganz verschieden von der Art Eurer Apologie, die ohne Unterschied und Auswahl viele fromme, gelehrte Männer zu den Schlechtgesinnten rechnet. Denn wenn Euer Vorsatz war, den Irrtum einiger weniger Leute zu treffen, so musstet Ihr doch eine Unterscheidung machen und nicht Unschuldigen das gleiche Vergehen vorwerfen. Doch damit aller Streit aufhöre, bitten und beschwören wir Euch, haltet es nicht für eine Schmach für Euch, wenn wir freimütig auf das hingewiesen haben, was uns als die rechte Weise erscheint, allen Zank zu schlichten und alle bösen Stimmungen auszufegen. Wir sind auch nicht so eingenommen von uns selbst, dass wir uns nicht ruhig mahnen und tadeln ließen, wenn uns ein unbedachtes Wort entfahren ist. Lebt wohl, beste, verehrte Brüder. Wir bitten den Vater im Himmel, er wolle Euch stets mit seinem Geiste leiten, in seiner Hut halten, Euch reich werden lassen an seinen Gaben und Euer frommes Wirken segnen.

Genf, 30. Juni 1560.
Eure im Herrn euch sehr verbundenen Brüder die Pfarrer der Genfer Kirche:
Johannes Calvin, Pierre Viret
Francois Bourgoing, Raymond Chauvet
Michel Cop, Jean Macard, Louis Enoch
Nicolas Colladon, Francois de Morel
G. Carmel, Antoine Chevallier
Francois Berauld, Jean Tagaut.

Luther an die böhmischen Brüder in Leitomischl.

Den ehrbaren und frommen Männern, den Brüdern in Leitoyschl, den in Christo Geliebten.

Gnade und Friede im Herrn! Längst, vortreffliche Männer, hätte ich an euch geschrieben, aber ich bin so mit Arbeiten überhäuft, so von Krankheiten gequält, daß ich mehrmals meine Pflichten unerfüllt lassen mußte und noch lassen muß. Dazu treffen sich sehr selten sichere Boten. Eure Apologie konnte ich keinem Drucker in die Hände bringen, sie schützen in diesen schwierigen Zeiten die Gefahren großer Verluste vor, denn gute Bücher kommen wegen der Menge schlechter in Mißachtung. Das Büchermachen hat kein Ende, und so wie die schlechte Münze die gute vertreibt, so die schlechten Bücher die guten. Deßhalb sende ich euch eure Bücher zurück, denn ich kann ihren Druck nicht besorgen, weil die Drucker so viele Schwierigkeiten machen. Denn wie ich eurem Boten erklärt habe, ich für meine Person finde an der Apologie Gefallen. Dieß erkläre ich offen, ja ich setze noch hinzu, daß ihr mehr thuet und leidet, als das Evangelium verlangt. Es ziemt sich indeß, Gott um das Gedeihen der Kirche und das Wachsen seines Ruhmes zu bitten. Gehabt euch wohl in seinem Schutze!

Gegeben in Wittenberg in der Vigilie des heiligen Evangelisten Marcus 1538.

Quelle:
Dr. Martin Luthers sämmtliche Werke.
Briefwechsel
Bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Dr. th. Ernst Ludwig Enders
Elfter Band.
Briefe vom Juli 1536 bis August 1538
Calw & Stuttgart
Verlag der Vereinsbuchhandlung
1907

Luther, Martin – An die Böhmischen Landstände, vom 10. Julius 1522.

Die böhmischen Brüder, Nachkommen der alten Hussiten, hatten mit Luther Verbindung angeknüpft. Weil er aber hörte, daß etliche dahin arbeiteten, die Böhmen wieder mit dem Pabst zu vereinigen, so warnet sie Luther in diesem Briefe ernstlich vor diesem Schritte.

Gnade und Friede von Gott dem Vater und unserm Herrn Jesu Christo, Amen.

Durchlauchtigen, Hochgebornen, Ehrwürdigen und Würdigen, Wohlgebomen, Ehrsamen und Edlen, lieben Herren und Freunde! Wiewohl ich verachter Mensch mich zu gering halte, daß ich solle so große vortreffliche Herren ansuchen und ansprechen; gleichwohl dringt mich die hohe große Sache, kein Aussehen weder E. G. Hochwürd und Sichtbarkeit, noch auf meine Unwürd zu haben, damit ich das, so ich gedenke, nicht anzeigen sollt.

Das Gerücht ist bei uns erschollen, als sollten etliche unter euch sich unterstehen, darob zu sein, daß die Böhmen wiederum zum schädlichen Stuhl der römischen Tyrannei fallen sollen; und deß diese Ursache fürwenden, als sollten die Böhmen sonst zu ewigen Zeiten keinen beständigen Frieden mögen haben. Zwar ich bin vor dieser Zeit dem Böhmen fast ungeneigt gewesen, ehe ich wußte, daß der Pabst der wahre Antichrist ist z nun aber mittler Zeit Christus, unser lieber Herr, sein seliges Wort zu dieser greulichen letzten Zeit uns gnädiglich und reichlich wiederum scheinen läßt, glaube ich wohl, daß E. G. Hochwürd und Achtbarkeit vernommen haben, daß ich euern Ungehorsam wider die Päbstischen also gelobt habe, daß den Haß euers Namens euer keiner nie mit so großer Beschwerung getragen hat, als eben ich. Denn wie oft werde ich gescholten, auch noch heutiges Tags, als sei ich ein geborner Böhme, oder hätte mich unterstanden in Böhmen zu fliehen? Und zwar ich wäre einst in Böhmen kommen, nicht von wegen der Flucht, sondern aus Begier euch zu sehen, und euern Glauben zu erlernen; aber diese Ehre habe ich meinen Feinden, den Papisten, wider das göttliche Wort nicht thun wollen, daß sie sollten rühmen und schreien, sie hätten mich überwunden, und wäre derhalben vom Fähnlein flüchtig worden. Zudem, weil nun, Gott Lob! euer Name bei den fürnehmsten Herren deutscher Nation nicht getadelt wird, auch bei dem gemeinen Mann ehrlicher und rühmlicher ist, denn mein selbst Gerücht und Namen, bin ich guter Hoffnung, es werde in kurz dahin kommen, daß beide Deutschen und Böhmen durch das Evangelium und göttliche Wort Einen Sinn und Namen überkommen werden; allein so wir indeß mit Geduld Gottes Barmherzigkeit erwarten, und so einem Theil etwas mangelt, mittler Zeit dasselbe dulden. Denn es mögen alle Dinge nicht bald in einem Hui, noch mit Gewalt verändert werden. Allein laßt uns mit dem Volk säuberlich fahren, durch gottesfürchtige fromme Prediger ihnen treulich fürstehen, allein zu dem Herrn Christo führen, und uns unter einander von Herzen verzeihen und vergeben, und, wie man spricht, nicht alles schnurgleich erfordern, noch aufs Genaueste suchen.

Sind Secten und Rotten noch unter euch, laßt es gleich also sein; wir wissens wohl, daß es nicht so rein kann zugehen, als es wohl sein sollte. Daher auch St. Paulus nicht ohne Ursache spricht 1 Cor. 8, (19.): Es müssen Rotten unter euch sein rc. Daß ihr aber gedenkt, ihr werdet durch solchen Beifall zum römischen Stuhl verkommen mögen, daß Böhmen hinfort nicht weiter in Selten mögen zertrennet werden, das wird durch dies Mittel fürwahr nicht geschehen. Sind bei uns Deutschen und allenthalben, da des Pabsts Tyrannei regieret, nicht Zwiespalt und Secten? Sind doch allein die Bettelmönche in sieben Secten (wollt Orden sagen) zertrennet und zerrissen; item die Barfüßer auch in siebenerlei Barfüßer. Und über denselben Secten allzumal hält der allerheiligste Vater zu Rom mit aller Gewalt, vertheidtgt sie auch; denn er besorgt, sie möchten eins werden. Mit gleicher Sorgfältigkeit ist er auch darob, daß weltliche Könige und Fürsten aufs Alleruneinigste unter einander sein und bleiben; denn sein Regiment kann durch kein besser Mittel bestehen, denn durch Zwietracht geistlicher und weltlicher Prälaten oder großer Herren. Derhalben mögen der Böhmen Zwietracht im Glauben, mit den Secten im Pabstthum, durch solche Weise oder Mittel (sich an Pabst zu begeben) nicht vergleicht noch vereiniget werden.

Darum sich E. Gn. Hochwürden und Achtb. wohl fürsehen mögen, daß sie aus schlechten geringen Secten, welchen geholfen kann werden, nicht wiederum in Secten gerathen, die St. Peter verderbliche Secten nennet (2 Pet. 2, 1.), die so grundböse sind, daß sie nimmermehr mögen zurecht gebracht und geheilet werden, aus welchen euch die Rechte des Herrn gnädiglich vorlängst erlöset hat, und wir in täglicher Arbeit sind, uns auch durch seine Gnade und Hülfe daraus zu wirken; wir haben auch, Gott Lob! glückseliglich angefangen. Derhalben die Secten durch keinen Weg daß mögen abgethan werden, denn, wie gesagt, wenn gottselige Pfarrherr und Prediger das Evangelium, so ein Wort des Friedens und der Gnaden, rein lehren und ausbreiten; dasselbige macht ein einträchtig Volk, und Christus ists allein, der durch dasselbige machet, daß einträchtige Leute im Hause des Herrn wohnen (Ps. 133,1.).

Wo man aber je des Volks nicht mag mächtig werden, sich solchs Bei- oder Zufalls zum römischen Stuhl enthalten, so bitte ich doch Ew. Gn. Ehrw. und Achtbarkeit wollen mich dieß lassen bei euch erhalten, daß ihr euch getrost wider den leidigen Lästerstuhl zu Rom setzet, beide Gestalt des heiligen Sacraments zu behalten, auch folgend, daß ihr das unschuldige Blut euers seligen Johannes Huß und Hieronymi von Prag1) sammt ihrer Lehre nicht verdammet: denn diese zween Artikel wird der Lästerstuhl, die trunkene Hure von der Heiligen Blut, ernstlich von euch erfordern und gehalten wollen haben. Er wird euch auch nicht annehmen, noch annehmen mögen, ohne Versehrung seiner Tyrannei, ihr verschwöret denn obgedachte zween Artikel. Aber, alle die, so sie verschwören werden, sollen wissen, durch mein Zeugniß für Gott und der Welt, daß sie den Herrn Christum verschwören, und Kinder des Verderbens und ewiger Verdammniß sind. Wahrlich, ich und die Unfern wollen Johannem Huß, den heiligen Märtyrer Christi, vertheidigen, und wenn auch gleich ganz Böhmen, da Gott für sei, seine Lehre verläugnete, so soll er doch der unser sein.

Darum bitte ich E. Gn. Hochw. und Achtb. lieben Herrn auf dies Mal kurz (auf eine andere Zeit will ich, ob Gott will, davon mehr und weiter schreiben), daß ihr fest wollet stehen und verharren im Ungehorsam des Teufels, wie ihr bisher durch viel Trübsal, so ihr darüber ausgestanden, beständig geblieben seid, und wollet unserm Evangelio, das, Gott Lob! jetzt wiederum blühet, ja keine Unehre aufthun durch euern Abfall. Weiter laßt euch auch dies nicht irren, obgleich nicht alle Dinge bei euch in dem Stand sind, als sie wohl billig sollten. Seid ihr jetzt Galater, ei Gott kann irgend einen Paulum erwecken, der euch wiederum zurecht bringe, und das gesund mache, das jetzt krank ist. Allein fallet nicht gar ab, das ist, unterwerft euch nicht der gottlosen römischen Tyrannei.

Zuletzt bitte ich den Herrn Jesum Christum, daß er gnädiglich fortfahre und Gedeihen gebe, daß eure Herzen hinfort erleuchtet und geführet werden in alle Vollkommenheit der Gnaden und Erkenntniß Christi, der da ist gelobet und gebenedeiet in Ewigkeit, Amen. E. Gn. Hochw. und Achtb. wollen mir mein unbedächtig Schreiben zu gut halten in Christo. Geben zu Wittenberg am 10. Tag Julii, Anno 22.

E. Gn. Hochw. und Achtb. williger Diener in Christo

Martinus Luther.

1) Huß wurde 1415, Hieronymus 1416 zu Costnitz verbrannt.

 

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862