Nr. 661 (C. R. – 3381)
Da in dieser Zeit Bitten um Pfarrer aus allen Gegenden Frankreichs nach Genf kamen, so hatte sich der Franzose Pierre Fournelet, Diakon in Neuchatel (vgl. 308), dorthin begeben, um sich nach Frankreich senden zu lassen; dabei hatte er aber weder um eine förmliche Entlassung auch dem neuchatellischen Kirchendienst gebeten, noch sie erhalten; in ähnlichem Fall scheint schon vorher der Neuchateller Pfarrer Nicolas Parent (vgl. 59) gewesen zu sein.
Ordnung ist auch in bewegten Zeiten notwendig.
Sehr liebe Brüder, wir waren etwas erstaunt, dass unser Bruder Mag. Pierre Fournelet in einer so wichtigen Angelegenheit zu uns kam, ohne ein Schreiben von Euch, das uns seine Absicht erklärt hätte. Freilich hat er uns einige Gründe vorgebracht, die wir Eurer Beurteilung überlassen. Jedenfalls sehen wir uns zu der Erklärung gezwungen, dass es uns passend schiene, wenn Ihr gleich uns gesonnen seid, auch offen miteinander zu verkehren. Als Mag. Nicolas kürzlich hier durchreiste, wollte er uns glauben machen, er sei mit Eurem Wissen und Eurer Zustimmung berufen, und wollte dafür auch einen Brief Mag. Christophes [Fabri] vorlegen, den wir aber gar nicht sehen wollten, weil wir uns fürchteten, uns in einen Disput einzulassen, von dem wir wohl wussten, dass er zu nichts führe. Nun scheints uns, Ihr handelt gerade umgekehrt. Denn nach unseres Bruders, Mag. Pierre Fournelets, Bericht seid Ihr einverstanden, dass er anderswo angestellt wird; auch scheint; auch scheint es nach einem uns vorgelegten Schriftstück, als ob Ihr bereits bedingungsweise einen andern an seine Stelle gewählt hättet. Indessen schreibt Ihr uns nichts Gewisses darüber, so dass wir wissen könnten, wie wir uns zu verhalten hätten. Da dies so ist, wollen wir Euch in Kürze unsere Antwort, die wir in dieser Sache bereits gaben, mitteilen. Als man uns nämlich wegen Mag. Pierre Fournelet anging, wir möchten womöglich dafür sorgen, dass er an eine Stelle gesandt werde, antworteten wir einfach, darum müsse man sich nicht an uns wenden, sondern an die Kirche, in deren Dienst er stehe. Es sei uns so wenig erlaubt, über Euch zu verfügen, dass man vor allen Dingen Euren Entscheid haben müsse, durch den er seine Freiheit erhalte. Darauf bestehen wir also und können nichts anderes sagen, als dass er ganz wohl irgendwo angestellt werden könnte, wo seine Arbeit von großem Nutzen wäre zur Förderung des Reiches unseres Herrn Jesu Christi. Ist er also entlassen aus der Stellung, in der ihn jetzt noch seine Pflicht festhält, so findet sich wohl ein Platz, wo er nötig ist. Nur müsst Ihr ihn dazu ermächtigen, und er muss von denen, in deren Pflicht er steht, Urlaub haben, nämlich vom Fürsten und den Herren des Rats. Haben wir darüber ein Zeugnis, so ist das Bedürfnis nach zu treuem Kirchendienst tauglichen Leuten so groß, dass es keinen Tag gehen wird, bis er ans Werk gestellt ist. Der Bruder, den Ihr als seinen Nachfolger in Aussicht genommen habt, hat versprochen, gewiss nach Neuchatel zu kommen, wenn Ihr es gut findet, Mag. Pierre Fournelet zu beurlauben.
Damit, sehr liebe Brüder, empfehlen wir uns Eurer Fürbitte und bitten unsrerseits den lieben Gott, er wolle Euch behüten, Euch durch seinen Geist leiten, und Euch zunehmen lassen in allem Guten.
Genf, 5. Mai 1561.
Euer ergebener Bruder und Freund
Johannes Calvin
in aller Namen.