Calvin, Jean – An die Pfarrer von Neuchatel.

Nr. 661 (C. R. – 3381)

Da in dieser Zeit Bitten um Pfarrer aus allen Gegenden Frankreichs nach Genf kamen, so hatte sich der Franzose Pierre Fournelet, Diakon in Neuchatel (vgl. 308), dorthin begeben, um sich nach Frankreich senden zu lassen; dabei hatte er aber weder um eine förmliche Entlassung auch dem neuchatellischen Kirchendienst gebeten, noch sie erhalten; in ähnlichem Fall scheint schon vorher der Neuchateller Pfarrer Nicolas Parent (vgl. 59) gewesen zu sein.

Ordnung ist auch in bewegten Zeiten notwendig.

Sehr liebe Brüder, wir waren etwas erstaunt, dass unser Bruder Mag. Pierre Fournelet in einer so wichtigen Angelegenheit zu uns kam, ohne ein Schreiben von Euch, das uns seine Absicht erklärt hätte. Freilich hat er uns einige Gründe vorgebracht, die wir Eurer Beurteilung überlassen. Jedenfalls sehen wir uns zu der Erklärung gezwungen, dass es uns passend schiene, wenn Ihr gleich uns gesonnen seid, auch offen miteinander zu verkehren. Als Mag. Nicolas kürzlich hier durchreiste, wollte er uns glauben machen, er sei mit Eurem Wissen und Eurer Zustimmung berufen, und wollte dafür auch einen Brief Mag. Christophes [Fabri] vorlegen, den wir aber gar nicht sehen wollten, weil wir uns fürchteten, uns in einen Disput einzulassen, von dem wir wohl wussten, dass er zu nichts führe. Nun scheints uns, Ihr handelt gerade umgekehrt. Denn nach unseres Bruders, Mag. Pierre Fournelets, Bericht seid Ihr einverstanden, dass er anderswo angestellt wird; auch scheint; auch scheint es nach einem uns vorgelegten Schriftstück, als ob Ihr bereits bedingungsweise einen andern an seine Stelle gewählt hättet. Indessen schreibt Ihr uns nichts Gewisses darüber, so dass wir wissen könnten, wie wir uns zu verhalten hätten. Da dies so ist, wollen wir Euch in Kürze unsere Antwort, die wir in dieser Sache bereits gaben, mitteilen. Als man uns nämlich wegen Mag. Pierre Fournelet anging, wir möchten womöglich dafür sorgen, dass er an eine Stelle gesandt werde, antworteten wir einfach, darum müsse man sich nicht an uns wenden, sondern an die Kirche, in deren Dienst er stehe. Es sei uns so wenig erlaubt, über Euch zu verfügen, dass man vor allen Dingen Euren Entscheid haben müsse, durch den er seine Freiheit erhalte. Darauf bestehen wir also und können nichts anderes sagen, als dass er ganz wohl irgendwo angestellt werden könnte, wo seine Arbeit von großem Nutzen wäre zur Förderung des Reiches unseres Herrn Jesu Christi. Ist er also entlassen aus der Stellung, in der ihn jetzt noch seine Pflicht festhält, so findet sich wohl ein Platz, wo er nötig ist. Nur müsst Ihr ihn dazu ermächtigen, und er muss von denen, in deren Pflicht er steht, Urlaub haben, nämlich vom Fürsten und den Herren des Rats. Haben wir darüber ein Zeugnis, so ist das Bedürfnis nach zu treuem Kirchendienst tauglichen Leuten so groß, dass es keinen Tag gehen wird, bis er ans Werk gestellt ist. Der Bruder, den Ihr als seinen Nachfolger in Aussicht genommen habt, hat versprochen, gewiss nach Neuchatel zu kommen, wenn Ihr es gut findet, Mag. Pierre Fournelet zu beurlauben.

Damit, sehr liebe Brüder, empfehlen wir uns Eurer Fürbitte und bitten unsrerseits den lieben Gott, er wolle Euch behüten, Euch durch seinen Geist leiten, und Euch zunehmen lassen in allem Guten.

Genf, 5. Mai 1561.

Euer ergebener Bruder und Freund

Johannes Calvin

in aller Namen.

Calvin, Jean – An die Pfarrer von Neuchatel.

Der in 121 angekündigte Brief. Die theologische Widerlegung Chaponneaus ist weggelassen; nur Einleitung und Schluss sind gegeben, da sie die Kampfart besonders charakterisieren. Chaponneau war Doktor der Sorbonne in Paris.

Anklage gegen Chaponneau.

Chaponneau schrieb mir kürzlich, er wundere sich, dass, als er mir einige an mein Buch [Institutio religionis Christianae] anschließende Bemerkungen machte, ich es vorzog in ein paar Worten zu entgegnen, als über jeden Punkt in längerer Rede zu streiten. Er fügte bei, es scheine ihm, ich hätte aus Missachtung seiner Person so gehandelt. Daran merke ich, dass er doch einmal vernünftig war. Freilich, ihn persönlich habe ich sicher nie verachtet, schon aus dem einen Grunde nicht, weil er den Dienst am Wort verwaltet. Doch da mich seine Dummheiten verdrossen, was hatte es da für einen Zweck, mir Mühe zu geben, sie zu behandeln? Jetzt aber, da ich sehe, dass er so undankbar ist [für diese Schonung], reut es mich sogar, auch nur eine Stunde verloren zu haben auf seinen Wunsch. Übrigens droht er, er werde dafür sorgen, dass die Kandidaten der Theologie, die durch meine Lehre geködert seien, nicht länger betrogen würden. Ob er nun in verkehrtem Streben nach elegantem Ausdruck oder aus Mangel an einem originelleren und passenderen Wort so redet, weiß ich nicht. Ists Dummheit, so will ich es gern auf sich beruhen lassen. Nennt er aber absichtlich meine Schriften Betrügereien, so könnt Ihr schon daran die giftige Geistesart dieses Menschen erkennen. Dass ihm vieles in meinen Schriften missfällt, wundert mich nicht, noch ärgert es mich. Ich habe nie nach Billigung von Leuten seinesgleichen gestrebt, und weder war das mein Ziel von Anfang an, noch kann ich es mir jetzt wünschen. Wenn ich ein Knecht Christi bin, wird mir das Zeugnis meines Gewissens allein stets mehr wert sein als der Beifall der ganzen Welt. Übrigens, auch wenn ich auf Menschenurteil sähe, müsste es mir mehr als genug sein, dass allen guten, frommen Leuten meine Arbeiten angenehm sind, und dass alle gelehrten und klugen Männer sie als nützlich und fruchtbringend für die Kirche beurteilen.

Ich will nicht weiter davon reden, damit ich keinem zu ruhmredig scheine. Was brauche ich mich also vor dem Abschaum der Sorbonneherde zu fürchten? Muss es mir nicht eher ein Vergnügen sein, dass solche Leute meine Gegner sind, deren Urteil und deren Bosheit ich für nichts achte, wie es sich auch gehört. Hätte ich doch mit einem ernsten, Maß haltenden Manne zu tun, oder doch mit einem, dessen Hirn in Ordnung ist und der auf guten Rat hört! Dann wäre die Sache schon unter uns beigelegt, und ich müsste Euch nicht lästig fallen. Aber was soll ich tun? Ich mag mit Vernunftgründen ihn angreifen, wie ich will, es ist verlorene Mühe. Das ist der Grund, weshalb ich es unterlasse, an ihn zu schreiben, da ich es lieber habe, er prahle über mein Stillschweigen, als dass ich seiner Zudringlichkeit nachgeben und mit ihm den Narren machen muss. Damit er nicht vorschütze, man habe ihm nichts sagen können, zeige ich ihn rechtzeitig an, damit er seine Dummheit nicht immer mehr verrät. Wäre ich nicht besorgt um seine Ehre, nie hätte ich dazu geraten. Griffe mich ein Papist in so abgeschmackter Weise an, ich wollte ihn reizen und herauslocken zum offenen Kampf. Denn was wäre wünschenswerter, als dass sich die Feinde der Frömmigkeit dem allgemeinen Spott aussetzten? Freilich, einer Antwort würde ich ihn auch nicht würdigen. Es wäre ja auch nicht nötig. Denn auch das ist mir nicht verborgen, wie sehr sich nun dieser Euer Chaponneau schmeichelt, besonders seit er eine so berühmte Probe seines Genies abgelegt hat. Ich glaube, ihn zu sehen, wie er mit der Zunge die Mundwinkel leckt bis zu den Backen, sich die Schultern reibt, den Kopf zurückwirft, Maul und Augen verdreht, seinen langen Hals herausstreckt und schließlich in der ganzen prahlerischen Haltung frohlockt, die er gewöhnlich zur Schau trägt, wenn er für sich einen Triumph über nichts feiert. Wie schon gesagt, ich enthalte mich, ihm zu antworten, weil ich glaube, es würde bei einem Menschen der Art doch nichts nützen.

Hält er nun beides für schimpflich, dass ich ihn übergehe und dass ich nicht gerade ehrerbietig über ihn zu Euch rede, so mag er das nehmen, wie er will; nur hat er kein Recht zu klagen, ich habe etwas nicht nach Pflicht und Billigkeit getan. Er muss mir sicher erlauben, in der Sache nicht seinen Gelüsten zu Gefallen zu sein. Es ist nicht meine Art, frech mit Schimpfwörtern zu kämpfen. Dazu aber will er mich verlocken. Aber man könnte einwenden, er habe doch nur in der Absicht geschrieben, dass wir in aller Sanftmut hin und her in Privatbriefen plänkeln sollen. Was er zu wünschen vorgibt, dabei will ich mich gar nicht aufhalten. Erwägt die Tatsachen mit mir ein wenig und urteilt danach, in welchem Sinn er mich reizte. Zuerst wirft er mir Unwissenheit, Phantasterei, Blindheit vor; dann sagt er, zuweilen rede ich so dumm, als ob mir nie eine Studierlampe geschienen hätte; ich weiche auch von der Weisheit so schmählich ab, dass seines Erachtens noch niemand so weit abgewichen sei. Nicht zufrieden mit solch frecher Schimpferei geht noch weiter. Denn nicht nur sagt er, ich spiele mit schwindelhaften Kunstgriffen, sondern er fügt noch bei, ich mache es wie die bösen Juristen, die, um eine schlimme Sache zu verteidigen, wider ihr Gewissen die Gesetze zu falscher Auslegung verdrehen. Schließlich nennt er mich sogar ein schlaues Füchslein. Ich will nicht davon reden, dass er mich an einen Kurort für Geistesschwache schicken will und mich mit tausend Schmähungen der Art herunterreißt. Das sind so die Späße, mit denen er mir sozusagen als Freund scherzt. Ich aber bin nicht an so gemeine Frechheit gewöhnt, und kann mich meiner Natur nach nicht dran gewöhnen. Mein Geist widerstrebt dem, und es ist meinem ganzen Wesen zu fremdartig. Nun könnte man wieder sagen, er habe doch seine Schrift sorgfältig und wohl verschlossen mir zugesandt, um meinem guten Ruf bei andern Leuten nicht zu schaden. Wie wenn er nicht schon überall seit drei Jahren geprahlt hätte, dass er damit beschäftigt sei, die Schrift zurechtzuschneidern; wie wenn er sie nicht schon oft seinen Kumpanen vorgelesen hätte; wie wenn er nicht in seiner Schlechtigkeit soweit gegangen wäre, selbst einigen frommen, gelehrten Leuten etwas draus vorzulesen. Wenn er wollte, dass es allen und überall bekannt werde, so kann er sich nicht beklagen, dass es durch mich auch Euch bekannt wird.

Jetzt will ich über die Schrift selbst kurz sagen, was ich darauf zu entgegnen habe. Wahrhaftig, Chaponneau tut mir eigentlich herzlich leid, wenn ich denke, wie sehr er sich an einem so unglücklichen und verkehrten Machwerk abgemüht hat. Denn da er nur allzu sehr nach eleganter, glänzender Sprache strebt, und zuweilen auch keinen rechten Grund zur Hand hat, scharrte er von hier und da an Redensarten zusammen, was er konnte, trug auf einen Haufen, was er je in seinem Leben gelesen hatte, das ihm wohlklingender schien. So hat er lang und viel darüber geschwitzt, seine Sprache durch unnatürliche Geziertheit mehr zu verhunzen als zu verschönern. Doch schimmern zuweilen unter dem Löwenfell die weißen Eselsöhrchen vor. Doch will ich auch das bei Seite lassen und zum Inhalt kommen. – – –

Ich führe das an, um den Angriff des wütend gewordenen Bullen etwas aufzuhalten, der gleich schreit, es seine arianische oder sabellianische Ketzereien, wenn man ihn mit einem Wörtlein ärgert. – –

Ich komme zurück auf den entsetzlichen Vorwurf gottloser Ketzerei, den er mir und Euch zugleich macht. Habt Ihr nicht Mut genug, solchen Übermut zu bändigen, so werde ich zwar Eure allzu große Geduld missbilligen, aber meine und der Kirche Sache dem Herrn empfehlen und mich ruhig und still verhalten. Wenn Ihr aber drangeht, mutig Eure Kirche von diesem Schmutzflecken zu reinigen, so zweifle ich nicht daran, dass der Herr seiner so frommen Tat den Erfolg geben wird, den alle Guten wünschen müssen. Ich glaube, meine Pflicht getan zu haben dadurch, dass ich meine Klage vor Euch brachte. Es bleibt nun nur noch übrig, dass auch Ihr Euch auf Eure Pflicht besinnt, damit nicht durch Euer Versäumnis (um ein stärkeres Wort zu brauchen) ein nur zu schädliches und verderbliches Übel noch höher anschwelle und sich ausbreite. Lebt wohl, liebste und mir stets im Herrn verehrte Brüder. Ich bitten den Herrn, er möge mit Euch sein und Euch ausrüsten mit dem Geist und der Klugheit, der Stärke, des Eifers und der Standhaftigkeit zu seines Reiches Erbauung.

21. Januar 1545.

Euer
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An die Pfarrer in Neuchatel.

Die beiden Pfarrer, Chaponneau (Capunculus) und Courtois (Cortesius), sein Schwiegersohn, hatten Farel und Calvin angegriffen, ihre Meinung über die Trinität und die Person Christi sei nicht korrekt orthodox.

Calvin verteidigt seine trinitarische und christologische Orthodoxie.

Es tut mir sehr leid, im Herrn geliebteste Brüder, dass mir Euer Brief nicht früher übergeben wurde. Hätte ich ihn zur rechten Zeit erhalten, so hätte ich, wenn auch nicht vollständig, so doch zum Teil Eurem Wunsch Folge geleistet. Es geschah also nicht durch meine Nachlässigkeit, dass ich nicht auf den festgesetzten Tag nach Neuchatel kam oder eine Antwort dazu schickte, sondern weil Jean Rogier, der Chirurg, mir Euren Brief mit den berühmten Thesen Courtois´ erst fünf Tage nach seiner Ankunft übergab. Da nun aber der festgesetzte Zeitpunkt bereits vorbei war, so glaubte ich mich nicht weiter beeilen zu müssen und eine Schreibgelegenheit abwarten zu können. Nun bot sich mir hier unser lieber Michel als geschickter Bote an, der Euch meine Antwort treulich bringen wird. Ich könnte mich nur wundern, was Chaponneau antriebe, die Kirche in Verwirrung zu bringen, wenn ich seine Art nicht schon längst kennte. Nur darüber kann ich meine Verwunderung noch nicht zurückhalten, weshalb und unter welchem Vorwand er gerade mit mir disputieren will. Täte er es, gereizt durch mich, so wäre sogar das noch keine genügende Entschuldigung. Denn wir sind nicht in unser Amt berufen, nur miteinander zu streiten, sondern um einmütig und nach gemeinsamem Feldzugsplan unter Christi Fahne zu kämpfen. Nun aber, da doch nie, soviel ich weiß, irgendwelche Eifersucht oder Streitigkeit unter uns war, da muss doch einer ganz ohne Verstand sein, der im tiefsten Frieden auf einmal so frech ins Horn bläst. Und welche Dummheit ists erst, dass einer, der nie die Grundbegriffe der Grammatik recht gelernt hat, in allen Gebieten der Wissenschaft groß tut! Freilich ists jetzt nicht das erste Mal, dass er sich in eitler Prahlerei so erfrecht. Ich besinne mich, dass, als Alciato einmal beiläufig die Theologaster von Löwen tadelte, weil sie gewagt hatten, sich der Gründung einer Schule der drei klassischen Sprachen in Löwen zu widersetzen, da hat dieser Chaponneau in lärmender Rede heftig gegen das Studium der Sprachen und des weltlichen Rechts deklamiert! Alciato, durch solche Maßlosigkeit beleidigt, hielt es freilich unter seiner Würde, sich in einen Streit mit ihm einzulassen; aber zeigte ihn der Obrigkeit an und forderte Bändigung seiner Frechheit. Es geschah das auch, nicht ohne Schande für Chaponneau. Jetzt sollte ihn freilich schon sein jetziger Wohnort und sein Amt vernünftiger machen. Weil er sich aber ohne Vernunft zu blindem, zügellosem Angriff fortreißen lässt, will ich nicht daran denken, was seine Frechheit eigentlich verdiente, sondern daran, was sich für mich schickt. Jedenfalls werde ich das nie zugeben, dass er sich rühmt, er sei von mir gereizt und in diesen Kampf hineingezogen worden. Würde er doch zur rechten Zeit ruhig und ließe auch andere in Ruhe! Tut ers nicht, so ists an Euch, kraft Eurer Autorität und mit gesetzmäßigem Urteil von Kirche und Obrigkeit seinen Übermut zu unterdrücken. Nicht ohne Grund schreibt Paulus, wer gelten wolle im Reich Christi, müsse eine neue Kreatur sein [Gal. 6. 15]. Und doch glaube ich nicht, dass es damals schon solche skandalsüchtige, aufdringliche Leute gegeben hat, die ohne Grund nicht nur zum Wortstreit, sondern zum Dreinschlagen bereit waren. O, wie bös ist unsere Zeit! Kann einer, wenn auch im entlegensten Winkel, doch noch in der Kirche bleiben, der sich auf offenem Mark großsprecherisch rühmt wie einer Heldentat, dass er mit seinem Kollegen fast handgemein wurde? der sich weigert, ohne Zwang durch die Obrigkeit dem Kollegium der Brüder zu gehorchen? der die Flammen des Aufruhrs in seinem Hause hegt und schürt? der getrennt von allen andern Beratungen abhält? von anderm, das nicht hierher gehört, ganz zu schweigen.

Übrigens weiß ich nicht, weshalb ihr meinet, die Thesen, die er nach Euerm Verdacht seinem Schwiegersohn Courtois eingeblasen hat, zielten zum größten Teil auf mich. Eine Stelle ists, in der er offen mich heran nimmt. Außerdem sehe ich nichts, was auf mich ginge. In dieser einen Stelle verkündet er wie ein Orakel, die seien Ketzer, die glaubten, Christus sei, nach seiner göttlichen Natur, absolut eignen Wesens. Die Antwort darauf ist leicht zu geben. Zuerst soll er mir antworten, ob Christus wahrer, vollkommener Gott ist? Will er Gottes Wesen nicht teilen, so muss er zugeben, dass er ganz in Christo ist. Auch sagt Paulus ausdrücklich: denn in ihm wohnet die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig [Kol. 2, 9]. Ich frage nochmals: Ist diese Fülle der Gottheit etwas Absolutes oder etwas Abhängiges? Aber, wird Courtois einwerfen, der Sohn hat sein Wesen doch vom Vater. Wer leugnet das? Das habe ich nicht nur stets gerne bekannt, sondern auch verkündet. Aber das ists, worüber sich diese Esel täuschen; sie bedenken nicht, dass das Wort Sohn nur von Christus als zweiter Person der Trinität gebraucht wird und deshalb ein relativer Begriff ist. Diese Beziehung auf die Trinität besteht nun aber nicht, wo man einfach von der Gottheit Christi redet. Darüber spricht Augustinus fein in der Erklärung zum 68. Psalm; auch unsere Gegner prahlen ja mit diesem Schriftsteller, obwohl sie von ihm wohl nie etwas gelesen haben als, ich weiß nicht welche Gesänge. Augustinus sagt: „Fragt einer, ob der Vater dasselbe sei wie der Sohn, so antworte: Nach dem Wesen sind sie gleich, nicht nach dem, was sich auf etwas anderes bezieht. Nämlich Christus heißt an sich Gott, nur in Beziehung auf den Vater heißt er Sohn. Wiederum der Vater heißt an sich Gott, nur in der Beziehung auf den Sohn Vater. Wo es in Beziehung auf den Sohn Vater heißt, da ist es natürlich nicht der Sohn, und wo es in Beziehung auf den Vater Sohn heißt, da nicht der Vater. Aber wo absolut Vater steht oder absolut Sohn, das ist Vater und Sohn derselbe Gott“. Soweit Augustin. Macht man dieser Unterscheidung [zwischen relativer und absoluter Sprachweise], bitte, was bleibt da weiter zweideutig? – – Wenn dadurch Chaponneaus Hartnäckigkeit noch nicht überwunden ist, so weigere ich mich nicht, von einer solchen Bestie Ketzer gescholten zu werden; habe ich doch Cyrill zum Genossen, der sogar dieselben Worte mehr als einmal braucht. Aber welche Tollheit ist es, eine Ansicht als Ketzerei zu verrufen, die sowohl aus der heiligen Schrift als aus den Schriften der alten Väter berühmte Zeugnisse für sich hat? Diesen Punkt ausgenommen, bemerke ich nicht, was sich gegen mich wenden wollte. Freilich geht auch das nicht mich allein an, sondern Euch alle, da Ihr zugleich mit uns, ein Bekenntnis anerkannt habt, dass Solches enthält. An Euch ists also, in Euer aller Namen, die Euch und der Wahrheit angetane Schmach zu rächen. Tut Ihr es nicht, so habe ich meinesteils mich entschlossen, nicht nachzugeben. Ich meine, wenn der, der sich als Verfertiger dieser Thesen bekennt, noch in Neuchatel ist.

Was soll ich mich und Euch zugleich umsonst ermüden, indem ich auch noch die andern [Thesen] behandle. Er predigt viel von Liebe und tadelt hart, dass sie nicht besser gewahrt werde. Aber ich möchte wissen, welche Liebe das ist, von der Kirche Leute trennen zu wollen, die im Sinne der Lehre ganz richtig mit allen Frommen übereinstimmen und nur ein paar Ausdrücke verschmähen? Was ist händelsüchtiger, schreibt Augustin an Pascentius im 124. Brief, als da, wo man in der Sache einig ist, über den Namen zu streiten. Wenn wir ihm nur verdächtig wären, so wollt´ ich es ihm noch verzeihen, aber in so bestimmtem, hartem Aburteilen kann ich den milden Sinn der Liebe gar nicht erkennen. Über das Wesen Gottes hätten die Väter vor Christi Geburt keine Anschauung gehabt, sagt er. Was für kindische Dummheiten sind das! Ich bitte Euch, mit welchen Augen wird denn jetzt Gottes Wesen von den Seelen der Abgeschiedenen geschaut? Glaubt er etwa, Gottes Herrlichkeit wird in ihrer ganzen Größe von ihnen erkannt. Er wird sagen, sie wird erkannt, nicht wie sie ist, sondern wie sie die Schwäche unseres Verständnisses erträgt. Also fasse ich es so auf, in seiner bestimmten Art wurde das Wesen Gottes auch vor der Ankunft Christi erkannt; jetzt wird es klarer erkannt; vollständig ist die Anschauung, wann wir ihm ähnlich sein werden. Aber, wirft er ein, der ganze Chor der Heiligen widerspreche dem. Wo hat er denn den Chor der Heiligen ein solches Lied singen hören? Er sagt, das sei nicht nötig gewesen. Warum nicht? Er rühmt sich, das sei ganz leicht zu beweisen. So soll er doch zeigen, wie leicht der Beweis ist.

Bis dahin hat es mir beliebt, mit ihm auf Torheiten einzugehen. Nun will ich ernstlich reden. Wohin zielen, ich beschwöre Euch, diese Spekulationen? Sind solche Sätze wie die folgenden nicht von der Art, die Paulus so sehr verabscheut? Dass der heilige Geist nicht so mit der Taube vereinigt gewesen sei, dass er eine Person gebildet habe, wie es in Christo wohl über dem Streit steht, glaube ich. Dass er Joseph und Nikodemus den vollkommenen Glauben abspricht, darin weiche ich nicht von ihm ab; nur soll er ihn dann keinem andern zuteilen. Dass der Geist der Prophetie nicht immer auf die Propheten beschränkt blieb, beweist Saul. Das gebe ich zu. Aber vielleicht versteht er das auch anders, so dass er meine Einwilligung nicht erhielte. Über Ananias und Saphira muss er erst zeigen, dass noch ein anderes Verbrechen außer ihrer Lüge an ihnen gestraft worden ist, wenn er will, dass man seiner Erfindung Glauben schenken soll. Dass er die Allegorie so mutig verteidigt, wundert mich nicht. Denn die Leute, die kein Körnlein Verständnis haben, wenn sie nicht mit kalten, geschmacklosen Allegorien spielen können, kämpfen mit Recht für die allegorische Auslegung nicht anders als für Haus und Herd. Aber ich bin schon weitläufiger geworden, als ich wollte. So will ich schließen. Lebt wohl, sehr geliebte Brüder im Herrn. Der Herr lasse Eure Weisheit und Stärke wachsen mehr und mehr, dass Ihr, wie Ihr angefangen, auch fortfahret in der Erbauung seiner Kirche. Amen.

Genf, 28. Mai 1543.
Euer
Johannes Calvin.