Vgl. 466. 474. Bern verlangte von Genf, dass es die Verbannten wieder aufnehme und auf jedes Bündnis mit anderen Staaten verzichte. Auf diesen letzten Punkt wollte Genf eingehen, um Bern vom ersten abzubringen. Da Calvin vom Genfer Rat mit einer öffentlichen Darstellung der Sache beauftragt war, sah man irrtümlicherweise in ihm in Bern einen Gegner des Burgrechts. Der Genfer Stadtschreiber Roset wurde nach Zürich, Basel und Schaffhausen gesandt, um die Stände um ihre Vermittlung zu bitten, und nahm diesen Brief mit.
Von den Burgrechtsverhandlungen und dem Kampf gegen Westphal.
Ich habe dir schon früher geschrieben, dass unsere Obrigkeit bei der Burgrechtserneuerung sich, [ohne mehr zu fordern], an den alten Wortlaut halten wollte, dann aber, weil es die Berner anders besser dünkte, sich auch darin durchaus maßvoll zeigte. Schließlich kam es so weit, dass Genf in dem Hauptpunkt, auf den die Berner vor allem drangen, lieber nachgeben als den Vorwurf der Hartnäckigkeit auf sich ziehen wollte. Durch diese Konzession hofften wir die Berner so weit milder zu stimmen, dass sie uns dann mit den übrigen Punkten nicht mehr zu sehr plagten. Da wir uns aber darin getäuscht haben, so ersucht unsere Obrigkeit Euern wohlweisen Rat, er möge durch freundliche Fürbitte doch versuchen, die Berner zur Billigkeit umzustimmen. Du siehst daraus, wie wahr es ist, wenn ich dir versichert habe, ein überstürztes Vorgehen sei von unserer Obrigkeit nicht zu befürchten, wie man in Bern argwöhnte oder doch wenigstens gerüchtweise erzählte. Doch ich brauche den Überbringer, der sehr gut als lebendiger Brief gelten kann, nicht mit einem längeren Schreiben zu belasten. Von dir persönlich verlange ich nichts, als dass du deine Freunde, die, wie ich denke, schon von selbst guten Willen sind, auch von dir aus darin bestärkst. Betreffs meiner Schrift gegen Westphal, von der ich dir ein Exemplar sende, warte ich begierig auf deine Meinung und der andern Zürcher Urteil. Ich sehe, ich bin etwas schärfer geworden, als ich eigentlich im Sinn hatte. Ich weiß nicht, wie das beim Diktieren so gekommen ist. Erregt das Buch Missfallen, so dürfte ich wenigstens sagen, ich habe es nicht geschrieben. Doch Scherz beiseite, ich hoffe, es werde dir und den andern Brüdern so genehm sein, dass ich keine Entschuldigung zu suchen brauche. Sage aber ganz frei heraus, was du findest. Vielleicht erscheint auch von dir etwas, was als Korrektur gelten kann, weil daraus dann deutlich wird, welches Vorgehen du billigst. Eins sehe ich, den Hass Eurer frühern Feinde habe ich nun so auf mich gezogen, dass durch den Kampf, den sie gegen mich führen, Ihr zu einem Waffenstillstand gekommen seid. Der Herr gebe mir also Mut und Kraft, die ganze Last zu tragen. Lebwohl, hochberühmter Mann und im Herrn hochverehrter Bruder. Meine Kollegen lassen dich grüßen; grüße die deinen dafür von mir. Der Herr behüte dich, er leite und segne dich samt deiner Frau und deinem Hause allezeit.
Genf, 23. Januar 1556.