Acht-Zeilen-Psalm heißt der 119., der aus 22 Strophen von je acht Zeilen besteht.
Über die Unruhen in Genf und einige Werke.
Du schreibst zwar selten an mich, bester, von Herzen verehrter Bruder, aber ich erhalte keinen Brief von dir, der nicht ein jahrelanges Schweigen vollkommen wieder gut machte. Denn nicht nur atmen alle die herzlichste Liebe zu mir, sondern als ehrliches Zeugnis geben sie so ganz deine Herzensgesinnung, dass ich jedes Mal glaube, den vor Augen zu haben, der so schreibt. Deshalb brauchst du dich gar nicht so sorglich wegen deiner Pflichtversäumnis zu entschuldigen. Denn ich weiß gar wohl, wie sehr du mich liebst, und wenn mir auch nichts lieber wäre, als täglich irgendein Brieflein von dir zu erhalten, so liegt mir doch deine Ruhe noch mehr am Herzen, und es genügt mir vollkommen, wenn ich von dir Verzeihung für meine Trägheit erwirke.
Über den Zustand unserer hiesigen Kirche kann ich noch nichts Bestimmtes schreiben. Die Bösen haben in diesen Jahren nie aufgehört, uns stets wieder neue Mühe zu machen. Zuletzt haben sie in dem Versuch, den Kirchenbann zu beseitigen, das Äußerste an Verrücktheit geleistet. Von beiden Seiten ist in hartem Strauß lange gekämpft worden, weil in Rat und Volk die Leidenschaften so offen entbrannt waren, dass die Gefahr eines Aufruhrs nahe lag. Durch die Kunstgriffe einiger Leute ist jetzt eine Versöhnung unter uns zustande gekommen. Über die Streitsache selbst ist aber noch nichts beschlossen. Übermorgen wird entweder darüber entschieden, oder es entsteht ein neuer Kampf, dessen Ausgang ich dem Herrn überlasse mit dem Entschluss, auch kein Haar breit zu weichen. Ich bin zwar auch nicht so von Eisen, dass es mich nicht quält und mir fast das Herz zerreißt, an die Zerstreuung meiner Herde zu denken, die eintritt, wenn ich von hier weggehen muss. Weil uns aber nichts anderes erlaubt ist, als im Vertrauen auf Gottes Vorsehung unsere Pflicht bis aufs äußerste zu tun, so muss ich eben fortfahren. Doch leuchtet uns jetzt schon etwas mehr Hoffnung als früher.
Die kleineren Werke, die ich bisher herausgegeben habe, hat einer unsrer Buchdrucker in einem Bande gesammelt, außer vier französischen Predigten, die Baduel ins Lateinische übersetzt hat. Ich sende dir also kein Verzeichnis, da du es von dort haben kannst. Neulich sind auch zweiundzwanzig französische Predigten zum so genannten Acht-Zeilen-Psalm veröffentlicht worden. Die Schriftauslegungen sind besonders gedruckt worden, wie eben jetzt erschienen ist, was von der Apostelgeschichte noch fehlte, wovon ich dir ein Exemplar sende, jedoch, wie du es vorschreibst, so, dass der Überbringer dieses Briefes den Preis für dich bezahlt. Ebenso habe ichs mit der Widerlegung der servetischen Gottlosigkeit gehalten, von der er dir drei Exemplare mitbringt. Ich lege den lustigen Brief unseres Beza (unter dem Pseudonym Passavant) bei, der dich hoffentlich recht lachen macht. Lebwohl, du hochberühmter Mann und treuer Diener Christi. Der Herr fahre fort, dich und dein Haus zu leiten mit seinem Geist, zu behüten mit seinem Schutz und mit allem Segen zu beschenken bis ans Ende. Auch meine Kollegen und viele gute Leute lassen dich grüßen.
Genf, 11. Febr. 1554.
In Wahrheit dein
Johannes Calvin.