Luther, Martin – An die Pfarrherren in Göttingen, Juni 1528.

Daß sie zu ihrer Kirchenordnung Gottes Gedeihen demüthiglich suchen und bitten.

Gnad und Friede in Christo. Ich hab eurem Begehren nach diese eure Kirchenordnung überlesen, und durch den Druck gefördert; Gott, der Vater aller Weisheit, gebe seine Gnade, daß sie einen kräftigen Fürgang gewinne, Amen.

Denn wir wissen, Gott Lob, wohl, was für einen Widersacher wir in solchen Sachen haben, nämlich den Satan mit allen seinen Engeln; darum es auch nicht genug ist, gute Ordnung, gut Recht, gute Lehre haben; ja, es ist (kurzum) kein Rath, keine Weisheit, kein Fürnehmen so gut und recht, daß darauf etwas zu bauen, und etwas anzufahen sei; ja wenns gleich ein göttlich Recht ist, so ists kein nütz, sondern vielmehr schädlich, Röm. 4, 15.: das Gesetz richtet Zorn an.

Wie manchem weisen Mann, ja wie manchem heiligen Mann hat gefehlet seine allerschönste und beste Sache und sein allerheiligstes Recht. Warum das? Darum, daß über das Recht und gute Ordnung gehöret noch eins, das heißt, Gerathen oder Gedeihen, das auch St. Paulus selbst saget, das Evangelium (welches doch nicht allein Gottes Ordnung, sondern auch Gottes Kraft ist) schaffe Nichts, wenn Gott auch nicht das Gedeihen dazu gibt (1. Cor. 3, 7.).

Darum sind das gar thörichte Leute, die da sagen: Ich habs gut Recht, ich wills thun, wer will mirs wehren? Denn daß sie sagen: ich habs gut Recht, ist wohl geredet; aber daß sie dazu noch sagen: ich wills thun, das ist zu viel. Denn solches Thun ist nicht dein, so wenig das Recht dein ist. Gott muß helfen, daß es geschehe; sonst sollst du wohl sehen, obs dir nicht gewehret werde.

Und wenn du noch so gut Recht hättest, Gott will dein Trotzen und Pochen aufs Recht nicht leiden; du sollst auch demüthig um Hülfe bitten, daß er dir, und nicht du selbst, das Recht erhalle, auf daß du lernest, was der Teufel, ja was du selbst seiest, als der du nicht vermagst, so er dich recht hat, und der Teufel ein Kriegsmann ist wider alles, das recht und gut ist, daß Gott dir muß helfen, nicht allein aus Unrecht, sondern auch zum Recht, beide in großen und kleinen, ja allerlei Sachen. Darum spricht die Weisheit Sprüchw. 8, 14.: Mein ist das Rathen und Gerathen. Viele haben guten Rath, aber das Gerathen folgt nicht, sondern wird ein großer Unrath aus großem Rath, wie das viel Exempel und Historien beweisen.

Solchs will ich euch, lieben Herrn und Freunde, darum angezeigt haben, daß ihr euch selbst und euer Volk dazu wollet halten, nicht allein auf eure Kirchenordnung euch zu vertrösten, als habe es nun keine Noth, dieweil es gefasset ist, sondern auch Gott demüthiglich danken, und daneben bitten, daß er euch das Gedeihen und Gerathen dazu gebe, und seliglich fortgehe.

Denn Anstöße und Hinderniß werden sich genug finden; und der ein Fürst in der Welt ist (glaubet mir), der wird auch zu Göttingen wollen ein Fürst, und gar ungern ein Bettler sein.

Gott werfe ihn unter euch, wie St. Paulus, Röm. 16, 20., bittet: Gott zertrete den Satan unter eure Füße. Weichs ich auch euch wünsche, und bitte, daß euch Gott segne und behüte, unsträflich und kräftig wachsen lasse zu seinem Lob und Ehre, Amen. Mense Junio, Anno 1528.

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862