Luther, Martin – An Johann Rühel, vom 25. Mai 1525.

Dem achtbaren, hochgelehrten Herrn, Johann Rühel, der Rechten Doctoren, meinem günstigen Herrn, und freundlichen, lieben Schwager.

Gottes Gnade und Friede. Ich danke euch, Achtbarer, lieber Herr und Schwager, eurer neuen Zeitungen, die ich immer gern erfahren hätte, sonderlich wie sich Thomas Münzer hielte. Bitte, wollet weiter mich wissen lassen, wie er funden und gefangen ist, und wie er sich gestellet hat; denn es nützlich ist zu wissen, wie der hochmüthige Geist sich habe gehalten.

Daß man mit den armen Leuten1) so greulich fähret, ist ja erbärmlich. Aber wie soll man thun? Es ist noch, und Gott wills auch haben, daß eine Furcht und Scheu in die Leute gebracht werde. Wo nicht, so thäte der Satan viel Aergers. Ein Unglück ist besser, als das andere. Es ist Gottes Urtheil: Qui accepit gladium, gladio peribit2). Das ist aber tröstlich, daß der Geist an Tag kommen ist, damit hinfort die Bauern wissen, wie Unrecht sie haben, und vielleicht ihre Rotterei lassen oder weniger werden. Laßts euch nicht so hart bekümmern; denn es vielen Seelen zu gute kommen wird, die dadurch abgeschreckt und erhalten werden.

Mein gnädigster Herr, der Kurfürst, ist des Tages, da ich von euch scheidet, zwischen fünfen und sechsen, fast um die Zeit, da Osterhausen verderbet ward, mit sanftem Muth, frischer Vernunft und Verstand, verschieden, hat das Sacrament beider Gestalt genommen, und keine Oelung. Ist auch ohne Messe und Vigilien von uns, und doch fein herrlich bestattet. Man hat etliche Steine in seiner Lunge gefunden, und sonderlich drei in der Gallen (welches wunderlich ist), fast wie der Vierlings Groschen, und so dicke, als ein halber kleiner Finger dicke ist. Er ist auch am Steine gestorben, aber keiner ist in der Blase gefunden.

Vom Aufruhr3) hat er noch nicht viel gewußt, hat aber seinem Bruder Herzog Johannsen geschrieben, er solle ja zuvor alle Wege in der Güte suchen, ehe ers ließ zur Schlacht kommen; ist christlich und seliglich gestorben. Das Zeichen seines Todes war ein Regenbogen, den wir, Philips und ich, sahen in der Nacht im nächsten Winter, über der Lochau, und ein Kind allhie zu Wittenberg ohne Haupt geboren, und noch eines mit umgekehrten Füßen.

Hiemit Gott befohlen, und grüßt mir eure Hausreben sammt ihren Trauben. Tröstet auch Christoffel Meinhart, daß er Gott seinen Willen lasse, der doch nicht denn eitel gut sein kann, ob wirs schon nicht fühlen. Es ist nun zum Ernst geworden, was wir zuvor von der Entgrobung, Langeweile und Verwunderung gescherzt haben. Nun ists Zeit still halten, und Gott walten lassen, so werden wir den Frieden sehen, Amen. An den bin ich nicht ungeneigt zu schreiben, wie ihr anzeiget. Zu Wittenberg am Dienstag nach Vocem Jucunditatis, Anno 1525.

1) den durch Th. Münzer verführten aufrührerischen Bauern.
2) d. h. wer das Schwert nimmt, wird durchs Schwert umkommen.
3) nemlich unter den Bauern in Thüringen.

 

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862