Calvin, Jean – An den Grafen Johann von Tarnow in Tarnow.

Nr. 628 (C. R. – 3210)

Vgl. 612.

Entschuldigung wegen eines allzu scharfen Briefes.

Wenn ich auch wohl weiß und zugebe, erlauchter, edler Herr, dass ich, durch deinen Brief schwer geärgert, vielleicht etwas heftiger erregt war, als nötig gewesen wäre, wenn meine Antwort nicht zu scharf werden sollte, so bitte ich dich doch jetzt noch einmal, recht zu erwägen, dass ich meine Pfeile nicht auf dich, dessen Würdigkeit ich verehre, richtete, sondern auf den Schwätzer, dem du, wie ich glaube, die Abfassung des Briefes übertragen hast. Denn so bäurisch ungebildet bin ich nicht, dass ich mir in meiner Antwort eine so freie Sprache, wie ich sie führte, gestattet hätte, wenn ich geglaubt hätte, mit dir zu tun zu haben. Da sich aber heutzutage an den Fürstenhöfen gewisse schlaue, redegewandte Leute, wenn es sich um religiöse Dinge handelt, eine allzu leichtfertige Redeweise erlauben, und sich deutliche Anzeichen dafür in deinem Briefe fanden, so glaubte ich nicht schweigen zu dürfen, schon aus dem Grunde nicht, damit nicht auch du in einer ernsten Sache allerlei Späßen und schnöden Redensarten Gehör leihest. Ich war tatsächlich der Überzeugung, du habest bei deinen vielen Geschäften nicht Muße gehabt, einen so ausführlichen Brief zu schreiben, sondern einer deiner Hofleute habe nach seinem Gutdünken maßloser, als du wolltest, seinen Spott getrieben, weil er sich, durch deine Hoheit gedeckt, straflos glaubte. Was ich damals schon offen sagte, wiederhole ich jetzt, erlauchtester Herr, damit du nicht meinst, ich vergesse den Respekt, den du mit Recht beanspruchen darfst, und ich wisse einen mit so hohen Tugenden und Ehren ausgezeichneten Mann nicht geziemend schonend zu behandeln. Doch will ich nicht verschweigen, dass es mein höchster Wunsch wäre, dass zur Krönung deines Lobes noch ein wärmeres Interesse an der Reformation der Kirche träge. Wie auch für dein rechtes, volles Glück nichts wünschenswerter wäre, als dass deinen herrlichen Taten, durch die du dir bei der Nachwelt hohen Ruhm erworben hast, auch diese letzte noch entspräche. Machte dir bisher das Gefährliche eines plötzlichen Umschwungs Bedenken, dich als energischen Streiter Christi wider den papistischen Aberglauben zu bekennen, so hat ja doch die seither verflossene lange Zeit diese Furcht zunichte machen müssen. Dafür will ich, wie ich es als Hoffnung im Herzen trage, Gott unaufhörlich bitten, er wolle dich wappnen mit der unüberwindlichen Kraft seines Geistes, dich durch seine heilige Vorsehung leiten, dich noch lange gesund erhalten und dich mehr und mehr reich werden lassen an allem Guten.

Genf, 9. Juni 1560.

Calvin, Jean – An Johann von Tarnow, Kastellan von Krakau.

Nr. 612 (C. R. – 3133)

Vgl. 585.

Wider die Weltklugheit.

Da ich aus deinem Brief, edler, erlauchter Herr, merke, dass es dir gefallen hat, wenn ich dir schrieb, so sehe ich darin eine Verpflichtung, dich auch fernerhin eifrig zu ermahnen, und es macht mir auch Mut, diese Pflicht in allem Freimut auszuüben. Darum dreht sich alles, worin ich mit deiner Exzellenz uneins bin, dass du es nicht für deine Aufgabe hältst, etwas zu versuchen und zu tun zur Reinigung der polnischen Kirche vom Kote des Papsttums. Denn so gerecht bist du, dass du nicht nur unsern Eifer in der Reformation des Glaubens billigst, sondern auch anerkennst, dass wir das Amt haben, laut dazu zu rufen; aber dass auch für dich und die andern Vornehmen Polens, denen obliegt, für die Ruhe des Staatswesens zu sorgen, genau dieselbe Pflicht besteht, was willst du nicht gelten lassen. Ich antworte: Keine kleinere Strafe ist den tauben Hörern angedroht als den stummen Propheten; denn Gott will nicht, dass wir mit unserm Rufen umsonst die Luft erschüttern, sondern dass wir wirklich die Ohren treffen und die Herzen tief erfassen. Auch müssen Eure Hände ebenso bereit sein zu handeln, als nach Gottes Gebot unsere Zunge willig sein muss zu lehren und ermahnen. Denn wenn du behauptest, die Staatslenker müssten vor allen Dingen auf Ruhe und Frieden schauen, so irrst du dich, wenn du das für ihre einzige Pflicht hältst. Höre vielmehr auf Pauli Wort, der da sagt, Könige und Obrigkeiten erfüllten dann ihre Pflicht recht, wenn sie uns die Möglichkeit gäben, ein ruhiges und stilles Leben zu führen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit (1. Tim. 2, 3). Was Gott hier mit heiligem Bande verbunden hat, dürfen wir doch nicht voneinander trennen. Freilich gebe ich dir gar nicht zu, dass durch unsere Tätigkeit die Staatsordnung vernichtet und der Friede gestört werde. Es ist auch hart, wenn du schreibst, so viele Wirren, die bei Euch und auswärts alle Welt aufregten, hätten ihren Grund in der Religion. Denn wenn auch viele freche, ehrgeizige Menschen einen Anlass zum Zank daraus machen, und andere ihr Trotz und ihre Gottlosigkeit zum Schwerte greifen lässt, so ist es doch ganz falsch, die Schuld auf die göttliche Lehre schieben zu wollen; auch lässt sich Gott nicht ungestraft solche Schmach antun, dass man ihn für einen Unruhestifter hält, wenn er die Menschen mit sich versöhnt und sie zur Eintracht untereinander einladet. Aber selbst wenn Himmel und Erde durcheinander gerieten, müsste uns die reine Verehrung Gottes und seine hochheilige Wahrheit, in der unsere ewige Seligkeit liegt, mehr wert sein als hundert Welten. Dass viele undankbare, böse Menschen Lärm schlagen und mit frevler Wut gegen sie anstürmen, das zu verhindern ist unsre Sache nicht. Aber wird Gott deshalb schweigen, weil die Mehrheit sich leidenschaftlich seiner Rede widersetzt? Dass du Gott bittest, er möge dich in diesem Dunkel leiten und mit seinem Geiste erleuchten, ist löblich, und es ist auch ganz wahr, was du dazusetzest: wo der Herr das Haus nicht baue, da werden aller Menschen Bemühungen umsonst sein [Psalm 127, 1]. Aber der gnädige Gott verlangt nicht, dass die zum Werke Berufenen träge liegen bleiben. Denn wenn du unsere Zuversicht spöttisch belächelst, als ob wir Gottes Werk für uns in Anspruch nähmen, indem wir versuchen, der Menschen Herzen zu bekehren, die doch in seiner Macht und Hand stünden, so wird solcher Hohn keinen tapferen Verkündiger des Evangeliums rühren; denn in jedem wurzelt tief und fest der Spruch: wir sind Gott ein guter Geruch, diesen zum Tode, jenen zum Leben [2. Kor. 2, 15. 16]. Das freilich will ich zugeben: wir dürfen nicht meinen, alle Welt von dem Glauben, den wir verteidigen, überzeugen zu können; aber der Unglaube und die Verstocktheit der Welt hat die Apostel nicht abgehalten, fortzufahren auf dem Wege ihrer Berufung. Sie hielten fest, was einer von ihnen sagt: eine fürchterliche Strafe sei bestimmt für die Verächter, die die angebotene Gnade verschmähten (Hebr. 10, 29). Wenn du zum Spaß sagst, wer den Himmel suche und darüber die Erde außer acht lasse, müsse fürchten, beides miteinander zu verlieren, so sei es ferne von mir, deiner Exzellenz mehr zu glauben als dem Sohne Gottes, der uns sagt: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, so wird Euch alles andere zufallen (Matth. 6, 33). Du behauptest, du wolltest Eure Landsleute nicht in Uneinigkeit stürzen. Sie sind ja aber schon uneins und bekennen offen ihren Zwist. Da bleibt dir kein anderes Mittel, als dass du suchest, sie zu versöhnen, und das kann nicht geschehen, ohne dass die Frage recht gründlich untersucht wird. Schließlich gehst du noch weiter und beschuldigst unsere Sache (mit Verlaub zu sagen) ebenso ungerecht wie gehässig. Die Verteidigung gegen diese Vorwürfe wäre sehr leicht und nahe liegend, wenn deine Hoheit ihr unparteiisch Gehör schenken wollte. Denn weder haben wir je versucht, Zucht und Sitte umzustoßen, noch uns bemüht, die staatliche Ordnung aufzulösen. Dass unsere Pläne und Interessen durchaus auf anderes abzielen, ist durch viele Erfahrungstatsachen klar bewiesen. Sagst du, dass daraus Sekten und Spaltungen entstanden seien, so wird das Christo, unserm einzigen Richter, auch vor, da doch auch kurze Zeit nach der Ausbreitung des Evangeliums plötzlich viele wunderliche Irrlehren auftauchten. Du tadelst uns wegen unserer Schriften voll Bitterkeit, unserer heftigen Kämpfe, unserer sich widersprechenden Meinungen. Es wäre gewiss zu wünschen, dass alle ein Herz wären und sich wie mit einer Zunge ausdrückten. Aber wir kannst du verlangen, dass menschlichen Zwistes und Streites wegen Gottes Wahrheit unterdrückt werde? Ich musste auch mit vielen harten Köpfen kämpfen und stehe auch jetzt noch im selben Streit. Wäre es erlaubt, die fromme, gesunde Lehre unverteidigt zu lassen, – ich möchte auch gerne Ruhe haben; aber wenn man ankämpft gegen das Heil der Menschen und Gottes Ehre, so ists ungerecht, mir meine Gegenwehr zum Vorwurf zu machen. Muss man jedem Kampfe ausweichen so muss Christus, der ein Stein des Anstoßes ist, sich selbst davon machen. Es ist ganz gut, vorsichtig die Verhältnisse von Ort und Zeit in Betracht zu ziehen, nur darf nicht menschliche Schlauheit an Stelle der Vorsicht treten. Freilich, mag Himmel und Erde durcheinander geraten, Christo darf das Tor nie verschlossen werden, dass er nicht mit dem heiligen Zepter des Evangeliums zu uns dringen könnte. Es wundert mich sehr, wie du zugibst, es sei die Pflicht der Fürsten, diesem höchsten König die Tore zu öffnen, und dann gleich darauf sagst, was dem diametral entgegensteht. Meine scharfe Sprache könnte dich vielleicht verletzen, wenn deine Hoheit mir nicht verziehe, weil ich so reden muss. Entweder musste ich ganz schweigen oder ehrlich schreiben, wie ichs meine; denn ich will nichts anderes, als deiner Hoheit nützen. Du sagst, du haltest es nicht für geraten, etwas zu tun zur Abschaffung des Aberglaubens und zur Einführung der wahren Verehrung Gottes; glaubst du denn, du seiest klüger als Gott? Zwar wundert es mich eigentlich nicht, dass ein sehr kluger Mensch, der in den wichtigsten Dingen der Welt große Erfahrung hat, so denkt und redet; denn es gibt keine schlimmere Pest als die menschliche Vernunft; die hat dich sicherlich übers Ziel hinaus schießen lassen, so dass du unbedenklich deine Pläne dem Plan Gottes entgegenstellst. Wenn du einwendest, Gott offenbare uns vielleicht seinen Willen noch gar nicht, so verstehe ich nicht, was das bedeuten soll, da doch Euch die Klarheit des Evangeliums schon so umleuchtet hat, dass Ihr nicht mehr am hellen Tag im Dunkeln tappen dürft. Doch ich habe die Überzeugung, deine wirkliche Herzensmeinung sei ganz anders, als dein Brief lautet. Hätte deine Exzellenz nur einen andern Schreiber gebraucht, der wirklich genau zu Papier gebracht hätte, was dir gut schien, ihm anzugeben; denn soviel ich sehe, hat dieser Sekretär mehr seine Meinung als die deinige zum Ausdruck gebracht. So muss ich einiges weglassen, damit es nicht scheint, ich überschreite das Maß des Geziemenden, wenn ich, allen höfischen Anstand außer acht lassend, auf seine vielen höhnischen Späße die gebührende Antwort geben wollte. Freilich schmeicheln kann ich nicht und es stünde auch meinem Amte sehr schlecht an; aber obwohl ich gelernt habe, auch die gröbsten Gesellen aus dem niedersten Pöbel ruhig zu hören, so bin ich doch nicht so ungeschlacht und zänkisch, dass ich so scharf vorgehen möchte, ohne Rücksicht auf deine erhabene Würde. Doch wird mir deine Exzellenz verzeihen, wenn es mich erzürnt, den heiligen Namen Gottes und damit allen religiösen Eifer so scherzhaft und spöttisch behandelt zu sehen. Ich verlasse mich darauf, dass Gott, unser Vater, mir verleihen wird, seinem Auftrag gemäß meine Pflicht treu und standhaft zu erfüllen und allem Beifall der Welt und allen schönen Redensarten den Abschied zu geben. Ihn bitte ich auch, er möge deine Exzellenz, erlauchter Herr, gesund erhalten, mit seinem Geiste leiten und reich machen an allem Segen. Amen.

15. November 1559.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Johann von Tarnow, Kastellan von Krakau.

Nr. 585 (C. R. – 2984)

Auf Calvins ersten Brief (Nr. 479) hatte Graf Tarnow freundlich geantwortet, aber mit dem Bedenken, die Reformation möchte in Polen zur Revolution werden.

Ruhe des Staates ist nicht das höchste Ziel.

Wenn auch mein früherer Brief, hoher Herr und erlauchter Fürst, nicht die Antwort fand, die ich wünschte, weil offenbar meine Mahnung auf dich nicht ganz nach meinem Wunsche gewirkt hatte, so gibt mir doch die außerordentliche Freundlichkeit, mit der du, wie ich sehe, meine Dienstleistung aufgenommen hast, den Mut, dir wieder zu schreiben. Denn da uns Paulus, wo es gilt, die Menschen zum frommen Eifer anzuspornen, heißt, darauf dringen, auch wenn es ihnen nicht passt [2. Tim. 4, 2], so fürchte ich im Vertrauen auf einen solchen Lehrmeister nicht, meine Aufdringlichkeit könne dich ärgern und mir zum Vorwurf gemacht werden; von dieser Furcht und Sorge befreit mich vielmehr auch schon das Vertrauen, das ich in deine Gerechtigkeit setze. Ja, da das Gerücht zu uns gedrungen ist, du habest die Verteidigung der reinen evangelischen Lehre, der du anfänglich auswichest oder doch etwas kühl gegenüberstandest, jetzt mit größerer Wärme übernommen, so wage ich es umso freudiger, meine Mahnung, die das erste Mal fruchtlos zu bleiben schien, nochmals an dich zu richten. Wenn du schriebst, du glaubest, eine Änderung in den Verhältnissen des Königreichs Polen sei nicht ratsam, weil bei jeder Neuerung schwere verderbliche Unruhen auszubrechen drohten, so war es mir zwar betrüblich zu hören, dass der Sache Christi ein so guter Verteidiger wie du fehlen sollte, aber doch war mir solch ein offenes Bekenntnis lieber, als wenn du wie andere ein Interesse geheuchelt hättest, das du gar nicht hattest. Nun denke ich, du wirst zwar wohl schon anderer Meinung sein, aber mir doch in deiner Klugheit verzeihen, wenn ich mit einigen Worten deine Befürchtung als grundlos zu zerstreuen suche. Ich weiß wohl, bei deinem hohen und durchdringenden Geiste hast du eine tiefgehende Kenntnis gesammelt aus den großen Tatsachen der Geschichte; aber es ist gar nicht verwunderlich, dass selbst ein hochbegabter Mensch sich täuschen kann, wo aller menschliche Scharfsinn zunichte wird. Bei Xenophon wird ein Orakelspruch lobend erwähnt, in dem der delphische Apollo einst sagte, den Göttern müsse man dienen nach dem alten Brauche jedes Volkes, weil nichts nützlicher und ratsamer sei, als die Ruhe des Staates zu wahren; daher stammt auch das weit verbreitete Sprichwort: An Übelstände, die sich gut eingelebt haben, soll man nicht rühren. Aber welche Gefahren auch drohen, – die vergänglichen Fürstentümer der Erde dürfen uns nicht so viel wert sein, dass ihnen zu lieb der Dienst Gottes und die wahre Religion, von der unsere ewige Seligkeit abhängt, vernachlässigt blieben. Für Weltmenschen mag das ein Ziel sein, dass nur ja die Staatsruhe nicht gestört wird; wir aber stehen dazu anders; denn bei uns muss hinter der Ehre Gottes und der himmlischen Lehre mit Recht alles zurücktreten, was in der Welt hoch und köstlich ist. Dazu ist deine Befürchtung unnötig; denn alle Unruhen, die der Satan zu stiften versuchen wird, kann Christus, der König des Friedens, durch den die Könige ihr Königtum haben, leicht stillen. Bei der Verderbtheit und Bosheit, Undankbarkeit und Hartnäckigkeit der Menschen ist es ja kaum anders möglich, als dass Lärm, Zwist und Unruhe die reine evangelische Lehre begleiten; aber es ist unsere Pflicht, die Sorge dafür Gott zu überlassen, der schon Hilfe finden wird, und nichtsdestoweniger energisch unsere Pflicht zu tun; denn wir müssen seiner Vorsehung die Ehre geben, im Vertrauen, dass sie den Übelständen, die wir mit allem Fleiße nicht vermeiden können, entgegentritt. Wenn wir uns so von Gott leiten lassen, wird der Ausgang immer besser sein, als unser Verstand es meint, weil Gott in der Tat die Wahrheit dessen beweist, was von ihm im Psalm (46, 10) zu lesen steht: der Spieße zerschlägt, Schwerter zerbricht und Wagen mit Feuer verbrennt und den Kriegen steuert in aller Welt. Andrerseits bedenke, edelster Herr, dass all die Laster und Verderbnisse, die die wahre Religion entstellen ebenso viele Schändungen des Heiligsten sind, die Gott furchtbar strafen wird, und dass ihm die Klugheit ganz verhasst ist, welche die äußere Ruhe mit dem Preisgeben des Evangeliums erkaufen will. Doch da dich hoffentlich mein Brief bereits willig findet, so brauche ich darüber keine weiteren Worte mehr zu machen; auch zwingt mich mein Wechselfieber zur Kürze. Da übrigens der treffliche Diener Christi, mein verehrter Bruder, Herr Johann von Laski in Polen ist und ohne Zweifel in warmem Eifer wirkt, so überlasse ich ihm diese Aufgabe gerne, denn er gilt gewiss bei dir nach seinem Verdienste. So bitte ich denn Gott, er wolle deine Hoheit in Gnaden behüten, in jeder Weise zunehmen lassen, mit seinem Geiste lenken und mit seiner Kraft unterstützen.

Genf, 19. November 1558.

Calvin, Jean – An den Grafen Johann von Tarnow, Kastellan von Krakau.

Nr. 479 (C. R. – 2371)

Aus dem Aufmunterungsschreiben, das Calvin an Tarnow, den Befehlshaber der polnischen Armee, richtete, sei nur der interessante Schlussteil gegeben.

Die Reformation eine staatserhaltende Kraft.

– – – Wenn deiner Klugheit nicht entgeht, welchen Ehrentitels der heilige Geist die gewürdigt hat, die er die Erstlinge Achajas nennt [1. Kor. 16, 15], so wirst du sicher auch danach trachten, heute unter den Schützern des in Polen neu erwachenden Evangeliums nicht der Letzte, und selbst nicht einer aus der Mitte zu sein. Rechne noch dazu, dass du in nichts [als darin] einen besseren Beweis deiner Treue gegen deinen allergnädigsten König bringen kannst. Denn wenn er auch im ruhigen Besitz des Thrones und Landes ist, so ist doch ein dauerndes Glück nicht besser zu erringen als durch Aufrichtung des Reiches Christi. Denn wenn Gott zwar auch darin sich als Hüter des Menschengeschlechts erweist, dass er die staatliche Ordnung auch unter weltlichen Menschen nicht zugrunde gehen lässt, so erhellt doch aus manchem Beispiel, dass nirgends sein Segen dauernd ruht, als wo der reine Glaube gepflegt wird. Wenn nun das Evangelium uns schon unermessliche Schätze des ewigen Lebens eröffnet, so ist doch auch nicht zu verachten, was als zweite Gnadenerweisung dazu kommt, dass Gott Königreiche und Fürstentümer, in denen man ihm die Herrschaft gibt, in seinen treuen Schutz aufnimmt. Wo deshalb die Gottlosigkeit des Papsttums niedergeworfen und an ihre Stelle an eine reformierte reine Frömmigkeit getreten ist, da blühen Gesetz und Recht, da herrscht größerer Respekt vor der Obrigkeit, da sehen wir überall das Volk in ruhiger Bescheidenheit sich halten. Umso unerträglicher ist die Böswilligkeit der Leute, die unsere Lehre frech verlästern, als bedeute sie die Zerstörung aller Staatsordnung, da doch die Erfahrung laut dafür zeugt, dass diese keine bessere Stütze hat. Davon kann dir unser lieber Bruder [Lismanino] mehr und besser reden, als dies in einem Briefe angeht. Lebwohl, vorzüglicher Mann und erlauchter Herr. Christus, der dich mit so außerordentlichen Gaben geziert hat, leite deinen Geist und alle deine Sinne, dass du sie recht brauchest zur Verherrlichung seines heiligen Namens. Er stütze dich mit seiner Kraft und schenke dir Segen aller Art bis ans Ende.

Genf, 29. Dezember 1555.