Martin Bucer an Anna Reinhard

„Die Gnad und trost unsers Herren Jesu Christi mit allem das ich ymmer liebs und guts vermag zuvor. Ersame, christliche, liebe Fram. Wie euch anlige und truke der erschröklich fall gemeyner Christenheyt, verlust des so theuren dieners Jesu Christi unsers herren, ewers getrüwen gemahels, mögen wir by uns selb und allen gutherzigen, umb die wir sind und die uns auch täglich klagen, wol abnemen. Wie wöllen wir ym aber thun? Der Herr hat uns gestraffet, und wir habens vil zu wol verdienet. Unserm allerliebsten herren und bruder hat er ruw, uns zur besserung ursach geben wöllen. Er verlasse gnade, das sölichs by uns angehe. Euch, liebe Fraw und schwöster ym herren, bitt ich uffs ernstlichst, wöllent uns verstendigen, worzu wir Euch und den armen wayslin möchten berathen und beholfen syn; daryn wöllen wir uns uffs getrewlichst bewysen.“

„Der brieff halb so ir von uns an Euren getrewen gemahel unsern liebsten herren und bruder noch habet, bitt ich, wöllents nur durchs feur abweg thun, dann obwol etwan manches on ergerniß von meniglich möchte gelesen werden, so sind doch auch darunder, die man unrecht deuten möchte, ob wir wol nichts dann Gottes Eer gesucht und gemeynet haben. Der allmechtig Gott und Vatter alles trostes wöll euch selber trösten und sterken, damit ir dis so schwere creutz ertragen könnt, und alle sachen zum besten anschicken. Uns habt yr mit allem unsern vermögen Euch und den Euren zu dienen bereyt und geneygt. Datum Straßburg uff den 28. November. Martin Bucer, der ewer im herren.“

Capito, Wolfgang an Anna Reinhard – Fragment

Bald darauf, am 18. November, wurde in das Trauerhaus ein anderes Schreiben gebracht, welches von dem mit der Zwingli’schen Familie eng befreundeten Capito, Probst zu St. Thomas in Straßburg, herrührte. Auch dieser trauert über „den großen Schaden, der allen Kirchen zugefügt worden zu einer Zeit, wo die Freunde des Evangeliums täglich noch Schwereres befürchten mußten“, mahnt aber auch die Witwe des Reformators in ihrem Leid zu bedenken, wie viel Ursache sie habe, Gott zu loben, der ihr einen solchen Gemahl gegeben, „welcher nach seinem Tod bei allen Frommen geehrt und unvergeßlich bleiben wird und dessen Name ihren Kindern zu Nutz kommen soll“.

Keller, Michael – An Anna Reinhard – Fragment

Wahr ist es, daß hienieden auf Erden kein Besserer hat sterben können, als Euer Ulrich. Aber ich weiß, daß sein Sterben, ja gerade die Art seines Todes, uns und Allen zum Besten dienen wird. Nicht bloß mit seiner Lehre und seinem ganzen Leben hat er dem Vaterland gedient, sondern indem er auch für dasselbe seinen Leib daran gesetzt und sein Blut verspritzt hat. Sein Tod wird noch herrlichere Früchte bringen als sein Leben. Es wird M. Ulrich größer nach seinem Tod, denn er in Leben gewesen ist (I. Petri 4, 13-19). Zwingli lebt in viel tausend Herzen und wird unvergeßlich sein.

Schenk, Simprecht an Anna Reinhard

Ich sollte Euch trösten, und kann es nicht, denn Gott allein vermag’s. Wenn ich gedenke, daß solche Leute, wie mein hochliebster. Zwingli, uns entrissen worden, so möchte mein Herz mir brechen. Tröstete mich das heilige, wahrhafte Evangelium nicht, so könnte ich’s nicht ertragen. Weil ich aber gewißlich weiß, daß, wie niemand lebendig macht, also auch niemand tödtet, als der Herr, und allein wann, wie, wo und durch wen er will, und seinem Willen niemand Einrede thun mag noch soll, so muß ich den Finger auf den Mund legen, schweigen und den Herrn loben in seinen Werken, denn sie sind Recht und Gerechtigkeit, voll Barmherzigkeit und Güte. Er, der ohne sein Vorwissen keinen Sperling in ein Garn und kein Härlein von unserm Haupte fallen läßt, wie hätte Er mögen vergessen Eures über Gold und Edelgestein edlen Mannes, der sich in seines Gottes Geschäften so ritterlich und allweg unverzagt, auch bis in den kalten Tod gehalten? Was kein Mensch gegen seinen Knecht, wie sollte es Gott thun gegen seinen so theuren Diener? – Haben Viele sich an Christi Tod geärgert, so ist es kein Wunder, wenn über Zwingli’s Fall mancherlei scharfe Urtheile sich erheben werden, auch von Etlichen, die sich evangelisch nennen. Die Welt sieht eben nur auf das Sichtbare, der Glaube aber auf das Unsichtbare. Im Sichtbaren sind viele Gottes-Feinde, in mancher Schlacht, auch in dieser, mit den Frommen einerlei Todes gestorben, verblutet und erstarrt. Im Unsichtbaren sind die, welche um der Wahrheit willen ihr Leben geopfert, durch den leiblichen Tod in’s ewige Leben eingegangen. Wer an Christum glaubt, hat das ewige Leben. Wenn mein Zwingli aber geglaubt, bezeugen seine Bücher, die bis an den jüngsten Tag reden werden, lauter und gewaltiger als des Hussen Blut. Nein, wir haben ihn nicht verloren. Wenn Ihr Euern Zwingli nicht mehr im Hause, bei den Kindern, bei Euch, auf der Kanzel, in der Lektion, bei den Gelehrten leiblich findet, so seid nicht zu viel traurig, sondern bedenket: er sei im Hause Gottes, dem triumphierenden Jerusalem, bei allen Kindern Gottes … Mußte nicht eben da, wo Christus gekreuzigt, sein Evangelium ausbrechen, nach dem Spruch der alten Lehrer: Der Gläubigen Blut ist der Gläubigen Same? Ist nicht Hussens Asche zu Konstanz nach hundert Jahren aufgegangen? So wird auch der Tod unsers Zwingli wuchern. Mag es sein, daß Etliche zu viel auf ihn gehofft und auf seine persönliche Gegenwart gebaut, und daß mein liebes Zürich sich solcher trefflicher Männer überhoben hat, so ist es auch Gnade von Gott, wenn er uns jetzt demüthigt.