Calvin, Jean – An Valerand Poulain zu Frankfurt am Main.

Valerand Poulain (vgl. 412) und Richard Vauville, Pfarrer der französischen Gemeinde zu Frankfurt a. M., hatten sich bei Calvin beschwert, sie würden bei ihm verleumdet, und er leihe ihren Feinden ein zu williges Ohr. Über den Zwist der englischen Gemeinde zu Frankfurt vgl. 450, 434. Inwieweit sich die französischen Pfarrer hineingemischt hatte, ist nicht deutlich; jedenfalls glaubten sie, vor allem deswegen bei Calvin beschuldigt worden zu sein.

Scharfe Mahnung wegen Hochmut und Intrigensucht.

Wenn ich dir weniger ausführlich antworte, als es die große Menge verschiedener Tatsachen, von denen du mir schriebst, erforderte, so darf ich eigentlich den kurzen Brief nicht mit Zeitmangel entschuldigen; denn Zeit zum Schreiben hätte ich mehr als genug gehabt, wenn ich sie nur benutzt hätte. Wenn du wünschest, ich möge dir sagen, was ich an dir anders wünsche, und dir andrerseits Sorgen machst, ich leihe Verleumdern mein Ohr, so weiß ich nicht recht, was tun. Denn täusche ich mich nicht, so verschließest du jeder Mahnung die Tür durch den unnötigen Verdacht, den du hegst. Ich versichere dir aufrichtig, lieber Bruder, die Gefahr, vor der du dich fürchtest, bestand gar nicht. Aber auch wenn du den oder jenen Zeugen ablehnst, so erreichst du damit kaum etwas; denn zwei Fehler sind an dir allgemein bekannt: Gefallsucht und ein maßloser Drang, dich hervorzutun. Willst du also das Gerede der Leute zum Schweigen bringen, so musst du dir zuerst recht Mühe geben, dass dein Herz rein wird von allem Ehrgeiz und nach wahrer Bescheidenheit trachtet, dann aber auch, dass auch äußerlich in deinen Mienen und Worten nicht mehr so viel Hochmut und Selbstbewusstsein zutage tritt. Das sage ich dir im Vertrauen, nicht, wie du meinst, nach der Meinung eines meiner Freunde, sondern nach dem Urteil vieler, die (es tut mir leid) deine Tüchtigkeit nicht so wertschätzen, dass sie nicht doch glauben, solche Mängel täten ihr Eintrag. Um aber dem andern Vorwurf zu entgehen – denn bei vielen hat sich die Meinung eingeschlichen und ist nicht auszurotten, dass du dich in Dinge, die dich nichts angehen, mischest, ja sie mit Lust suchst -, musst du durch die Tat zeigen, dass du dich in den Grenzen deines Amtes hältst. Die Zudringlichkeit der Leute zwingt einen freilich oft, weiter zu gehen, als man will; das habe auch ich nur zu gut erfahren, und es war mir nicht anders möglich, als dass ich in manchen solchen Wirbel hineingezogen wurde, aber billige Beurteiler werden mir lästige Geschichten nicht zum Vorwurf machen, weil man weiß, dass ich nur wider Willen mich zuziehen ließ. Es darf dich auch nicht wundern, wenn gute Leute sich beschweren, du forderst herrischer, als recht sei, auch von Leuten von bewährter Gläubigkeit ein Bekenntnis. Du sagst zwar, du haltest das für kein Unrecht, wenn man es von dir fordere; aber du überzeugst mich nicht davon, dass es wirklich so ist, und ich erlaube mir, da anderer Meinung zu sein. Denn um von andern zu schweigen, das Recht muss doch unter den Gemeinden gegenseitig gelten, dass in der Prüfung ihrer Glieder sich eine Gemeinde mit dem Urteil der andern zufrieden gibt; tatsächlich könnte ich an deiner Stelle nicht ohne Erröten hören, dass Leute, die zu einer neuen Glaubensprüfung vorgeladen worden sind, bereits an einem Ort, da der reine Glaube gilt, als bewährt erfunden worden sind. Das sage ich dir im Vertrauen, und du kannst sicher sein, dass ich auch nirgends sonst davon Aufhebens mache. Übrigens wäre es auch nicht ehrlich, zu verschweigen, was allgemeine herum geboten wird. Zwar will ich nicht gerade sagen, dass es hier in Genf verbreitet werde, weil dich hier sehr wenige kennen und wir nach Euerm Beispiel uns auch bestreben, unsere Leute lieber zu Besserem anzuleiten, als ihnen auch nur zum kleinsten ärgerlichen Geschwätz den Stoff zu liefern. Aber ich möchte nicht, dass dir unbekannt bliebe, was deine Landsleute, sogar die in der Heimat, von dir denken und reden, wenn du es nicht vielleicht schon anderswoher erfahren hast. Auch will ich dir nicht verhehlen, was schon früher vielen auffiel, nämlich dass deine Art, unsern Bruder Vauville häufig deinen Diakon zu nennen, schon recht nach törichter Prahlerei geschmeckt habe. Viel anderes der Art will ich beiseite lassen, aus demselben Grunde, aus dem ich bisher auch das eine nicht berührt habe, nämlich weil ich dich schonen wollte, um deine Freudigkeit zum Guten nicht herab zu stimmen, und weil ich zugleich hoffte, zunehmende Reife werde bei dir diese Fehler von selbst verschwinden lassen.

Wenn du meinst, man dürfe solche, die ohne Zeugnisse von andern Gemeinden zu uns kämen, nicht aufnehmen, so stimme ich dir darin gerne bei, weil das nach altem Brauch bei den Frommen angenommen worden ist, und weil unsere böse Zeit es notwendig macht. Auch gebe ich zu, dass man die größte Vorsicht und Billigkeit darauf verwenden muss, auch nicht gleich von Brüdern und Kollegen etwas Schlimmes zu glauben. Nur bin ich der Meinung, man muss darin Maß halten, damit nicht dieses unser Zusammengehörigkeitsgefühl, das du so sehr herausstreichst, darauf hinausläuft, dass auch Fehler geschützt werden. Indessen verstehe ich nicht genügend, wozu du so oft wiederholst, ich solle nicht leichthin glauben, was man nicht nur von dir, sondern auch von andern erzähle; zugegeben, dass ich weniger bedächtig bin, als ich sein sollte, so weiß ich doch nicht, weshalb du mich des Leichtsinns zeihst. Bedenke doch auch, dass du mir so bestimmt vorschreibst, was ich zu meinen habe, als ob alles auf dein Urteil allein ankäme; denn von Dingen, die du gar nicht kennst, trägst du deinen Spruch vor, und verbietest mir, anders darüber zu denken. In dem Zwist unter den Engländern habe ich so Maß gehalten, dass es mich nicht reut; wenn ich über unsern lieben Vauville aufgebracht war, so hatte ich dazu allen Grund und kann es vor jedem vernünftig Urteilenden zweifellos beweisen, und doch kam diese meine Entrüstung auch meiner echten, wahrhaft brüderlichen Liebe zu ihm, weil es mich nicht weniger schmerzte, wenn er so sich selbst schadete, als wenn mich ein Unglück getroffen hätte. Wie sehr mich jetzt der unglückliche Ausgang der Sache, den ich stets befürchtet habe, schmerzt, kann ich mit Worten gar nicht sagen. Ich möchte, mein Freimut träfe dein Herz so, dass du fühlst, wie alles, was ich schreibe, aus wahrer Liebe stammt. Könnte ich doch mit dir reden, statt schreiben zu müssen, aber ich bin wie fest angenagelt; im Übrigen hatte ich keinen andern Zweck, so scharf zu schreiben, als dass du unbescholten dem Herrn treu dienest.

[Okt.] 1555.

Calvin, Jean – An Valerand Poulain in Frankfurt.

Über Poulain vgl. 190. Aus England war er mit einer kleinen Gemeinde flandrischer Weber geflohen und hatte in Frankfurt ein Asyl gefunden. Der spanische Refugiant, Juan Murelli, war sein Mitarbeiter in der Organisation der Gemeinde.

Glückwunsch zur neuen Stellung.

Dass du nach langem, schwerem Sturm endlich in einen Hafen gekommen bist, wo du doch wieder Mut fassen darfst, freut mich. Dass du dort aber auch eine Stellung gefunden, in der du dich nützlich machen und dich der kleinen Herde widmen kannst, die durch deine eifrige Wirksamkeit gesammelt worden ist, dazu wünsche ich nicht nur dir persönlich, sondern auch vielen frommen Brüdern, die davon Nutzen haben werden, Glück. Es ist ein trauriges, klägliches Schauspiel, diese zerstreuten Gemeinden zu sehen, wie Glieder eines in Stücke gerissenen Leibes. Aber wie, wenn diese Zerstreuung uns daran erinnert, dass die Zeit nahe ist, in der der Herr seine Kinder sammeln wird in den Himmel, die jetzt auf Erden kaum einen Ort finden für ihre Verbannung? Indessen gewöhnen sich die vertriebenen Brüder, die Pilger waren an Leib und Seele, an die letzte Wanderung. Damit sie sich nun in ihrem unsichern Asyl ruhig verhalten, musst du ihnen das Beispiel bescheidener Mäßigung geben. Darin wird dir, hoffe ich, dein Kollege, Herr Murelli, kein schlechter Helfer sein, dem gute Leute ein herrliches Zeugnis geben, ebenso wohl seines ehrlichen Sinnes und milden Geistes als seiner Lehre wegen. Grüße ihn vielmals von mir; meine Kollegen lassen Euch beide grüßen. Lebwohl, liebster Bruder. Der Herr sei allezeit mit dir; er leite dich mit seinem Geiste und segne dein Wirken.

Genf, 27. August 1554.
Dein Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Valerand Poulain in Basel.

Valerand Poulain, ein flandrischer Refugiant, der sich meistens in Straßburg aufhielt, hatte wohl die Damen de Falais´ aus den Niederlanden nach Basel geholt und warb um Frl. de Wilerzy. Über sein Vorgehen hatte sich de Falais beschwert und Calvin hatte deshalb Viret nach Basel geschickt. Das Gerücht von Calvins Grunderwerb war vielleicht aus seinem Geschäft für de Falais entstanden.

Vorwürfe wegen einer unlauteren Verlobungsgeschichte.

Heute erst habe ich deinen Brief erhalten, später, als er hätte kommen sollen. Unterdessen haben dich, denke ich, unseres lieben Viret Ermahnungen soweit gebracht, dass du deinen Sinn geändert hast. Als ich von de Senarclens Bericht erhalten hatte, antwortete ich ganz kurz, es tue mir nicht wenig leid, dass du nun, nachdem du einen so ehrenvollen Auftrag vollführt, zu allerletzt das Lob, das du dir verdienst, wieder so verscherzt habest. Aber ich bin nicht so leichtsinnig, dass ich mein Urteil bloß nach der Darstellung der einen Partei fällte. Auch blendet mich nicht der äußere Glanz der Menschen; sondern da ich hörte, wie Unbeteiligte, und zwar nicht in angeberischer Absicht, davon reden, so bin ich genötigt, anzunehmen, dass du weder klug noch ehrenhaft gehandelt hast, als du das Mädchen zur Heirat verlocken wolltest. Das aber tut mir noch weher, dass sie klagt, sie sei von dir durch falsche Beschuldigungen und unehrliche Ränke umgarnt worden. Du behauptest, Butzer und Bernardino [Occhino] hätte dir dazu geraten. Ich bin aber ganz sicher, wenn du nur nach ihrem Rat gehandelt hättest, so hättest du es nicht so angegriffen. Glaubst du denn, dein Vorgehen finde ihre Billigung? Ich schrieb dir schon, was ich zu tadeln habe, als du das andere junge Mädchen bekommen wolltest. Du scheinst nun, da du um diese wirbst, ganz vergessen zu haben, was du jener zum Abschied geschrieben hast. Freilich, auch wenn gar nichts anderes im Wege gestanden hätte, so hättest du vom Heiraten überhaupt nicht reden dürfen, bis sie an ihr Reiseziel gekommen war. Ist aber wahr, was sie selbst sagt, so wäre die Ehe unter ganz bösen Umständen gestiftet worden. So kann ich nicht glauben, diese Verlobung sei vom Herrn, wie du sagst, bis du mir bewiesen hast, ihre Behauptung sei unwahr, dass sie von dir durch falsche Angaben gewonnen worden sei. Auch bestreitet sie durchaus, dir irgendetwas versprochen oder auch irgendwie mit dir verhandelt zu haben, ohne stets vorzubehalten, sie wolle in allem sich nach dem Rat des Herrn de Falais richten. Da habest du dann versichert, du wissest, dass er einverstanden sei; nur seine Frau werde noch Schwierigkeiten machen, da sie sich auf den Adel viel einbilde. Das wäre nicht Gott wohlgefällig [wenns so ist]. Du sagst zwar, ich dürfe das alles nicht glauben. Aber ich kann doch nichts anderes tun, als beide Parteien anhören. Wenn ich alles erwäge, so kommt etwas heraus, was mir offen gestanden gar nicht gefällt. Wenn du mich mahnst, daran zu denken, dass auch adlige Herren große Fehler haben können [so antworte ich], dass ich wahrhaftig Herrn de Falais aus anderen Gründen liebe und verehre als um seines äußern Adels willen, mit dem allein die meisten großen Herren prahlen. Dazu habe ich von ihm bisher nur sehr ruhig gehaltene Klagen [über dich] vernommen. Ich habe mehr die Sache als die Personen ins Auge gefasst. Hättest du dich doch nie in diese schwierige Geschichte hineingebracht. Da es aber geschehen ist, so bleibt mir nichts übrig, als zu wünschen, du möchtest bald wieder davon loskommen; ich hoffe, es sei schon geschehen [wenn du dies erhältst].

Wegen des Grundstücks, dass ich um so viel Tausend gekauft haben soll, will ich nicht der Narr sein, so grobe Lügen mit viel Worten zu widerlegen. In Genf und in der ganzen Umgegend ist kein Mensch, der nicht weiß, dass ich keinen Fußbreit Land besitze. Wer mich aber genauer kennt, weiß, dass ich nie soviel Geld hatte, um eine Iuchart Land zu kaufen, außer etwa, wenn mir gerade das ausbezahlt wird, was ich ausgebe, ehe das Vierteljahr um ist. Ich habe es noch nicht weit gebracht; benütze ich doch sogar noch Hausrat, der nicht mir gehört. Denn weder der Tisch, auf dem wir essen, noch das Bett, in dem wir schlafen, ist mein Eigentum. Woher also ein solches Gerede? Ich kann mirs nicht anders denken, als dass böse Leute mich so verleumden, um der evangelischen Sache einen Makel aufzubrennen. Sie werden aber nie erreichen, dass ich reich werde, weil ich ganz zufrieden bin in meiner Dürftigkeit, und wenn meine Armut niemand zur Last fällt, so dient sie dafür einigen doch zur Erleichterung. Lebwohl, und sei davon überzeugt, dass ich es von Herzen gut mit dir meine. Gäbe es doch einmal etwas Fröhlicheres zu schreiben.

[März 1547.]