Calvin, Jean – An Jean Mercier in Paris.

Nr. 748 (C. R. – 4035)

Vgl. 555, 727. Mercier hatte sich neuerdings entschuldigt, er könne nicht nach Genf kommen. Der französische Hebraist Saintravier war kurze Zeit von 1561 bis 1562 in Genf Lehrer gewesen und dort gestorben.

Dringende Berufung an die Genfer Akademie.

Mir genügt deine Entschuldigung nicht, teils weil es überhaupt keine rechte Entschuldigung ist, teils weil ich durchaus nicht etwa, wie du meinst, für mich rede, teils weil die Notlage, in die du uns gebracht hast, gar keine Entschuldigung zulässt. Ich will nicht mit dir streiten darüber, ob deine Wirksamkeit in Paris im Allgemeinen reicheren Erfolg erwarten lässt. Aber da wir im Vertrauen auf dein Versprechen dich nun sicher als den Unsern betrachteten, so können wir uns mit Recht über dich beklagen, wenn du unsere Hoffnung nochmals enttäuschst und nicht wenigstens irgendwie den Verlust wiedergutmachst, [den wir dadurch erleiden]. Doch ich gehe weiter: ich glaube wirklich, dass deine Wirksamkeit hier in Genf von größerem Nutzen für die Kirche Gottes wäre. Du lachst vielleicht darüber; aber was dir unglaublich erscheint, werden die Tatsachen als durchaus wahr erweisen. Tatsächlich, unsere Akademie ist heutzutage die Pflanzschule der Pfarrer, die sich Gott gründlich und ehrlich widmen. Schätzest du es denn nicht hoch ein, Schüler auszubilden, die in kurzem in ganz Frankreich verbreitet sein werden? Viele werden ja vielleicht nur die Elemente [der Theologie] in sich aufnehmen; aber es gibt doch auch solche, die größere Fortschritte machen, und auch die nicht ganz Durchgebildeten werden doch schon durch ihr Kosten [von der Wissenschaft] tauglicher zu ihrem Lehramt. Die von ernstlicher Lernbegier Getriebenen werden dir ja auch hierher folgen. Denn wisse, du bist zum Nachfolger Antoine Chevalliers, der gegenwärtig unser Professor der hebräischen Sprache ist, bestimmt. Er hat seine Entlassung eingereicht, nicht weil ihm seine Stellung verleidet wäre oder er sie verachtete, sondern bloß weil er ein mäßiges Erbe nur antreten kann, wenn er in seine Heimat zurückkehrt. Ich gebe zu, die Besoldung ist klein; denn sie beträgt nur 200 Livres. Dazu kommt ein recht hübsches, geräumiges Haus. Aber du musst auch bedenken, dass die Auslagen hier viel geringer sind als bei Euch. Der andere Lehrauftrag ist nur nebensächlich. Ich vermute, wenn du hörst, eine doppelte Last solle dir aufgeladen werden, so schreckt dich das als zu schwer ab. Doch täuschst du dich darin. Erstens ist dir jedenfalls die Art, wie bei uns doziert wird, das reine Spiel; zweitens erhältst du zu dem außerordentlichen Lehrauftrag einen Helfer, der dir die Last erleichtern wird. Meine also ja nicht, die Leute, die in Genf Professoren sind oder sonst der Kirche dienen, seien sozusagen in eine Tretmühle geraten. Wir sind nicht so unmenschlich, noch so strenge Pedanten, dass nicht unsere Gelehrten in aller Freudigkeit Christo dienen könnten. Saintravier, den du hierher gesandt hattest, ist nicht erst hier krank geworden, sondern hat den Todeskeim schon mitgebracht; so ist er hier, als er eben erst mit der Arbeit begann, zusammengebrochen. Wie notwendig die Arbeit ist, für die er bestimmt war, brauche ich gar nicht zu sagen. Ich sehe tatsächlich nicht, wo du deine Kraft besser verwenden könntest; die Arbeit wird auch dir persönlich nur von Nutzen sein. Wenn du dich überreden lässest, so wirst du merken, dass das alles nicht bloß Worte sind. Doch tut Eile not. Hast deshalb im Sinn, dein Wort zu halten, so gibt uns vor Ende November Bescheid; du selbst müsstest dann ungefähr Anfangs März hierher kommen. Wenn uns auch diesmal unser Hoffen betrogen hat, (was Gott nicht wolle!), so kannst du weder vor Gott dich rechtfertigen, noch bei den Menschen deinen guten Ruf behalten, wenn du uns nicht wenigstens einen Stellvertreter anweisest, der dir zwar nicht gleichwertig ist, (wer könnte das!), aber doch dir irgendwie nahe kommt. Welche Bildung, welche Urteilskraft, welches Lehrgeschick ein solches Amt erfordert, weißt du selbst gut genug, deshalb brauche ich nicht davon zu reden. Also stelle uns jemand an deiner Statt, der dich deines Wortes entbindet, oder, was uns noch viel lieber wäre, stelle dich selbst bei uns ein.

Du hast ja Leute, denen du deine Antwort sicher anvertrauen kannst, de Segur, der dir diesen Brief bringt, Chapel und andere. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er erhalte dich gesund und unterstütze dich mit seiner Kraft. Meine Kollegen, besonders Beza, lassen dich grüßen.

Genf, 17. Oktober 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Jean Mercier in Paris.

Nr. 727 (C. R. – 3944)

Vgl. 555. Mercier hatte Calvin in dem erwähnten Briefe offenbar versprochen, nach Genf zu kommen, war aber in Paris geblieben und dort vom katholischen Pöbel misshandelt und fast getötet worden.

Glückwunsch zur Lebensrettung und Einladung nach Genf.

Zwei Tage, nachdem ich deinen Brief erhalten, traf uns wie ein Blitz die Nachricht von deinem Tode, die mich und viele andere nicht nur erschreckte, sondern geradezu niederschmetterte. Du kannst dir darin imponieren, dass du uns zu so bitterer Trauer Anlass gegeben; die falsche Meinung quälte uns etwa vierzehn Tage, bis schließlich die erfreulichere Botschaft kam, du seiest zwar vielfach verwundet in die Seine geworfen, aber wieder herausgezogen worden. In meiner Freude scherzte ich ganz ausgelassen über diesen glücklichen Fischfang. Jetzt ists an dir, dafür zu sorgen, dass ich mich recht und gründlich darüber freuen kann, dass du unversehrt geblieben bist. Wo du auch bist, – ich gratuliere der Kirche Gottes zu deiner Erhaltung; aber wenn du dein Versprechen nicht hältst, muss ich das doch bedauern und mich beschweren. Doch ich will nicht länger davon reden, damit es nicht scheint, als misstraute ich deiner Festigkeit und wolle dir indirekt den Makel leichsinnigen Versprechens aufprägen. Es wäre wirklich schändlich, wenn du, für unsere Sache so wunderbar gerettet und vom Tode auferstanden, vergessen wolltest, was du versprochen hast. Besinne dich, früher hast du Ausflüchte gesucht und Entschuldigungen vorgebracht, die ich für bloße Verzögerungsversuche hielt; dein letztes Wort hat dir Gott förmlich abgerungen und herausgelockt, das musst du zugeben. Ich denke, du seiest nun wieder genesen und ordentlich zu Kräften gekommen. Wenn du nun nicht die nächste, beste Gelegenheit ergreifst, kannst du dich nicht mehr entschuldigen. Lebwohl, hochberühmter Mann und von Herzen verehrter Bruder. Der Herr, der dich aus dem Rachen des Todes gerissen hat, stärke dich mehr und mehr durch die Kraft seines Geistes, bis du gesund und heil zu uns kommst.

3. Mai 1563.
Dein Carolus Passelius.

Calvin, Jean – An Jean Mercier in Paris.

Nr. 555 (C. R. – 2832)

Jean Mercier von Uzes studierte zuerst Jurisprudenz, dann Hebräisch und wurde Professor dieser Sprache am College royal in Paris. Er neigte zum Protestantismus, ohne sich ihm aber ganz anzuschließen, Rachamus ist das Pseudonym Jean Macards, des Pfarrers der evangelischen Gemeinde in Paris.

Berufung an die Genfer Akademie.

Wenn ich dir in einer sehr ernsten Angelegenheit nur in aller Kürze zu schreiben wage, im Vertrauen auf deine, wie mir scheint, sattsam bekannte Freundlichkeit, so weiß ich nicht, obs eine Entschuldigung braucht. Denn da ich vom Dorf aus schreibe, so mag schon das ein einigermaßen bäurisches Benehmen entschuldigen. Dazu kommt noch, dass ich krank bin, wovon dir unser Bruder Rachamus berichten kann. Doch wie gesagt, ich verlasse mich auf deinen rechtlichen Sinn und schenke mir jede weitere Entschuldigung. Nur das will ich noch rasch erwähnen, dass mich ein Schmerz in der Seite hindert, selbst zu schreiben, damit du nicht etwa meinst, ich treibe die Sache, von der du hören sollst, sozusagen oberflächlich, da sie doch des größten Eifers wert und mir so warm anempfohlen worden ist, dass ich gern bereit wäre, mich ihr ganz hinzugeben. Wiewohl du nämlich in Paris eine glänzende Stellung erlangst hast und manche Annehmlichkeit dich dort festhalten mag, so meine ich doch, ein Wohnsitz, der dich in kläglicher Knechtschaft und Angst hält, müsse nicht angenehm sein. So zweifle ich nicht daran, dass du, wenn du wählen kannst, lieber bei uns bescheiden lebst, als dort im Überfluss zu sitzen, wo du beständig zittern und vor Trauer fast umkommen musst. Nur eins fürchte ich, – wenn du nun übersiedeln wolltest, würdest du einen großen Verlust an deinem Gehalt erleiden, dessen Auszahlung in Kriegszeiten ja gewöhnlich hinausgeschoben wird. Auch vermute ich, einen noch stärkern Gegengrund werde es für dich bilden, dass dich Gott jetzt auf ein hochberühmtes Wirkungsfeld gestellt hat, wo du die Früchte deiner Arbeit sehen kannst, während du hier bei uns in einer dunkeln, unansehnlichen Winkelakademie dies nicht hoffen kannst. Aber wie, wenn dir Gott hier einen dir längst bestimmten Arbeitsstoff böte, dessen unschätzbarer Nutzen sich in alle Weite geltend machte? Eine bescheidene Stellung wird dir hier angeboten; aber du darfst sie doch nicht außer acht lassen. Wärest du geneigt, dich berufen zu lassen, so sollte auch meine schwache Gesundheit mich nicht hindern, dir die triftigen Gründe auseinanderzusetzen, die eine möglichst rasche Übersiedlung nützlich erscheinen lassen; um dir aber die Antwort ganz frei zu lassen, lege ich dir jetzt nur die Frage offen vor. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr leite dich auch fernerhin mit seinem Geiste und behüte dich mit seiner Kraft; er mache auch, dass ich dir in dem, was ich mir jetzt am meisten wünsche, ein Helfer sein kann.

16. März 1558.
Dein
Carolus Passelius.