Churfürst Johann Friedrich an Luther

Vnsern grues zuuor, erwirdiger vnd hochgelarter, lieber andechtiger. Nachdem der hochgeborne furst h. Philips, landgraf zu Hessen, vnser frundlicher lieber vedter, bruder vnd wir iczo alhie zu Schmalkalden sein, so werden wir bericht, alß sol sein lieb gestern vor datum ainen boten zu Euch geschickt vnd bey demselben villeicht der sachen halben, darinnen Ir vnd etzliche andere s. l. hiuor gerathen vnd s. l. dieselbige nuhmer in volziehung pracht, geschrieben haben. Dieweil sich dann allerley daraus wil zutragen, haben wir besogt, s. l. mochte Euch in seyne gehabde meynung weyter yn geheim vermugen vnd bewegen wollen, das dem hause zu Sachsen, der erbverbrüderung halben vnd sunst auch nicht mocht gelegen sein; ist vnser genediges begern, Ir wollet Euch gegen s. l. mit keiner entlichen antwort, wo s. l. schreiben solche suchen, oder was er gern daraus erfaren wolt, lernen wolt, dißmals vornemen, sundern Euer antwortung etwo frisch aufschriben, biß zu der andern vnser theologen widerankunft gegen Wittenbergk, so wolten wir denen, welchen solche sachen hieuor vertrawet, davon reden, aber in alwegen wollet vns vertraut vnd zu vnser handen, von s. l. schreiben, wo er bericht schicken wirt, copien zu schicken oder davon bericht thun. Hiran thuet Ir vnser gefelllige meynung vnd seind Euch mit sondern gnaden vnd gueten geneigt. Datum Schmalkalden MMitwoch nach Quasimodogeniti 1540.

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Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefwechsel
Herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt
Leipzig
Verlag von F. C. W. Vogel
1866

Luther, Martin – An Hans Luther, vom 15. Februar 1530.

Auf die Nachricht, daß sein alter Vater gefährlich krank sei, schrieb er diesen Trostbrief an denselben. Ende Mai erfolgte auch wirklich sein Tod.

Meinem lieben Vater, Hans Luther, Bürger zu Mansfeld im Thal, Gnade und Fried in Christo Jesu, unserm Herrn und Heiland, Amen.

Lieber Vater! Es hat mir Jacob, mein Bruder, geschrieben, wie daß ihr fährlich krank sein sollt. Weil denn jetzt böse Luft, und sonst allenthalben Fahr ist, auch der Zeit halben, bin ich beweget für euch zu sorgen. Denn wiewohl euch Gott bis hieher einen festen, harten Leib gegeben und erhalten, machet mir doch euer Alter zu diesen Zeiten sorgliche Gedanken; wiewohl wir alle ohne das kein Stunde unsers Lebens sicher sind, noch sein sollen: derhalben ich aus der Maßen gern war selbst zu euch kommen leiblich; so haben mirs doch meine guten Freunde Widerrathen und ausgeredt, und ich auch selbst denken muß, daß ich nicht auf Gottes Versuchen in die Fahr mich wagte; denn ihr wisset, wie mir Herrn und Bauren günstig sind.

Aber große Freude sollt mirs sein, wo es möglich wäre, daß ihr euch ließet sammt der Mutter hieherführen zu uns, welches mein Käth mit Thränen auch begehrt, und wir alle. Ich hoffet, wir wollten euer aufs Beste warten. Darauf habe ich Cyriacus1) zu euch abgefertiget, zu besehen, ob es euer Schwachheit halben möglich wäre. Denn es gerieth mit euch nach göttlichen Willen zu diesem oder jenem Leben, so wollt ich ja herzlich gern (wie auch wohl billig) leiblich um euch sein, und nach dem vierten Gebot mit kindlicher Treu und Dienst mich gegen Gott und euch dankbar erzeigen.

Indeß bitt ich den Vater, der euch mir zum Vater geschaffen und gegeben hat, von Herzengrund, daß er euch nach seiner grundlosen Güte wolle stärken, und mit seinen Geist erleuchten und bewahren, damit ihr erkennt mit Freuden und Danksagung die selige Lehre von seinem Sohn, unserm Herrn Jesu Christo, zu welchem ihr auch jetzt durch seine Gnade berufen und kommen seid, aus dem gräulichen vorigen Finsterniß und Irrthumen, und hoffe, daß seine Gnade, so solch Erkenntniß euch gegeben, und sein Werk damit in euch angefangen hat, werde es bis zu End in jenes Leben, und auf die fröhlich Zukunft unsers Herrn Jesu Christi bewahren und vollbringen, Amen.

Denn er hat solche Lehre und Glauben auch schon in euch versiegelt, und mit Merkzeichen bestätigt, nämlich daß ihr um meines Namens willen viel Lästerung, Schmach, Hohn, Spott, Verachtung, Haß, Feindschaft und Fahr darzu erlitten habt, sammt uns allen (Galat. 6, 17.). Das sind aber die rechten Malzeichen, darin wir unserm Herrn Christo gleich und ähnlich müssen sein, wie Sanct Paulus sagt (Röm. 8, 29.), auf daß wir auch seiner zukünftigen Herrlichkeit gleich werden.

So laßt nun in eurer Schwachheit das Herz frisch und getrost sein; denn wir haben dort in jenem Leben bei Gott einen gewissen treuen Helfer, Jesum Christum, welcher für uns den Tod sammt den Sünden erwürget hat, und jetzt da für uns sitzet, und sammt allen Engeln auf uns siehet, und unser wartet, wenn wir ausfahren sollen, daß wir nicht sorgen noch fürchten dürfen, daß wir versinken oder zu Grund fallen werden. Er hat zu große Gewalt über den Tod und Sünde, daß sie uns nichts thun können; so ist er so herzlich treu und fromm, daß er uns nicht lassen kann noch will; allein, daß wirs ohn Zweifel begehren.

Denn er hats geredt, verheißen und zugesagt, er wird und kann uns nicht lügen noch trügen, das hat keinen Zweifel. Bittet (spricht er), so sollt ihrs kriegen, suchet so sollt ihrs finden, klopfet an, so wird euch aufgethan werden (Matth. 7, 7.) Und anderswo (Apg. 2, 21.): Alle, die den Namen des Herrn anrufen, sollen selig werden. Und der ganz Psalter voll solcher tröstlicher Verheißung ist, sonderlich der 91. Psalm, welcher allen Kranken sonderlich gut zu lesen ist.

Solchs will ich mit euch schriftlich geredt haben, als in Sorgen euer Krankheit halben (dieweil wir das Stündlein nicht wissen), damit ich theilhaftig werde euers Glaubens, Kampfs, Trosts und Dank gegen Gott für sein heiliges Wort, das er uns so reichlich, kräftig und gnadenreich zu dieser Zeit gegeben hat.

Ists aber sein göttlicher Will, daß ihr sollt jenes bessern Lebens noch länger verzogen, mit uns fürder in diesem betrübten und unseligen Jammerthal mit leiden und Unglück sehen und hören, oder auch sammt allen Christen helfen tragen und überwinden: so wird er auch Gnade geben, solches alles williglich und gehorsamlich anzunehmen. Es ist doch ja dieß verflucht Leben nichts anders, denn ein rechtes Jammerthal, darin man je länger je mehr Sünde, Bosheit, Plage und Unglück siehet und erfähret, und ist deß alles kein Aufhören noch Abnehmen da, bis man uns mit der Schaufel nachschlägt: da muß es doch aufhören, und uns zufrieden in der Ruhe Christi schlafen lassen, bis er kömmt, und wecke uns mit Fröhlichsein wieder auf, Amen.

Hiemit befehle ich euch dem, der euch lieber hat, denn ihr euch selbst, und solche Liebe beweiset hat, daß er euer Sünde auf sich genommen, und mit seinem Blut bezahlt, und solchs euch durchs Evangelium wissen lassen, und durch seinen Geist solchs zu glauben geschenkt, und also alles aufs Gewisseste bereitet und versiegelt hat, daß ihr nichts mehr dürfet weder sorgen noch euch fürchten, denn daß ihr mit eurem Herzen fest und getrost bleibet an seinem Wort und Glauben. Wo das geschicht, so lasset ihn sorgen, er wirds wohl machen, ja, er hats alsdenn schon aufs Allerbeste gemacht, mehr denn wir begreifen mögen. Derselbige unser lieber Herr und Heiland sei mit und bei euch, auf daß (Gott gebe, es gescheh hie oder dort) wir uns fröhlich wiederum sehen mögen. Denn unser Glaube ist gewiß, und wir zweifeln nicht, daß wir uns bei Christo wiederum sehen werden in kurzem, sintemal der Abschied von diesem Leben für Gott viel geringer ist, denn ob ich von Mansfeld hieher von euch, oder ihr von Wittenberg gen Mansfeld von mir zöget. Das ist gewißlich wahr, es ist um ein Stündlin Schlafs zu thun, so wirds anders werden.

Wiewohl ich nun hoffe, daß euer Pfarrherr und Prediger euch in solchen Sachen ihren treuen Dienst reichlich werden erzeigen, daß ihr meines Geschwatzes nicht fast bedürft, hab ich doch nicht lassen mögen, mein leiblich Abwesen, das mir (Gott weiß) von Herzen wehe thut, zu entschuldigen.

Es grüßen euch, und bitten auch treulich für euch, meine Käthe, Hänsichen, Lenichen, Muhme Lehne2) und das ganze Haus. Grüßet meine liebe Mutter und die ganze Freundschaft. Gottes Gnade und Kraft sei und bleibe bei euch ewiglich, Amen.

Zu Wittenberg am 15. Februar, Anno 1530.

Euer lieber Sohn Martinus Luther.

1) Cyriacus Kaufmann, ein Schwestersohn Luthers, damals Student.
2) eine Schwestertochter Luthers.

 

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862

Luther, Martin – An Hans Luther (21.11.1521)

An Hans Luther, seinen lieben Vater, Martinus Luther, sein Sohn.

Dieß Buch, lieber Vater, habe ich dir darum wollen zuschreiben, nicht daß ich deinen Namen hoch vor der Welt berühmt machte, und also nach dem Fleisch wider die Lehre des Apostel Pauli Ehre suchte, sondern daß ich Ursach hätte durch eine kurze Vorrede die Sach, den Inhalt, und ein Exempel dies Buchs den christlichen Lesern anzuzeigen. Und daß ich damit anfange, will ich dir nicht bergen, daß dein Sohn so weit nun kommen ist, daß er nun ganz überredet und gewiß ist, daß nichts heiliger, nichts fürnehmer, nichts geistlicher sei zu halten, denn das Gebot und Wort Gottes. Aber hie wirst du sprechen: Hilf Gott der Unseligkeit, hast du denn hieran je gezweifelt oder das nun erst gelernt? Ich sage aber, daß ich nicht allein hieran gezweifelt, sondern gar nicht gewußt, daß dieses also wäre. Und das mehr ist, so du es leidest, bin ich bereit, dir anzuzeigen, daß du in solcher Unwissenheit gleich als ich gewesen bist.

Es geht jetzt fast in das sechzehnte Jahr meiner Möncherei, darein ich mich ohne dein Wissen und Willen begeben. Du hattest wohl Sorge und Furcht meiner Schwachheit, darum daß ich war ein jung Blut bei 22 Jahren, das ist (daß ich Augustinus Wort brauch) es war noch eitel heiß Jugend mit mir, und daß du an vielen Exempeln gelernt, daß Möncherei Vielen unseliglich gelungen; du warst auch wohl Willens, mir reich und ehrlich zu freien und also anzubinden. Und diese deine Furcht, diese Sorge, dieser dein Unwill auf mich war ein Weile schlecht unversöhnlich, und war aller Freunde Rath umsonst, die da sagten: „so du Gott willst etwas opfern, so sollst ihm das Liebste und Beste opfern.“ Indeß aber tönte dir wohl Gott diesen Vers aus’m Psalm in dein Herz: „Der Herr weiß die Gedanken der Menschen, daß sie unnütze sind“; aber du hörtest nichts. Dennoch zuletzt hast du gewichen und deinen Willen Gott anheim geben; aber dennoch nicht weggelegt deine Furcht und Sorge. Denn ich gedenke noch allzuwohl, da es wieder unter uns gut ward, und du mit mir redetest, und da ich dir sagte, daß ich mit erschrecklicher Erscheinung vom Himmel gerufen wäre. Denn ich ward ja nicht gern oder willig ein Mönch, viel weniger um Mästung oder des Bauchs willen; sondern als ich mit Erschrecken und Angst des Todes eilend umgeben war, gelobt ich ein gezwungen und gedrungen Gelübde. Und gleich daselbst sagtest du: „Gott geb‘, daß es nicht ein Betrug und teuflisch Gespenst sei.“ Das Wort, gleich als hätte es Gott durch deinen Mund geredet, durchdrang und senkte sich bald in Grund meiner Seele; aber ich verstopfte und versperrte mein Herz, soviel ich konnte, wider dich und dein Wort. Darzu war noch ein Andres: da ich dir, als ein Sohn sich vermag gegen einen Vater, vorwarf deinen Zorn, alsbald trafest du und stießest mich wieder also eben und gleich zu, daß ich mein Leblang kaum von einem Menschen ein Wort gehört hab, das kräftiger mir eingangen und behaftet wäre. Denn dieß waren deine Worte: „Ei hast du nicht auch gehört, daß man Aeltern soll gehorsam sein?“ Aber ich verstockte in meiner eigen Frömmigkeit, hörte und verachtete dich ganz als einen Menschen. Aber dennoch von Herzen konnt‘ ich das Wort nie verachten.

Hie siehe nun, ob dir nicht verborgen gewesen, daß man Gottes Gebot müßt‘ allen andern vorziehen. Denn ists nicht also? Hättest du gewußt, daß ich auf die Zeit noch in deiner Hand war, hättest du mich nicht aus väterlicher Gewalt aus der Kappen gerissen? Denn wahrlich, wo ich’s gewußt, hätte ich ohne dein Willen und Wissen solches nicht angefangen, und ob ich auch tansend Tode hätte leiden sollen. Denn eigentlich mein Gelübde war nicht einer Schlehen werth; denn ich zog mich damit aus Gewalt und Willen der Aeltern, die mir von Gott geboten waren; und das mehr, es war ganz ungöttlich. Daß es aber nicht aus Gott wäre, zeigt nicht allein das an, daß es wider deine Gewalt war, sondern daß es nicht von Herzen und williglich gethan war. Darzu war mein Gelübniß auf eitel Menschenlehre und Geistlichkeit der Gleißner, die Gott nicht geboten hat.

Aber Gott, deß Barmherzigkeit kein Zahl ist, und deß Weisheit kein End ist, hat aus solchen allen Irrthumen und Sünden Wunder viel größer Güter geschafft. Siehe, wolltest du nun nicht lieber hundert Söhne verloren, denn solch groß Gut nicht gesehn haben? Es dünkt mich, daß Satanas von meiner Jugend an zuvor gesehen hab die Dinge, die er nun leidet. Derhalb hat er, mich umzubringen und zu verhindern, geraset, und wüthet mit so viel Funden, daß ich mich oft verwundert und gedacht, ob ich’s gar allein wäre unter allen Menschen, den er antastet.

Es hat aber Gott gewollt, ‚wie ich nun sehe), daß ich der hohen Schulen Weisheit und der Klöster Heiligkeit aus eigener und gewisser Erfahrung, das ist, aus vielen Sünden und gottlosen Werken erführe, daß das gottlose Volk nicht wider mich, ihren zukünftigen Widerpart, zu prangen hält, als der unbekannte Ding verdammt. Darum bin ich ein Mönch gewesen und noch; aber nicht ohne Sünde, doch ohne Schuld oder Vorwurf. Denn Aberglaube und Gottes Verachtung werden in des Papstes Regiment nicht allein nicht gestraft, sondern auch für große Geistlichkeit geachtet.

Nun wohlan, was denkest du aber nun? Willst du mich noch aus der Möncherei reißen? Denn du bist ja noch Vater, so bin ich noch Sohn und alle Gelübde sind gewiß nichts: auf deinem Theil steht göttlich Gebot und Gewalt, auf meinem Theil steht menschlicher Frevel; denn die Jungferschaft, die die Papisten mit solchen Pausbacken aufblasen, ist nichts ohne Gehorsam des göttlichen Gebots; Jungferschaft ist nicht geboten, Gehorsam ist geboten. –

Lieber Vater, willst du mich noch aus der Möncherei nehmen? Aber damit du dich nicht darfst rühmen, ist dir Gott zuvorgekommen und hat mich selbst herausgenommen. Denn was thut’s darzu, ob ich ein Kappen und Platten trage oder ablege? Macht die Kappe und Platte Mönche? St. Paulus spricht: „Alle Dinge sind euer, ihr aber seid des Herrn Christi.“ Und ich sollt der Kappen eigen sein und nicht vielmehr die Kappen mein eigen? Mein Gewissen ist frei und erlöset, das dann die höchste und größte vollkommene Freiheit ist.

Darum bin ich nun ein Mönch und doch nicht Mönch, und eine neue Creatur nicht des Papstes, sondern Christi. Denn es hat der Papst auch Creaturen und ist ein Schöpser, aber eitel Docken und Götzen, das ist seines Gleichen, Larven und Potzmänner. Deren ich vor Zeiten einer gewesen, als ich verführt war mit mancherlei Brauch der Worte, dadurch der Weise, als er sagt, in Fährlichkeit gewesen bis an den Tod und erlöset durch die Gnade Gottes.

Nun schau her, beraub‘ ich aber dich deiner Rechte und Gewalt? Ich halt, nein, denn deine Gewalt bleibt gar in mir ganz, als viel es die Möncherei antrifft; aber die ist nun bei mir aus und nichts, wie ich gesagt. Aber der mich aus der Möncherei genommen hat, hat mehr Recht’s über mich, denn dein Recht ist. Derselbe hat mich, wie du siehst, gesetzt nicht in den losen, erdichteten gleisnerischen Gottesdienst der Möncherei, sondern in einen wahren Gottesdienst; denn daß ich sei im Dienst des Wortes Gottes kann ja Niemand leugnen, oder zweifeln.

Das aber ist der rechte Gottesdienst, dem weichen soll der Aeltern Gewalt. „Wer da liebt Vater oder Mutter mehr denn mich, sagt Christus, der ist meiner nicht werth.“ Nicht daß er der Aeltern Gewalt damit aufgehoben, so der Apostel so oft darauf dringt, daß die Kinder den Aeltern gehorsam sollen sein; sondern der Spruch hat Statt, so Christus und der Aeltern Gewalt wider einander ist: Christi Gewalt die soll allein herrschen und vorgehn.

Darum schicke ich dir dieß Buch, in welchem du erkennest, mit was Zeichen, Kräften und Wunderwerken Christus mich von dem Gelübde der Möncherei erlöset hat, und mit so großer Freiheit begnadet, daß ich, wiewohl er mich zu aller Menschen Knecht gemacht, dennoch Niemand unterworfen, denn allein ihm. Denn er ist, wie sie es nennen, allein ohne Mittel mein Bischof, Abt, Prior, Herr, Vater, Meister; sonst weiß ich keinen mehr. Und ich hoffe, er hab dir also deinen Sohn genommen, daß er vielen Andern ihren Söhnen durch mich jetzt anhebt zu helfen, das du nicht allein gern haben sollst, sondern auch hoch und groß dich freuen. Daß du aber nichts Anderes thun werdest, will ich mich ganz zu dir versehen. Ob mich aber der Papst erwürgt und verdammt und jenseit der Höllen wirft, wird er mich doch vom Tod nicht wieder können aufwecken, daß er mich mehrmal erwürge. Daß ich aber verbannt und verdammt bin, soll mein Herz und Wille sein, daß er mich nimmer mehr absolviere. Denn ich hoff, daß nahe sei der große Tag, da zerbrochen und niedergestoßen wird werden das Reich der Verdammniß und des Greuels.

Und wollte Gott, wir wären’s würdig vom Papst zuvor verbrannt oder erwürgt zu werden, daß unser Blut möchte schreien und drängen sein Gericht, daß sein bald ein End würde. So wir aber nicht werth, mit dem Blut zu bezeugen, so laßt uns allein ihn anrufen und bitten um die Barmherzigkeit, daß wir mit dem Leben und der Stimme mögen bekennen und zeugen, daß Jesus Christus allein ein Herr ist unser Gott, gebenedeiet in Ewigkeit, Amen.

Und in demselbigen sei gesegnet, lieber Vater, und die Mutter, deine Margariten, sammt unserm ganzen Geschlecht, grüß im Herrn Christo. Aus der Wüstenung1), 21.Novembris Anno 1521.

1) von der Wartburg

 

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867