Calvin, Jean – An Haller in Bern.

Die Pest in Bern. Von der Abschaffung der Feiertage in Genf.

Wenn neulich an dich und Müslin kein Brief von mir kam, um Euch in Eurem häuslichen Leid zu trösten, so bitte ich dich, mein lieber Haller, meine Liebe zu Euch nicht danach zu beurteilen. Mit welcher Angst in an Eure Gefahr dachte, seit ich hörte, Eure Häuser seien von der Pest erfasst, das vermag ich nicht in vielen Worten auszudrücken. Obwohl nun freilich solches Denken aneinander frommen, rechtschaffenen Leuten nicht mehr gelten darf als die Pflicht des Briefschreibens, so hoffe ich doch, es werde dich und ihn völlig zufrieden stellen, sobald Ihr seht, dass ich nicht aus Nachlässigkeit geschwiegen habe. Dass ich das Schreiben unterließ, hatte den Grund, dass die Kunde erst spät hierher kam, so dass ich damals noch nicht sicher wissen konnte, wie weit das Unheil gekommen sei. So wollte ich, da ich über Eure Lage im Zweifel war, nichts aufs Geratewohl sagen und beschränkte mich aufs Beten, das für Euch nötiger war und, wie ich wusste, auch erwünschter.

Übrigens, da die Abschaffung der Festtage hier in Genf bei einigen Leuten in Bern so schweres Ärgernis erregt hat, so ist es leicht glaublich, dass dort darüber auch mancherlei gehässiges Gerede verbreitet wird. Dazu rechne ich auch, dass ich nicht nur von den Böswilligen, sondern auch von denen, die es nicht besser wissen, als der Urheber dieser Verfügung angesehen werde. Wie ich aber mit heiligem Eid bezeugen könnte, dass diese Sache ohne mein Wissen und sogar wider meinen Wunsch behandelt wurde, so habe ich von Anfang an beschlossen, lieber Vorwürfe still hinunterzuschlucken, als allzu ängstlich Entschuldigungen zu suchen. Bevor ich je in Genf gewesen war, hatte man hier keine Feiertage außer dem Sonntag. Die bei Euch üblichen Feste wurden durch denselben Volksbeschluss angenommen, der mich und Farel aus der Stadt vertrieb; doch wurde das eher durch die Gewalt der Bösen in der Aufregung erpresst, als in gesetzlicher Ordnung beschlossen. Seit meiner Rückkehr suchte ich folgende Vermittlung: Weihnachten sollte nach Eurem Brauch gefeiert werden; an den andern Tagen sollten außerordentliche Betstunden stattfinden und die Werkstätten morgens geschlossen sein; nach dem Mittagessen aber sollte jedermann an seine Arbeit und sein Geschäft gehen. Es waren aber einige Steckköpfe, die aus gewisser verkehrter, böser Absicht von der allgemeinen Sitte abwichen. Diese Verschiedenheit konnte in einer richtig geordneten Kirche nicht geduldet werden und musste auch nach außen den bösen Schein erwecken, als sei keine rechte Einigkeit unter den Bürgern. So mahnte ich den Rat, dieser Zwiespalt möge durch eine geeignete Maßregel in Zukunft beseitigt werden. Aber mit ausdrücklichen Worten und namentlicher Bezeichnung lobte ich dabei die bisher innegehaltene Mäßigung. Einige Zeit darauf erfuhr ich, nicht anders als irgendein neu angekommener Fremder, die Abschaffung der Feste. Hätte doch seinerzeit Kuntz den Kampf in dieser Sache nicht gar so ehrsüchtig geführt! Denn in dieser ganzen Gegend waren die Festtage schon abgeschafft. Dafür, dass jene vier Feste nachträglich wieder eingeführt würden, kämpfte er so hartnäckig gegen alle Pfarrer welscher Zunge, als obs ums Heil der Kirche ginge. Man hätte meinen können, es sei der Streit Papst Viktors gegen die morgenländische Kirche ums Osterfest! Als ich ihn einst fragte, mit welchem Recht denn der Tag der Beschneidung Christi mehr geehrt werde als sein Todestag, musste er doch schweigen. Doch lassen wir die Vergangenheit. Es genügt mir, dargelegt zu haben, woher diese rasche Änderung bei uns kam. Obgleich ich nun dazu weder geraten noch getrieben habe, macht es mir doch nichts, dass es so gekommen ist. Kenntest du den Stand unserer Kirche genau, so pflichtetest du ohne Zögern meinem Urteil bei. Aber das will ich doch bezeugt haben, dass, wäre mir die Entscheidung vorgelegt worden, ich nicht für den jetzigen Beschluss gestimmt hätte. Doch liegt nicht der mindeste Grund vor, dass Eure Leute sich so sehr aufregen, wenn wir von unserer Freiheit Gebrauch machen, wie es die Erbauung der Kirche erfordert; wie es andrerseits billig ist, dass unser Brauch nicht eine Entscheidung für Euch zu sein braucht. Ein undeutliches Gerücht wird hier verbreitet, wenn auch noch ohne fassbare Gestalt, es solle bald in Bern ein Edikt erlassen werden, dass, wer leichtsinnig schwört, ein auf den Boden gezeichnetes Kreuz küssen müsse. Ist das wahr, so hat es ja den Schein, als wolle man die Leute absichtlich zum Schwören reizen. Denn viele werden sich gierig nach dieser Strafe drängen, um ungestraft ein Götzenbild anbeten zu dürfen. Doch ich bin noch nicht davon überzeugt, dass Eurem Rat eine solche Unbedachtsamkeit passiert sein sollte, sondern denke, es sei ein von Schwätzern und Böswilligen ausgestreutes Gerede. Lebwohl, trefflicher Mann und von Herzen verehrter Bruder. Grüße bitte deine Kollegen und Herrn Nikolaus Zurkinden von mir. Meine Brüder lassen dich und sie vielmals grüßen. Der Herr leite Euch mit seinem Geiste, behüte Euch und segne Euch in allen Dingen. Amen.

Genf, 2. Januar 1551.

Calvin, Jean – An Haller in Bern.

Der erwähnte Hotman (vgl. 261) war ein Refugiant aus Paris.

Klage über die Zurücksetzung eines Freundes.

Bis ich dir nächstens eine neue Last auferlege, nämlich, mir einen Brief nach Zürich zu besorgen, bitte ich dich einstweilen, mein lieber Haller, du möchtest mir den Dienst erweisen, den ich jetzt von dir fordere. Konrad Curio, zurzeit Schulmeister in Burgdorf, hat mich veranlasst, mich bei einem Buchhändler für ihn zu verbürgen. Weil ich nun mit Mahnen nichts erreicht habe, will ich ihn jetzt etwas schärfer am Ohr zupfen, um nicht selbst für die Fahrlässigkeit eines andern gestraft zu werden. Wenn es dich nicht belästigt, schicke ich dir den Brief, damit du ihm ihn bald und sicher zustellst. Wäre ich nicht deiner Liebe zu mir sicher, so wagte ich es nicht, dir so etwas aufzubürden.

Herrschte doch ein gleiches Vertrauen [uns gegenüber] bei allen! Aber ich sehe, der Satan hat noch zu viel Gewalt unter denen, die als Christi Diener gelten wollen. Dass neulich Hotman von Euch zurückgewiesen und nicht zum Diakonat zugelassen wurde, dafür sehe ich keinen andern Grund, als dass er eine Zeitlang bei mir gewohnt hat. Und doch bin ich kein Mensch, dessen Hausgenossenschaft frommen und gelehrten Leuten schaden dürfte. Wer so zügellos wild hasst, wird nie zustande bringen, dass mich meine Wirksamkeit, die ich für die Kirche übernommen habe, reut, sondern er wird sich nur bei allen Guten Hass und Schande in gleichem Maß erwerben. Das Übrige will ich noch zwei bis vier Tage aufschieben. Lebwohl, trefflicher Mann und liebster, verehrter Bruder im Herrn. Der Herr leite dich und deine Familie.

Genf, 26. November 1549.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Pfarrer Hans Haller in Bern.

Bern als Asyl der Gegner Calvins.

Darauf möchte ich dich aufmerksam machen, dass alle Böswilligen, sobald sie in Bedrängnis kommen, [zu Euch] als in eine allen gemeinsame Zufluchtsstätte fliehen, um zu ihrer Verteidigung Anschuldigungen vorzubringen, die dazu erfunden sind, uns verhasst zu machen. Damit nicht zufrieden, widerstreben sie auch, wenn niemand sie belästigt, unaufhörlich meiner Wirksamkeit, die doch, nach aller Guten Urteil, der Kirche Gottes nur von Nutzen ist. Meinetwegen wäre es ihnen ja gern erlaubt, mich ungestraft zu verlästern, denn es ist nichts besser, als das Bellen solcher Hunde zu verachten. Aber von Euch muss solche Frechheit im Zaum gehalten werden. Nun ist da ein gewisser Marcourt, ein Mensch von ganz unruhigem Wesen, oder, um einmal die Wahrheit zu sagen, ein Verrückter, der sich nun rühmt, er wolle irgendeine Erklärung gegen mich vorbringen, weil ich geschrieben habe, die Verheißung Gottes genüge zum Seelenheil der Christenkinder, wo die Taufe unmöglich sei. Er aber behauptet, die symbolische Handlung sei heilsnotwendig, und zwar so sehr, dass die Verheißung an sich nichts nütze. Ohne Zweifel erkennst du es als deine Pflicht an, derartig aufdringliche Dummköpfe zur Ordnung zu bringen. Wenn weiterhin, um meine persönlichen Angelegenheiten bei Seite zu lassen, in der Bestrafung der lasterhaften Pfarrer nicht strengere Zucht angewendet wird, so wird bald der ganze Stand in bösem Wahnsinn entbrennen, so dass keine Rettung mehr ist. Ich möchte dir das also ernstlich einprägen, damit wir wenigstens einen kleinen Versuch dazu zu spüren bekommen. Lebwohl.

Genf, 14. März 1549.