Calvin, Jean – An Johann von Glauburg in Frankfurt am Main.

Nr. 513 (C. R. – 2562)

In Frankfurt immer noch keine Ruhe.

Als ich dir kürzlich wegen der französischen Gemeinde in Frankfurt schrieb, hatte ich gehofft, durch Valerands Abreise würden ruhige Verhältnisse eintreten. Jetzt aber, da ich höre, dass er seinen Wohnsitz nicht gewechselt hat, fürchte ich, er wolle wieder, beschäftigungslos und händelsüchtig wie er ist, mit seinen Ränken etwas anstellen. Ja, wenn ich von der Geschichte höre, die seine Presbyter angerichtet haben, deren Dummheit er ja zwei Jahre lang allzu frech missbraucht hat, so sehe ich daraus deutlich genug, dass dieser unruhige Mensch wieder stark intrigiert wie gewöhnlich. Diese Presbyter, deren Klugheit Herr von Laski so sehr rühmte, habe ich aus eigener Erfahrung als ebenso träg und stumpfsinnig, wie hochmütig und verstockt kennen gelernt. Der beste unter ihnen, ein etwas schwerhöriger alter Herr, war schon durch dieses Gebrechen untauglich zu seinem Amt und hat tatsächlich auch in meiner Gegenwart bescheidentlich um Entlassung gebeten; doch waren sie, ich weiß nicht woher, von dem Wahn durchdrungen, er sei durch eine unlösbare Verpflichtung bis zum Tod gebunden. Ich bemerkte schon bei meiner Abreise, was sie unter sich vorhatten, und warnte unsern Bruder Guillaume Houbraque, er solle sich in acht nehmen. Aber jetzt vernehme ich, dass sie in ihrer Unverschämtheit weiter gegangen sind, als ich je gedacht hätte. Sie wagen es, unsern Schiedsspruch gewalttätig zu nennen, und du weißt doch, dass er milder nicht hätte abgefasst werden können; ja ich glaube, friedliebend wie ich bin, habe ich Valerand darin vielleicht mehr geschont, als recht war. Deshalb ist es durchaus unerträglich, dass diese törichten Menschen in ihrer Bosheit die beste Handlungsweise ungestraft als das Gegenteil verlästern dürfen sollen, und da es klar ist, aus welcher Feder das Schriftstück stammt, das sie als lauten Protest verlasen, so wird man die Aufdringlichkeit dieses Gesellen bändigen müssen, der nicht aufhört, bis man ihn einmal recht streng anlässt. Es war daher ebenso klug als fromm von dir, dass du sie in ihrem Amte stillstehen hießest, bis Valerands Nachfolger komme; also brauche ich dich darum nicht erst zu bitten, sondern kann dich nur dazu beglückwünschen; doch hoffe ich, dir nicht lästig zu fallen, wenn ich dich brieflich in diesem guten Vorsatz bestärke. So nötigt mich denn meine Sorge um die Gemeinde in Frankfurt, dich zu ersuchen, das, was du jedenfalls von dir aus schon tätest, um meinetwillen noch lieber zu tun, nämlich durch deine Autorität der Gemeinde zur Einigung zu helfen, damit die Unruhestifter dadurch gebändigt werden und der Gemeinde richtige Erzieher nicht fehlen, bis jede Möglichkeit, Schaden zu stiften, verschwunden ist. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Herr.

 

[Genf], 21. Dezember 1556.

Calvin, Jean – An Johann von Glauburg in Frankfurt am Main.

Nr. 501 (C. R. – 2484)

Glauburg hatte versucht, zwischen den streitenden Parteien in der französischen Gemeinde zu vermitteln. Zu den Auseinandersetzungen über die Taufe vgl. 113. Weggelassen ist eine ähnliche, längere Darstellung der Frage. Die Minderheit der französischen Gemeinde in Frankfurt war schon mit Valerand Poulain als ihrem Pfarrer aus England nach Frankfurt gekommen; die Mehrheit hatte sich aus Frankreich dazu gesammelt. Augustin Legrand, Hauptgegner Poulains.

Von den Frankfurter Angelegenheiten.

Da du, erlauchter Mann und hoher Herr, dir soviel Mühe gabst, den Zwist in der kleinen französischen Gemeinde, die in Frankfurt unter deinem Vertrauen erweckenden Schutze steht, zu schlichten, und dabei soviel Verdrießlichkeiten einfach hinnahmst, so tut es mir herzlich leid, dass dein Wirken nicht den Erfolg hatte, der zu wünschen gewesen wäre, und den auch ich erhofft hatte. Das wäre ein schöner Lohn für dich gewesen, eine heilige Eintracht bei denen zu sehen, die sich vorher gegenseitig zankend heruntergemacht hatten; zu sehen, dass die Gemeinde im Frieden bleibe, die ihre innern Händel hundertmal zu Grunde gerichtet hätten, wenn nicht der Herr sie wunderbar behütet hätte. Nun aber, da noch gehässiges Zanken herrscht, da das Geflüster und bösartige Geschwätz nicht verstummt, da schließlich wieder neuer giftiger Hader ausbricht und kein Ende der Händel abzusehen ist, denke ich, ist dieses Schauspiel für dich ebenso traurig und ärgerlich, wie mich der Mangel an Anstand bei den Leuten kränkt, die sich dir hätten gefällig erweisen sollen, und wie mich nicht weniger die Angst vor einem unheilvollen Ende des Streites quält. Und doch, – um nichts zu verhehlen – ich fürchte, Valerand und seine Presbyter, durch den ihnen zugesprochenen Sieg aufgeblasen, werden die Gegenpartei, die schon so wie so genug zum Streit neigt, noch mehr erbittern. Ja, auch das will ich dir offen bekennen: in deinem Schiedsspruch, dessen Kopie mir zugesandt worden ist, hätte ich einen Punkt lieber nicht erwähnt gesehen, den dir jedenfalls Valerand eingegeben hat. Denn von selbst wäre es dir doch nicht in den Sinn gekommen, seine frühere englische Amtsstellung auch als dauerndes Recht für Frankfurt gelten zu lassen, als ob in England alles noch beim Alten wäre. Nichts hat vielleicht von Anfang an mehr dazu beigetragen, Händel zu verursachen, oder wenigstens Eifersucht zu wecken und dann daraus Hader zu entzünden, als diese seine ehrgeizige Berufung [auf ein früheres Amt], durch die sich die Mehrheit der Gemeinde auf einen niedrigern Rang herabgedrückt und schmählich aus dem Gemeindeganzen ausgeschlossen glaubte, indem dann die Gemeinde, die in Frankfurt Gastrecht gefunden, ihre Gesetze von einer [bereits früher organisierten] Gruppe hätte annehmen müssen. So wäre es besser gewesen, diesen Punkt zu verschweigen und Valerand als Pfarrer zu betrachten von dem Moment an, da er auf Ersuchen der noch nicht organisierten Gemeinde seine Stellung in Frankfurt erhielt und das des Pfarramts waltete. Wie trotzig Augustin alle seine Ansprüche festhält, weiß ich, doch hätte man auch denen Rechnung tragen dürfen, bei denen man auf mehr Nachgiebigkeit hoffen durfte.

Ich wollte das flüchtig berühren, nicht um deinen Schiedsspruch zu tadeln, sondern nur, um es deiner Klugheit zu erwägen zu geben, ob die Befürchtungen, die mir nicht wenig zu schaffen machen, wirklich grundlos sind. Denn du siehst, dass Valerand nicht nur den hartnäckigen und eigensinnigen, sondern auch rechtschaffenen und schlichten Leuten verhasst oder wenigstens nicht recht lieb ist, weil er sich so ungleich gibt und nicht stets mit gleichem Maße misst. Wiewohl er auch mit ungerechter Gehässigkeit belastet wird, so weiß ich doch auch, dass ihm ein großer Teil der Gemeinde entfremdet ist, und dass, wenn dieser nicht ausgesöhnt wird, eine traurige Spaltung droht; auch sehe ich kein anderes Mittel, als dass er selbst diese Leute wieder milder stimmt, wie er es auch zu tun versprochen hat; viele behaupten jedoch, er tue es nicht. Du kannst an Ort und Stelle selbst am besten sehen, wie es damit steht, edelster Herr. Ist schließlich das Ärgernis nicht wieder gut zu machen, so wäre es besser, Valerand anderswohin zu versetzen, als dass er seiner Gemeinde verächtlich wird und beständigen Verleumdungen ausgesetzt ist, nicht ohne Schmach und Schande für sein Amt. Den Bösen wollte ich das nicht zugeben, dass der Pfarrer ihrem Übermut wiche, weil das ein böses Beispiel gäbe und ein solches Entgegenkommen ihre tolle Frechheit nur vermehrte; wenn aber eine Gemeinde in ihrer Mehrheit ihres Pfarrers so überdrüssig ist, dass sie ihn kaum mehr hört, so bleibt, selbst angenommen, es sei eine ganz blinde, grundlose Verachtung für ihn, wenn alles andere umsonst versucht worden ist, als letzter Ausweg, was ich eben berührt habe. Wenn sich aber nur allmählich die Stimmung mildern ließe, so dass ihn die behalten möchten, die jetzt so gar nichts von ihm wollen!

Dass du, hochgeachteter, verehrter Mann, Euern [deutschen] Predigern meinen Brief durch Euern hochweisen Bürgermeister hast übergeben lassen, war klug. Wenn du meinst, ich solle von einer Reise nach Frankfurt absehen, so billige ich deinen Rat und nehme ihn an. Ich hatte gar nicht im Sinne, besonders darauf zu dringen; sondern ich wollte mit meinem Vorschlag nur zeigen, dass mir der Eifer, den Frieden zwischen uns zu erhalten, nicht fehle, damit, wenn ein Streit entstünde, die Schuld auf sie fallen müsste, die mein Angebot nicht annahmen. Sie haben ja auch ganz freundlich bezeugt, sie wollten Ruhe halten; obwohl sie nicht verhehlen, dass sie in der Lehre von mir abweichen, so versprechen sie doch, sich Mühe geben zu wollen, dass die Kirchen nicht durch Zänkerei beunruhigt würden. Da sie mich nun so als treuen und um die Kirche wohlverdienten Knecht Christi anerkennen, hat es mich umso mehr verwundert, dass sie mich in gehässiger Weise in den Kampf hineinzogen, als sie vor kurzem die Behauptung aufstellten, es sei besser, Kinder zu Hause und von Frauen taufen zu lassen, als dass sie ohne Taufe stürben. Hätten sie nur meine Lehre getadelt, so wäre das ja zu ertragen; wenn sie aber in die Welt schleudern, die Franzosen wollten nach meinem Beispiel den andern Gesetze auferlegen, und beifügen, ich führe ja auch in Genf ein tyrannisches Regiment, so entspricht das dem brüderlichen Wohlwollen gar nicht, das sie mir brieflich zusagten. Wie faul die Nachrede von meiner Tyrannei ist, das kann ich ruhig von meinen Brüdern und Kollegen beurteilen lassen, die sich gewiss noch nie über meine drückende Herrschaft beklagt haben. Oft haben sie mir sogar vorgeworfen, ich sei zu ängstlich und brauche meine Machtstellung, die sie alle billigten, im Notfall nicht offen genug. Wenn meine Gegner nur sähen, in wie schweren Verhältnissen ich mein Lehramt ausübe und dabei doch nichts für mich beanspruche, sie müssten sich selbst ihres leichtsinnigen Geredes schämen. Wenn ich mich auch damit bescheide, dem beißenden Geschwätz böser Zungen nicht entgehen zu können, so genügt nicht nur das Zeugnis meines Gewissens, sondern auch das der Tatsachen und deutlichen Erfahrungen reichlich, alles zurück zu weisen, was böswillige Leute mir aus der Ferne vorwerfen. Ich möchte von ihnen, denen meine Macht auf solche Distanz unangenehm ist, selbst hören, was ich denn so Tyrannisches an mir habe. Etwa dass ich mich angeboten habe, ihnen Rechenschaft abzulegen? dass ich mich ihnen zu lieb zu einer langen, beschwerlichen Reise bereit erklärt habe und, ohne dass mich jemand von ihnen darum mit einem Wörtlein begrüßt hätte, so zuvorkommend gewesen bin? Scheint das etwa Herrschsucht zu sein? Sie sind wirklich zu reizbar, wenn sie ein so freundschaftliches Angebot nicht nur schnöde ablehnen, sondern sogar noch darüber erbittert sind. Doch wird mich ihre Unfreundlichkeit nicht dazu bringen, je zu bereuen, dass ich diese Pflicht übernommen habe, aber es tut mir doch weh, dass sie über einen Bruder so unbesonnen herfallen und sich nicht einmal davor hüten, ihm grobes Unrecht zu tun. – – –

– – Lebwohl, edler, verehrter Herr. Christus erhalte dich samt deinem Hause gesund; er unterstütze dich mit seiner Kraft; er leite dich mit seinem Geiste und mache dich reich an allen seinen Segnungen.

Genf, 24. Juni 1556.

Calvin, Jean – An Johann von Glauburg in Frankfurt am Main.

Nr. 486 (C. R. – 2398)

Johann von Glauburg, den Calvin vom Reichstag in Regensburg her persönlich kannte, hatte ihm vom Tod seines Neffen Adolf (vgl. 456) berichtet und erzählt, dass der lutherische Pfarrer Hartmann Beyer den Toten wegen seiner Hinneigung zu den Reformierten in der Leichenrede geschmäht habe. Weggelassen ist die in andern Briefen wiederkehrende Bitte Calvins, Glauburg möge in den Streitigkeiten der französischen Gemeinde in Frankfurt vermitteln.

Über eine taktlose Leichenpredigt.

Wenn mir auch dein Brief, hochberühmter Mann, den Schmerz erneuerte, den mir der Tod des sehr lieben, trefflichen Herrn Adolf bereitet hatte, so konnte es doch nicht anders sein, als dass er zugleich mir sehr lieb und willkommen war um der außerordentlichen Liebe willen, die aus jedem Satze spricht. Entrissen ist uns dein Neffe worden, wenn wir nach unseres Herzens Begehren urteilen dürfen, viel zu früh, doch da man bei Gottes Willen bleiben muss, [so sagen wir]: nachdem er die ihm zuerkannte Lebensbahn durchmessen, ist er zu seiner Zeit aufgenommen worden ins selige Quartier, wo er jetzt in Ruhe auf uns wartet. Wenn nun dieser Euer Prädikant einen Text aus dem Buch Jesus Sirach [38, 24?] nahm und auf deinen Neffen so anwandte, er sei von Gott hinweg genommen worden, damit sein Herz nicht böser werde, so muss ich gewiss zugeben, dass Gott aufs Beste für das Wohl derer sorgt, die er aus all dem Bösen, das heutzutage überall in der Welt herrscht, herausholt; aber was deinem Verwandten zum höchsten Lob gereichte, nun in einen Vorwurf zu verwandeln, das zeugt von böswilliger und verderbter Gesinnung. Von der Undankbarkeit will ich gar nicht reden, die darin liegt, dass er einen Mann, den er zu seinen Lebzeiten umschmeicheln musste, da er ihm durch manche Wohltat verpflichtet war, als Toten anbellte, ohne zu erröten. Aber was ist zu tun gegen solche Trotzköpfe, denen alles als Ketzerei gilt, was nur ein wenig von ihrer Phantasterei abweicht? Wie sollen die mit den Menschen schonend umgehen, die die reine evangelische Lehre mit ebenso hochmütigem Stolz mit Füßen treten, als in wildem Trotz von sich weisen? – – – –

– – – Lebwohl, trefflicher, hochverehrter Mann. Der Herr behüte dich und dein frommes Haus stets und er segne dich.

Genf, 25. Februar 1556.