Calvin, Jean – An Francesco d´ Enzinas in Straßburg (351)

Nr. 351 (C. R. – 1684)

Da Francesco d´Enzinas (vgl. 199, 296) schon am 30. Dez. 1552 an der Pest starb, ist dieser unvollendete Brief wohl nicht mehr an ihn abgegangen. Es sei daraus nur gegeben, was Calvin von den Kämpfen des Jahrs 1552 erzählt. Der Mönch ist Bolsec, der Rechtsschwätzer Trolliet. d´ Enzinas hatte in einem Brief vom 30. Oktober Calvin die Vorsicht und Friedensliebe des verstorbenen Straßburger Pfarrers Hedio gepriesen.

Rechtfertigung gegen den Vorwurf allzu großer Strenge.

– – Nach der Verurteilung jenes Mönches, der aus dem Diensthaus de Falais´ wider uns abgesandt war, trat plötzlich ein gewisser Rechtsschwätzer infolge einer heimlichen Verschwörung auf, prahlte nicht nur in privaten Gesellschaften, sondern auch in Wirtshäusern, wir machten Gott zum Urheber der Sünde, und verlästerte unsere ganze Amtsführung mehr als schändlich. Als ich diese Verderben bringenden Reden sich überall verbreiten sah, mit denen die Bösen offenbar die ganze Herrschaft Christi in Genf umstürzen wollten, mahnte ich das Volk ernstlich, sich vor ihnen zu hüten. Auch dem Rat wies ich nach, wie gefährlich ein Zurückweichen in solchen Kämpfen wäre. Die Leute, die jenen Kerl angestiftet hatten, mich zu plagen, zogen mit ihren Ränken die Sache so hinaus, dass sie mich ein Vierteljahr lang in Spannung hielten. Denn mehrere von den Richtern waren die Schutzherren meiner Gegenpartei. In all dem vielen Unrecht, [das mir angetan wurde], war für mich nichts schmerzlicher und trauriger, als dass ich in einen hässlichen Gegensatz zu Herrn Philippus [Melanchthon] gebracht wurde. Doch zog ich mich daraus, indem ich von einem so großen Manne nie anders als mit Ehrerbietung sprach. Als die ganze Partei sich nun besiegt sah, stifteten sie rasch einen größeren Brand, um den ersten zu ersticken. Drei heillose Gesellen, aber aus den vornehmsten Familien, griffen unsern Bruder Raymond [Chauvet] schimpflich an und gingen darin so weit, dass sie eines Tags die Sitzung des geistlichen Gerichts störten. Einstimmig beschlossen wir, darüber beim Rat Beschwerde zu führen. Nachdem sie so durch Spruch der Ältesten verurteilt waren, brachte einer von ihnen, sei es, um meinen Mut zu prüfen, sei es aus eigenem Leichtsinn, ein Kind als Pate zur Taufe. Ich weigerte mich, ihn als Paten anzunehmen. Es erhob sich sofort ein allgemeines Geschrei, so dass es handgreiflich war, es liege ein abgekarteter Skandal vor. Indessen hielt ich in dem furchtbaren Lärm, Geschrei, Geschimpf und den Drohungen so an mich, dass mir kein Wort entfuhr, das Erregung gezeigt hätte. Wäre dir unsere Lage bekannt, du priesest es als eine Folge der wunderbaren Vorsehung Gottes, dass nicht schon hundertmal die Schwerter aus der Scheide fuhren; zumal die, die mehr Macht hatten, so oft und so schmählich gereizt wurden. Jener erste, der mich so furchtbar verfolgt und meine Lehre wie meine ganze Amtsführung gottlos verlästert hatte, ging straflos aus, obwohl es in meiner Hand gelegen hätte, ihn ganz zu vernichten. Doch war mirs genug, dass der Rat, ohne ihm persönlich etwas zu tun, sich über die Sache aussprach. Die andern möchten nun gern wieder mit uns Frieden machen, aber hundertmal lieber wollen wir sterben, als vom rechten Weg abweichen.

Farel und Viret waren zehn ganze Tage hier, und ich baue darauf, dass sie unsere Geduld reichlich bezeugen werden. Denn sie haben gesehen, wie viel traurige Erfahrungen, die nur uns angehen, wir still übergehen, wie viel Beschimpfungen wir hinunterschlucken, wie viel Sünden wir verzeihen. Aber vieles kann ich nicht zugeben, ohne treulos Christum und die mir von ihm anvertraute Herde zu verraten. So brauchst du fortan nicht zu erschrecken, wenn du auch in Zukunft von meinen Kämpfen hörst. Nur eins bitte ich dich, halte mich nicht für so ehrgeizig, dass ich aus eigener Begier die Feinde und den Kampf suche. Nichts wäre mir lieber als ruhige, wissenschaftliche Arbeit, wenn mir nur der, unter dessen Kommando ich diene, Freiheit dazu gäbe. Übrigens, – um dirs offen zu sagen, was ich denke, – es hat mich sehr gewundert, warum du gerade Hedio auswählst und mir als Vorbild zeigst. Deine Sorglosigkeit in dieser Wahl macht, dass du mich nicht dazu bringst, zu tun, was du möchtest …

[Dez. 1552].

Calvin, Jean – An Francesco d´ Enzinas in Basel.

Über d´ Enzinas vgl. 199. Er war als Professor des Griechischen in Cambridge gewesen und wohl um seiner schwachen Gesundheit willen zurückgekehrt.

Mahnung zur Nutzung seiner Gaben.

Es freut mich, dass du wohlbehalten aus England zurückgekehrt bist. Wenn es dir hier wohl ist und gut geht, und der Herr segnet, was du tust, freut es mich doppelt. Freilich, wie jetzt überall die Verhältnisse liegen, müssen wir unsere Pilgerschaft in dieser Welt so führen, dass wir wünschen, sobald als möglich wegeilen zu dürfen. In England sind noch ungeordnete Zustände. An andern Orten scheint jetzt, was wohl eingerichtet war, auseinander fließen zu wollen. So finden wir nirgends etwas, was uns so freuen könnte, dass unser Herz sich nicht anderswohin sehnt; es sei denn, dass uns die Geduld festhält. Das erfahre auch ich, von dem du meinst, ich habe den Kampf fast hinter mir, täglich mehr und mehr. Denn unversehens regen mich neue Kämpfe, neue Schwierigkeiten, neue Unannehmlichkeiten so auf, dass ich alles andere lieber wollte, wenn ich die freie Wahl hätte, als stets unter so harter Last stöhnen. Dich hat der Herr mit Begabung und Wissen geziert und mit eifrigem, hochgemutem Geist ausgerüstet. Ihn muss man bitten, dass er so edle Gaben nicht müßig liegen lasse. Ich weiß zwar, dass du dich bisher gemüht hast, der Kirche Gottes Furcht zu schaffen und weiß, dass dein Versuch nicht umsonst war. Aber ich möchte, dass, was dir gegeben ist, noch weiter zur Geltung komme und baue darauf, dass es geschieht.

Meine Betrachtungen über Jesaja, von denen du schreibst, sie würden erwartet, werden bald erscheinen, aber in der Nachschrift von des Gallars. Denn mir bleibt nicht so viel Zeit zum Schreiben übrig. Er aber zeichnet es während meiner Vorlesung auf und verarbeitet es dann zu Hause; ich lese es nochmals durch, und wo er meinen Sinn nicht getroffen hat, verbessere ichs.

Unser Stadtseckelmeister wird hoffentlich in Basel sein, wenn du meinen Brief erhältst, und zwei Tage dort bleiben. Hast du etwas Neues zu berichten, so wird er es gerne mir bringen. Den Herrn Mykonius und Sulzer habe ich nichts zu schreiben, bis sie meinen letzten Brief beantwortet haben; doch grüße, bitte, sie und Herrn Oporin von mir. Meine Kollegen lassen dich vielmals grüßen. Deiner Frau, wo sie auch sei, wünsche ich alles Gute und Glückliche. Lebwohl, trefflicher Mann. Der Herr fahre fort, dich zu geleiten mit seinem Geiste und sei in allem mit dir.

Genf, 7. März 1550.

Calvin, Jean – An Francesco d´ Enzinas in Basel.

Francesco d´ Enzinas (Dryander) von Burgos in Spanien gab 1543 eine spanische Übersetzung des neuen Testaments heraus, wurde dann mehr als ein Jahr zu Antwerpen gefangen gehalten, floh dann aber nach Straßburg; bei der Übergabe Straßburgs an den Kaiser wandte er sich mit vielen andern Refugianten nach Basel.

Über die Schwierigkeit einer Beurteilung der gegenwärtigen Weltlage.

Wenn du mich bittest, ich möchte dir mein Urteil über die gegenwärtige Verwirrung aller Verhältnisse schreiben, so ist dazu gar kein langer Brief nötig, weil ich bei so unklarer Lage nicht nur kein festes Urteil habe, sondern sogar nicht einmal nachzudenken wage, was der Ausgang sein wird. Denn so oft ich anfing, das zu tun, lag vor mir so dichte Finsternis, dass ich nichts für besser hielt, als die Augen zu schließen für diese Welt und auf Gott allein zu schauen. Ich rede da nur von mir persönlich. Hätte mich Gott dahin gestellt, wo gewisse andere Leute stehen, so müsste ichs anders machen. Dazu kommt, dass ich bei der Zurückgezogenheit, in der ich hier lebe wie in einer Höhle, nicht alles übersehe, was nötig ist, um sich ein Urteil zu bilden. Wird mir einmal etwas berichtet, so geschieht es erst spät. Weiter kann ja nichts sicher festgestellt werden, wenn nicht vorher alles Material dazu gesammelt wird. Nun sind mir aber die geheimen Pläne, auf die sich hauptsächlich das Urteil gründen müsste, durchaus unbekannt. Wie töricht wäre es also, so dunkle Verhältnisse hin und her zu überlegen und mich damit erfolglos zu ermüden? Du fragst: Ja, wie? So willst du allein beim Zusammenbruch der Kirche sichere Ruhe behalten? Nein, sondern Tag und Nacht seufze ich voll Angst, aber alle überflüssigen Gedanken, die zuweilen an mich heranschleichen, weise ich ab, so gut ich kann; zwar kann ichs nicht, wie ich wollte; aber es ist doch schon etwas, dass ich dem zukunftslüsternen Geist nicht nachgebe. Dagegen übe ich mich drin, zu betrachten, was schon geschehen ist, und verbinde damit, was täglich Neues geschieht. Diese Betrachtung gibt mir nun, ich wills gestehen, manchen Stoff zu Furcht und Hoffnung. Weil mir aber, wie gesagt, wieder viele Gründe im Wege stehen, so halte ich zeitig an, damit ich nicht zu kühn und zu viel weiterdenke. Die Hoffnung aber, die du in deinem Briefe aussprichst, wird uns gewiss nicht täuschen, auch wenn Himmel und Erde durcheinander gerät; nämlich, Gott werde für seine Kirche sorgen, dass sie erhalten bleibt im allgemeinen Weltuntergang sogar. Verzeih, dass ich so kurz schreibe, weil ich erst kurz vor dem Abendessen von der Abreise des Boten hörte. Mein Bruder sagte mir vormittags, er sei schon reisefertig. Da wollte ich nicht so in der Eile schreiben. Nach drei Uhr kam dann aber der Bote nochmals; so kams, dass mir nun noch weniger Zeit blieb. Lebwohl, der Herr leite dich mit seinem Geist und erhalte dich gesund.

Genf, 18. Mai 1547.
Dein
Johannes Calvin.