Blaurer, Ambrosius – Brief an Hubertus 1564 über den Tod Calvins

D. Calvin, das unvergleichliche Werkzeug Christi und von den Theologen unseres Jahrhunderts, die uns bis jetzt der Herr übrig gelassen hatte, wohl der erste, hat am 27. Mai nach sehr heftigen Schmerzen, die ihm durch verschiedene Krankheiten in acht Tagen kamen und die er geduldig ertrug, den Himmel mit der Erde vertauscht und ist als ein guter und treuer Knecht in die Freude seines Herrn eingegangen, wo er nun ewiglich mit ihm ein wahres, des Namens wertes Leben führen wird. Von ganzer Seele beglückwünschen wir ihn für dies so glückliche Los. Zur Reise ganz fertig, nachdem so viele grausame angriffe der Feinde, die den Mann mit ihren Zähnen zu zerreissen wünschten, beschämt waren, ist er in dem ganz ruhigen und sicheren Hafen des himmlischen Vaterlandes gelandet. Wir bitten nun den Herrn, dass er sich unserer erbarme, da er die besten Führer und Hirten seiner Herde zu sich sammelt und dass er seine Gemeinde mildiglich erhalte, damit wir nicht wie irrende Schafe ohne Hirten seien. O weh, mein teurer und lieber Bruder, wie wenig sind heute diejenigen, die von göttlichem Eifer entzündet nicht das, was das Ihrige ist, sondern was Jesu Christi ist, suchen und von der Sorge um seine Kirche ernstlich bewegt werden. Nachdem fast jenes ganze Geschlecht zu den Vätern versammelt ist, das nach dem langjährigen harten Joch der papistischen Knechtschaft, welche die von Aegypten und Babel übertrifft, und die es zu Tode marterte, den Trost der süssen Freiheit Jesu Christi in dem wiedererwachenden Evangelium erfahren hat, so ist jetzt kaum der eine und der andere da, der sich an die Früheren erinnert, und diese befinden sich in einer solchen Masse von Gottlosigkeit und Losgelassenheit aller Uebel, dass sie allmählich verweltlichen und die erste Liebe verlassen. Doch hat der Herr dennoch die Seinigen und seien es noch so wenige, die er kennt. Möchten auch wir unter diese wie ein geheiligter Rest gezählt und bewahrt sein; das erbitten wir Tag und Nacht mit vielen Thränen, ja wir sagen Dank durch Jesum Christum, in dem wir vor Grundlegung der Welt erwählt sind und kämpfen nun weiter, damit wir heilig und untadelig vor ihm in der Liebe seien, und so auch durch uns sein grosser Name auf Erden verherrlicht werde.

Am 22. Juni.

Quelle:
Die beiden letzten Lebensjahre von Johannes Calvin von Dr. th. Adolph Zahn Stuttgart. Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft. 1898.