Luther, Martin – Brief an Albrecht von Mainz, dass er heiraten solle. 1525

Dem Durchleuchtigsten, Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Albrecht, Erzbischof zu Mainz und Magdeburg u.s.w. Kurfürst ec. Markgrafen zu Brandenburg ec, meinem gnädigen Herren.

Gnad und Fried von Gott dem Vater, und unserm Herrn Jesu Christo. Durchleuchtigster, Hochgeborner Fürst, gnädigster Herr! Ich hab etlichmal Ew. Kurfl. Gn. bisher mit Schriften bemühet, ander Leut halben: itzt werd ich gezwungen, Ew. Kurfl. Gn. halber zu schreiben; und bitt gar unterthäniglich, Ew. Kurfl. Gn. wollt es also annehmen im Guten, so treulich, als ichs meine.

Unter andern Sorgen und Fürnehmen, so mich auch bekummert, diese leidige und gräuliche Empörung zu stillen, welche durch den Satan als eine Strafe Gottes erregt wird, ist mir eingefallen, Ew. Kurfl. Gn. zu ermahnen und anzuruffen, in großer Hoffnung und Zuversicht, Ew. Kurfl. Gn. mög und künne, wo sie nur wölle, gar merklich darzu helfen, neben andächtigem Gebet zu Gott, daß es besser wurde.

Und ist kürzlich dieß die Meinung, daß sich Ew. Kurfl. Gn. in den ehlichen Stand begeben, und das Bißthum zu weltlichem Fürstenthum macheten, und den falschen Namen und Schein geistlichs Stands falllen und fahren lassen. Und seind dieß meine Ursachen.

Erstlich, daß damit der Straf Gottes zuvor komen, und dem Satan die Ursachen der Empörung genummen wurden. Dess es ist doch nun am Tag, daß der geistlich Stand offentlich wider Gott und seine Ehr ist. Derhalben schlecht in keinen Wege zu hoffen ist, daß Gott sollt von Zoren und Straf ablassen, weil von solchen offentlichen Gräuel und Schmach seines heiligen Namens nit gelassen wird. O Herr Gott, hättet ihr Bischof und Fürsten beyzeit selbs darzu gethan, dem Evangelio Raum geben, und was offentlich Gräuel ist, angefangen zu ändern; wie fein still wäre das durch ordenliche Oberkeit und Gewalt geordent und ausgericht, das nun der Teufel mit Toben in einander wirft. Aber da man weder hören noch sehen wollte, und mit Frevel offentliche Gräuel zu erhalten sich unterstund, hats Gott lassen gehn, daß doch zu Grund geh mit Ungnaden: auf daß er beweise, wie sein Wort mächtiger ist, dann alle Ding, und doch fort müß gehn, wenn gleich die Welt tausendmal mehr wäre.

Zum andern, daß auch nun der gemein Mann so weit bericht und in Verstand kummen ist, wie der geistlich Stand nichts sey: wie das wohl und allzuviel beweisen so mancherley Lieder, Sprüch-Spotterey, da man an alle Wände auf allerley Zeddel, zuletzt auch auf den Kartenspielen, Pfaffen und Munche malete, und gleich ein Eckel worden ist, wo man ein geistliche Person sieht oder hört. Was ist dann, daß man wider den Strom fechten will, und halten, das nit will und kann gehalten seyn? Dann das mag man je wohl greifen, weil die Geisterey den Leuten aus dem Herzen ist, und so hoch verachtet, ist nit zu hoffen, daß da Ruhe noch Aufhören sey, sie kümme dann auch aus den Augen; sunder je mehr man darvon hält, je mehre es verspott und veracht wird. Was ists dann, daß man mit solchem Anhalten die Leut nur deste mehre reizt und hetzt wider sich selbs? sonderlich weil Gott selber das Urtheil und Straf dringet, und die geistlose Geisterey will ausrotten, als er spricht Ps. 10: Du bringst umb die Gottlosen, daß ihr Nam auch ewiglich untergeht. Es ist verloren, der geistliche Stand kann nit bleiben, vielweniger wieder zu Ehren kommen. Gott hat ihne angriffen; er muß herunter, das und kein anders.

Solchem kann Ew. Kurfl. Gn. zuvor kummen, und selbs dazu thun, daß es williglich abgethan werde: so ist Hoffnung, daß Gott dabey seyn wird, und mit Gnaden in der Still geschehe, auf daß er niciht muß des Teufels mit Ungnaden darzu brauchen,. Und Ew. Kurfl. Gn. hat deß vor andern große Ursach, weil sie sich an Gott vergriffen, und zu Hall den geistlosen Stand helfen mit großer Kost vergebenlich stärken. Wann aber die Leut ein anders sehen wurden, sollt sich ihr Herz auch fein kehren und Ew. Kurfl. Gn. geneigt werden, und mit aller Still und Sänft helfen, daß alle Ding gnädiglich abgingen. Wurde aber Ew. Kurfl. Gn. sich noch sperren oder aufschieben, ist doch zu besorgen, es müg nit lang währen. Denn die Herzen lassen nit ab, so wenig als Gottes Zorn ablassen wird.

Hie hat Ew. Kurfl. Gn. ein schön Exempel, den Hochmeister in Preussen. Wie gar fein und gnädig hat Gott sölch Aendrung geschickt, die vor zehen Jahren weder zu hoffen noch zu glauben gewest wäre, wenn gleich zehen Esaias oder Paulus solchs hätten verkündiget. Aber weil er dem Evangelio Raum und Ehr gab, hat es ihme wieder viel mehr Raum und Ehre geben, mehr dann er hätt dürfen wünschen.

Aber ein viel größer Exempel wäre Ew. Kurfl. Gn. als die gleichsam mitten in deutschen Landen der größten Haupter eins ist: das wurde viel Leut stillen und eingewinnen, und andre Bischof hernach ziehen. Da wurde Gott sich sehen lassen in Ehren, weil sich Ew. Kurfl. Gn. gegen ihme gemüthiget, und seinem Evangelio und Namen wiche und Raum ließe; wie er denn verheißt Joh. 5: Wer mich ehrt, den will ich wieder ehren; wer mich aber schändet, wird wieder zu Schanden. Auf solche gewaltige, tröstliche Verheißung mag es Ew. Kurfl. Gn. frisch, und heraus aus dem lästerlichen und unchristlichen Stande in den seligen und göttlichen Stand der Ehe:: da wird sich Gott gnädiglich finden lassen.

Und wenn gleich solcher gemeiner Nutz deutschen Lands (dden ich hoch achte, und ein groß christlich Werk ist), Ew. Kurfl. Gn. nit bewegte, sollt doch das allein gnug seyn, daß Ew. Kurfl. Gn. ein männliche Person von Gott gemacht, befinden und bekennen muß: nun ists je Gottes Werk und Wille, daß ein Mann soll ein Weib haben, 1. Mos. 2: Es ist nit gut (spricht Gott, daß der Mann allein sey: ich will ihm einen Gehülfen machen: die umb ihn sey ec. Wo Gott nun nit Wunder thut, und aus einem Mann einen Engel macht, kann ich nit sehen, wie er ohn Gottes Zorn und Ungnad allein und ohn Weib bleiben müg. Und schrecklich ists, so er ohn Weib gefunden sollt werden im Tod; zum wenigsten, deß er doch ernstlicher Meinung und Willens wäre in die Eh zu kummen. Denn was will er antworten, wenn Gott fragen wird: Ich hab dich zum Mann gemacht, der nit allein seyn soll, sondern ein Weib haben sollt: wo ist dein Weib? Ich rede von einem natürlichen Manne. Dann welchen Gott Gnad der Keuschheit gibt, laß ich ihren Weg gehn. Aber sonst soll sich Niemands aus der Schlingen ziehen, daß er ohn Weib seyn, und seines Gefallens leben wollt, anderst, dann ihne Gott geschaffen hat. Solche meine treu unterthänige Vermahnung, bitt ich, wollt Ew. Kurfl. Gn. gnädiglich annehmen, und den Sachen weiter und besser, dann ich schreiben kann, nachdenken: dann ich je gern das Meine wollt darzu thun, ob Gott mit Gnaden dem Teufel wehren, und den Pöbel stillen wollt.

Darzu geb sich Ew. Kurfürstliche Gnaden auch einem treuen fleißigen Zeug ihrem Schöpfer, daß solch Werk dester ehe und stättlich gefürdert werde. Denn es ist hoch Zeit, ehe man den Raum versaume, und darnach nit dazu kumen müg. Darzu helf und geb seine milde Gnad unser Herr Jesus Christus, der unser Fried und Seligkeit ist, Amen. Zu Wittenberg, Freytag nach Exaudi Anno 1525.

Ew. Kurfürstl. Gnaden
unterthäniger
Martinus Luther

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Zweyter Theil. Luthers Briefe von seinem Aufenthalt auf Wartburg bis zu seiner Verheurathung Berlin, bey G. Reimer 1825

Luther, Martin – An den Erzbischof Albrecht von Mainz, Dezember 1521

[1. 12. 1521]

Mein willige Dienste seien Euer Kurfürstlichen Gnaden, Hochwürdigster, gnädigster Herr, zuvor.

Es hat ohn Zweifel Euer Kurfürstlichen Gnaden in gutem, frischem Gedächtnis, wie ich an Euer Kurfürstlichen Gnaden zweimal latinisch geschrieben, das erst im Anfang des lügenhaften Ablaß, so unter Euer Kurfürstlichen Gnaden Namen ausging, darinnen ich Euer Kurfürstlichen Gnaden treulich warnet, mich aus christlicher Liebe entgegensetzet den wüsten, verführischen, geldsüchtigen Predigern, und den ketzerischen, abgläubigen Büchern. Und wiewohl ich hätte mügen den ganzen Sturm, wo mir Unbescheidenheit gefallen, auf Euer Kurfürstlichen Gnaden treiben, als auf den, der solches unter seinem Namen und Wissen handhabet, mit ausgedrucktem Titel auf den ketzerischen Büchern geschrieben; habe ich doch Euer Kurfürstlichen Gnaden und des Hauses zu Brandenburg verschonet, gedacht, Euer Kurfürstlichen Gnaden thät solchs aus Unverstand und Unerfahrung, durch andere falsche Ohrenbläser verführet, an welche ich mich allein gehängt, wie mit mancher Mühe und Fahr, ist Euer Kurfürstlichen Gnaden wohl wissend.

Es hat aber solche meine treue Vermahnung Spott, und bei Euer Kurfürstlichen Gnaden Undank für Dank erlanget. Habe ich zum andern Mal aufs Unterthänigst geschrieben, mich erboten, Unterricht von Euer Kurfürstlichen Gnaden zu nehmen: Ist mir eine harte, unartige, unbischoffliche und unchristliche Antwort worden, die Unterricht mir zu thun, auf höher Gewalt geschoben. So denn nu die zwo Schriften nichts geholfen, lasse ich dennoch nicht abe, will dem Evangelio nach auch die dritte Warnung an Euer Kurfürstlichen Gnaden auf Deutsch thun, obs helfen wollt, so überflüssiges, unverpflichtes Warnen und Flehen.

Es hat itzt Euer Kurfürstlichen Gnaden zu Halle wieder aufgericht den Abgott, der die armen, einfältigen Christen umb Geld und Seele bringet; damit frei offentlich bekannt, wie alle ungeschickte Tadel durch den Tezel geschehen, nicht sein allein, sondern des Bischoffs von Mänz Muthwill gewesen sind, der auch, unangesehen mein Verschonen, ihm [sich] das allein zumessen will. Es denkt vielleicht Euer Kurfürstlichen Gnaden, ich sei nu von dem Plan, will nu für mir sicher sein, und durch die Kaiserliche Majestät den Münch wohl dämpfen. Das lasse ich geschehen, aber noch soll Euer Kurfürstlichen Gnaden wissen, daß ich will thun, was christliche Liebe fodert, nicht angesehn auch die höllischen Pforten, schweige denn Ungelehrte, Päpste, Cardinäl und Bischoffe. Ich wills weder leiden noch schweigen, daß der Bischoff von Mainz sollte fürgeben, er wisse nicht, oder ihm gebühre nicht, Unterricht zu thun, wenn ein arm Mensch von ihm begehrt, und wolle doch wohl darumb wissen, und frechlich für und für fahren, wenn es ihm Geld tragen soll. Mir nicht des Schimpfs [mit mir darf man nicht scherzen], man muß anders davon singen und hören.

Ist derhalb an Euer Kurfürstlichen Gnaden mein unterthänige Bitte, Euer Kurfürstlichen Gnaden wollte das arme Volk unverführt und unberaubet lassen, sich einen Bischoff, nicht einen Wolf erzeigen. Es ist lautbar gnug worden, wie Ablaß lauter Büberei und Trügerei sei, un allein Christus dem Volk soll prediget werden, daß Euer Kurfürstlichen Gnaden nicht mag durch Unwissenheit entschuldiget werden.

Euer Kurfürstlichen Gnaden wollten eindenken sein des Anfangs, welch ein greulich Feur aus dem kleinen, verachten Funklin worden ist, da alle Welt so sicher für war, und meinet, der einige arme Bettler wäre dem Papst unmeßlich zu geringe, und nehme unmuglich Ding für. Noch hat Gott das Urtheil troffen, dem Papst mit alle den Seinen übrig genug zu schaffen gegeben, wider und über aller Welt Meinung das Spiel dahin geführt, daß dem Papst schwerlich wiederzubringen ist, wird auch täglich ärger mit ihm, daß man Gottes Werk hierin zu greifen vermag. Derselbig Gott lebet noch, da zweifel nur Niemand an, kann auch die Kunst, daß er einem Cardinal von Meinz widerstehe, wenn gleich vier Kaiser ob ihm hielten. Er hat auch sonder [sonderliche] Lust, die hohen Cedern zu brechen, und die hochmuthigen, verstockten Pharaones zu demuthigen. Denselbigen, bitte ich, wollt Euer Kurfürstlichen Gnaden nicht versuchen noch verachten, seiner Kunst und Gewalt ist keine Maß.

Euer Kurfürstlichen Gnaden denken nur nicht, daß Luther todt sei: er wird auf den Gott, der den Papst demuthiget hat, so frei und frohlich pochen, und ein Spiel mit dem Cardinal von Mänz anfahen, deß sich nicht viel versehen. Thut, lieben Bischoffen, zusammen [legt euer Bischofsamt nieder], Jungherrn muget ihr bleiben, diesen Geist sollet ihr noch nicht schweigen noch täuben; widerfähret euch aber ein Schimpf daraus, deß ihr euch itzt nicht versehet, so will ich euch hiemit verwarnet haben.

Darumb sei Euer Kurfürstlichen Gnaden endlich und schriftlich angesaget: wo nicht der Abgott wird abgethan, muß ich göttlicher Lehre und christlicher Seligkeit zu gut mir das lassen eine nöthige, dringende und unvermeidliche Ursach sein, Euer Kurfürstlichen Gnaden, wie den Papst, öffentlich anzutasten, solchem Fürnehmen fröhlich einzureden [dreinzureden], allen vorigen Greuel des Tezels auf den Bischoff zu Mainz treiben, und aller Welt anzeigen Unterscheid zwischen einem Bischoff und Wolf. Da mag sich Euer Kurfürstlichen Gnaden nach wissen zu richten und zu halten. Werde ich veracht, so wird einer kommen, der den Berächter wieder verachte, wie Esaia sagt. Ich hab Euer Kurfürstlichen Gnaden gnug vermahnet, es ist hinfort Zeit nach S. Paulus Lehre, die öffentlichen Ubelthäter für aller Welt öffentlich berüchtigen, verlachen und strafen, daß die Aergerniß werde von dem Reich Gottes getrieben.

Zum anderen bitte ich, Euer Kurfürstlichen Gnaden wollten sich enthalten, und die Priester mit Frieden lassen, die sich Unkeuschheit zu meiden in den ehelichen Stand begeben haben oder wollen, nicht sie berauben, das ihnen Gott geben hat. Sintemal Euer Kurfürstlichen Gnaden deß kein Fug, Grund, noch Recht mag anzeigen, und lauter muthwilliger Frevel einem Bischoff nicht geziemet. Was hilft doch euch, Bischoffe, daß ihr so frech mit Gewalt fahret, und die Herzen über euch verbittert, und wollet noch muget weder Ursach noch Recht eurs Thun beweisen? Was laßt ihr euch dunken? Seid ihr eitel Giganten und Nimroden von Babylonien worden? Wisset nicht, ihr armen Leute, daß Frevel, Tyrannei, dieweil sie nimmer Schein [Ansehn] hat, das gemein Gebet verleurt, nicht mag lange bestehen? Wie eilet ihr zu eurem Unfall als die Unsinnigen, der euch selbs allzu frühe kommen wird?

Euer Kurfürstlichen Gnaden sehe drauf , wird solchs nicht abgestellt, wird ein Geschrei sich aus dem Evangelio [von den Anhängern des Evangeliums] erheben, und sagen, wie fein es den Bischoffen anstünde, daß sie ihre Balken zuvor aus ihren Augen rissen, und billig wäre, daß die Bischoffe zuvor ihre Huren von sich trieben, ehe sie fromme Eheweiber von ihren Ehemännern scheideten.

Ich bitte, Euer Kurfürstlichen Gnaden wollten sich selbs behüten, mir Gunst und Raum lassen zu schweigen. Mir ist nicht Lieb noch Lust in Euer Kurfürstlichen Gnaden Schande und Unehre; aber doch wo nicht Aufhören ist, hart zu schänden, und seine Wahrheit zu unehren, bin ich und alle Christen schuldig, an Gottes Ehre zu halten, obgleich alle Welt, ich schweig ein armer Mensch, ein Cardinal, darob müßte zu Schanden werden. Schweigen werde ich nicht, und ob mirs nicht würde gelingen, hoffe ich doch, ihr Bischoffe sollt euer Liedlin nicht mit Freuden hinaus singen. Ihr habt sie noch nicht alle vertilget, die Christus wider euer abgottisch Tyrannei erweckt hat.

Hierauf bitte und warte ich Euer Kurfürstlichen Gnaden richtige schleunige Antwort, inwendig 14 Tagen, denn nach bestimpten 14 Tagen wird mein Buchlin wider den Abgott zu Halle ausgehen, wo nicht kommet eine gemeine Antwort [eine öffentliche Antwort, weil Luthers Aufenthalt unbekannt war]. Und ob diese Schrift würde durch Euer Kurfürstlichen Gnaden Rathleute unternommen [unterschlagen], daß sie nicht zu Handen käme, will ich mich deß nicht lassen aufhalten. Rathleute sollen treue sein: so soll ein Bischoff seinen Hof ordenen, daß für [vor] ihn komme, was für [vor] ihn kommen soll. Gott gebe Euer Kurfürstlichen Gnaden seine Gnade zu rechtem Sinn und Willen. Geben in meiner Wüsterei [Wartburg] Sonntag nach dem Tag Catharinae 1521. [1. XII.]

Euer Kurfürstlichen Gnaden williger und unterthäniger

Mart. Luther.

 

Luther, Martin – An den Erzbischof Kardinal Albrecht von Mainz, 31. Oktober 1517

Gottes Gnade und Barmherzigkeit zuvor! Hochwürdigster Vater in Christo, durchlauchtigster Kurfürst! Eure Kurfürstliche Gnaden halten mir gnädiglich zugute, daß ich, der geringste und unwerteste unter allen Menschen, vermessen daran zu denken wage, einen Brief an Ew. Hochwürden zu schreiben. Der Herr Jesus ist mein Zeuge, daß ich, meiner Armseligkeit und Jämmerlichkeit mir wohl bewußt, lange aufgeschoben habe, was ich jetzt mit unverschämter Stirn tue; denn es zwang und verpflichtete mich dazu mit aller Gewalt meine treue Ergebenheit, die ich, hochwürdigster Vater in Christo, Ew. Kurfürstlichen Gnaden zu leisten mich schuldig erkenne. Darum haltet Euch nicht zu gut, ein gnädig Auge auf mich zu haben, der ich Erde und Asche bin, und mein Begehr nach Eurer bischöflichen Gnade zu deuten.

Es wird im Land umhergeführt der päpstliche Ablaß unter Ew. Kurfürstlichen Gnaden Namen zum Bau von Sankt Peter. Ich will dabei gar nicht über der Ablaßprediger großes Geschrei Klage führen, das ich nicht gehört habe. Aber ich beklage die falsche Auffassung, die das arme, einfältige, grobe Volk daraus entnimmt und die jene Prediger allenthalben marktschreierisch rühmen. Denn die unglücklichen Seelen glauben infolgedessen, wenn sie nur Ablaßbriefe lösen, seien sie ihrer Seligkeit sicher; weiter glauben sie, daß die Seelen ohne Verzug aus dem Fegefeuer fahren, sobald man für sie in den Kasten einlege; diese Ablaßgnade sei ferner so kräftig, daß keine Sünde so groß sein könne, daß sie nicht erlassen und vergeben werden könnte, und hätte einer selbst (das sind ihre Worte) die Mutter Gottes geschändet; endlich soll der Mensch durch diesen Ablaß frei und los werden von aller Pein und Schuld.

Ach, lieber Gott, so werden die Eurer Sorge anvertrauten Seelen, teurer Vater, zum Tode unterwiesen, und so wächst immer die schwere Verantwortung, die Ihr über sie alle werdet ablegen müssen. Darum habe ich nicht länger davon schweigen können. Denn der Mensch wird durch keines Bischofs Geschenk seiner Seligkeit gewiß, da er ihrer ja nicht einmal durch das Geschenk der göttlichen Gnade versichert wird; vielmehr befiehlt uns der Apostel, allezeit mit Furcht und Zittern an unserm Heile zu arbeiten, und auch der Gerechte wird kaum gerettet werden. Endlich ist der Weg, der zum Leben führt, so enge und schmal, daß der Herr, durch die Propheten Amos und Zacharias die, so da selig werden, nennt einen Brand, der aus dem Feuer gerissen wird, und daß der Herr überall die Schwierigkeit der Erlösung betont.

Warum machen sie also durch falsche Fabeln und Verheißungen vom Ablaß das Volk sicher und ohne Furcht, wo doch der Ablaß den Seelen nichts nützt zu ihrem Heil oder ihrer Heiligkeit, sondern nur die äußerliche Pein wegnimmt, die ehemals nach den Canones auferlegt zu werden pflegte?

Endlich sind die Werke der Gottseligkeit und Liebe unendlich viel besser denn der Ablaß, und doch predigt man sie weder mit solcher Pracht, noch mit so großem Fleiß, ja der Ablaßpredigt zuliebe wird von ihnen geschwiegen, und doch ist es aller Bischöfe vornehmliches und alleiniges Amt, zu sorgen, daß das Volk das Evangelium und die Liebe Christi lerne. Nirgends hat Christus befohlen, den Ablaß zu predigen; aber das Evangelium zu predigen hat er nachdrücklich befohlen. Welche Schande für einen Bischof, und überdies, wie gefährlich ist es für ihn, wenn er für das Evangelium kein Wort übrig hat und bloß den Ablaßlärm in sein Volk ausgehen läßt und sich darum mehr bekümmert als um das Evangelium! Wird nicht Christus zu ihnen sagen: „Ihr seihet Mücken und verschluckt Kamele“?

Ja noch mehr, hochwürdigster Vater in dem Herrn. In der Instruktion der Kommissare, die unter Eurem Namen ausgegangen ist, heißt es – ohne Zweifel, hochwürdigster Vater, ohne Euer Wissen und Euren Willen – „eine der vornehmsten Gnaden sie dieses unschätzbare Geschenk Gottes, dadurch der Mensch mit Gott versöhnt und alle Strafen des Fegfeuers ausgetilgt werden“; auch Reue hätten die nicht nötig, die Ablaß oder Beichtprivilegien erwürben.

Hochwürdigster Bischof und durchlauchtigster Kurfürst! So bitte ich denn Euer Hochwürden durch den Herrn Jesum Christum, doch die Sache Eurer väterlichen Sorge und Aufmerksamkeit zu würdigen, das genannte Büchlein völlig zu beseitigen und den Ablaßpredigern eine andere Predigtweise zu befehlen. Sonst könnte schließlich jemand aufstehen und etwas veröffentlichen, was jene Leute und jenes Büchlein widerlegte, zur höchsten Schmach Eurer durchlauchtigsten Hoheit. Davor aber bange ich gar sehr, und doch muß ich es besorgen, wo der Sache nicht eilend Rat wird.

Diesen treuen Dienst meiner Armseligkeit wollen Ew. durchlauchtigste Gnaden würdigen, ebenso fürstlich und bischöflich, das heißt huldvoll, anzunehmen, wie ich ihn in Treue und ganzer Ergebenheit gegen Ew. Hochwürden erzeige. Denn auch ich bin ein Schäflein Eurer Herde. Der Herr behüte und bewahre Ew. Hochwürden in Ewigkeit. Amen. Wittenberg am Abend vor Allerheiligen im Jahre 1517.

So es Ew. Hochwürden gefällig ist, könnt ihr meine beiliegenden Streitsätze ansehen und daraus ersehen, wie ungewiß die Auflassung des Ablasses ist, obwohl die Ablaßprediger sich einbilden, sie wäre ganz ausgemacht.

Euer unwürdiger Sohn
Martinus Luther, Augustiner, berufener Doktor
der h. Theologie

Quelle:
Alfred Läpple Kirchengeschichte in Dokumenten, Patmos-Verlag Düsseldorf, 1958