Calvin, Jean – An Christophe Fabri in Bole.

Christophe Fabri, genannt Libertetus, von Vienne war zuerst Mediziner, dann Pfarrer in Neuchatel, Boudry und Bole, dann in Thonon (Savoyen), später wieder in Neuchatel. Pierre Robert, genannt Olivetanus, ließ Juni 1535 eine französische Bibelübersetzung mit einer Vorrede Calvins erscheinen; zu einer Sonderausgabe des Neuen Testaments hatte Calvin seine Korrektur versprochen.
Das Pseudonym LVCANIVS ist zusammengestellt aus den Buchstaben CALVINVS. Die Nachschrift ist um eine unverständliche Notiz gekürzt.

Arbeit an Olivetanus Bibelübersetzung. Über Calvins Traktat von der Unsterblichkeit der Seele.

Als mir Olivetanus kurz vor seiner Abreise schrieb, er habe den Plan einer Sonderausgabe des Neuen Testaments aufgeschoben, schien es mir, ich könne auch die Korrektur, die ich ihm versprochen, zu anderer Zeit in Gemächlichkeit vornehmen. Sicher in diesem Gedanken habe ich mich unterdessen andern Arbeiten hingegeben, oder eher, habe ich ruhig in meiner bisherigen Untätigkeit gelebt. Jedenfalls habe ich noch nicht Hand an das Werk gelegt. Ja sogar der Band, den ich zur Vergleichung brauche, ist noch nicht einmal gebunden, obwohl ich ihn schon vor einem Vierteljahr erhielt. Das liegt freilich nicht daran, dass es mir unwichtig wäre, sondern teils an der Faulheit des Buchbinders, den ich unaufhörlich Tag für Tag mahne, teils auch daran, dass, als ich das Buch bekam, sechs Blätter fehlten, die nicht sogleich ergänzt werden konnten. Künftig werde ich aber dafür sorgen, mir jeden Tag eine Stunde abzuschneiden, die dieser Arbeit gewidmet sein soll. Meine Bemerkungen, wenn ich solche zu machen habe, werde ich niemand als dir anvertrauen, wenn dir nicht Olivetanus selbst durch seine Rückkehr zuvorkommt.

Neulich wurde mir, ich weiß nicht mehr von wem, in deinem Auftrag gesagt, in meinem Büchlein von der Unsterblichkeit der Seele gefalle dir Einiges nicht ganz. Weit entfernt, durch dein Urteil beleidigt zu sein, freue ich mich vielmehr über diese aufrichtige Ehrlichkeit. Denn ich bin nicht so eigensinnig, dass ich mir ein freies Urteil gestatte und es andern nicht erlauben wollte. Damit du dich aber nicht umsonst plagst, so wisse, dass ich das Buch fast vollständig umgearbeitet habe. Freilich nicht durch viele Zutaten oder Streichungen, sondern durch gerade umgekehrte Anordnung des Stoffes, obschon ich auch etwas Weniges wegließ, Anderes zufügte und Einiges änderte. Denn die Abhandlung, die ich Olivetanus zu lesen gab, enthielt meine Gedanken mehr nur im Konzept angehäuft, als in bestimmter klarer Ordnung verteilt, wenn auch eine gewisse formelle Ordnung da war. Das neue Buch (so darf mans nennen) hätte ich dir schon geschickt, wenn ich es selbst schon überlesen hätte. Aber ich habe es, seit Gaspard es abgeschrieben hat, noch nicht angesehen. Lebwohl. Der Herr behüte dich und mache dich reich durch seine Geistesgaben.

Basel, den 11. September.

Dein Martianus Lucanius.

Ich weiß nicht, wie mir beim Schreiben entfiel, was ich besonders sagen wollte, nämlich dich und deine Kollegen mit wenig Worten, aber von ganzem Herzen zu mahnen, nach Frieden zu streben. Je mehr Satan darauf passt, ihn zu stören, umso eifriger müsst ihr danach ringen, ihn festzuhalten. – – – Fehle du hier an deinem Teil nur nicht. Dass du das von dir aus nicht tust, traue ich dir zu, aber ich wollte dich doch auch noch drum bitten.

Calvin, Jean – An den König Franz I. von Frankreich.

In Basel ließ Calvin sein Hauptwerk, die Institutio religionis Christianae, erscheinen und schrieb dazu folgende Dedikationsepistel an Franz I.

Verteidigung der Evangelischen und ihres Glaubens.

Dem großmächtigen, durchlauchtigsten Herrscher Franz, allerchristlichstem König der Franzosen, seinem Fürsten und Herrn, wünscht Johannes Calvin Frieden und Heil in Christo.

Als ich zuerst Hand an dieses Werk legte, dachte ich an nichts weniger, erlauchtester König, als daran, etwas zu schreiben, was nachher Ihrer Majestät dargebracht werden sollte. Das allein hatte ich im Sinn, einige Grundbegriffe darzubieten, in denen Alle zu wahrer Frömmigkeit herangebildet werden könnten, die von einem religiösen Sehnen ergriffen sind. Allermeist für unsere Franzosen habe ich mich dabei angestrengt. Dass unter ihnen sehr Viele nach Christo hungern und dürsten, merkte ich, aber nur ganz Wenige sah ich, die auch nur mit geringer Erkenntnis Christi ordentlich getränkt waren. Mein Werk selbst bezeugt, was mein Vorsatz war: denn es ist geschrieben, einfache, ungebildete Leute zu belehren. Da ich aber merkte, wie in Ihrem Reiche die Unvernunft einiger arger Menschen so mächtig wurde, dass kein Raum mehr ist für die gesunde Lehre, da schien es mir der Mühe wert, mit demselben Werke zugleich den einfachen Leuten Unterweisung zu geben und vor Ihnen ein Bekenntnis abzulegen, damit Sie die Lehre kennen lernen, gegen die jene Unvernünftigen in solcher Wut entbrannt sind, dass sie heutzutage mit Feuer und Schwert Ihr Reich in Unruhe bringen. Denn ich scheue mich nicht, zu bekennen, dass ich in diesem Werk geradezu die Hauptsache der Lehre behandle, von der die Feinde schreien, mit Kerker, Acht und Bann, ja mit dem Feuertod sei sie zu bestrafen, zu Wasser und zu Land müsse man sie ausrotten. Ich weiß wohl, im welchen entsetzlichen Anklagen Man Ihr Ohr und Herz erfüllt hat, um Ihnen unsere Sache ganz verhasst zu machen, aber in Ihrer Güte müssen Sie doch erwägen: wenn die Anklage genügt [eine Sache zu verurteilen], so kann weder in Worten noch in Taten irgendwie die Unschuld bestehen. Gewiss, wenn Ihnen jemand, um Sie gegen uns einzunehmen, darlegt, die Lehre, von der ich Ihnen Rechenschaft abzulegen wage, sei ja bereits durch die Stimmen aller Stände verurteilt, durch viele gerichtliche Urteile zu Schanden gemacht, so sagt er damit nichts Anderes, als dass unsere Lehre teils durch die Parteimacht unserer Gegner mit Gewalt niedergeworfen, teils durch Lügen, Ränke und Verleumdung hinterlistig und betrügerisch unterdrückt worden ist. Denn Gewalttat ist es, dass man Bluturteile über unsere Sache fällt, ohne sie zu kennen; Betrug ist es, dass man uns, ohne dass wirs verdienen, verschwörerischer Übeltat beschuldigt. Damit nicht jemand glaube, zu Unrecht beklagten wir uns darüber, so können Sie selbst, edelster König, uns bezeugen, ob nicht täglich vor Ihnen von unserer Sache mit lügenhafter Verleumdung berichtet wird, sie habe kein anderes Ziel, als den Königen das Zepter zu entwinden, alles Recht und Gericht über den Haufen zu werfen, alle ständische und politische Ordnung zu stürzen, Frieden und Ruhe des Volkes zu stören, alle Gesetze aufzuheben, alle Herrschaft und Besitz zu zerstückeln, kurz alles drunter und drüber zu bringen. Und doch hören Sie in der Tat nur das Geringste. Denn entsetzliche Dinge werden unter dem Volk [über unsere Lehre] verbreitet. Wären sie wahr, die ganze Welt müsste mit Recht diese Lehre und ihre Urheber verurteilen als wert des tausendfachen Kreuzes- und Feuertodes. Wer kann sich wundern, dass der Hass der Menge gegen unsere Sache entflammt ist, wo man so feindseliger Anschuldigung glaubt? Das ist der Grund, weshalb man über uns und unsere Lehre Verdammung einmütig denkt und handelt. Von dieser Leidenschaft erfasst, sprechen die Richter die Vorurteile, die sie von Hause mitbrachten, als Urteile aus, und glauben schon dann ihre Pflicht in aller Ordnung getan zu haben, wenn sie niemand aufs Schaffot führen lassen, es sei denn, er sei durch eigenes Bekenntnis oder durch kräftige Zeugenaussagen überführt. Welches Verbrechens überführt? Nun eben, sagen sie, dieser schon im Voraus verdammten Lehre. Und mit welchem Rechte verdammt? Es wäre doch eben das Wesen der Verteidigung, diese Lehre nicht zu verleugnen, sondern sie als die wahre zu erweisen. Aber so wird auch die Möglichkeit, davon auch nur das leiseste Wörtlein zu sagen, uns abgeschnitten.

Daher ists keine unbillige Forderung von mir, dass Sie, unbesiegter König, volle Kenntnis unserer Sache erhalten, die bisher nur verwirrt und ohne alle Rechtsordnung, mehr mit ohnmächtigem heißen Hass als mit dem gesetzlich sich ziemendem Ernste behandelt, oder besser in jeder Weise übertrieben worden ist. Glauben Sie aber nicht, dass ich dabei an die Verteidigung meiner Person allein dächte, um freie Rückkehr ins Vaterland für mich zu erlangen. Wenn ich ihm schon anhänge mit aller einem Menschen ziemenden Liebe, so kann ich es, wie die Verhältnisse jetzt sind, ohne große Beschwerde entbehren. Vielmehr die gemeinsame Sache aller Frommen, ja die Sache Christi selbst führe ich, die in Ihrem Reiche ganz zerrissen und zertreten, wie verloren daliegt, und das weit mehr durch die Tyrannei gewisser Pharisäer als mit Ihrem Wissen. Darzustellen, wie das gekommen ist, nützt nichts; gewiss ist, dass sie darnieder liegt. Denn das haben die Gottlosen erreicht, dass die Wahrheit Christi, wenn sie nicht, vertrieben und zerstreut, hinstirbt, doch wie begraben und unbeachtet bleibt, dass die arme, kleine Kirche entweder durch grausames Morden weggerafft ist, oder in die Verbannung gejagt, oder durch Drohen und Schrecken mutlos gemacht, den Mund nicht mehr aufzutun wagt. Und auch jetzt noch stemmen sie sich mit ihrer gewohnten, unsinnigen Wut fest gegen die schon wankende Mauer und werfen sich noch auf die Trümmer, die ihr Werk sind. Keiner tritt dabei hervor und hält solchem Wüten seine Verteidigung entgegen. Es sei denn, dass Solche, die der Wahrheit besonders günstig scheinen wollen, meinen, man müsse dem unvorsichtigen Irrtum unerfahrener Leute verzeihen. So reden diese bescheidenen Leute; unvorsichtigen Irrtum nennen sie, was sie wohl kennen als die sicherste Wahrheit Gottes; unerfahrene Leute heißen sie die, deren Geist Christo doch nicht so verächtlich gewesen sein muss, da man wohl sieht, dass er diese Leute der Geheimnisse seiner himmlischen Weisheit wert erachtet hat. So sehr schämen sich alle des Evangeliums. Ihre Sache aber ist es, huldreichste königliche Majestät, Ohren und Herz nicht abzuwenden von einer gerechten Verteidigung, besonders da es sich um etwas so Wichtiges handelt, nämlich, wie Gottes Ehre auf Erden unverletzt bleiben soll, wie Gottes Wahrheit ihre Würde behalten soll, wie Christi Reich ihm wohl gefügt und geschützt unter uns bleiben soll. Die Sache ist wert Ihres Gehörs, wert Ihrer Kenntnis, wert Ihres Schiedsspruchs. Wenn wenigstens die Überzeugung einen wahren König ausmacht, dass er sich als Gottes Diener erkennt in der Verwaltung seines Reiches. Denn der ist nicht König, sondern ein Räuber, der nicht zu dem Zweck regiert, dass er damit Gottes Ehre diene. Ferner betrügt sich sehr, wer langes Glück erwartet für sein Reich, wenn es nicht mit Gottes Zepter, d. h. seinem heiligen Wort, regiert wird; da nicht hinfallen wir die göttliche Prophezeiung, in der es heißt: Wenn die Weissagung aus ist, so würde das Volk wild und wüste. (Spr. Sal. 29, 18.) Von dem Bestreben [uns gerecht zu werden], darf Sie die Verachtung unseres geringen persönlichen Wertes nicht abhalten. Wir sind uns freilich wohl bewusst, wie armselige und verworfene Menschlein wir sind: vor Gott arme Sünder, im Ansehen der Menschen ganz verächtlich, wenn man will, der Abschaum und der Auswurf der Welt, oder wenn einen noch geringern Namen findet; so dass nichts bleibt, mit dem wir uns vor Gott rühmen könnten, es sei denn allein seiner Barmherzigkeit, die wir zur Hoffnung unserer ewigen Seligkeit ohne all unser Verdienst erlangt haben; bei den Menschen aber bleibt so wenig an uns (es sei denn an unserer Schwäche), dass es nur anzudeuten schon die höchste Schande ist. Aber unsere Lehre muss über allen Ruhm der Welt erhaben, von keiner Macht übertroffen stehn, weil sie nicht unser ist, sondern des lebendigen Gottes und Christi, den der Vater zum König gemacht hat, dass er herrsche von einem Meer zum andern und von den Flüssen bis an die Enden der Erde. Und so herrscht er auch, dass er die ganze Erde mit eisernem Stab und mit der Kraft seines Erzes, mit dem Glanz seines Goldes und Silbers, mit dem Stab seines Mundes schlägt und zerbricht wie irdene Töpfe, wie von der Herrlichkeit seines Reiches geweissagt haben die Propheten (Dan. 2, 34 ff., Jes. 11, 4, Ps. 29).

Die Gegner geben aber vor, fälschlich nähmen wir Gottes Wort für uns in Anspruch, ja, wir seien seine schlimmsten Verderber. Ob das aber nicht bloß boshafte Verleumdung, sondern sogar unerhörte Unverschämtheit sei, können Sie nach Ihrer Weisheit beim Lesen unseres Bekenntnisses selbst beurteilen. Doch ist ein Weniges auch hier davon zu sagen, was Ihnen zu diesem Lesen den Weg ebnen kann. Paulus, der wollte, dass alle Prophezeiung dem Glauben gemäß sei (Röm. 2, 7), hat damit den allergenauesten Maßstab gegeben, an dem die Auslegung der Schrift gemessen werden soll. Wenn man also nach dieser Norm des Glaubens von uns Rechenschaft fordert, so ist der Sieg in unseren Händen. Denn was passt besser und genauer zum Glauben, als zu erkennen, dass wir aller Tugend bloß seien, damit Gott uns bekleide? leer an allem Guten, damit er uns fülle? wir Knechte der Sünde, damit er uns freimache? wir blind, damit er uns Licht gebe? wir lahm, damit er uns gehen lehre? wir gebrechlich, damit er uns stütze? uns aller Stoff zum Rühmen genommen, damit er allein hoch gerühmt sei und wir uns seiner rühmen? Da wir solches und ähnliches sagen, wenden die Gegner ein und beklagen sich, dadurch würden umgestürzt irgendeine dunkle so genannte natürliche Erleuchtung, erfundene Vorbereitung aufs Gute, freier Wille und zum Seelenheit verdienstliche Werke, samt ihren Überverdienstlichkeiten, weil sie es nicht ertragen können, dass das Lob und der Ruhm alles Guten, aller Tugend, Gerechtigkeit und Weisheit bei Gott allein bleibe. Und doch lesen wir nicht, dass die getadelt werden, die allzu viel aus dem Quell des lebendigen Wassers geschöpft haben, wohl aber werden die hart gescholten, die sich selbst Brunnen gegraben haben, löcherige Brunnen, die kein Wasser halten können (Jer. 2, 13). Wiederum was kann besser zum Glauben stimmen, als sich getrösten, Gott sei unser gnädiger Vater, da wir Christum erkannt haben als Bruder und Versöhner? als alles Heil und Glück fest von dem zu erwarten, dessen unsagbar große Liebe zu uns so weit gegangen ist, dass er seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns dahingegeben (Röm. 8, 32)? als in sicherer Erwartung des Heils und ewigen Lebens Ruhe zu halten, daran denkend, dass uns Christus vom Vater gegeben ist, in dem solche Güter verborgen sind? Da legen sie nun Hand an uns und schreien, solche Glaubenssicherheit sei Anmaßung und Vermessenheit. Aber da wir uns nichts zumessen, Gott aber Alles, werden wir dadurch nicht alles eiteln Selbstruhms beraubt, bloß damit wir lernen, uns Gottes zu rühmen? Was weiter? Gehen Sie, tapferster König, alle Teile unserer Sache durch, und halten sie uns für schlimmer als irgendeine Rotte von Frevlern, wenn Sie nicht deutlich erkennen, dass wir deshalb leiden müssen und geschmähet werden, weil wir unsere Hoffnung gesetzt haben auf den lebendigen Gott (1. Tim. 4, 10); weil wir geglaubt haben, das sei das ewige Leben, erkannt zu haben den einen wahren Gott und den er gesandt hat, Jesum Christum (Joh. 17, 3). Um dieser Hoffnung willen werden die Einen von uns in Fesseln geschlossen, Andere mit Ruten geschlagen, Andere schimpflich durch die Straßen geführt, Andere verbannt, Andere entsetzlich gefoltert, Andere müssen flüchtend entrinnen. Mangel an allen Dingen drückt uns, mit fürchterlichen Bannsprüchen verwünscht man uns; mit Flüchen zerfleischt man uns; auf die unwürdigste Weise behandelt man uns. Blicken Sie auf unsere Gegner (vom Stand der Priester rede ich, auf deren Wink und Urteil hin andere Leute Feindschaft üben wider uns) und rechnen Sie mit mir ein wenig, welcher Eifer diese Leute treibt. Die wahre Religion, wie sie in der Schrift überliefert ist und unter Allen feststehen sollte, nicht zu kennen, zu vernachlässigen, ja zu verachten, das erlauben sie sich und Andern leichthin. Wenig mache es aus, meinen sie, was ein jeder von Gott und Christo halte oder nicht halte, wenn er nur mit dem so genannten im Großen und Ganzen annehmenden Glauben seinen Geist dem Urteil der Kirche unterwerfe. Auch bewegt es sie nicht sehr, wenn Gottes Ehre mit deutlicher Lästerung befleckt wird, wenn nur Niemand einen Finger rührt gegen den Primat des apostolischen Stuhls und die Autorität der heiligen Mutter Kirche. Warum denn führen sie mit solcher Wut und Schärfe den Kampf für die Messe, das Fegefeuer, die Wallfahrten und andere Säckelchen der Art und sagen, es gebe keine reine Frömmigkeit ohne das? um den sozusagen sehr ins Einzelne gehenden Glauben an diese Dinge, da sie doch keins davon aus Gottes Wort beweisen können? Warum? Nur darum weil ihr Gott der Bauch ist, die Küche ihre Religion. Nimmt man ihnen die, so glauben sie, sie seien keine Christen, ja nicht einmal mehr Menschen. Denn wenn auch die Einen üppig in sich schlingen, die Andern aber von magern Brotkrüstlein sich nähren, so leben sie doch aus einem Topf, der ohne jenen Wärmestoff kalt würde, ja ganz einfröre. Daher, so sehr Einer von ihnen um seinen Bauch besorgt ist, so scharf wird er erfunden im Kampf für seinen Glauben. Zu dem Einen streben sie schließlich Alle hin, dass sie ihre Herrschaft vermehrt, ihren Bauch wohl gefüllt erhalten; keiner gibt auch nur das geringste Zeichen wahren Eifers. So hören sie denn nicht auf unsere Lehre anzugreifen, und mit allen möglichen Namen zu beschuldigen und zu beschimpfen, um sie verhasst oder verdächtig zu machen. Neu nennen sie sie und eben erst geboren. Sie tadeln, sie sei zweifelhaft und ungewiss. Sie wünschen Bescheid, mit welchen Wundern sie bekräftigt sei. Sie fragen, ob es recht sei, dass sie die Oberhand bekomme gegen die Übereinstimmung so vieler heiliger Kirchenväter und uralte Gewohnheit. Sie drängen, wir müssten bekennen, unsere Lehre sei schismatisch, da sie gegen die Kirche kämpfe, oder die Kirche müsste tot gewesen sein in den langen Jahrhunderten, in denen man nichts Solches gehört habe. Schließlich sagen sie, es brauche gar nicht so viele Gründe; was unsere Lehre sei, könne man an den Früchten erkennen, da sie ja einen solchen Haufen von Sekten, solche Unruhe und Aufstände, solche Freiheit zu jedem Laster erzeugt habe. Es ist ihnen nämlich überaus leicht, bei der leichtgläubigen unerfahrenen Menge herzufahren über unsere verlassene Sache; hätten wir aber das Gegenrecht, auch einmal zu sprechen, die Schärfe hätte bald ausgetobt, mit der sie gegen uns mit vollen Backen und so frech und straflos schäumen.

1. Zuerst, wenn sie unsere Lehre neu nennen, beleidigen sie Gott schwer, dessen heiliges Wort es nicht verdient hat, der Neuheit beschuldigt zu werden. Dass sie denen aber neu ist, denen auch Christus neu und das Evangelium neu ist, das bezweifle ich gar nicht; wer aber wusste, dass es die Predigt des Paulus war, dass Jesus Christus gestorben ist um unsrer Sünde willen, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt (Röm. 4, 25), der findet bei uns nichts neues. Dass das so lange unbekannt und begraben war, ist die Schuld der menschlichen Gottlosigkeit; nun da es Gott uns durch seine Güte zurückgibt, sollte es doch von rechtswegen sein hohes Alter geltend machen dürfen.

2. Aus derselben Quelle ihrer Unwissenheit fließt es, wenn sie unsere Lehre für zweifelhaft und ungewiss halten. Das ists ja, worüber sich der Herr durch seine Propheten beklagt; ein Ochse kenne seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber sein Volk kenne ihn nicht (Jes. 1, 3). Aber wenn die, die nun über die Ungewissheit unserer Lehre spotten, einmal ihre Sache mit ihrem Blut und Leben versiegeln müssten, da könnte man sehen, was von ihrer Seite geschähe. Ganz anders aber ist unser Vertrauen [auf unsere Lehre]; das scheut weder die Schrecken des Todes noch sogar Gottes Gericht.

3. Dass man Wunder von uns verlangt, ist unbillig. Denn nicht ein neues Evangelium prägen wir, sondern gerade das alte halten wir fest, dessen Wahrheit zu bezeugen uns alle Wunder dienen, die je Christus und die Apostel getan haben. Allerdings das haben sie vor uns voraus, dass sie ihren Glauben bestätigen können mit fortwährenden Wundern bis auf den heutigen Tag. Oder besser, sie bringen Wunder vor, die einen sonst wohlgeordneten Verstand ins Wanken bringen können, so abgeschmackt und lächerlich oder so eitel und verlogen sind sie. Und doch, auch wenn sie tatsächlich sehr wunderbar wären, dürften sie Gottes Wahrheit gegenüber nichts bedeuten; da ja Gottes Namen überall und immer geheiligt werden soll, ob durch Wunder oder durch natürliche Ordnung der Dinge. Ihr Wunderschwindel hätte vielleicht noch ein besseres Ansehen, wenn uns nicht die Schrift an das Aufhören und den rechten Brauch der Wunder erinnerte. Denn Markus lehrt (16, 20), dass die Zeichen, die die Predigt der Apostel begleiteten, eben nur zur Bestätigung dieser Predigt geschehen sind; ebenso erzählt Lukas: der Herr bezeugte das Wort seiner Gnade und ließ Zeichen und Wunder geschehen durch der Apostel Hände (Ap.Gesch. 14, 3). Ganz ähnlich lautet das Wort des Apostels, das Heil sei nach Verkündigung des Evangeliums bestätigt worden durch das Zeugnis des Herrn mit Zeichen, Wundern und mancherlei Kräften (Hebr. 2, 4). Was wir also hier hören von Siegeln des Evangeliums, dürfen wir das einfach umkehren zur Zerstörung des Glaubens ans Evangelium? Dürfen wir, was zur Versiegelung der Wahrheit bestimmt war, brauchen zur Bestätigung von Lügen? Vielmehr ziemt es sich doch, zuerst die Lehre, von der das Evangelium sagt, sie gehe vor, zu prüfen und zu erforschen; ist die bewährt erfunden, dann erst darf man mit Recht an die Bestätigung durch Wunder glauben. Alle gute Lehre hat aber nach Christi Wort das Kennzeichen, ob sie Gottes oder Menschen Ehre sucht (Joh. 7, 8 und 8, 50). Da Christus das als Bewährung der Lehre angibt, sind die Wunder für nichts zu achten, die anders als zur Verherrlichung des Namens des einen Gottes angeführt werden. Auch müssen wir uns wohl erinnern, dass auch der Satan Wunder tut; wenns auch eher Blendwerke sind, als wahre Kräfte, so sind sie doch der Art, dass sie unvorsichtige, unerfahrene Leute zum Besten haben. Zauberer und Beschwörer sind immer berühmt gewesen durch Wunder; staunen erregende Wunder haben dem Götzendienst Nahrung geboten, und doch ist durch sie für uns weder der Aberglaube der Zauberer noch der Götzendiener bewiesen. Auch haben einst die Donatisten mit dem Sturmbock die Einfalt des Volkes erschüttert, dass sie stark waren in Wundern. Genau dasselbe können wir also unsern Gegnern erwidern, was damals Augustin den Donatisten (Komm. zu Joh. 13), Gott habe uns gegen diese Wundertäter vorsichtig gemacht mit der Weissagung: es werden falsche Propheten aufstehen mit falschen Zeichen und mancherlei Wundern, dass verführet werden in den Irrtum (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten (Matth. 24, 24). Und Paulus erinnert daran, dass das Reich des Antichrists kommen werde mit aller Macht, mit Zeichen und lügenhaften Wundern (2. Thess. 2, 9). Aber, wendet man uns ein, diese Wunder sind doch nicht gewirkt von Götzenbildern, noch von Hexenmeistern, noch von falschen Propheten, sondern von Heiligen. Als ob wir nicht wüssten, dass das eben Satans Kunst ist, sich zu verstellen in einen Engel des Lichts (2. Kor. 11, 14). Die Ägypter haben einst dem bei ihnen begrabenen Jeremias mit Opfern und anderen göttlichen Ehren gedient (Hieronymus im Vorwort zu Jer.); haben sie damit nicht einen heiligen Propheten Gottes zum Götzendienst missbraucht? und doch erreichten sie durch solche Verehrung des Prophetengrabes, dass sie Heilung von Schlangenbissen als gerechten Lohn dafür zu empfangen meinten. Was sollen wir dazu sagen? Nichts anderes, als dass das immer Gottes gerechte Strafe war, dass er denen, die die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, kräftige Irrtümer sandte, dass sie glauben der Lüge (2. Thess. 2, 11). Also fehlen uns die Wunder keineswegs, und dazu sichere und keinem Spott unterworfene. Was aber unsere Gegner für sich vorgeben, sind die reinen Blendwerke des Satans, wenn sie das Volk vom wahren Dienste seines Gottes zur Eitelkeit verführen.

4. Außerdem stellen sie uns nur verleumderischer Weise die Kirchenväter entgegen (ich verstehe darunter die Schriftsteller der alten, noch besseren Zeit), als ob diese ihre Gottlosigkeit befürworteten. Wollte man den Kampf mit diesen Autoritäten ausfechten, der Sieg bliebe meistenteils (um mich ganz bescheiden auszudrücken) auf unserer Seite. Aber während von jenen Vätern manches ausgezeichnet und weise gesagt ist (in Manchem ging es allerdings auch ihnen nach Menschenart), so verehren diese frommen (man dürfte sagen) Söhne, nach ihrer Geistesart und der Geschicklichkeit ihres Urteils und Verstandes, bloß die Fehler und Irrtümer der Väter; was diese aber Richtiges sagen, befolgen sie nicht, oder verhehlen und verdrehen es. Man könnte beinahe sagen, ihre einzige Sorge sei, aus dem Gold den Dreck zu lesen. Dann werfen sie uns mit lügenhaftem Geschrei vor, wir seien Verächter und Gegner der Väter. Wir sind aber soweit entfernt davon, sie zu verachten, dass es mir, wenn ich es mir gerade vorgenommen hätte, möglich wäre, ohne Mühe die Mehrzahl unserer heutigen Behauptungen mit Worten der Kirchenväter zu belegen. Aber so sind wir in ihren Schriften zu Hause, dass wir uns dabei stets in Erinnerung halten, (1. Kor. 3, 21 – 23) dass Alles unser ist, uns zu dienen, nicht über uns zu herrschen, wir aber Christi allein, dem wir in Allem ohne Ausnahme gehorchen müssen. Wer nicht diesen Kanon innehält, hat nichts Festes in seiner Religion, da jene heiligen Männer Manches nicht wussten, oft unter sich uneins sind, manchmal sogar sich selbst widersprechen. Man wendet ein, nicht ohne Grund mahne uns Salomo (Spr. 22, 28), die alten Grenzen, die uns unsere Väter gesetzt, nicht zu überschreiten. Aber es gilt doch nicht dieselbe Regel für Ackergrenzen und Glaubensgehorsam, von dem der Vergleich gelten muss: vergiss deines Volkes und deines Vaters Haus (Ps. 45, 11). Wenn sie aber so sehr danach verlangen, die Stelle allegorisch auszulegen, warum wenden sie es dann nicht lieber statt auf beliebige andere Kirchenväter auf die Apostel an, dass es Unrecht sei, die von denen gesetzten Grenzsteine zu verrücken? So hats doch auch Hieronymus ausgelegt, dessen Worte für sie als Richtschnur gelten. Meinetwegen aber, wenn sie wollen, die Grenzlinien der von ihnen als Kirchenväter Angesehenen sollten fest bleiben, warum überschreiten sie selbst denn, so oft es ihnen beliebt, diese Grenzen ganz willkürlich? Von den Kirchenvätern hat einer gesagt, unser Gott esse und trinke nicht und brauche deshalb keine Kelche und Schüsseln; ein Anderer, was heilig sei, trachte nicht nach Gold, noch habe es an Gold Gefallen, noch sei es mit Gold zu erkaufen. Unsere Gegner überschreiten also diese Grenze, wenn sie im Heiligtum solche Freude haben an Gold, Silber, Elfenbein, Marmor, Edelsteinen und Seide, und Gott nicht ordentlich zu dienen glauben, wenn nicht alles von Luxus überfließt. Ein Kirchenvater wars, der gesagt hat, eben deshalb beliebe es ihm, Fleisch zu essen an dem Tag, da Andere fasteten, weil er ein Christ sei. Daher überschreiten sie diese Grenze, wenn sie jede Seele in die Hölle verdammen, die in der Fastenzeit Fleisch gekostet hat. Kirchenväter waren es, von denen einer gesagt hat, ein Mönch, der nicht mit seinen Händen arbeite, sei einem Gewalttätigen gleich; ein anderer, es sei den Mönchen nicht erlaubt, von fremdem Gut zu leben, auch wenn sie fleißig seien zur Betrachtung, zum Gebet, zum Studium. Auch diese Grenze haben sie überschritten, da sie faule, feiste Mönchsbräuche in Häusern der Unzucht ansiedelten, die sich von fremdem Gut mästen. Ein Kirchenvater wars, der gesagt hat, es sei grauenhaft und abscheulich, ein Bild Christi oder irgendeines Heiligen gemalt zu sehen in den Tempeln der Christen. Weit entfernt, sich in diesen Grenzen zu halten, haben sie keinen Winkel von Bildern leer gelassen. Ein anderer Kirchenvater hat geraten, wenn man am Grabe die Liebespflicht gegen die Toten erfüllt habe, sollte man sie ruhen lassen. Diese Grenzen durchbrechen sie, wenn sie unaufhörliche Sorge um die Toten erregen. Von den Kirchenvätern ist einer, der bezeugt, dass beim Abendmahl die Substanz von Brot und Wein dieselbe bleibe und nicht aufhöre, wie im Herrn Christo die Substanz und Natur eines Menschen bleibe neben der göttlichen. So haben also die das Maß überschritten, die angeben, es verschwinde die Substanz von Brot und Wein, sobald die Worte des Herrn verlesen würden, dass sie in Leib und Blut verwandelt würden. Kirchenväter waren es, deren einer befahl, es seien überhaupt vom heiligen Abendmahl Christi auszuschließen Alle, die sich mit dem Genuss unter einerlei Gestalt begnügten und sich der andern enthielten, und ein anderer kämpft tapfer dafür, dass man dem Christenvolk das Blut seines Herrn nicht entziehe, dass doch gemäß seinem eignen Wort befohlen sei, sein Blut auszuteilen. Auch diese Grenzsteine haben sie verrückt, da sie durch ein unverletzliches Gesetz eben das befohlen haben, was jener eine Vater mit Abendmahlsausschluss bestrafen wollte, der andere mit gutem Grund bekämpfte. Ein Kirchenvater war es, der sagte, es sei Anmaßung, über eine ungewisse Frage irgendwie zu entscheiden ohne klare und offene Zeugnisse der Schrift. Diese Grenze haben sie auch vergessen, da sie soviel Satzungen, Regeln, Lehrentscheidungen ohne Gottes Wort aufstellten. Ein Kirchenvater wars, der dem Montanus unter andern Ketzereien vorwarf, dass er zuerst Fastengebote gegeben habe. Auch diese Grenze haben sie weit überschritten, da sie Fasten mit den strengsten Gesetzen feststellen. Ein Kirchenvater war es, der sagte, es sei nicht erlaubt, den Kirchendienern die Ehe zu verbieten, und der den Beischlaf mit der eigenen Frau als Keuschheit pries, und Kirchenväter waren es, die seiner Meinung beipflichteten. Diese Marken haben sie überschritten, da sie ihren Priestern die Ehelosigkeit streng anbefahlen. Ein Kirchenvater war es, der meinte, allein auf Christum müsse man hören, von dem gesagt sei: höret ihn; und man dürfe nicht darauf schauen, was Andere vor uns gesagt oder getan hätten, sondern allein darauf, was Christus als der Erste von Allen befohlen habe. Diese Grenze halten sie aber weder für sich selbst fest, noch wollen sie Andern erlauben, sie festzuhalten, da sie beliebige Leute sich und Andern als Lehrer an Christi statt vorgesetzt haben. Alle Kirchenväter haben einmütig verflucht und einstimmig verabscheut, dass das heilige Gotteswort durch Spitzfindigkeiten der Sophisten befleckt und die Hände der Dialektiker hineingezogen werde. Aber halten sich unsere Gegner in diesen Grenzen, die nichts Anderes tun ihr Leben lang, als mit menschlichen Disputationen und mehr als sophistischem Gezänk die Einfachheit der Schrift zu verwirren und verderben? o dass, wenn jetzt die Kirchenväter auferstünden und hörten das, was diese Leute spekulative Theologie nennen, sie nichts weniger glaubten, als dass von Gott gesprochen werde. Aber weiter als es sich ziemte, ergösse sich unsere Rede, wollte ich prüfen, wie leichtsinnig sie das Joch der Väter, deren gehorsame Söhne sie scheinen wollen, sich vom Halse schütteln. Monate und Jahre würden sicherlich dazu nicht reichen. Und von so heilloser und jammervoller Frechheit sind sie, dass sie es wagen, uns zu tadeln, weil wir die alten Grenzen zu überschreiten kein Bedenken trügen.

5. Aber auch wenn sie uns an den Brauch erinnern, erreichen sie nichts. Denn das größte Unrecht geschähe uns, wenn man immer dem Brauche folgen müsste. Gewiss, wenn die Ansichten der Menschen immer richtig wären, hätte man den Brauch bei den Guten zu suchen. Aber es geht doch oft ganz anders zu. Was man Viele tun sieht, erhält bald das Gewohnheitsrecht. Und es waren kaum jemals die menschlichen Verhältnisse so in Ordnung, dass die Mehrheit das Bessere gewollt hätte. So entstand meistens aus den persönlichen Fehlern vieler Menschen ein allgemeines Irren, oder besser ein gemeinsames Übereinstimmen in den Fehlern. Und das soll nun als Gesetz gelten, wollen die guten Leute! Wer Augen hat, sieht, dass mehr als ein Meer von Übeln ausgetreten ist, dass viele bedenkliche Seuchen in die Menschheit eingedrungen sind, ja dass alles Hals über Kopf geht, so dass man entweder an der Menschheit verzweifeln, oder Hand anlegen, ja vielmehr Gewalt brauchen muss gegen solche Not. Und nun wird das Heilmittel abgelehnt aus keinem andern Grund, als weil wir uns längst an das Schlimme gewöhnt haben. Aber mag in der menschlichen Gesellschaft vielleicht [der Brauch], dieser allgemeine Irrtum seinen Platz haben, im Reiche Gottes darf man nur auf Gottes ewige Wahrheit hören und schauen, der keine Reihe langer Jahre, kein Brauch, keine Übereinkunft vorgezogen werden darf. So lehrte einst Jesaias die Auserwählten Gottes, sie sollten nicht überall Übereinstimmung sagen, wo das Volk sage Übereinstimmung (Jes. 8, 12), d. h. mit der sündhaften Einmütigkeit des Volkes sollten sie nicht übereinstimmen, und sollten sich nicht fürchten wie das Volk und sich nicht grauen lassen, sondern den Herrn der Heerscharen heilig halten, und ihn selbst sollten sie fürchten und scheuen. Nun mögen unsere Gegner, wenn sie wollen, vergangene Jahrhunderte und Beispiele der Gegenwart uns vorhalten; haben wir nur den Herrn der Heerscharen heilig gehalten, so schreckt uns das nicht sehr. Denn ob viele Jahrhunderte einmütig waren zur selben Gottlosigkeit, so ist der noch stark, der da heimsucht die Missetat der Väter an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, oder ob die ganze Welt übereinstimme in demselben Frevelmut, so hat er es durch ein Beispiel gezeigt, was das Ende sei der Menschen, die mit der Menge sich vergehen, als er in der Sintflut das ganze Menschengeschlecht vernichtete und allein den Noah und seine kleine Familie erhielt, der ganz allein durch seinen Glauben die ganze Welt verdammte (Hebr. 11, 7). Schließlich ist ein schlechter Brauch nichts anderes als eine Volkseuche und es gehen nicht weniger daran zu Grund, die mit dem Haufen fallen.

6. Auch mit dem Entweder-Oder bringen sie uns nicht sehr in Bedrängnis, mit dem sie uns zu dem Satz bringen wollen: entweder habe die Kirche eine Zeitlang tot gelegen, oder wir stünden jetzt im Streit mit der Kirche. Gelebt hat ganz sicher die Kirche Christi und wird leben, so lange Christus herrscht zur Rechten des Vaters; denn seine Hand hält sie, sein Schutz ist ihre Verteidigung, seine Kraft erhält sie unversehrt. Denn unzweifelhaft wird er halten, was er einst versprochen hat, er werde bei den Seinen bleiben bis an der Welt Ende (Matth. 28, 20). Gegen die Kirche kämpfen wir auch jetzt nicht; denn den einen Gott und Christum unsern Herrn verehren wir einmütig mit allem Volk der Gläubigen und beten ihn an, wie er immer von allen Frommen angebetet worden ist. Aber unsere Gegner selbst weichen nicht wenig von der Wahrheit ab, wenn sie nichts als Kirche anerkennen, als was sie mit ihren leiblichen Augen sehen, und versuchen, sie mit Grenzen zu umfassen, in die sie sich durchaus nicht einschließen lässt. Um diese Punkte dreht sich unser Streit, dass sie erstens behaupten, die Kirche erscheine stets und sei sichtbar in ihrer äußeren Gestalt, und zweitens, dass sie die Gestalt der Kirche festlegen im römischen Stuhl und der Hierarchie ihrer Bischöfe. Wir dagegen behaupten, die Kirche könne bestehen auch ohne sichtbare Gestalt, und jedenfalls sei ihre wahre Gestalt nicht in jenem Prunk, den sie töricht bewundern, sondern in ganz andern Merkmalen enthalten, nämlich in der reinen Predigt des Wortes Gottes und in gesetzmäßiger Verwaltung der Sakramente. Sie murren, wenn man nicht immer mit dem Finger auf die Kirche deuten kann. Aber wie oft war im Judenvolk die Kirche so verunstaltet, dass kein Schein der wahren mehr sichtbar blieb! Dürfen wir glauben, sie habe in sichtbarer Gestalt gestrahlt, als Elias klagte, er allein sei übrig geblieben? (1. Kön. 19, 14). Und seit der Ankunft Christi, wie lange war sie da verborgen ohne äußere Gestalt? Wie oft war sie seit jener Zeit durch Krieg, Aufruhr, Ketzerei so bedrängt, dass sie nirgends hervorleuchtete? Wenn sie nun in solcher Zeit gelebt hätten, hätten sie da geglaubt, es gebe eine Kirche? Aber Elias durfte hören, übrig geblieben seien siebentausend Männer, die ihre Kniee nicht gebeugt hätten vor Baal. Wir dürfen auch nicht daran zweifeln, dass Christus immer auf Erden geherrscht hat, seit er gen Himmel gefahren ist. Wenn aber sie mit ihren frommen Augen eine erkennbare Gestalt der Kirche hätten suchen wollen, wären sie nicht völlig mutlos geworden? Und Hilarius hat das sogar schon seiner Zeit als den größten Fehler vorgehalten, dass sie, in törichter Bewunderung für die Bischofswürde befangen, die giftige Schlange nicht merkte, die unter dieser Maske sich verbarg. Denn er sagt (gegen Auxentius): An das Eine will ich Euch mahnen; hütet Euch vor dem Antichrist: schlimm ists, dass Euch die Liebe zu Mauern erfasst hat, schlimm, dass Ihr die Kirche Gottes als Dächer und Bauten verehrt, schlimm, dass Ihr in solche Dinge den Friedensnamen einschließt! Ist es da noch unklar, dass in diesen Kirchen der Antichrist sitzen wird? Berge, Wälder, Seen, Kerker und Abgründe sind sicherer davor; denn in solchen haben die Propheten dauernd, oder bloß, um sich zeitweilig zu verbergen, geweissagt. Was anders verehrt die Welt heute an ihren gehörnten Bischöfen, als dass man meint, heilige Vorgesetzte in der Religion seien die Leute, die man eben in berühmten Städten thronen sieht? Ferne sei also so törichte Schätzung! Wir wollen es doch lieber dem Herrn überlassen, dass er, wie er allein weiß, wer die Seinen sind, zuweilen die äußere Erkennbarkeit seiner Kirche den Blicken der Menschen entzieht. Es ist, das gebe ich zu, das eine schreckliche Strafe Gottes auf Erden; aber wenn die Gottlosigkeit der Menschen solches verdient, warum wollen wir uns da der gerechten Vergeltung Gottes entgegenstemmen? So hat der Herr in der vergangenen Jahrhunderten die Undankbarkeit der Menschen vergolten. Denn weil sie seine Wahrheit nicht hören wollten und sein Licht auslöschten, ließ er ihren Sinn blind werden und ließ sie genarrt werden von unsinnigen Lügen und versinken in tiefer Finsternis, so dass die wahre Kirche nicht mehr zu sehen war; unterdessen aber hat er die Seinen, verstreut und versteckt, mitten in Irrtum und Finsternis behütet. Das ist nicht wunderbar, hat er sie doch behüten können sogar in der babylonischen Gefangenschaft und in den Flammen des feurigen Ofens. Dass sie aber die äußere Gestalt der Kirche in ich weiß nicht welchem eiteln Prunke sehen wollen, das will ich als sehr gefährlich in wenigen Worten nur andeuten, nicht ausführen, um nicht meine Beweisführung ins Unermessene schweifen zu lassen. Der Papst, sagen sie, der den apostolischen Stuhl inne hat, und die von ihm als Bischöfe gesalbt und geweiht, oder auch nur mit Inful und Krummstab ausgezeichnet sind, die stellen die Kirche vor und müssen für die Kirche geachtet werden, und deshalb können sie auch nicht irren. Warum das? etwa weil sie Hirten der Kirche sind und dem Herrn geweiht? Aaron und die übrigen Häupter Israels, waren die nicht auch Hirten? Aaron aber und seine Söhne, die schon zu Priestern bestimmt waren, haben doch geirrt, als sie das goldene Kalb machten (2. Mose 32, 5). Warum hätten nach solcher Weise jene vierhundert Propheten die Kirche nicht dargestellt (1. Kön. 22, 11 ff.), die den Ahab anlogen? Aber die Kirche war damals auf Seiten Michas, der allein und verachtet war; doch aus seinem Mund ging die Wahrheit hervor. Trugen nicht den Namen und den Schein der Kirche an sich die Propheten, die alle zusammen gegen Jeremias aufstanden und drohend sich rühmten (Jer. 18, 18): Die Priester können nicht irren im Gesetz, und die Weisen können nicht fehlen mit Raten und die Propheten nicht unrecht lehren. Gegen solch ein Prophetenvolk wurde allein Jeremias gesandt, vom Herrn zu verkünden (Jer. 4, 9), irren würden im Gesetz die Priester, nicht helfen im Rat die Weisen, unrecht lehren die Propheten. Leuchtete nicht in großem Glanz das Konzil, das die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer versammelte, um zu ratschlagen über die Tötung Christi? So sollen sie hingehen, und festhalten an der Maske des äußeren Scheins und damit Christus und alle Propheten Gottes zu Schismatikern machen, die Diener des Satans mögen sie dann erklären als Werkzeuge des heiligen Geistes. Meinen sie es ehrlich, so sollen sie mir in guten Treuen antworten, wo nach ihrer Meinung, in welchem Volk oder Ort die Kirche denn nun besteht, seitdem nach Beschluss des Basler Konzils Papst Eugen verjagt und abgesetzt worden ist und Amadeus an seine Stelle gewählt? Sie können nicht leugnen, und wenn sie sich den Kopf zerbrächen, dass das Konzil hinsichtlich des äußeren Brauchs gesetzmäßig war, und dass es nicht nur von einem, sondern sogar von zwei Päpsten angesagt war. Eugen wurde in diesem Konzil verdammt als Schismatiker und hartnäckiger Aufrührer, samt der ganzen Schar von Kardinälen und Bischöfen, die mit ihm an der Auflösung des Konzils gearbeitet hatten. Später aber, unterstützt durch die Gunst der Fürsten, erhielt er die Papstwürde unversehrt wieder. Die Wahl des Amadeus, geschehen nach aller Ordnung, kraft der Vollmacht einer allgemeinen hochheiligen Synode, ging in Rauch auf, nur dass er selbst mit einem Kardinalshut, wie ein bellender Hund mit einem hingeworfenen Stück Fleisch, zufrieden gestellt wurde. Und aus dem Schoß der [verurteilten] Ketzer und hartnäckigen Rebellen ging hervor, was seitdem dagewesen ist an Päpsten, Kardinälen, Bischöfen, Äbten und Priestern. Da müssen sie doch stutzig werden und stecken bleiben. Welcher Partei sollen sie nun den Namen Kirche geben? Sollen sie leugnen, dass das Konzil ein allgemeines war, dem nichts zur äußerlichen Majestät eines solchen fehlte? Denn durch zwei Bullen feierlich angesagt, unter dem Vorsitz eines Legaten des römischen Stuhl eingeweiht, stets in allen Dingen die Ordnung wohl bewahrend, hat es bis zuletzt auf derselben Würde beharrt. Oder sollen sie gestehen, ein Ketzer sei Eugen mit seinem ganzen Anhang, von dem sie doch selbst Alle ihre Heiligkeit empfangen haben? Also sollen sie die Gestalt der Kirche anders definieren, oder wir werden sie, soviel ihrer sind, für Schismatiker halten, die mit Wissen und Willen von Ketzern sich haben weihen lassen. Wenn es nie vorher hätte erfahren werden können, dass die Kirche nicht an äußern Prunk gebunden ist, so wären sie selbst uns ein ausreichender Beweis, die sich der Welt solange stolz unter dem schönen Namen Kirche vorstellen, da sie doch tödliche Pest für die Kirche waren. Von ihren Sitten will ich gar nicht reden und den traurigen Schandtaten, deren ihr ganzes Leben voll ist. Sie sagen ja selbst, sie seien Pharisäer, auf die man hören müsse, aber die man nicht nachahmen dürfe. Die Lehre, gerade die Lehre, aus der unsere Gegner folgern, was sie sagen, sie seien die Kirche, werden Sie, Majestät, deutlich erkennen als verderblichen Seelenmord, als Brandstiftung, Zerstörung, Verwüstung der Kirche, wenn Sie sich die Muße nehmen, unsere Schrift zu lesen.

7. Schließlich handeln unsere Gegner auch nicht ehrlich, wenn sie böswillig daran erinnern, wie viel Lärm, Aufruhr, Streit die Predigt unserer Lehre mit sich ziehe und welche Früchte sie jetzt in Vielen trage. Denn die Schuld an diesem Übel wird nur mit Unrecht unserer Lehre zur Last gelegt, sie müsste vielmehr der Bosheit Satans zugewälzt werden. Es ist das sozusagen das Schicksal des göttlichen Wortes, dass es nie auftauchen kann, während der Satan dabei ruhig schläft. Ja es ist das sicherste und allergetreuste Merkmal, wodurch unsre Lehre von falschen Lehren unterschieden werden kann, die sich leicht fortpflanzen, da sie von allen Ohren gern angenommen und von der Welt mit Beifall gehört werden. So waren einige Jahrhunderte hindurch, in denen alles in tiefem Dunkel lag, fast alle Sterblichen dem Fürsten dieser Welt ein Spiel und Scherz, und nicht anders als irgendein Sardanapal saß er in tiefem Frieden und tat sich gütlich; was wollte er anders tun als lachen und scherzen, da er so ruhig und unangefochten im Besitz seines Reiches war? Aber da, als das Licht aus der Höhe strahlte und seine Finsternis etwas durchleuchtete, als jener Starke sein Reich in Verwirrung brachte und erschütterte, da fing er an, die bisherige Ruhe abzulegen und griff zu den Waffen. Zuerst rief er Menschen zusammen, durch die er die aufleuchtende Wahrheit mit Gewalt unterdrücken wollte. Als er damit nichts erreichte, wandte er sich zur List. Uneinigkeit und Dogmenzank erregte er durch seine Wiedertäufer, und andere ungeheuerliche Schwindler, um durch sie die Wahrheit zu verdunkeln und endlich ganz auszulöschen. Auch fährt er jetzt fort, sie mit den beiden Waffen anzugreifen, nämlich er sucht den guten Samen mit Gewalt durch Menschenhand auszureißen, und mit seinem Unkraut, soviel er hat, will er ihn durchsetzen, damit er nicht wachse und Frucht bringe. Aber auch das umsonst, wenn wir auf die Warnung des Herrn hören, der uns Satans Künste schon lange aufgedeckt hat, so dass dieser uns nicht unbewehrt überrumpeln kann, weil er uns gegen alle seine Ränke mit starken Schutzwaffen ausgerüstet hat. Übrigens welche Bosheit ist es doch, gegen Gottes Wort selbst Hass zu erregen der Unruhen wegen, die böse Aufrührer, oder der Sekten wegen, die Schwindler dagegen aufgebracht haben. Und doch, neu ist das nicht. Elias wurde gefragt, ob er es nicht sei, der Israel verwirre. Christus galt den Juden als ein Aufrührer. Den Aposteln wurde als Verbrechen vorgeworfen, sie hätten das Volk erregt. Was tun die anders, die heute alle Unruhen, Aufstände, Streitigkeiten, die auf uns einbrechen, uns anrechnen? Was man solchen antworten müsse, lehrt uns Elias: (1. Kön. 18, 17 – 18) dass wir es nicht sind, die Irrtümer säen und Aufruhr erregen, sondern die selbst, die gegen Gottes Kraft ankämpfen. Aber obwohl das allein schon genügend wäre, ihre Frechheit abzuweisen, so muss man doch auch der Dummheit Anderer begegnen, die sich durch solche Angriffe aufregen, verwirren und unsicher machen lassen, wie es nicht selten geschieht. Damit diese nicht durch solche Verwirrung wankend gemacht und aus ihrer Stellung geworfen werden, sollen sie wissen, dass die Apostel zu ihrer Zeit erfuhren, was uns jetzt geschieht. Es gab Ungelehrige und Leichtfertige, die zu ihrer eigenen Verdammnis entstellten, was von Paulus nach Gottes Eingebung geschrieben war, wie Petrus sagt (2. Petr. 3, 16). Es gab Verächter Gottes, die, als sie hörten, die Sünde sei mächtig geworden, damit die Gnade viel mächtiger sei, sofort meinten: So wollen wir in der Sünde beharren, auf dass die Gnade desto mächtiger werde. (Röm. 6, 1). Als sie hörten, die Gläubigen stünden nicht mehr unter dem Gesetz, fielen sie sogleich ein: So wollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind. (Röm. 6, 15). Es gab Leute, die den Paulus beschuldigten, er rate zum Bösen. Es drangen viele falsche Apostel nebenein, die Kirchen zu zerstören, die er gebaut hatte. Gewisse Leute predigten das Evangelium nicht lauter, sondern um Hass und Haders willen (Phil. 1, 15) in der bösen Absicht, Trübsal zuzusenden seinen Banden. Anderswo war kein rechter Fortschritt des Evangeliums. Alle suchten das Ihre, nicht, was Jesu Christi war. Andere traten wieder zurück, Hunde die ihr Gespieenes wieder fressen, Schweine, im Kot nach der Schwemme (2. Petr. 2, 22). Die Christen machten die Freiheit im Geist zur Frechheit im Fleisch. Es schlichen sich viele Brüder ein, von denen dann den Frommen Gefahr drohte. Unter den Brüdern selbst entstand mancherlei Zank. Was sollten da die Apostel tun? Etwa für eine Zeitlang das Evangelium verstecken oder besser vergessen? Es verlassen, weil es ihnen erschien als eine Pflanzschule von soviel Zank, Anlass zu soviel Gefahr, Gelegenheit zu soviel Ärgernis? In solchen Fällen kam das ihnen zu Hilfe, dass Christus sei ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses, gesetzt zum Fall und Auferstehen Vieler und zum Zeichen, dem widersprochen wird (Lk. 2, 34). Mit diesem Vertrauen bewehrt gingen sie durch allen Lärm und alle ärgerlichen Spaltungen tapfer vorwärts. Auch uns muss der gleiche Gedanke festhalten, da Paulus bezeugt, das sei stets die Art des Evangeliums, dass es sei ein Geruch des Todes zum Tode denen, die verloren gehen (2. Kor. 2, 16). Freilich, uns ist es eher bestimmt, ein Geruch des Lebens zum Leben zu sein und eine Kraft Gottes, selig zu machen, die daran glauben.

Aber ich wende mich zu Ihnen zurück, königliche Majestät. Mögen die eiteln Angebereien Sie nicht beeinflussen, mit denen unsre Gegner Ihnen die Angst einzujagen versuchen, dies neue Evangelium, wie sie es nennen, trachte und strebe nach nichts Anderem als nach Gelegenheit zu Verschwörung und nach Straflosigkeit für alle Laster. Denn unser Gott ist nicht der Schöpfer des Zwistes, sondern des Friedens, und Gottes Sohn, der gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören, ist nicht ein Diener der Sünde. Auch wir werden ungerecht solches Bestrebens angeklagt, wozu wir nie auch nur dem leisesten Verdacht Anlass gegeben haben. Nämlich als ob wir auf den Untergang des Königreichs bedacht wären; nie ist bei uns ein aufrührerisches Wort gehört worden. Unser immer ruhiges und einfaches Leben ist bekannt, da wir unter Ihren Augen gelebt haben und auch jetzt, von unsrer Heimat verbannt, doch nicht aufhören, Ihnen und Ihrem Reiche alles Gute zu wünschen. Als ob wir straflose Freiheit zu allen Lastern beanspruchten! Wenn auch an unsern Sitten noch Manches zu tadeln ist, so ist doch nichts, das solche Beschimpfung verdient. Wir haben doch durch Gottes Gnade nicht so geringe Fortschritte im Evangelium gemacht, dass nicht unser Leben unsern Verleumdern ein Beispiel sein könnte der Keuschheit, der Güte, des Mitleids, der Selbstbeherrschung, der Geduld, der Bescheidenheit und jeder beliebigen Tugend. Dass wir Gott ehrlich fürchten und ehren, ist offenbar durch die Tatsache, dass wir im Leben und Sterben seinen Namen heiligen wollen, und selbst der Neid muss Einigen von uns das Zeugnis der Unschuld und der bürgerlichen Unbescholtenheit geben, an denen mit dem Tod bestraft wurde, was gerade zu ihrem besondern Lob gereichte. Gibt es solche, die unter dem Vorwand des Evangeliums Aufruhr erregen (freilich sind Leute der Art bisher in Ihrem Reiche nicht erfunden worden), gibt es solche, die als Vorwand für die Frechheit ihrer Laster die Freiheit der Gnade Gottes brauchen (deren weiß ich viele), so gibt es Gesetze und gesetzliche Strafen, sie nach Verdienst schwer zu züchtigen, nur dass nicht dabei das Evangelium Gottes wegen der Bosheit frevelhafter Menschen Böses höre! Sie haben, königliche Majestät, nun die giftige Feindschaft unserer Verleumder genügend geschildert gesehen, so dass Sie nicht allzu leichtgläubig mehr den Angebereien Ihr Ohr schenken. Ich fürchte, nur allzu viel haben Sie gehört, da schon dies Vorwort der Länge nach fast zu einer regelrechten Verteidigungsschrift geworden ist. Und doch wollte ich damit nicht schon die Verteidigung führen, sondern nur Ihren Sinn erweichen, die eigentliche Verhandlung anzuhören. Ihr Sinn, der uns jetzt feindlich und entfremdet ist, ja, ich füge bei, zornentbrannt gegen uns, dessen Gnade wir aber zu erlangen das feste Vertrauen haben, wenn Sie dieses unser Bekenntnis, das uns vor Ihrer Majestät als Verteidigung dienen soll, nur einmal gelassen und ruhig lesen wollen. Hat aber das Geflüster der Böswilligen Ihr Ohr schon so in Beschlag genommen, dass den Angeklagten keine Gelegenheit geboten ist, sich zu verantworten, dass jene bösen unheilvollen Geister mit Ihrer Zustimmung weiter wüten dürfen mit Ketten, Peitschen, Folter, Feuer und Schwert, so werden wir wie Schafe, die zur Schlachtbank geführt werden, auch zum Äußersten gedrängt, aber nur so, dass wir unsere Seelen in Geduld fassen und auf die starke Hand des Herrn harren, die ohne Zweifel zur rechten Zeit da sein und sich gewappnet ausrecken wird, die Armen aus ihrer Not zu retten und Rache zu üben an den Verächtern, die jetzt so sicher triumphieren. Der Herr, der König der Könige, befestige Ihren Thron in Gerechtigkeit und Ihre Herrschaft in Billigkeit, erlauchtester König.

Basel, den 1. August im Jahr 1536.

Calvin, Jean – An Francois Daniel in Orleans

Calvin hatte für den Rektor Cop eine Rede evangelischen Inhalts geschrieben, die dieser bei einem Universitätsanlass ablas. Infolge davon musste Calvin aus Paris fliehen, um einer Verhaftung als Ketzer zu entgehen. Er fand in Claix bei Angouleme ein Asyl im Haus des Chorherrn du Tillet, in dessen reicher Bibliothek er arbeitete.

Im Asyl bei du Tillet in Angouleme.

Mit dir kann ich ja schwatzen, wie ich will, und auch ohne bestimmten Stoff eine Seite füllen. Doch was soll ich dich mit meinen Kleinigkeiten aufhalten? Es genügt, dir jetzt das anzudeuten, worüber du dir vielleicht Sorge machtest, nämlich dass es mir gut geht und ich im Studium vorwärts komme, obwohl ich, wie du weißt, eigentlich müßig sitze. Selbst der trägste, faulste Mensch müsste zum Fleiß aufgestachelt werden durch die Freundlichkeit meines Gönners, die so groß ist, dass ich wohl merke, eigentlich gelte sie mehr meiner Wissenschaft als meiner Person. Umso mehr muss ich versuchen, ja eigentlich danach ringen, dass ich nicht mit zuviel Güte, die mir drückend, ja fast beschwerlich wäre, überschüttet werde. Obschon ich, freilich nur wenn ich allen Eifer aufwende, Entsprechendes oder fas Entsprechendes leisten kann, so ist mir doch in dieser Güte eine sehr scharfe Konkurrenz entgegengetreten. Deshalb zupft mich der Gedanke am Ohr, dafür gerade die Studien zu pflegen, um deretwillen mir so viel gewährt wird. Wenn ich die Zeit, die eigentlich der Verbannung oder Auswanderung bestimmt war, in solcher Ruhe zubringen darf, so glaube ich, geschieht mir etwas Außerordentliches. Doch dafür wird der Herr sorgen, dessen Vorsehung alles aufs Beste versehen wird. Ich habs erfahren, dass wir nicht ins Weite schauen dürfen. Als ich mir Ruhe in Allem versprach, stand vor der Tür, was ich am wenigsten erwartet hatte. Dann wieder, als ich auf einen unangenehmen Wohnsitz denken musste, wurde mir ein Nest im Stillen hergerichtet wider alles Erwarten. Das Alles ist die Hand des Herrn. Wenn wir uns ihm anvertrauen, wird er für uns sorgen. Doch nun ist schon fast die Seite voll, mit Sinn und Unsinn. Lebwohl. Grüße, wen du willst. Aus der Akropolis geschrieben.

Calvin, Jean – An Francois Daniel in Orleans.

Ich schicke dir hier eine Sammlung Neuigkeiten, mit der Bedingung aber, dass sie (bei deiner Freundestreue!) durch deine Hand auch zu den andern Freunden kommen, die du mir herzlich grüßen sollst, außer Framberg, den ich jetzt einmal mit Schweigen erreichen will, da ich weder mit Schmeicheln etwas von ihm herauslocken, noch mit Tadeln herauskriegen konnte. Und das Ärgste, als sein Bruder neulich hierher kam, trug er ihm nicht einmal einen Gruß auf. – – –

Für deine Schwestern magst du den Übersetzer machen, damit ihr nicht allein zu lachen habt – –

Lebwohl, liebster Bruder und Freund

Dein Bruder Calvinus.

Ich brauche nicht zu sagen, der Brief sei in größter Hast geschrieben; er spricht für sich. Gib acht, dass der Bericht nicht unvorsichtig unter die Leute gebracht wird.

Calvin, Jean – An Francois Daniel in Orleans.

Dieser im vorhergehenden Brief verheißene Bericht bezieht sich auf folgende Umstände: Marguerite de Valois, Königin von Navarra, die Schwester König Franz I., und ihr Beichtvater M. Gerard Roussel (M. G.) neigten zur evangelischen Frömmigkeit hin und wurden deshalb von den Anhängern des Alten angefochten, vom König aber noch beschützt.

Skandale in Paris gegen Marguerite de Valois.

Obwohl ein ganzer Wald von Ereignissen vor mir steht, aus dem ich mir Stoff zu einem Briefe holen könnte, will ich doch meine Feder zügeln, so dass du nur kurze Angaben statt ausführlicher Erzählung bekommst. Gäbe ich nach, mein Brief schwölle zum richtigen Buch an. Am ersten Oktober, zur Zeit, da die Knaben, die aus der Grammatikklasse in die der Dialektik vorrücken, Theaterstücke zu spielen pflegen, wurde im Navarra-Gymnasium eine Komödie gespielt, die nach einem Dichterwort mit Galle und schärfstem Essig besprengt war. Es trat auf eine Königin, nach Frauenart mit Spinnen beschäftigt, und an nichts denkend, als an Rocken und Spindel. Dann kam eine Megäre (es war eine Anspielung auf M. G.), die ihr die Fackel vorhielt, dass sie Rocken und Spindel fallen ließ. Sie wich ein wenig zurück, wehrte sich ein wenig, dann aber, als sie der Furie nachgab, bekam sie ein Evangelienbuch in die Hand, über das sie alle ihre früheren Gewohnheiten, ja fast sich selbst, vergaß; zuletzt erhob sie sich zu wilder Tyrannei und plagte arme Unschuldige mit allerlei Bosheit. Viele ähnliche Erfindungen waren noch beigefügt, die wahrhaftig die Frau nicht verdiente, die sie hier nicht etwa nur bildlich und versteckt mit ihrem Spott herunterrissen. Einige Tage wurde die Sache unterdrückt, dann aber (die Zeit gebiert ja die Wahrheit!) wurde sie der Königin hinterbracht. Man fand, es sei für die Lust der Leute, die nach neuen Dingen gelüstet, ein zu böses Beispiel, wenn eine solche Frechheit ungestraft bliebe. Ein Richter begleitet von 100 Knechten zog zum Gymnasium und ließ seine Leute das Haus umstellen, damit keiner entwische. Er selbst ging mit wenigen Leuten hinein, fand aber den Komödiendichter nicht. Es hieß, dieser habe keineswegs etwas geahnt, sondern habe nur zufällig vom Schlafzimmer eines Freundes aus den Lärm gehört, ehe man ihn selbst sah, und habe dann rasch einen Schlupfwinkel aufgesucht, um bei Gelegenheit daraus zu entweichen. Der Richter nahm dann die Knaben fest, die in dem Stück gespielt hatten. Als der Schulleiter dies hindern wollte, kams zum Wortwechsel, und von einigen Jungen wurden Steine geworfen. Trotzdem ließ er sie festhalten und nochmals aufsagen, was sie auf der Bühne gesprochen hatten. Alles wurde aufgeschrieben. Da man den Anstifter des Frevels nicht erwischen konnte, wars das Nächste, von denen Rechenschaft zu fordern, die zugelassen und dann noch länger mit Schweigen gedeckt hatten, was sie hätten hindern können. Der Eine, der durch Namen und Ansehen sich auszeichnet, (es ist der berühmte Magister Loret) bewirkte, dass er statt des Gefängnisses weniger schimpfliche Haft im Hause eines so genannten Kommissars erhielt, der Andere, Morin, nach ihm der Zweite erhielt Hausarrest bis zu näherer Untersuchung. Was man bis jetzt erfahren hat, weiß ich nicht. Wie ich weiß, ist er aber schon auf übermorgen vorgeladen. Soviel von den Komödien. Einen andern gleich boshaften, wenn auch nicht so frechen Streich, haben ein paar herrschsüchtige Theologen begangen. Bei der Untersuchung der Buchhandlungen trugen sie ein französisches Buch, betitelt Spiegel der sündigen Seele, in die Liste der zu verbietenden Bücher ein. Als die Königin dies erfuhr, beklagte sie sich beim König, ihrem Bruder, und bekannte, sie sei die Verfasserin. Der befahl schriftlich den Professoren der Universität Paris, zu erklären, ob sie das Buch wirklich auf die Liste der Bücher unerlaubten religiösen Inhalts gesetzt hätten. Wenn es sich so verhalte, so sollten sie ihr Urteil vor ihm rechtfertigen. Darüber berichtet der gegenwärtige Rektor, der Mediziner Nicolas Cop an die vier Fakultäten der Medizin, Philosophie, Theologie und des kanonischen Rechts. Bei den Magistern der freien Künste, vor denen er zuerst redete, zog er in langer heftiger Rede gegen die her, die so frech seien, sich ein solches Recht gegen die Königin herauszunehmen. Er riet ihnen, wenn sei nicht den Zorn des Königs spüren wollten, so sollten sie sich nicht in die Gefahr begeben, der Königin, einer Mutter aller Tugend und edlen Wissenschaft, den Krieg zu erklären. Wenn sie das aber auf sich nehmen wollten, so sollten sie doch damit nicht die Frechheit derer stärken, die jederzeit zu jedem beliebigen Skandal bereit seien, mit dem Vorwande, es handle so die Universität, wenn sie selbst ganz gegen den Willen der Universität vorgingen. Man beschloss zu beschwören, man stehe der Sache ganz fern. Denselben Beschluss fassten auch die Theologen, die Kanonisten, die Mediziner. Der Rektor verkündete seinen Fakultätsbeschluss, dann der Dekan der Mediziner, dann ein Doktor des kanonischen Rechts, dann ein Theologe. Zuletzt sprach Le Clerc, der Pfarrer von St. Andre, auf den alle Schuld zu fallen schien, da alle anderen sie von sich abwälzten. Zuerst rühmte er mit großartigen Worten die Orthodoxie des Königs, der sich bisher immer als mutigen Beschützer des Glaubens bewiesen habe. Nun gebe es aber feindselige Menschen, die dieser vortreffliche Gesinnung zu verderben wagten, die sogar zum Untergang der heiligen theologischen Fakultät sich verschworen hätten. Er hoffe aber, sie würden nichts erreichen bei der Glaubenstreue, die er am König kenne. Was die vorliegende Sache betreffe, so sei er zwar durch Universitätsbeschluss zur Zensur der Bücher abgeordnet, aber nichts habe ihm ferner gelegen, als etwas gegen die Königin zu unternehmen, eine Frau von heiligem Wandel und reinem Glauben, wofür die Leichenfeier zeuge, die sie beim Tod ihrer Mutter habe halten lassen. Für verbotene Bücher halte er nur die unsittlichen, wie z. B. Pantagruel, Das Lustwäldchen und Schriften ähnlichen Kalibers. Vorliegendes Buch sei nur deshalb auf die Liste der zu beanstandenden Bücher gesetzt worden, weil es ohne Bewilligung der Fakultät erschienen sei, unter der Umgehung des Verbotes, irgendetwas auf die Religion Bezügliches ohne Erlaubnis der Fakultät herauszugeben. Schließlich stütze er sich darauf, dass im Auftrag der Fakultät geschehen sei, was jetzt zur Untersuchung komme. Liege eine Schuld vor, so seien sie alle beteiligt, auch wenn sie es jetzt ableugneten. Das sagte er alles auf Französisch, damit sie alle einsähen, ob er die Wahrheit gesprochen. Es flüsterten sich aber alle zu, er zeige damit bloß seine Dummheit. Es waren auch Petit, der Bischof von Senlis, d l´Estoile und ein höherer Beamter des königlichen Hofes anwesend. Als Le Clerc schloss, sagte Petit, er habe das Buch gelesen und nichts gefunden, was Korrektur verdiene, er müsste denn seine Theologie ganz vergessen haben; er beantrage, dem König durch Veröffentlichung eines Beschlusses Genugtuung zu leisten. Cop als Rektor verkündete hierauf, die Universität anerkenne die Zensur nicht, sie möge im Einzelnen sein, wie sie wolle, durch die die Schrift zu den verbotenen oder beanstandeten Büchern gerechnet worden sei, billige sie nicht und nehme sie nicht auf sich. Die Zensoren möchten selber sehen, wie sie sich verteidigten. Es solle darüber ein Dokument abgefasst werden, in dem die Universität sich beim König entschuldige und ihm danke, dass er sie so mild und väterlich zur Rede gestellt habe. Es wurde auch eine königliche Urkunde vorgelegt, durch die der Bischof von Paris das Recht erhält, in den einzelnen Gemeinden Prediger einzusetzen, die früher nach Willkür jener Theologen gewählt worden waren, je nachdem einer ein Schreihals war und von der dummen Wut beseelt, die sie frommen Eifer nennen, während doch Elias nie so wutentbrannt war, als er um das Haus Gottes eiferte.

Calvin, Jean – An Du Chemin in Paris.

In Geldnöten.

Ungern, lieber Nicolas, falle ich dir beschwerlich, zumal wie ich fürchte, zu ungelegener Zeit. Aber da ich glaube, dir mich vertraulich erklären zu können, so verlasse ich mich, wie ich deine Liebe zu mir auffasse, ganz auf dich. Mein Bruder, der (wie ich weiß) von meinen Schuldnern Geld für mich bekommen hat, hat in seiner gewöhnlichen Nachlässigkeit mich umsonst drauf warten lassen. Nun drängt mich die Not, die keinen Tag, keine Stunde länger dauern kann. Wenn du ihr abhilfst, befreist du mich aus einer Verlegenheit, die du dir nicht vorstellen kannst, wenn du sie nicht selbst spürst. Zwei Kronen brauche ich, die mir Cop vorgestreckt hätte, wenn sein Beutel selbst nicht eben durch den Ankauf von allerlei Zimmergerätschaften erschöpft wäre. Andere wohnen zu weit von uns weg, als dass ich in dem mir dringlichen Geschäft Zeit hätte, hin und wieder heim zu gehen. Leb wohl.

Es soll nicht lange sein. Ende der Woche kannst du mich hoffentlich wieder aus der Liste deiner Schuldner streichen.

[Paris 1532.]

Calvin, Jean – An Francois Daniel in Orleans.

Calvins Kommentar zu Seneka ist erschienen.

Nun sind die Würfel gefallen! Mein Kommentar zu Senekas Schrift über die Milde ist erschienen, aber auf meine eigenen Kosten. Das hat mehr Geld gebraucht, als du dir vorstellst. Nun mühe ich mich, wieder etwas einzubringen. Hier habe ich einige Professoren ersucht, das Buch in den Schulen zu lesen. In Bourges habe ich einen Freund bewogen, zu öffentlichen Vorlesungen den Katheder zu besteigen. Auch du kannst mir etwas zu Gefallen tun, wenn es dir nicht lästig ist. Du wirst es tun aus alter Freundschaft, besonders da du ohne Verlust in deinem Ansehen mir einen Dienst leistest, der vielleicht auch dem Gemeinwohl gelten darf. Wenn du mich durch eine solche Gefälligkeit dir verpflichten willst, so schicke ich dir 100 Exemplare, oder soviel dir gut scheint. Unterdessen nimm dies Eine, das du empfängst, damit du nicht glaubst, ich wolle dir etwas vorschreiben. Ich möchte, dass du meinetwegen ganz frei entscheidest. Lebe wohl und antworte mir bald.

Paris, 22. April.

Calvin, Jean – An Francois Daniel in Orleans.

In Paris herrschte die Pest, worauf sich vermutlich der Anfang des Briefes bezieht, und weshalb Calvin abreisen wollte.

Empfehlung eines Arztes.

Ich hatte vor, dir in so böser Zeit nichts zu schreiben, wenn nicht wider mein Erwarten sich mir hier Stoff geboten hätte. Denn als ich eben ans Abreisen dachte, befiel mich ein heftiger Durchfall. Als zu dessen Bekämpfung der Überbringer dieses Briefs, ein wirklich erfahrener Arzt, bei mir war, erzählte er mir, er habe vor, nach Orleans zu ziehen und sich dort niederzulassen, da er hoffe, dort für seine Kunst einen günstigen Ort zu finden. Ich hielt es für meine Pflicht, ihm mit einer Empfehlung zu helfen, damit er nicht als ganz fremder Gast in Eure Stadt komme. So bitte ich dich, um unserer Freundschaft willen, ihn aufzunehmen und ihm, soviel du kannst, zu helfen. Ich weiß wohl, was es heißt, einen Arzt zu empfehlen! Lobt man einen Unwürdigen, so zieht man zu allgemeinem Verderben ein Mörderschwert aus der Scheide. Denn man zeigt einem den Weg, viele zu töten, der, wie ein Schriftsteller sagt, ungestraft morden darf. Von diesem Mann aber wage ichs zu behaupten, er sei in seiner Wissenschaft recht gelehrt, auch der Praxis nicht so fremd, dass er etwa aus Unerfahrenheit Fehler machte, dazu in seinem Charakter seiner Gelehrsamkeit nicht nachstehend. Das verbürge ich mit meinem Wort dir und deinen Freunden für diesen Mann. Sorge also dafür, dass auch solche sich ihm sicher anvertrauen, die es sonst nicht wagen würden, mit Lebensgefahr einen Unbekannten zu erproben. Was ich im Sinne habe, erfährst du von unserm Francois und kann dir auch der Überbringer dieses Briefs sagen. Grüße Mutter, Frau, Schwester usw.

Calvin, Jean – An Francois Daniel in Orleans.

Gespräch mit Daniels Schwester über ihren Eintritt ins Kloster. Vom Quartiersuchen.

Am Tag nach unsrer Ankunft hier konnte ich vor Reisemüdigkeit keinen Fuß vor die Haustür setzen. Die nächsten vier Tage, in denen mir immer noch unwohl war, habe ich ganz dazu gebraucht, meine Freunde zu begrüßen. Am Sonntag ging im zum Kloster mit Cop, der sich mir als Begleiter anbot, um nach Euerm Wunsch mit den Nonnen einen Tag festzusetzen, an dem deine Schwester sich zum Klosterleben verurteilen könne. Man antwortete mir, sie habe mit einigen Altersgenossinnen nach Klosterbrauch vom Schwesternkonvent die Erlaubnis erhalten, das Gelübde zu tun. Unter ihnen ist auch die Tochter eines Geldwechslers in Orleans, der deines Bruders Lehrherr ist. Während Cop mit der Äbtissin davon redete, versuchte ich die Sinnesart deiner Schwester zu erforschen, ob sie jetzt, eher gebrochen als gebeugt, ihren Nacken dem Joch willig darbiete. Ich sprach ihr immer wieder zu, mir alles frei heraus anzuvertrauen, was sie auf dem Herzen habe. Nie habe ich jemand bereitwilliger und entschlossener gesehen, so dass es schien, ihr Wunsch könne nicht rasch genug erfüllt werden. Man hätte meinen können, es handle sich für sie um Puppenspiel, wenn sie vom Gelübde hörte. Ich wollte sie davon nicht abbringen, denn dazu war ich ja nicht gekommen; aber ich ermahnte sie mit ein paar Worten, sie solle sich doch nicht überheben im Vertrauen auf die eigene Kraft, dass sie nicht zu kühn ein Gelübde für sich ablege, sondern alles abstellen auf die Kraft Gottes, in dem wir leben und sind. Während dieses Gespräches gab mir die Äbtissin die Erlaubnis einer nochmaligen Zusammenkunft. Als ich sie bat, einen Tag festzusetzen, gab sie mir die Wahl frei, nur sollte Pylades dabei sein, der in den nächsten acht Tagen nach Orleans kommen wird. Da also ein bestimmter Beschluss nicht anging, überließen wir die Entscheidung dem Pylades. Handelt nun im Einverständnis mit ihm, wie Euch gut scheint, da ich Euch hier nicht weiterhelfen kann. Von mir ist zu berichten, dass ich noch keine feste Wohnung habe, obwohl viele vorhanden sind, wenn ich hätte mieten wollen, und andere mir von Freunden angeboten wurden, wenn ich von ihrer Gefälligkeit hätte Gebrauch machen wollen. Der Vater unseres Freundes Coiffart bot mir sein Haus an mit einem Gesicht, dem nichts erwünschter schien, als mich bei seinem Sohn zu haben. Coiffart selbst drang oft und warm in mich, sein Stubengenosse zu werden. Ich hätte das Angebot des Freundes am liebsten mit offenen Armen angenommen, da du weißt, wie angenehm und fördernd der Umgang mit ihm ist. Und ich hätte ihm sofort die Hand drauf gegeben, wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, dies Jahr vor allem bei Danesius zu hören, dessen Schule von Coiffarts Haus zu weit entfernt ist. Alle hiesigen Freunde lassen grüßen, besonders Coiffart und Viermaeus, mit denen ich eben ausreiten will. Grüße deine Mutter, deine Frau und deine Schwester Francisca. Lebwohl.

Paris, 27. Juni.

Calvin, Jean – An Francois de Connan in Orleans.

Die Juristen Alciato, Professor zu Bourges, und Pierre de l´Estoile (Stella), Professor zu Orleans, standen in wissenschaftlicher Fehde. Calvin hat seinem älteren Freund Nicolas Du Chemin (Chemynus) Beihilfe geleistet bei einer Schutzschrift für de l´Estoile und rechtfertigt dies vor seinem Freund Francois de Connan (1508 – 1551). Zasius war ein deutscher Rechtsgelehrter, mit dem de l´Estoile in Fehde stand.

Calvin nimmt als Korrektor an einer juristischen Fehde teil.

Endlich erscheint die Verteidigungsschrift unseres Du Chemin und versucht ihr Glück wie alle Bücher, obwohl sie eigentlich nicht in der Absicht geschrieben wurde, einmal in die Öffentlichkeit hinaus zu treten. Doch war es Recht, auch das, was dieser Mann nur spielend geschrieben, um seinen Geist anzuregen und zu üben, zu veröffentlichen, damit seine Verteidigung dem de l´Estoile nicht fehle, und nicht irgendein unbekannter Albucius Siegeslieder anstimme, ohne Blut oder auch nur Schweiß vergossen zu haben. Wenn einer lieber Alciato setzt für Albucius, – zu bejahen wag´ ichs nicht und verneinen will ichs nicht -, aber einige besonders Scharfsinnige wittern, Alciato habe unter dem geborgten Namen versteckt bleiben wollen, damit nicht der übermäßig bissigen Beredsamkeit einer ungeduldigen Zunge Gleiches mit Gleichem vergolten werde. Es darf auch niemand meinen, de l´Estoile sei selbst hilflos gewesen, und sein Schweigen darf nicht als ein Bekenntnis aufgefasst werden, als hätte sich Albucius bis jetzt des Sieges rühmen dürfen, sondern man muss bedenken, dass ein Mann, der mit ernsten Dingen beschäftigt ist und auch in dieser Sache auf die Wahrheit sich stützt und ihr vertraut, mit so ganz unwichtigen Dingen keine Zeit verlieren wollte, da die Sache ja genügend für sich selbst spricht. Sonst hätte er schon gegen tausend Gegner wie Albucius die Feder gezückt, da er ja mit solcher Geistesschärfe begabt ist, mit solchem Fleiß und endlich mit solcher Rechtskenntnis, dass er darin in unsern Tagen über jeden andern unstreitig die Meisterschaft davon trägt.

Diese Überzeugung hegte auch Du Chemin und hätte seine Gedanken gar nicht auf die Herausgabe eines solchen Werkchens richten können, wenn er nicht von einigen Andern mit stichhaltigen Gründen dazu gebracht worden wäre, die ihm zeigten, wie dem de l´Estoile sein geduldiges Schweigen Schaden bringe. Denn einige Erzzänker argumentieren so: er hätte sich selbst in dieser Sache nicht im Stich gelassen, wenn er irgendwie sich hätte verteidigen können, da er doch dem Zasius immer Widerstand geleistet habe. Dadurch notwendiger Weise gezwungen, änderte unser Du Chemin seinen Plan und legt nun öffentlich dar, was er fast zwei Jahre lang hatte unveröffentlicht lassen wollen, um die Verleumdung dieser Leute zu vernichten. Er wollte aber in erster Linie dafür gesorgt haben, dass es unverstümmelt und unverderbt dem Publikum in die Hände komme. Deshalb hat er, als er hörte, dass ich mich zur Reise nach Paris rüste, mir unserer vertrauten Freundschaft wegen den Teil der Arbeit anvertraut, fleißig dafür zu sorgen, dass sich keine Druckfehler einschlichen. Ich übernahm dieses Amt gerne, aber nur unter der Bedingung, dass ich für keine andere Schuld als die der Nachlässigkeit haften sollte. Dann scheint mir, habe ich mein Amt gut verwaltet, wenn ich die Sorgfalt angewendet habe, die er wünscht. Auch Alciato darf es nicht übel nehmen, wenn er einsieht, dass er vor allem rechtmäßig bekämpft wird, aber auch bescheiden und ehrerbietig und nicht ohne ein seiner Ehre geziemendes Einleitungswort. Ich meine, er sei so sehr fürs Gemeinwohl eingenommen, so der Wahrheit ergeben, dass er nicht über ihr stehen wollte seines persönlichen Ansehens wegen. Nun er also einsieht, dass die Wahrheit in der Tiefe versunken ist, wird er auch zugeben, dass man sie wieder suchen muss in Rede und Widerrede, wenn nur dafür gesorgt wird, dass die Wahrheit, die man sucht, nicht über dem Zanken erst recht verloren geht. Das wollte ich gelegentlich gesagt haben, um mich zugleich vor Alciato und dir zu verteidigen; denn ich fürchte, du seist auch der Sache des Gegners zugetan, weil du ihn persönlich liebst, und werdest auch mir zum Vorwurf machen, dass ich nicht auf Alciatos Seite stehe. Ich weiß wohl, wie sehr dir sein Lob zur Gewohnheit geworden ist, dir, dem für den ausgezeichneten Lehrer in der Tat dankbarsten Schüler. Dass du aber auch von de l´Estoile, den du ja auch gehört hast, die beste Meinung hast und mit Ehrerbietung redest, das hab ich neulich aus unserm Gespräch und auch oft aus deinen früheren Briefen erfahren, so dass ich eigentlich gar nicht denken dürfte, du trügest in diesen Streit irgendein Vorurteil hinein. Besonders da dir ja der zur Genüge bekannt ist, der sich anschickt, diese ganze Sache nach seinem Urteil zu behandeln, unser Du Chemin, den du ja kennst als einen Mann, wohl erfahren in strenger Arbeit, durchdringenden Verstandes, und, was das Wichtigste ist, peinlich genauen Urteils. In seinem literarischen Wissen bis zur Vollkommenheit durchgebildet, beschäftigt er sich jetzt mit Glück, und hat sich auch vorher schon lange beschäftigt, mit juristischen Studien. Was nun unsere Sache angeht, so sollen die Leser darüber ihr freies Urteil haben, natürlich nicht die Laien, sondern solche, die etwas tiefer in die Geheimnisse der Rechtswissenschaft eingedrungen sind. So kannst auch du, hochgelehrter de Connan, es beurteilen, nicht als einer aus der Masse, sondern wirklich durch tiefere Erkenntnis aus der großen Zahl ausgeschieden. Freilich wie es nun liegt, glaub ich, dass diese Streitschrift der Art ist, dass ihr leicht und gewiss ein günstiges Urteil auch von dir, wie übrigens von einem jeden ernsthaften Leser, den sie sich erringt, gebührt. Lebe wohl.

Paris, 6. März 1531.