Nr. 738 (C. R. – 3996)
Katharina von Medici bereiste mit ihrem Sohne, Karl IX., die südlichen Provinzen, und de Crussol musste als Gouverneur der Languedoc sich ihrem Gefolge anschließen.
Darf ein Evangelischer an einer Prozession teilnehmen?
Monseigneur, Ihr Bote, dem Sie aufgetragen haben, mir die Gewissensfrage vorzulegen, in der Sie gerne Bescheid hätten, hat seine Schuldigkeit getan. Bevor ich darauf antworte, will ich Gott dafür danken, dass er Sie mit seinem Geiste so erfasst hat, dass Sie Ihr Gewissen nicht weit machen und sich selbst alles gestatten wie andere, die dann doch, wenn sie sich vor den Menschen entschuldigt haben, sich vor Gott verurteilen müssen. Um nun zur Sache zu kommen, so weiß ich, dass Sie nicht im Sinn haben, sich verstellen und zwischen zwei Wassern schwimmen zu wollen. Sondern Sie fragen nur, ob Sie, nachdem Sie offen Ihr Christentum bekannt haben, die Königin bei einigen Prozessionen und andern götzendienerischen Handlungen begleiten dürfen. Dabei, Monseigneur, müssen Sie auf zweierlei achten: Erstens darauf, die Kinder Gottes nicht zu betrüben oder ihnen Ärgernis zu geben oder Schwache und Unwissende abzustoßen; zweitens, den Feinden der Wahrheit keinen Anlass dazu zu geben, dass ihnen der Kamm schwillt und sie triumphieren können, ja sie sollten nicht einmal den Mund auftun können, den Namen Gottes zu lästern und des wahren Glaubens zu spotten. Auf diese beiden Dinge müssen wir sorgfältig achten, denn sie sind uns dringend anempfohlen. Da Ihnen also der heilige Geist ausdrücklich verbietet, Ihre Brüder in dieser Hinsicht zu betrüben, so denken Sie daran, wie viel armen Leuten es das Herz zerreißen müsste, wenn sie sähen, dass Sie offensichtlich gingen mit einer Schar, die ihres Weges zieht, Gott zu trotzen. Sie sehen wohl, wie groß das Ärgernis wäre und wie weit es herumkäme. Denn viele könnten sich dann an Ihr Beispiel halten, und selbst die Heuchler, die sich bisher ihrer Feigheit schämten, könnten sich hinter Ihrem Rücken verstecken. Andrerseits würden Sie ohne Zweifel den Bösen Mut machen, nicht nur mit dem Evangelium Spott zu treiben, sondern auch noch grausamer gegen die zu werden, die ihren Mantel nicht nach dem Winde hängen. Kurz, je genauer Sie alle Umstände erwägen, desto sicherer kommen Sie zu dem Urteil, dass es in verschiedener Hinsicht eine Beleidigung Gottes wäre. Jetzt bleibt nur noch das [von Ihnen angeführte] Beispiel Naemans [2. Kön. 5, 17]. Aber die Verschiedenheit der verglichenen Personen ist doch zu groß, als dass, was Naeman tat, auf Sie angewendet werden könnte. Es war kein Mensch außer ihm in Syrien, der Gott fürchtete oder Neigung gehabt hätte, ihm zu dienen. Deshalb war auch keine Gefahr, dass Ärgernis entstand. Kein Gläubiger konnte verletzt werden, wenn Naeman den wahren Glauben der Schande aussetzte; er konnte damit weder einen bereits auf dem rechten Weg Wandelnden irreführen, noch einen andern zurückhalten, ihn zu betreten. Vielmehr trotzte Naeman seinem ganzen Volk, wenn er seinen besonderen Altar hatte, den Gott Israels anzubeten. Die Hauptsache ist, dass wir uns nicht bloß peinlich an die einzelne Tatsache binden, sondern das tun, was zur Erbauung dient. Es erübrigt noch, zu prüfen, ob es nicht besser wäre, von vornherein Ihre Stellung aufzugeben, als der Königin-Mutter nicht zu Gefallen zu sein. Wir müssen uns das an die Vorschrift St. Pauli halten, nicht Übles zu tun, auf dass Gutes daraus komme [Röm. 3, 8]. Ich sehe wohl, welcher Vorteil es für die Kirche wäre, wenn Sie diese Stellung behielten, und welchen Schaden man befürchten müsste, wenn Sie nicht mehr da wären. Aber in solchen Schwierigkeiten müssen wir doch Gott die Ehre antun, uns allein auf ihn zu verlassen, der für alles wohl sorgen wird. Indessen scheints mir, Monsieur, es wäre Ihnen doch recht leicht, sich zu entschuldigen; denn die Königin-Mutter weiß ja wohl, dass Sie nach Ihrer Religion sich nicht mit diesen Zeremonien befassen dürfen, ohne Gott zu beleidigen, da Ihr Gewissen dem widerspricht. Mehr noch; ich hoffe, eine mutige Weigerung gefällt ihr besser, als wenn Sie nachgäben. Sie hat Ihre Abwesenheit [vom Hofe] lange genug gelitten; da wird sie Ihnen auch gestatten, drei Tage krank zu sein im Jahr! Doch das sage ich nur zum Spaß; denn sich wirklich krank zu stellen, wäre eine Schande fürs Evangelium. Haben Sie alle diese Gegengründe erwogen, so werden Sie mit St. Paulo sagen, dass wir nicht am Abendmahl Jesu Christi Teil haben und zugleich uns beim Götzendienste zeigen können [1. Kor. 10, 21], besonders wenn wir damit noch ein schlechtes Beispiel geben. Aber das bitte ich Sie, Monsieur, geben Sie sich Mühe und bitten Sie Gott, Ihnen seine starke Hand zu reichen und Sie auszurüsten mit den Waffen, die er Ihnen gegeben hat zum standhaften Kampf, d. h. dass Sie sich fleißig an seinem Worte stärken.
Indem ich mich, Monseigneur, Ihrer und Ihrer Frau Gemahlin Gewogenheit ergebenst empfehle, bitte ich den Vater der Barmherzigkeit, er wolle Sie behüten, Sie leiten in gutem Ergehen und Sie glücklich ans Ziel kommen lassen.
Genf, 31. Juli 1563.
Ihr ergebener Diener
Johannes Calvin.