Calvin, Jean – An die Pfarrer von Frankfurt am Main.

Nr. 489 (C. R. – 2401)

Obwohl Calvin die Gesinnung der lutherischen Pfarrer von Frankfurt kannte (vgl. 486), so versuchte er doch noch einmal auf Glauburgs Wunsch, sie in unionistischem Sinne zu beeinflussen.

Calvin anerbietet sich, nach Frankfurt zu kommen.

Wenn auch keine innere Verwandtschaft, ja nicht einmal eine oberflächliche Bekanntschaft, meinem Brief bei Euch, verehrte und geliebte Brüder, günstige Aufnahme zusichert, so schien doch die brüderliche Einigung, die von Amtswegen uns gegenseitig verbinden sollte, mir genug Ermunterung zu geben zum Schreiben, so dass ich nicht daran zweifle, bei Euch eine offene Tür zu finden und von Euch in Eurer Milde, die ja so wünschenswert ist, freundlich aufgenommen zu werden. Als kürzlich meine Harmonie der drei ersten Evangelien mit der Widmung an Euren wohlweisen Rat erschien, da hat mich eigentlich nur eine gewisse Befangenheit abgehalten, Euch dazu zu schreiben; denn ich pflege eigentlich nie an mir Unbekannte zu schreiben, wenn ich nicht muss. Mit Unbekannten meine ich die, mit denen ich nicht in freundschaftlichem Verkehr stehe, damit das kühle Wort keinen von Euch beleidigt. Dass Ihr tatsächlich weder aus Verachtung, noch aus Unachtsamkeit übergangen worden seid, kann ich Euch hoch und heilig versichern. Als aber die Buchhändler von der Messe heimkamen, wunderte es mich – ich wills gestehen – doch, dass ein ebenso albernes wie giftiges Buch eines gewissen Joachim Westphal, das meine Sakramentslehre bekämpft, in Frankfurt erscheinen konnte. Denn ich war der Überzeugung gewesen, dass wir aufs beste übereinstimmten, oder dass doch, wenn unsere Art zu lehren nicht ganz dieselbe sei, kein solcher Unterschied bestehe, dass es bis zu einem gehässigen Streit ausarten könne. Es kann ja auch sein, dass das Buch ohne Euer Wissen erschienen ist; denn ich kann nicht glauben, dass Ihr dazu Eure Zustimmung solltet gegeben haben. Doch ich erwähne das nicht, um Euch einen Vorwurf zu machen; sondern, weil das Gerücht geht, einigen von Euch gefalle nicht recht, was ich über die Sakramente sage, wollte ich nur dem vorbeugen, dass durch mein Schweigen der Zwist größer werden könnte. Tatsächlich, so ungern ich mich aufdränge, so will ich doch keine Weise außer acht lassen, wenn einer von Euch sich an meiner Lehre ärgert, ihn damit auszusöhnen. Selbst wenn es zur Tilgung solchen Ärgernisses nützlich wäre, dass ich zu Euch reiste, so wollte ich diese Mühe nicht scheuen, obschon es eine lange, unbequeme Reise wäre. Denn einerseits scheint mir solche Bereitwilligkeit eine Pflicht gegen die heilige Eintracht, die unter uns sein sollte, andrerseits hat mich Euer hochweiser Rat dadurch, dass er die Widmung meiner Evangelien-Harmonie so freundlich annahm und mir brieflich bezeugte, das Geschenk sei ihm willkommen und genehm gewesen, so verpflichtet, dass mir scheint, er könne mit Recht diesen Dienst von mir fordern. Aber meine Sache beschäftigt mich nicht so sehr wie das, dass Ihr der fremden Brüder, denen der Herr in Eurer Stadt ein Asyl gegeben, in echter Liebe Euch annehmen möget. Denn ich höre, dass sie irgendwelche Zänkereien und Schikanen befürchten, und dass das ihre Ruhe stört. Nun, da Ihr wisst, dass sie teils durch die Gewalt und Tyrannei der Feinde Christi aus ihrer Heimat vertrieben zu Euch gezogen sind, teils aber auch, um mit Euch den reinen christlichen Glauben bekennen zu dürfen, freiwillig sich die Verbannung auferlegt haben, brauche ich vor Euch nicht erörtern, wie sehr für die einen ihr Elend, für die andern ihre entschlossene Bereitwilligkeit zur Nachfolge Christi uns einnehmen muss. Ja, wenn Ihr auch einiges an ihnen noch zu wünschen habt, wie sie ja wahrscheinlich auch unter ihren Fehlern zu leiden haben, so wisst Ihr doch, dass Ihr sie gnädig und freundlich ertragen sollt. Eher als dass etwa bisher verborgene Eifersucht zu offnem Streit ausbreche, will ich selbst übernehmen, was Ihr mir in dieser Sache als meine Aufgabe zuweisen wollt. Ich werde beiden Parteien treulich zum Friedensschluss raten und helfen. Lebt wohl, liebste, herzlich verehrte Brüder. Der Herr leite Euch mit dem Geiste der Klugheit, der Kraft und der Milde und segne Euer Wirken. Amen.

Genf, 2. März 1556.
Euer Euch in Christo wahrhaft verbundener Bruder und Kollege
Johannes Calvin.