Dr. Caspar Cruziger, Rektor der Universität in Wittenberg, an Myconius.
Wittenberg, 5. Febr. 1546
Nach deinem Schreiben an D. Georg Rocarius, das ich gelesen, ist es uns, als wolltest du bereits von uns abscheiden in das weit bessere Leben und zur ewigen Theilnahme an dem süßesten Umgang und der unvergänglichen Freude mit dem Sohne Gottes selbst und dem auserwählten Chore der seligen Väter, Propheten und aller Heiligen und dem zahllosen Engelsheer. Gleichwohl aber, indem wir so reichlich die Tröstungen und das Leben in Christo auf dich übergehen sehen, daß du nicht zu sterben sondern jetzt erst wahrhaft und ewig im Sohne Gottes selbst, welcher die auferstehung und unser Leben ist, zu leben anfängst, und nicht du die Tröstungen des Lebens gegen den Tod von uns zu erwarten, sondern wir solche vielmehr von dir zu empfangen haben, danken wir von ganzem Herzen dem ewigen Gott, dem Vater unsers Herrn Jesu Christi, für seine unaussprechliche Gabe, daß er seine Erkenntniß in seinem durch seine außerordentliche Güte geoffenbarten Wort uns geschenkt, und durch dasselbe in Vielen, auch in Dir mit seinem h. Geist wirksam ist. Und weil er dich seiner Kirche als heilsamen Lehrer gab, der du als ein tapferer Kämpfer und guter Streiter Christi deinen Lauf treulich vollendet und einen guten Kampf gekämpft hast, so wird dir im Uebrigen beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, dir wie Allen, die seine Erscheinung lieb haben, geben wird.
Darum wenn du noch in diesem sterblichen und elenden Fleische lebst, worin du schon etliche Jahre, nicht im Leben des Fleisches selbst, sondern im Glauben des Sohnes Gottes lebst, so fahre fort zu siegen und Tod und Hölle zu verachten, eben im Herrn, unserm Sieger und Erlöser. Selbst dein Zuname muß dich gemahnen, mit unbesieglicher Glaubenskraft jenes Wort erschallen zu lassen: wenn ich auch wanderte mitten im Tode, will ich kein Unglück fürchten, denn du bist bei mir rc. und dergleichen Sprüche, woran du Ueberfluß hast. Denn wenn wir jenen allergrößten und köstlichen Verheißungen, wie Petrus sagt, die Gott uns gab, glauben, und erkennen, was uns in Christo, dem Sohne Gottes geschenkt ist, so stehe es um uns wohl, da wir gewiß sind, daß wir, wir leben oder sterben des Herrn seien, der da selbst gestorben und auferstanden ist, damit er auch bei uns der Herr des Todes und des Lebens seie, nemlich daß er jenen in Ewigkeit zernichte, und dieses für und für erneuere und erhalte.
Wenn dich der Herr noch eine Zeit lang am Leben lassen will, was wir der Kirche und uns zum Besten nach seinem Willen hoffen, so bitte ich dich dringend, in deinen heiligen und brünstigen Gebeten auch unser Heil Christo anzubefehlen, daß er mich und die Meinigen Gefäße der Barmherzigkeit sein, und uns mit einander die so gesegnete Gemeinschaft und den erquickenden Umgang mit ihm und seiner gesammten Kirche genießen lassen wolle. Ich flehe zu ihm von ganzem Herzen, er wolle dich erhalten, und dein Haus und deine Kirche als treuester Wächter und Bischof in seine Obhut nehmen. Amen.
Casp. Cruciger.
Georg Rorarius sagt auch Amen, Amen, Amen!
Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862