Luther, Martin – An den Kurfürsten Johannes, vom 22. November 1526.

Gnade und Friede in Christo. Durchlauchtiger, Hoch geborner Fürst, Gnädigster Herr! Ich habe E. K. F. G. lange nicht Supplikation gebracht, die haben sich nun gesammelt, E. K. F. G. wolle Geduld haben; es will und kann nicht anders sein.

Erstlich, gnädigster Herr, ist des Klagens über alle Maß viel der Pfarrherrn fast an allen Orten. Da wollen die Bauern schlecht nichts mehr geben, und ist solcher Undank unter den Leuten für das heilige Gottes Wort, daß ohne Zweifel eine große Plage fürhanden ist von Gott; und wenn ichs mit gutem Gewissen zu thun wüßte, möchte ich wohl dazu helfen, daß sie keinen Pfarrherr oder Prediger hätten, und lebten wie die Säue, als sie doch thun; da ist keine Furcht Gottes noch Zucht mehr, weil des Pabsts Bann ist abgegangen, und thut jedermann, was er nur will.

Weil aber uns allen, sonderlich der Obrigkeit geboten ist, für allen Dingen doch die arme Jugend, so täglich geboren wird und daher wächst, zu ziehen, und zu Gottesfurcht und Zucht halten, muß man Schulen und Prediger und Pfarrherren haben. Wollen die Eltern ja nicht, mögen sie immer zum Teufel hinfahren. Aber wo die Jugend versäumet und unerzogen bleibt, da ist die Schuld der Obrigkeit, und wird dazu das Land voll wilder, loser Leute, daß nicht alleine Gottes Gebot, sondern auch unser aller Noth zwingt, hierin Wegs fürzuwenden.

Nun aber in E. K. F. G. Fürstenthum päbstlich und geistlicher Zwang und Ordnung aus ist, und alle Klöster und Stifte E. K. F. G., als dem obersten Haupt, in die Hände fallen, kommen zugleich mit auch die Pflichten und Beschwerde, solches Ding zu ordnen; denn sichs sonst niemand annimmt, noch annehmen kann, noch soll. Derhalben wie ich alles mit E. K. F. G. Kanzler, auch Herr Niclas von Ende geredt, will es vonnöthen sein, aufs Förderlichst von E. K. F. G., als die Gott in solchem Fall dazu gefordert und mit der That befället, von vier Personen lassen das Land zu visitiren: zween, die auf die Zinse und Güter; zween, die auf die Lehre und Person verständig sind, daß dieselben aus E. K. F. G. Befehl die Schulen und Pfarren, wo es noth ist, anrichten heißen und versorgen.

Wo eine Stadt oder Dorf ist, die des Vermögens sind, hat E. K. F. G. Macht, sie zu zwingen, daß sie Schulen, Predigtstühle, Pfarren halten. Wollen sie es nicht zu ihrer Seligkeit thun noch bedenken, so ist E. K. F. G. da, als oberster Vormund der Jugend und aller, die es bedürfen, und soll sie mit Gewalt dazu halten, daß sie es thun müssen; gleich als wenn man sie mit Gewalt zwingt, daß sie zur Brücken, Steg und Weg, oder sonst zufälliger Landsnoth, geben und dienen müssen.

Was das Land bedarf und noth ist, da sollen die zu geben und helfen, die des Lands gebrauchen und genießen. Nun ist kein nöthiger Ding, denn Leute ziehen, die nach uns kommen und regieren sollen. Sind sie aber des Vermögens nicht, und sonst zu hoch beschweret, so sind da die Klostergüter, welche fürnehmlich dazu gestiftet sind, und noch dazu zu gebrauchen sind, des gemeinen Mannes desto daß zu verschonen. Denn es kann E. K. F. C. gar leichtlich bedenken, daß zuletzt ein bös Geschrei würde, auch nicht zu verantworten ist, wo die Schulen und Pfarren niederliegen, und der Adel sollte die Klostergüter zu sich bringen; wie man denn schon sagt, und auch etliche thun. Weil nun solche Güter E. K. F. G. Kammer nichts bessern, und endlich doch zu Gottesdienst gestiftet sind, sollen sie billig hierzu am ersten dienen. Was hernach übrig ist, mag E. K. F. G. zur Landes Nothdurft, oder an arme Leute wenden.

Aufs andere: D. Karlstadt hat mich sehr gebeten, an E. K. F. G. zu schreiben um Gnade, daß er möchte zu Kemberg wohnen; denn er sonst auf den Dörfern für der Bauern Bosheit nicht bleiben kann, wie E. K. F. G. aus dieser seiner Schrift, und auch an Hans von Grafendorf vernehmen können, und doch sich scheuet, an- E. K. F. G. selbst zu schreiben. Weil er denn bisher noch stille ist gewesen öffentlich, und unser eines Theils, auch Hans Metsch Hauptmann, solches für gut ansehen, als daß der Probst zu Kemberg desto daß könnte auf ihn sehen: bitte ich auch unterthäniglich, E. K. F. G. wollte ihm solches gnädiglich vergönnen, wiewohl E. K. F. G. schon viel gethan, und ein großes Reden seinethalben auf sich geladen. Aber Gott wird es desto reichlicher vergelten. Er stehe für seine Seele: seinem Leibe und den Seinen sollen wir Gutes thun. Gottes Gnade sei mit uns, Amen. Donnerstag nach Elisabeth, 1526.

E. K. F. G.
unterthäniger
Martinus Luther.

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862