Luther, Martin – An den Stadtrath von Regensburg. 1523

26. August 1523

Gnad und Fried in Christo, Amen. Ehrsamen, weisen, lieben Herren, Es ist von mir durch gute eure und meine Freund begehrt, an E. Weisheit ein Schrift zu thun, und zu ermahnen, daß nachdem bey euch in eurer Stadt die päpstliche Priesterschaft mächtig und dem Evangelio Gottes widerständig viel Mal dem armen Volk das heilsame Wort Gottes zu predigen verwehret, etlich auch drob verjagt, unter welchen auch nämlich dieser Meister Hans Plaumacher einer ist: zuletzt E. W. wollten sich auch merken lassen als die Liebhaber des Evangelii, und der verblendten Priester-Tyranney und Pfaffen-Frevel nicht allerding ihrs Muthwillens gestatten, die armen Seelen ihrer Seeligkeit zu berauben, sondern einen evangelischen Prediger verschaffen und denselben handhaben, wie viel ander christlich Städte und Gemeinen in deutschen Landen thun.

Nun höre ich, es läge fast das im Wege, daß die schöne Maria nicht leiden will, so man sie antastet; und doch das Evangelium nicht kann schön werden, die schöne Maria werde denn häßlich. Denn wo ich so viel gelten würde, daß mir E.W. glaubte, wollte ich leichtlich erweisen, daß der Teufel, nachdem die Juden vertrieben sind, sich selbst an ihrer Statt gesetzt und durch den hochgelobten Namen Maria falsche Zeichen thut, und euch sammt vielen andern betrügt 1). Denn so er die Macht hat, daß er auch göttlicher Majestät Namen, Christus Namen und des heiligen Geists Namen thut und darf fürwenden: wie sollt er denn nicht Marien Namen oder eines geringern Heiligen Namen aufwerfen? Auch ist das ein gewiß Zeichen des Teufels, daß die Leut so schwinde zulaufen, als die Unsinnigen, so doch der heilige Geist ein Geist des Raths ist, der nicht so ungestüm fähret, auch nicht lehret Gesind dem Herrn entlaufen, sondern Gehorsam halten. Darumb bitt ich, lieben Herrn, wolltet zuvor den Geist versuchen lassen, wie St. Johannes lehret, und nicht alsbald zufallen, ob er Zeichen fürgebe. Wir sind nicht so fromm, daß die Heiligen sollten sich so offentlich zu uns thun, das glaubt sicherlich. Hiemit befehl ich E.W. Gottes Gnaden, und laßt diesen Meister Hans samt seines gleichen befohlen seyn, Amen. Zu Wittenberg, am Mittwoch nach Bartholomäi 1523.

Martinus Luther.

1) Kurz zuvor wurden die Juden aus Regensburg vertreiben und an die Stelle ihrer zerstörten Synagoge eine Kapelle für Maria mit einem wunderwirkenden Marienbild errichtet, das viele spendenfreudige Pilger anzog.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedenken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel Vierter Theil. Berlin, bey G. Reimer. 1827.