Luther, Martin – An Georg Spalatin (15.2.1518)

Heil! Wie ihr mir schreibt oder vielmehr vorschreibt, daß ich thun soll, das thue ich, mein werthester Spalatine! und danke durch euch dem durchlauchtigsten Fürsten für das schöne, ja ganz fürstliche Wildpretfleisch, das er unsern neuen Magistris geschenkt hat; ich habe auch erzählt, daß es der Fürst allen verehret. Es hat mir aber gar sonderlich und am allermeisten das Gemüth dieses gnädigsten und mildesten Fürsten gefallen, weil auch der Mensch einen fröhlichen Geber lieb hat.

Ihr fügt wiederum zwei kleine Fragen an. Die eine: Was einer, der opfern oder sonst ein gut Werk thun will, für Absicht oder Gedanken haben müsse? Ich antworte kürzlich: Den Gedanken der Verzweifelung und der Zuversicht muß man bei jedem Werke haben. Der Verzweifelung nämlich, dein und deines Werkes halber: der Freudigkeit aber, Gottes und seiner Barmherzigkeit wegen. Denn so spricht der Geist: „Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten und die auf seine Barmherzigkeit hoffen.“ Die andere Frage war von der Kraft des Ablasses, was er vermöge. Diese Sache ist noch zweifelhaft und mein Streit davon hängt noch unter den Lästerungen: doch will ich zwei Dinge sagen. Das eine euch und unsern Freunden heimlich, bis die Sache kund werde: daß es mir dünke, es sei mit dem heutigen Ablaß nichts als Täuscherei der Seelen und daß er gar für Niemand tauge, als für die, so auf dem Wege Christi faul sind und schlafen.

Das andre, welches ganz unstreitig ist, und welches auch meine Feinde gestehen müssen und die ganze Kirche, ist nämlich, daß Almosen und Gutthat gegen den Nächsten unendlich besser sei, als Ablaß. Darum rathe ich euch, daß ihr keinen Ablaß kaufet so lang ihr arme und dürftige Nächste findet, denen ihr geben könnet, was ihr für den Ablaß geben wolltet. Wenn du anders thust, so bin ich entschuldigt und liegt es au dir. Ich glaube gewiß, daß der Zorn verdiene, der den Armen verläßt und Ablaß kauft.

Eins will ich Euch melden, was mir sehr wehe thut, nämlich: eben die Zungendrescher und andre mit haben jetzt eine neue Rüstung erdacht und bringen überall aus, unser durchlauchtigster Fürst stecke hinter Allem, was ich thue, als ob ich durch ihn bewogen sei den Erzbischof von Magdeburg verhaßt zu machen. Lieber! rathet, was hierbei zu thun. Denn daß der Fürst meinethalben in Verdacht kommen sollte, thut mir herzlich leid, und daß ich an der Uneinigkeit zwischen so großen Fürsten schuld haben sollte, davor erschrecke und fürchte ich mich. Das will ich gerne leiden, daß mich der Fürst zu einer Disputation oder einem Gericht – wenn mir nur öffentlich Geleit gegeben wird -, darbiete: nur mögen sie den unschuldigen Fürsten nicht meinetwegen verhaßt machen. Was sind das für Ungeheuer und ein Volk der Finsterniß, dem Lichte feind! Den Johann Reuchlin haben sie über drei Länder weit gefunden und wider Willen hergezogen. Mich, der sie vor der Thüre dazu bittet und fleht, mögen sie nicht und plaudern das in Winkeln, was sie wohl sehen, daß sie nicht vertheidigen können. Aber lebt endlich wohl und verzeiht mir, daß ich zu viel und lange Worte gemacht, denn ich habe mit einem Freunde zu thun gehabt. Aus unserm Kloster den 15. Februar 1518.

Br. Martin Eleutherius, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867