Calvin, Jean – An Pierre Toussaint in Montbeliard.

Nr. 583 (C. R. – 2972)

Toussaint (vgl. 420, 431, 537, 560) war Calvin innerlich fremd geworden durch dessen Ketzerverfolgung und schroffe Prädestinationslehre; auch waren in Montbeliard einige calvinistische Pfarrer wegen Widersetzlichkeit gegen die lutheranisierende Kirchenordnung abgesetzt worden. Calvin sah deshalb in Toussaint einen Freund der Lutheraner, die ihn, Calvin, zu Worms (vgl. 550) mit den Ketzern Osiander und Schwenckfeld zusammen genannt hatten.

Absage an den früheren Freund.

Die Kürze dieses Briefes wird der Überbringer dir entschuldigend erklären, der einigermaßen gesehen hat, wie wenig Zeit mir zur Verfügung stand zwischen einem beginnenden Wechselfieber und ständigem Kopfweh, das mir noch lästiger fällt als das Fieber. So muss ich müde von einer schlaflosen Nacht dir dieses wenige vom Bette aus diktieren.

Mit den Aktenstücken, durch die du beweisen willst, dass die Brüder nicht, wie sie klagen, gewaltsam und ungerecht von dir vertrieben worden seien, gebe ich mich zufrieden, und auch ihre Glaubwürdigkeit abzuleugnen, steht mir nicht zu; da sie aber noch manches für sich anführen, wovon nichts in den Akten steht, so hält mich diese Verschiedenheit der Darstellung doch noch in Spannung. Es war stets mein Wunsch, Eure Streitigkeiten möchten durch eine offene Aussprache zu Ende kommen, wie es sich in einer kirchlichen Angelegenheit gehört hätte. Wer von unserm Stand einer solchen maßvollen Regelung der Sachen ausweicht, verrät, dass er anderes will, als was einem Knechte Christi zukommt, und sein Misstrauen ist gerade das Zeichen einer schlechten Sache und eines bösen Gewissens. Da du mich von Anfang an von deinem Rate ausschlossest und ich an der Vertreibung der Brüder sah, dass Eure Kämpfe so zu Ende gebracht wurden, so kam mir nicht ohne Grund ein böser Verdacht, obwohl mir die Sache nicht genügend durchsichtig war. Doch hielt ich dafür, es sei besser, das Übel, dem ich nicht abhelfen konnte, nicht noch größer zu machen. Obwohl ich öfters von vielen aufgefordert wurde, einzugreifen, zog ich es vor, ruhig zu bleiben, statt durch vergebliche Hilfsversuche die Verwirrung noch zu vermehren. Schließlich haben mich aber einige fromme Leute doch durch unablässiges Bitten dazu gebracht, dem Fürsten zu schreiben. Ach, hätte man nur einmal eine richtige Untersuchung der Verhältnisse unternommen! Ich sah stets, wie verderblich es war, Diener am Wort mit Anklagen und Vorwürfen zu belasten, wodurch unvermeidlich auch die Autorität der Lehre selbst ins Wanken gerät, und die eigene Erfahrung hat mich gelehrt, dieser Gefahr sorgfältig auszuweichen. Du wirst aber nicht finden, dass ich je Eure Zwistigkeiten mit Wort oder Schrift verschärft hätte. Hättest du mir nicht selbst die Tür verschlossen, so hätte ich mich ohne Zögern als Vermittler angeboten und Mittel und Wege gesucht, Euren Hader zu stillen; doch du weißt wohl, wie befremdend gehässig das mich anmuten musste, dass ich mit Osiander, Schwenckfeld und andern Ketzern zusammengestellt wurde. Umso mehr wundert es mich, wenn du jetzt behauptest, du habest die Eintracht gesucht; wenn du nicht selber fühlst, dass du damals jedes Band zwischen uns allzu schmählich und unfreundlich zerrissen hast, so mag darüber Gott einmal richten. Denn war das gerecht, einem Mann so schmählichen Schimpf anzutun, der, ich will nicht sagen, sich um die Kirche Gottes wohlverdient gemacht und treulich für die Verteidigung der evangelischen Lehre gekämpft hat, sondern nur, der brüderliche Übereinstimmung, ja persönliche Freundschaft mit dir gepflegt hatte? Noch härter war es mir, dass bei Euch ein Teil der Lehre feindselig bekämpft wurde, ohne den die Religion und Heilsgewissheit nicht bestehen kann. Nicht nur hast du geduldet, dass dein Kollege mich mit schnöden Verleumdungen herunterriss, nicht nur hast du mir in Montbeliard selbst entgegengewirkt, sondern man versichert, es existiere ein Brief von dir an die Pruntruter, in dem du sie mahntest, sich vor ihren ketzerischen Nachbarn zu hüten, die Gott zum Urheber der Sünde machten. Das ist der Friede, den du willst, dass wir, bis zur Hölle verdammt, schweigen sollen! Ebenso sehr verletzt es mein Herz, dass du selbst unsere armen Brüder in Frankreich nicht schonst, die du doch der Hinschlachtung ausgesetzt siehst, sondern bald ihre Gefahr als ganz gering hinstellst, bald ihren Eifer Torheit schiltst, bald sie gehässig beschuldigst, sie seien Empörer.

Übrigens habe ich vor, lieber das alles stillschweigend zu schlucken, als Lärm zu schlagen zur Freude unserer gemeinsamen Feinde. Ich will es auch nicht hindern, dass du still und ruhig auf deinem Posten bleibst und, wie du es früher getan hast und es dir gegeben ist, die Kirche in rechtem Glauben und aufrichtiger Gottesfurcht erbaust; auch solls nicht meine Schuld sein, wenn je deine nicht zu verachtenden Gaben, mit denen dich Gott zum Pfarramte ausgerüstet hat, begraben liegen. Aber dass du mein Freund seiest, davon kannst du mich, solange du dich mit meinen erklärten Feinden zusammentust, nicht überzeugen. Ich will deshalb aber nicht aufhören, Gott zu bitten, dass er dich mit seinem Geiste leitet, dich gesund erhalte und dein Wirken segne.

Genf, 22. Oktober 1558.

Calvin, Jean – An Toussaint in Montbeliard.

Mehrere Pfarrer in Montbeliard, die sich weigerten, die lutheranisierenden Agenden zu brauchen, waren abgesetzt worden; Farel stand deswegen in Fehde mit Toussaint, der den Schweizer Reformatoren auch durch seine Einsprache gegen Servets Hinrichtung verdächtig geworden war.

Beginnende Entfremdung.

Obwohl mir Eure gegenwärtigen Verhältnisse so ziemlich unbekannt sind, so hege ich doch, soviel ich einem unbestimmten Gerücht entnehmen kann, die Befürchtung, es sei zwischen dir und den Brüdern eine dumpfe Verstimmung zurückgeblieben, die, wenn sie nicht rechtzeitig beseitigt wird, schließlich zum nicht geringen Schaden der ganzen Kirche in offenen Zwist ausbrechen müsste. Deshalb bitte ich dich, lieber Bruder, – denn an dir ists, den andern voranzugehen, – um unserer Freundschaft willen, deshalb ermahne und beschwöre ich dich kraft unseres gemeinsamen Dienstes am Worte, gib dir doch alle Mühe, dich mit den frommen Brüdern zu versöhnen, denn du siehst ja, dass ihnen nur Christi Ehre am Herzen liegt. Die bösen Gesellen aber, die mit ihrem Unkraut den Acker des Herrn verunreinigen, unterdrücke mit aller Strenge und zeige dadurch all den verständigen Leuten, die deine weichliche Toleranz brennt und plagt, dass auch du es ernst nimmst. Nur soviel wollte ich (gestatte es mir) von Euern verworrenen, oder mir wenigstens nicht klar gewordenen, Verhältnissen sagen, um durch mein Schweigen keine Freundespflicht zu versäumen. Gewiss wird dich doch, auch wenn dir mein Rat nicht ganz behagt, meine freimütige Rede, die aus ehrlichem Herzen kommt, nicht verletzen. Ich schicke dir hier auch eine kurze Verteidigung unserer Lehre gegen die Nachäffer Luthers. Obschon von Eurer Zustimmung ganz überzeugt, wagte ich doch nicht, Euren Namen auch dazu zu setzen, um Euch nicht dem Hass, ja der Gewalttat derer auszusetzen, die Euch in dieser Sache, wie ich weiß, auch sonst schon ungnädig sind. Lebwohl, verehrtester Bruder. Der Herr leite dich mit seinem Geiste und halte dich aufrecht mit seiner Kraft. Grüße unsere Kollegen.

Genf, 18. Januar 1555.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Pierre Toussaint in Montbeliard

Nr. 420 (C. R. – 2032)

Pfarrer Toussaint hatte sich bei Calvin verteidigt: obwohl er gewünscht hätte, Servet wäre das Leben und damit Gelegenheit zur Buße gelassen worden, so sei er doch bei weitem nicht dessen Anhänger; in Montbeliard sei es auch nicht deswegen zu Streitigkeiten unter den Pfarrern gekommen, sondern wegen der Sakramentsfrage; der anticalvinische Diakon war Gerard Guillemin; dagegen ist ungewiss, wer der mit N. bezeichnete Theologe ist.

Über mancherlei Meinungsverschiedenheiten.

Ich bin, lieber Bruder, nicht so verdrießlicher Natur, dass ichs nicht auch einem Freunde leicht verzeihen kann, wenn er mir ein ganzes Jahr nicht schreibt; weil ich in dieser Freundespflicht selbst nicht gar eifrig bin, oder doch wenigstens, während ich mich mit Fremden abgeben muss, zuweilen den besten Freunden nicht leisten kann, was ich ihnen schulde. So genieße ich denn ganz gern die gegenseitige Erlaubnis zum Nichtschreiben. Hätte mich also nicht ein Verdacht in andrer Beziehung gequält, so hätte ichs ruhig hingenommen, keinen Brief von dir zu erhalten. Übrigens gab es manches, was mich ärgerte, das will ich nicht verschweigen. Über Eure Zwistigkeiten hatte keiner deiner Brüder mir persönlich geschrieben; von andern wurden Klagen darüber vor mich gebracht. Ich habe mich auch nicht weiter ins Mittel gelegt, als dass ich durch dieselben Boten anriet, was zu Frieden und Eintracht dienen konnte. Meine Ratschläge waren sicherlich der Art, dass darin ebenso wohl unserer Freundschaft Rechnung getragen, als Christo und der Kirche ein treuer Dienst geleistet war. Deshalb brauche ich sie weder zu bereuen, noch darfst du mich deswegen schelten. Frage doch bitte nach; es ist nichts von mir ausgegangen, was du nicht durchaus billigen müsstest. Wäre ich doch nur mit deinen Kollegen vertrauter gewesen! Die Sache wäre, glaube ich, sofort erledigt gewesen. Indessen las ich deinen Brief an Farel, aus dem ich merkte, dass du gegen mich aufgebracht bist, oder doch von schlimmem Verdacht angesteckt. Er war voll Zorn und Ärger über diejenigen, die du, wie du jetzt schreibst, von mir unterstützt wähntest. Weshalb hast du denn, wenn du meintest, ich hätte unsere Freundschaft verletzt, dich nicht gleich bei mir beklagt? Doch das habe ich alles still für mich behalten und ließ nicht das geringste Zeichen von Beleidigtsein merken. Nur tat es mir weh, dass du dich unserer brüderlichen Gemeinschaft entzogest. Was deine Meinung über die Duldung von Ketzern ist, erfuhr ich von verschiedener Seite. Du urteilst so, weil du ruhig im Schatten sitzest. Hättest du selbst ernstlich kämpfen müssen, du hättest vielleicht deine Ansicht geändert. Doch wissen es die Freunde, wie ruhig und freundlich ich es damals entschuldigte, dass du uns wenig gnädig warest. Wiewohl N. heute anderer Meinung ist als wir, so hat er doch, weil er sonst ein aufrichtiger Diener Christi, von wirklich warmer Frömmigkeit beseelt, und ein rechtschaffener, maßvoller Mann ist, nicht aufgehört, unser Freund zu sein. Ich werde ihm also deswegen nicht lästig fallen. Dass du aber, nachdem du unsere Rechtfertigung gelesen, – wenn du nämlich geruht hast, sie zur Hand zu nehmen, – in deinem Urteil nicht milder geworden bist, wundert mich etwas.

Freilich, dass du ein Schüler Servets seiest, wer hat je davon nur geträumt? Alles andere wäre mir glaublicher, als dass du von solchem Wahnsinn ergriffen wärest. Ich glaube gar nicht, dass dein Ruf in dieser Hinsicht nur durch ein Wörtlein angetastet war. Wer sollte es dir aber nicht auch schon als Fehler anrechnen, dass du deinen Diakon nicht nur mir und der reinen Lehre widersprechen, sondern offen die wahnwitzigen Ideen Servets lärmend verteidigen ließest? Ja, um es offen zu gestehen, es wurde mir auch schon gesagt, über die ewige Prädestination Gottes denkest du nicht richtig. Wenn ich auch fürchtete, es sei etwas daran, so habe ich doch stets von dem Gerede weniger geglaubt, als ich zu meinem bittern Schmerz hören musste. Obschon ich nun so glaubte, es geschehe mir von dir in mancherlei Weise Unrecht, so habe ich doch keinen Lärm gemacht; vielmehr zog ich es vor, in stillem Gram diese Schmach hinunterzuwürgen, als das Band unserer alten Freundschaft oder amtsbrüderlichen Gemeinschaft zu zerreißen.

Und nun bitte ich dich, lass mich wenigstens schweigen [dir gegenüber], da ich sonst schon ebenso schmählich wie feindselig geplagt werde. Wüsstest du nur ein Zehntel von dem, wie ich mit furchtbaren Beschuldigungen geschmäht werde, so beweintest du in deiner Menschlichkeit mein Elend, gegen das ich ganz abgehärtet bin. Von allen Seiten bellen mich die Hunde an. Überall schilt man mich einen Ketzer. Was sich an Verleumdung nur erdenken lässt, wird auf mich gewälzt. Schließlich befehden mich die Neider und Hasser aus unserm Lager noch feindseliger, als die offenen Feinde aus dem Papsttum. Das habe ich aber weder um die Kirche Gottes, noch um sie verdient, dass sie mir so ungerechten Lohn auszahlen müssten. Dass nun von Euch her noch mehr dazu käme, das habe ich nicht befürchtet. Deinen Diakon meine ich, den du durch deine Nachsicht doch eigentlich nicht hättest unterstützen dürfen, da er ebenso gottlos gegen die reine Religion sich auflehnte, als falsch einen Unschuldigen verlästerte. Und doch, ich verlange nicht mehr, als dass du mir erlaubst, seine Schmähung einfach still hinzunehmen [ohne antworten zu müssen]. Wie treu und makellos du Christo gedient, wie tapfer du dein Amt verwaltet, wie standhaft du Leiden und Kämpfe, mit denen dich der Herr heimsuchte, ertragen hast, dafür bin ich dir Zeuge, und ich vertraue auf dich, dass du auch zukünftig dir stets gleich bleibst. So wünsche ich nichts mehr, als dass das Wohlwollen zwischen uns gewahrt bleibe und wir umso munterer, ehrlicher und eifriger fortfahren, uns gegenseitig zu helfen. Lebwohl, trefflicher Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir, er leite dich und segne dein Wirken. Meine Kollegen lassen dich vielmals grüßen.

Genf, 15. Oktober 1554
Dein
Johannes Calvin.