28.3.1531
Gnad und Friede in Christo. Ich habe gehöret von der Prahlerey Eurer Michaelisten, die es allenthalben aussprengen, wir hätten uns mit den Zwinglianern vereiniget, so daß nun der Ruf gehet, wir hätten gar ihre Meinung ergriffen. Allein Ihr und eure Collegen, mein lieber Rauve, könnet mir sicherlich glauben, daß wir nicht Nagel breits von unserer Lehre wichen; sondern die Sache verhält sich so: Martin Bucer bestrebt sich, und so viel ich den Worten glauben darf, mit vieler Aufrichtigkeit, mit uns einstimmig zu denken und zu lehren. Ich bin daher, was meine Person betrift, voll guter Hoffnung, daß wenigstens er umlenken werde. Von den andern kann ich mir nichts gewisses versprechen. Doch wollt ich, daß, wenn ihnen die Vereinigung wirklich am Herzen liegt, gerne mit ihnen Nachsicht haben, vielleicht daß wir sie nach und nach gewinnen, wenn wir ihre Auslegungsart auf einige Zeit tolerirten, doch unserer Sentenze, die wir bisher vertheidigten, unbeschadet. Dieses scheinet die christliche Liebe zu heischen. Meinen sie es nicht aufrichtig, so wird denn doch die Sache selbst für uns gegen sie schreien und stehen bleiben. Lasset Euch also mit unsern Brüdern nicht irre machen, sondern bleibet beharrlich, wie Ihr es ohnehin thut, ohne daß Euch die lügenhaften Prahlereyen dieser Fabelhanse wankend zu machen vermögen. Ich lasse dem Herrn D. Stephan und alle unsere Brüder freundlich grüssen. Gegeben zu Wittenberg, Dinstags nach Judica. 1531. M. Veit Dieterich, der diesen Brief schrieb, grüsset Euch gleichfalls.
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.