Brief der evangelischen Italiener an Hans von Planitz (Fragmente)

„Ist die Sache, wie wir gerne glauben wollen, wahr, so erstatten wir Euch Allen den besten Dank, Euch selbst, weil Ihr Euch bemüht, in dieses Land Babels zu kommen, Eurem Deutschland, weil es eine Kirchenversammlung fordert, und ganz besonders Eurem evangelischen Fürsten, der das Evangelium und den wahren Glauben so eifrig verteidigt. Denn nicht zufrieden, seinen Sachsen und Deutschen Christi Gnade und Wahrheit wieder gegeben zu haben, bestrebt er sich, dasselbe Glück auch England, Frankreich, Italien, Spanien und anderen Ländern zu verschaffen. Wir sind vollkommen überzeugt, dass Euch für Euch selbst gar wenig daran liege, ob die Kirchenversammlung berufen werde oder nicht. Wir sahen ja schon, dass Ihr als edle und treue Christen das tyrannische Joch des Antichrists abgeschüttelt habt. Eure Rechte und heiligen Privilegien auf das freie Königreich Christi habt Ihr gesichert. Demnach könnet Ihr, wo und wie es Euch gefällig ist, öffentlich lesen, schreiben und predigen, die Geister der Propheten hören und sie beurteilen der apostolischen Regel gemäß. Wir Wissen auch, dass Ihr, weit entfernt über die gehässige Anklage der Ketzerei Euch zu ärgern und zu betrüben, vielmehr Euch glücklich schätzen und Euch freuen würdet, wenn Ihr von Allen zuerst für den Namen Jesu Christi Tadel, Schmach, Einkerkerung, Feuer und Schwert erdulden müsstet. Hieraus erkennen wir deutlich, dass Eure Forderung einer Kirchenversammlung keineswegs einen einseitigen Vorteil für Deutschland bezweckt, sondern, dass Ihr, getreu dem Rat der Apostel, das Interesse und Heil anderer Völker im Auge habt. Daher bekennen sich auch alle Christen Euch zu wahrem Dank verpflichtet, und, namentlich wir Italiener, indem wir als nächste Nachbarn des Mittelpunktes der Tyrannei das Glück Eurer Befreiung beneiden müssen, obgleich wir den Tyrannen selbst von Herzen lieben.“

„Dieses kann Euch wohl nicht missglücken, indem Se. Majestät genau weiß, dass die frömmsten, gelehrtesten und berühmtessten Männer ganz Italiens und besonders Roms sehnlichst ein solches Konzil herbeiwünschen. Wir sind ferner vollkommen überzeugt, dass diese Männer, sobald sie den Zweck Eurer Sendung erfahren, Euch freudig entgegenkommen werden.“

„Endlich hoffen wir, dass man es als sehr vernünftig und der Anordnung der Apostel und Kirchenväter gemäß finden wird, dass man den Christen die Freiheit gewähre, ihre Glaubensbekenntnisse gegenseitig zu prüfen, weil die Gerechten nicht durch die Werke Anderer, sondern durch ihren eigenen Glauben leben, sonst würde der Glaube nicht mehr Glaube sein, noch die Überzeugung, die durch Gottes Geist in unseren Herzen gewirkt wird, Überzeugung genannt werden können, sondern es wäre vielmehr ein gewaltsam auferlegter Zwang, der, wie jeder einsieht, durchaus nichts zur Seligmachung beitragen oder nützen kann. Allein, wenn die Bosheit des Satans noch immer fortwüten sollte, diese Wohltat uns vorzuenthalten, so wird man doch mindestens den Geistlichen und Laien gestatten, Bibeln zu kaufen, ohne gleich der Ketzerei beschuldigt, oder die Aussprüche Christi und des heiligen Pauli anzuführen, ohne gleich mit dem Schimpfnamen Lutheraner beschwert zu werden. Leider haben wir genug Beispiele eines solchen abscheulichen Verfahrens, und wenn dieses nicht ein Zeichen der Herrschaft des Antichrists ist, was ist es denn anders, wenn man sich den Vorschriften der Gnade und der Lehre, dem Frieden und der Freiheit Christi so offenbar widersetzt, sie mit Füßen tritt und verdammt?“

Luther an Hans von der Planiz, kursächsischen Gesandten beim Reichsregiment in Nürnberg.

Wittenberg, 4. Februar 1525

Gnade und Friede in Christo, Gestrenger Herr und Freund! Ich hab eu. Gnaden Schrift, Herrn Johann Gülden betreffend, sampt der freundlichen ERmahnung meines harten Schreibens, fröhlich empfangen, und bedank mich gegen E. G. beide der Gunst und Freundschaft, von mir unverdienet.

Doch will ich E. Gn. guter Meinung nicht verhalten, daß ich hoff, mein Schreiben soll Niemand zu Schaden kommen. Und ob Herzog Georg meinen gnädigsten Herrn, unbeklagt und unbeschüldiget, würde antasten, bin ich der Zuversicht, mein Herr Christus osoll ihm wehren. Wird er aber beklagt, so kann er je reichlich bewähren, daß S. K. F. G. mir allzeit wider gewesen ist in solchem harten Schreiben, oft mir auch lassen wehren, und einen großen Mißfallen darinnen gehabt, daß mirs alles wohl bewußt gewesen. Auch hab ich Herzog Georgen noch nirgend so angetastet, als den Papst, Bischoffe und König von Engelland, darzu gar tief mich ihm unterworfen und erboten, daß mich dunkt, ich hab sein fast zu viel verschonet. Denn ich einem solchen tobenden Tyrannen längst hättte sollen baß in die Wollen greifen. Ich weiß auch wohl, daß meine Scjhriften allesampt der Art gewest sind, daß sie zuerst angesehen gewest, als seien sie aus dem Teufel, und man besorgte, der Himmel würde balde fallen; aber hernach ists bad anders worden. Es ist itzt ein ander Zeit, daß man die großen Häupter, vorhin ungewohnet, antastet; und was Gott im Sinn hat, wird man sehen zu seiner Zeit.

Nicht daß ich mich damit entschüldige, als sei nichts Menschlichs an mir; sondern daß ich mich deß rühmen kann mit St. Paulo, ob ich gleich zu hart bin, daß ich dennoch je die Wahrheit gesagt habe, und mir Niemand kann Schuld geben, daß ich geheuchelt hab. Soll ich je einen Feihl haben, so ists mirs lieber, daß ich zu hart rede, und die Wahrheit zu unvernünftig herausstoße, denn daß ich irgend einmal heuchelt und die Wahrheit inne behielt. Verdreuße es aber die großen Herrn, mein frei hartes Schreiben, so lassen sie mein Lehre unverworren, und warten des Ihren; ich thue ihnen kein Unrecht. Sündige ich was daran, das sollen nicht sie, denn ich nur recht thue, sondern Gott allein vergeben.

Das wollt Eu. Gn. in aller treuer Freundschaft aufnehmen, und guter Zuversicht sein, daß Christus auch seiner Feinde Herr ist, und kann uns halten, das er uns zugesagt hat, wenn wir bitten: daß ohne Zweifel nicht soll Noth haben fur den Brandschwänzen Syria und Samiaä. Hiermit Gott befohlen. Mittwoch nach Purificationis, Anno Domini 1525

Martinus Luther.

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