Luther, Martin – An Andreas Osiander.

Gnade und Friede in Christo, der unser Trost ist, ja der ganz unser ist und wir seiner, wie Paulus sagt: „Wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn.“ Wir haben vernommen, mein lieber und bester Osiander, wie ihr wiederum von Kreuz seid heimgesucht worden und von zwiefachem Kreuz, durch den Tod eurer lieben Frau und eures liebsten Töchterleins. Auch ich weiß von meinem liebsten Kind und weiß es nur allzugut, daß euch solcher Tod muß eine ganz besondere Traurigkeit sein. Wunder wie sehr mich der Tod meines Lenchens schmerzt, daß ich ihn noch nicht vergessen kann. Und doch weiß ich, daß sie gewißlich am Ort der Erlösung und des neuen Lebens ist, und daß mir Gott gerade in ihr ein rechtes Zeichen seiner Liebe gegeben, der mein Fleisch noch bei meinem Leben an sein Vaterherz genommen hat. Aber das ist jene natürliche Liebe, die wie ihr wißt wohl gut und menschlich ist, aber doch gekreuzigt werden muß mit uns, damit sein guter, gnädiger, Gott wohlgefälliger Wille geschehe. Darum ja auch sein lieber Sohn, durch den und um deßwillen alle Dinge sind, hat sein Leben lassen und sterben wollen, ohn seine Notb noch Zwang. Dieß schreibe ich, um zu bezeugen, wie ich auch glaube, daß ihr recht glaubt, daß wir Theilhaber sind an diesen Heimsuchungen. wie euch Gott auch zu einem wahrhaftigen und treuen Theilnehmer gemacht hat unsres Glaubens und unsrer Lehre. So werdet ihr diesen euren Isaak zum Brandopfer opfern, zu einem angenehmen Geruch dem Herrn, nicht eure Tochter noch euer Weib, denn diese leben und sind heil worden im Herrn, sondern jene natürliche starke und bittere Liebe, die in uns nur allzu lebendig ist. Gott bedarf solcher Brandopfer, aber zu unserm Trost. Doch was lehre ich euch, der ihr das Alles besser wißt auch ohne mich. Gehabt euch wohl und glaubt, daß wir euch lieb haben. Am 3. Juni 1545.

Euer Martin Luther

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther an Andreas Osiander

13.5.1531

An Herrn Andreas Osiander, Prediger zu Nürnberg.

Gnad und Friede im Herrn. Auf die Frage wegen der Taufe derjenigen Kinder, die noch nicht den Mutterleib verlassen haben, ertheil ich Euch, bester Osiander, meine Antwort, ohne Eurer Meinung vorzugreifen. Ich hab es unsern Weibern durchaus untersagt, ungebohrne Kin der zu taufen. Denn einige hatten im Brauche, da kaum noch des Kindes Scheitel recht hervorkam, so gleich diese Handlung vorzunehmen. Allein warum nehmen sie sie nicht gar über der Mutter Bauch vor, oder taufen gar diesen, und halten so dann die Frucht drinnen mitgetauft? Sie sollen vielmehr, wie ich verordnete, der Gebährenden mit Gebeten beystehen. Allein die Nothtaufe eines schwächlichen Kindes, die von den Wehemüttern ertheilet wird, halt ich für gültig. Doch ist das Kind in die Kirche zu tragen, und öffentlich einzusegnen, dadurch jene Nothtaufe durch Auflegung der Hände des Priesters gutgeheissen und gleichsam durch dieses Zeugniß der KKirche bestätiget wird. Hingegen die Bedingungsweise ertheilte Taufe eines wirklich gebohrnen Kindes, da man zweifelt, ob sie wirklich vorgenommen worden sey, kann ich nicht anders als verwerfen. Ganz was anderes ist es, wenn die Wirklichkeit nicht bezweifelt wird. Ich muß mich kurz fassen; denn ich habe heftige Kopfschmerzen und Zittern an den Händen. Betet für mich, und gehabt Euch wohl in Jesu Christo immerdar. Schriebs den 13. May im Jahr 1531.

Euer
Martin Luther.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.