Luther an Andreas Osiander

13.5.1531

An Herrn Andreas Osiander, Prediger zu Nürnberg.

Gnad und Friede im Herrn. Auf die Frage wegen der Taufe derjenigen Kinder, die noch nicht den Mutterleib verlassen haben, ertheil ich Euch, bester Osiander, meine Antwort, ohne Eurer Meinung vorzugreifen. Ich hab es unsern Weibern durchaus untersagt, ungebohrne Kin der zu taufen. Denn einige hatten im Brauche, da kaum noch des Kindes Scheitel recht hervorkam, so gleich diese Handlung vorzunehmen. Allein warum nehmen sie sie nicht gar über der Mutter Bauch vor, oder taufen gar diesen, und halten so dann die Frucht drinnen mitgetauft? Sie sollen vielmehr, wie ich verordnete, der Gebährenden mit Gebeten beystehen. Allein die Nothtaufe eines schwächlichen Kindes, die von den Wehemüttern ertheilet wird, halt ich für gültig. Doch ist das Kind in die Kirche zu tragen, und öffentlich einzusegnen, dadurch jene Nothtaufe durch Auflegung der Hände des Priesters gutgeheissen und gleichsam durch dieses Zeugniß der KKirche bestätiget wird. Hingegen die Bedingungsweise ertheilte Taufe eines wirklich gebohrnen Kindes, da man zweifelt, ob sie wirklich vorgenommen worden sey, kann ich nicht anders als verwerfen. Ganz was anderes ist es, wenn die Wirklichkeit nicht bezweifelt wird. Ich muß mich kurz fassen; denn ich habe heftige Kopfschmerzen und Zittern an den Händen. Betet für mich, und gehabt Euch wohl in Jesu Christo immerdar. Schriebs den 13. May im Jahr 1531.

Euer
Martin Luther.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.